Hitlers Lieblingsbildhauer: Schweriner Ausstellung zeigt Arno Brekers Werke

In Schwerin präsentiert die Ausstellung "Zur Diskussion gestellt: Der Bildhauer Arno Breker" erstmalig seit dem zweiten Weltkrieg umfassend die Werke von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker (1900-91).

Wer einigermaßen im Hitlerfaschismus, seinem öffentlichen Erscheinungsbild, seinen bevorzugten Kunstformen und seiner Propaganda bewandert ist, wird mit Brekers Skulpturen vertraut sein. Von den frühen dreißiger Jahren an unterhielt Breker die engsten Beziehungen zur Nazi-Elite und spielte bei der Entwicklung einer faschistischen "Ästhetik" eine entscheidende Rolle.

Seine bombastischen Skulpturen muskulöser deutscher Krieger und Athleten dominierten viele öffentliche Gebäude im Dritten Reich, wie zum Beispiel die Reichskanzlei. Heute noch sind seine Plastiken am Eingang des Olympiastadions in Berlin zu sehen, das vor kurzem für die Fußballweltmeisterschaft renoviert wurde.

In einem geeigneten Rahmen und ernsthaft präsentiert, könnte eine Ausstellung nationalsozialistischer Kunst und Skulptur aufzeigen, wie ein größerer Kreis von Künstlern, auch große Persönlichkeiten, der verheerenden Ideologie des Faschismus erlagen und eine wichtige Rolle dabei spielten, eine Fassade für die Öffentlichkeit zu schaffen, hinter der das Regime seine Verbrechen verbergen konnte.

Leider fehlt im Schleswig-Holstein-Haus eine Herangehensweise, die Brekers Entwicklung vor einem umfassenden gesellschaftlichen und politischen Hintergrund zeigt. Stattdessen präsentiert die Ausstellung siebzig Skulpturen von Breker aus verschiedenen Perioden seiner Karriere in chronologischer Folge, vermeidet es jedoch, die Gründe zu hinterfragen, warum Breker dem Faschismus huldigte. Stattdessen werden wir zu einer Auffassung gedrängt, die die Betonung auf die "Widersprüchlichkeit" des Künstlers legt. Kurze Texte neben den ausgestellten Skulpturen geben knappe Erläuterungen, die meist in der Form "einerseits - andrerseits" gehalten sind. Auf der einen Seite ist es wahr, dass Breker eng mit der nationalsozialistischen Elite zusammenarbeitet, auf der anderen hatte er auch jüdische Freunde, etc. etc.

Ein Abschnitt im Katalog der Schweriner Ausstellung befasst sich mit den Beziehungen Brekers zum Dritten Reich. Er kommt im Wesentlichen zum Schluss, dass seine Unterordnung unter das nationalsozialistische Regime aus verschiedenen Charakterschwächen zu erklären sei; hinzu komme noch der Opportunismus eines politisch naiven Künstlers. Gleichzeitig benutzt der Katalog Reaktionen auf eine Ausstellung von 2002 in Leeds in Großbritannien, "Taking Positions: Untergang einer Tradition, Figürliche Bildhauerei und das Dritte Reich", um einer neuen Wertschätzung Brekers das Wort zu reden.

Die "Taking-Positions" - Ausstellung, die einige Breker-Skulpturen zeigte, vermied es, Brekers intensive Beziehung zur Nazi-Partei überhaupt zu erwähnen. Nicht einmal die Tatsache, dass er von 1937 an ein prominentes Mitglied der Partei war, wurde erwähnt. Dennoch nennt der Schweriner Katalog die Ausstellung in Leeds einen Durchbruch für Brekers Kunst und zitiert die amerikanische Kunstkritikerin Phyllis Tuchman, die Brekers Werk auf den Seiten von Art in America preist: "Diese Ausstellung von Bronzeplastiken von Arno Breker und neun seiner Zeitgenossen... füllte eine erhebliche Lücke in der Kunstgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts und verschaffte eine seltene Gelegenheit, die Verdienste dieser unheilvollen deutschen Periode zu würdigen.... Er erwies sich als Viersternetalent, wenn auch ein konservatives, das auf seinem Gebiet ebenso begabt war wie die Filmemacherin Leni Riefenstahl auf ihrem." (Art in America, Juli 2002)

Wer die Ausstellung in Schwerin betrachtet, hat unweigerlich den Eindruck, dass auch hier ein gewisser Versuch unternommen wird, diese "unheilvolle deutsche Periode", wie auch ihre "unheilvollen" Künstler wie Breker zu rehabilitieren und neu zu würdigen.

Die Karriere von Arno Breker ist gut dokumentiert, besonders von Jonathan Petropoulos in seinem hervorragenden Buch Der Faustische Pakt. Petropoulos macht deutlich, dass Brekers Karriere nichts mit dem "Ausnutzen von Lücken und Nischen" oder von "Widersprüchen" innerhalb des faschistischen Systems zu tun hatte. Im Gegenteil stellte er seine künstlerischen Talente ohne Zögern in den Dienst der Nazis. Der folgende Abriss von Brekers Laufbahn stützt sich auf das Buch und die Vorträge von Petropolous.

Arno Brekers Karriere

Geboren im Jahre 1900, reiste Breker 1927 als aufstrebender junger Künstler nach Frankreich und lebte dort bis 1932. In jenem Jahr gewann er den Rom-Preis der preußischen Kunstakademie, was ihm ein Stipendium in der italienischen Hauptstadt einbrachte. Während seines Aufenthalts in Rom traf er zum ersten Mal auf den späteren Propagandaminister der Nazis Joseph Goebbels, der auf einer Reise Anfang 1933 die deutsche Künstlerkolonie besuchte und, nach Brekers eigener Aussage, die Künstler ermutigte, "nach Deutschland zurückzukehren, wo sie eine große Zukunft erwarte".

Nach kurzen Besuchen in München und Berlin kehrte Breker 1933 nach Paris zurück, entschloss sich dann aber bald, nach Deutschland zu gehen. Inzwischen war Hitler an die Macht gekommen. Seine Verwandlung in einen offiziellen Nazibildhauer verlief schrittweise und nicht ohne Schwierigkeiten. Seine Inspiration gewann er vor allem aus der klassischen griechischen Bildhauerkunst. Ein Kritiker kommentierte: "Er glaubte, dass die daraus entstandenen Werke - massive Figuren, die nach zeitlosen hellenischen Beispielen aufgebaut waren - die ästhetische Ausdrucksweise im In- und im Ausland bestimmen würden."

Wegen der Ausmaße von Brekers Werken - einige seiner Figuren waren 30 Meter hoch - wurden massenhaft Zwangsarbeiter eingesetzt, um die gewaltigen Steine zu brechen, die für die Aufträge gebraucht wurden. Neben der "Monumentalisierung" seiner Figuren wurde von Breker auch eine Änderung seines Stils verlangt. Nach dem Krieg bemerkte Dr. Victor Dirksen vom Städtischen Museum in Wuppertal-Elberfeld: "Dass sein künstlerischer Stil nach 1933 eine Veränderung durchmachte, kann nicht bestritten werden. [...] Er wurde ein staatlicher Bildhauer." Er behielt einige Elemente seines Werks von vor 1933 bei - vor allem seine hellenischen und mystischen Motive - während er Monumentalität und geläufige politische Allegorien übernahm, um dem Geschmack des Regimes zu entsprechen.

Breker traf Hitler zum ersten Mal 1936, und im Februar 1938 schrieb er an den Architekten Emil Fahrenkamp, den Leiter der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf: "Gott sei Dank hatte ich das Glück, kürzlich wieder den Führer zu sehen und mit ihm zu sprechen." Breker trat 1937 der NSDAP bei und wurde ein "politischer Führer" - eine Stellung, die es ihm erlaubte, offiziell die braune Naziuniform zu tragen. Als Ausdruck seiner Wertschätzung verlieh Hitler dem Künstler einen Mitgliedsausweis mit einer niedrigen Nummer.

Ab 1938 arbeitete er eng mit dem Naziarchitekten Albert Speer zusammen. Speer versprach ihm völlige "künstlerische Freiheit". Seine ersten beiden Kreationen waren der Schwertträger, der von Hitler in Wehrmacht umbenannt wurde, und der Fackelträger, der den Namen Die Partei erhielt und die neue Reichskanzlei schmückte. Hiermit begann die enge Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Breker und Speer. Gemeinsam besuchten sie Hitler, der Breker ausdrücklich als seinen Lieblingsbildhauer bezeichnete.

Infolge der Aufträge, der Gehälter für seine verschiedenen Posten und der Geschenke von Hitler, Göring, Himmler und anderen Naziführern wurde Breker ein außerordentlich reicher Mann. Hitler teilte seinem inneren Kreis mit, dass Breker über ein Jahreseinkommen von mindestens einer Million Mark verfügen und Steuervorteile erhalten sollte, um das Einkommen des Bildhauers nicht zu schmälern.

Zweiundvierzig seiner Arbeiten wurden in den acht Ausstellungen "Große Deutsche Kunst" gezeigt, die jährlich in München stattfanden und auf denen das Regime die offiziell erlaubte Kunst präsentierte. Gleichzeitig war Breker der einzige deutsche Künstler, der eine Ausstellung in dem von den Nazis besetzten Frankreich hatte.

Als seine Arbeiten 1937 bei der Weltausstellung in Paris im deutschen Pavillon gezeigt wurden, weckten sie auch die Bewunderung Joseph Stalins, der den starken Wunsch äußerte, Breker zu engagieren. Das Angebot wurde 1946 noch einmal wiederholt, aber Breker hatte Bedenken. In einem Interview mit André Müller im Jahr 1979 erwähnte Breker den Vorfall: "Ich hatte eine Reihe von Angeboten aus dem Ausland. Als der Krieg aus war, habe ich sofort Einladungen von Peron, Franco und Stalin erhalten. Als mich Stalin verlangte, kam der amerikanische NATO-General persönlich nach Bayern, um mich nach Russland zu bringen."

Breker blieb schließlich in Deutschland und war bei Kriegsende einer der wenigen Nazibildhauer, die von einem Entnazifizierungsgericht verurteilt wurden. Er wurde allerdings als bloßer "Mitläufer" eingestuft, was ihm die Fortsetzung seiner Arbeit erlaubte. Er wurde zu 100 DM Strafe und zur Übernahme der Gerichtskosten verurteilt. Die Verfahrenskosten beliefen sich auf 33.179 DM - eine Summe, deren Zahlung Breker verweigerte.

Nach Darstellung der Entnazifizierungsbehörde war Breker mehr Opfer als Opportunist. Sie bemerkte, dass die Statuen Fackelträger und Schwertträger von Hitler umbenannt worden waren und dadurch eine politische Bedeutung erhielten, die der Künstler nicht beabsichtigt habe. Das erstaunliche Urteil der Richter basierte auf der Annahme, dass Breker versucht hätte, sich gewissenhaft und anständig zu benehmen, obwohl ihm die Naziführer dies schwer gemacht hätten. Das Gericht erklärte, dass es ihm "im Rahmen seiner Möglichkeiten gelungen war, der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu widerstehen".

Nach dem Krieg bereute Breker sein Verhalten nicht und verkehrte weiterhin mit ehemaligen Nazigrößen. Seine Kontakte zu Kollegen aus dem Dritten Reich waren für ihn in der Nachkriegsperiode sehr vorteilhaft, und er konnte eine führende Rolle in deutschen Künstlerkreisen spielen. Er wurde von den Architekten Friedrich Tamms und Rudolf Wolters beauftragt, Skulpturen für Gebäude in Düsseldorf zu gestalten, und zu Beginn der 1950er Jahre wurde er zum Chefarchitekten des Gerling-Konzerns ernannt.

Im Jahre 1954 beschrieb ein Kritiker Breker als "offiziell verachtet, inoffiziell voll beschäftigt". Seine schmeichelhaften Skulpturen hatten einen solchen Erfolg, dass er allmählich zum gefragtesten Porträtisten der Nachkriegszeit wurde. Die Schweriner Ausstellung enthält Breker-Büsten von zwei deutschen Nachkriegskanzlern, Ludwig Erhard und Konrad Adenauer, sowie von dem rechten Buchautor Ernst Jünger und dem Künstler Salvador Dali, der sich seinerseits ebenfalls mit dem faschistischen Regime von General Franco in Spanien arrangiert hatte.

Eine genauere Erforschung von Brekers Karriere wurde zusätzlich durch die Weigerung seiner Witwe erschwert, die vielen Dokumente, Notizen und Unterlagen, die sich in ihrem Besitz befanden, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber Breker unterhielt bis zu seinem Tod Verbindungen mit rechtsextremen Organisationen. Vor kurzem brachte der Stern ans Licht, dass Breker den Goldenen Ehrenring des Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes erhalten hatte, einer Organisation, die in den 1950er Jahren von ehemaligen SA- und NSDAP-Funktionären zur Förderung des Wirkens ehemaliger führender Nazis im Nachkriegsdeutschland gegründet worden war. 1980 nahm Breker die "Ulrich-von-Hutten-Medaille" der "Gesellschaft für freie Publizistik" entgegen, einer weiteren kulturpolitischen Organisation, die von ehemaligen führenden NSDAP- und SS-Funktionären ins Leben gerufen worden war. Nach Brekers Tod erschien ein Nachruf in der Zeitschrift Die Bauernschaft, die von Thies Christopherson herausgegeben wurde, einem früheren SS-Sonderoffizier in Auschwitz-Birkenau.

Die Ausstellung in Schwerin

In Schwerin ist die Breker-Ausstellung in einem Gebäude, dem Schleswig-Holstein-Haus, untergebracht, das durch niedrige Decken die Möglichkeit ausschließt, die außergewöhnlichsten und bombastischsten Werke Brekers zu zeigen, die im Dritten Reich der offiziellen Zurschaustellung dienten.

Wenn man den ersten Ausstellungsraum betritt, begegnet man einigen der frühen Werke Brekers. Der Künstler hat seine eigene kleine Nachbildung von Michelangelos Pietà geschaffen. Ein weiteres Stück aus dieser Periode ist die kleine Skulptur Großes Leid (1930), die eine Frau in Trauer darstellt, den Kopf nach hinten geworfen. Die Figur fällt durch ihre Betonung des Körperlichen, die muskulösen Arme und Schultern auf, aber die Gesichtszüge drücken wenig echte Trauer aus. Selbst in diesem relativ frühen Stadium fällt ins Auge, dass Breker sich auf das rein Körperliche seiner Figuren konzentriert und jedem Versuch aus dem Weg geht, die inneren Vorgänge seines Gegenstands zu erforschen und zum Ausdruck zu bringen.

Im Interview von 1979 sprach Breker über einige, die sein Werk beeinflusst haben: "Der Ursprung meiner Plastik ist die Schönheit des menschlichen Körpers. Mein Menschenbild ist immer ein intaktes gewesen. Ich komme aus einer äußerst gesunden, mütterlicherseits stark christlich geprägten Familie." Er fuhr fort: "Ich habe festgestellt, dass der äußerlich vollendete Mensch auch innerlich schön ist. Ich habe diesen vollendeten Menschen ja in dem Zehnkämpfer Gustav Stührk zur Verfügung gehabt."

Die unmittelbare Assoziation zwischen der äußerlichen und der innerlichen Vollkommenheit und Schönheit - eine Assoziation, die jede wirkliche Untersuchung der Komplexität der menschlichen Natur von vorneherein ausschließt - ist ein wiederkehrendes Bild in Brekers Werk und ist in den Arbeiten, die er im Auftrag der Nationalsozialisten ausführte, sehr deutlich sichtbar.

Eins der bekanntesten Werke Brekers aus dieser Zeit ist sein Verwundeter. Das Original ist wegen seiner Größe nicht in Schwerin ausgestellt, aber eine kleinere Kopie der Skulptur und Photos des Originals von 1942 sind zu sehen. Die Originalskulptur zeigt eine überlebensgroße, muskulöse und nackte sitzende Figur, die ihren Kopf in der Beuge eines auf das Knie gestützten Armes birgt.

Breker hat sich ganz der Aufgabe gewidmet, jene Art von übernatürlich entwickelten und intellektuell nichts sagenden Figuren herzustellen, die Hitlers Entourage so gefielen. Es sind gedankenlose Körper, die nach Bedarf in die Schlacht geschickt werden können. Ein näherer Blick auf die Statue zeigt, dass der physische Zustand der Figur völlig im Gegensatz zum Titel des Werks steht. Die Skulptur zeigt keine Spur von Wunden, weder körperliche noch seelische. Die Muskeln des Mannes sind gespannt. Die linke Hand der Figur ist angespannt und hängt wie eine Klaue herunter. Dies ist kein verwundeter Mann, physisch geschwächt und nachdenklich, der seine Kraft zurückgewinnen möchte und vielleicht über die Gründe für seine Verletzung nachsinnt. Brekers Verwundeter ist wie eine Sprungfeder; ein Krieger, der darauf wartet, loszustürzen und Rache zu nehmen. (Dies war auch, durchaus passend, eine Lieblingsfigur des amerikanischen Popkünstlers Andy Warhol.)

Verwundeter ist ein kühles, bombastisches Werk, eine Karikatur des griechischen Ideals. Man muss lediglich Brekers Werk mit den Arbeiten von Rodin zu ähnlichen Themen vergleichen. Die Plastiken des letzteren zeigen - verkörpern tatsächlich - den Prozess eines immensen geistigen und moralischen Kampfes. Brekers Werk verrät Selbsttäuschung und Größenwahn. Jeder Muskel ist unproportional aufgebläht, und doch gibt es keinen Hinweis auf einen inneren Konflikt oder Aufruhr. Die Stirn des Mannes hat keine Falten. Er ist die Fantasie des Kleinbürgers, der sich selbst als Übermensch sieht. Es ist ein jämmerliches Werk, ein Stück Kitsch.

Weitere Werke, die in Schwerin ausgestellt sind - Kameraden (1939/40), Rosseführer (1940), Der Bannerträger (1942), Zerstörung (1943) - nehmen die Grundzüge des Verwundeten auf und entwickeln sie weiter. Jede wirkliche Persönlichkeit des Objekts wird aus den Skulpturen und Reliefs verbannt, auf denen Breker immer stärker das Wesen des arischen Übermenschen mit hellenischen Zügen entwickelt, wie Hitler das haben wollte - die helle, makellose Haut, lockiges Haar, der Körper "hart wie Kruppstahl", der autokratische, erbarmungslose, unverwandte Ausdruck.

Die Annahme wäre grundfalsch, Breker habe von seinen Nazi-Auftraggebern präzise Anweisungen erhalten. Die Fantasie, die für die Schaffung derart verlogener Figuren nötig war, kam von Breker selbst. Seine Statuen wiesen sogar etliche physische Verzerrungen auf, die mit seiner eigenen Auffassung von arischer Schönheit korrespondierten. Als er 1979 gefragt wurde: "Hat Hitler Sie zur Eile getrieben?", antwortete Breker: "Nein, nie. Er hat nie gedrängt und mir nie irgendwelche Vorschriften gemacht. Alles, was ich gemacht habe, habe ich in voller Freiheit und eigener Verantwortung gemacht."

In den 1940er Jahren erfuhr Brekers Werk eine interessante Entwicklung. Als der Krieg weiterging und sich das Glück von Nazi-Deutschland zu wenden begann - besonders nach der Niederlage von Stalingrad - veränderten sich seine Statuen. Mitleid, Bedauern, Zweifel - solche Gefühle finden sich in Brekers Oeuvre niemals. Stattdessen erleben wir, wie die ungeduldigen, harten, roboterhaften Blicke seiner männlichen Skulpturen der Kriegsanfangszeit sich in höhnisch grinsende, grausame Gesichter voller Wut und Rachsucht verwandeln. Brekers Relief Rache zum Beispiel wurde auf der Titelseite des Völkischen Beobachters abgedruckt, als dieser über die Niederlage der deutschen Armeen in Stalingrad berichtete und die Deutschen zum Weiterkämpfen aufrief.

Gegen Ende der Ausstellung werden eine Reihe von Brekers Nachkriegsbüsten gezeigt, die Politiker wie den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat, die Kanzler Erhard und Adenauer, Ernst Jünger, Salvador Dali und Cocteau darstellen. Die Büsten sind exakte Reproduktionen ihrer Originale und geben Zeugnis von Brekers gründlicher Handwerkskunst. Aber auf ihren Gesichtern ist keine tiefere Emotionalität zu erkennen. Brekers Maxime - weder Schwäche noch Zweifel zu zeigen - ist auch hier wirksam, genau wie bei seinen Auftragsarbeiten für Hitler, Goebbels und Göring. Brekers Büsten haben mehr mit Totenmasken als mit der Darstellung lebendiger Menschen zu tun.

Ein bedauerlicher Mangel der Schweriner Ausstellung besteht darin, dass sie den eigentlichen Gegensatz zu Brekers Werk nicht darstellt oder wenigstens erwähnt. Gemeint ist die von den Nazis so genannte "entartete Kunst", d.h. der größte Teil der herausragenden, im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland und dem übrigen Europa entstandenen Kunstwerke von Picasso, Ernst, Dix, Klee, Kirchner, Marc und vielen andern Künstlern.

Mit der schnellen Verbreitung von Brekers Werken in Deutschland und seinem Aufstieg zum Lieblingsbildhauer des Nationalsozialismus’ ging die härteste Kunstzensur der modernen Geschichte einher. Hitler persönlich führte die Aufsicht über die Ausstellung " Entartete Kunst", die 1937 gezeigt wurde und praktisch allen vorherrschenden Schulen der modernen europäischen Kunst den Krieg erklärte.

Hitler und sein Propagandachef Goebbels waren sich sehr bewusst darüber, dass sie nicht nur Filme, sondern auch die Architektur und die Schönen Künste manipulieren mussten, um ihren politischen und militärischen Plänen Nachdruck zu verleihen. Breker, der zu Beginn seiner Karriere ebenfalls von einem fanatischen Nazi als entarteter Künstler bezeichnet worden war, sagte einmal in den frühen 1930er Jahren: "[Hitler] sagte zu mir, es sei meine Pflicht, entartete Künstler loszuwerden, und ich solle der Vermittler zwischen der Regierung und den Künstlern sein."

Für Hitler und seine Kulturberater bezeichnete das Adjektiv "entartet" all jene, Künstler oder Nicht-Künstler, die sozialistische oder bolschewistische Ideen hatten, so wie Juden, Schwarze und andere "minderwertige Rassen". So erklärte der Kunsthistoriker Walter Grasskamp: "Während die Karikaturisten [der Nazis] die Aufgabe hatten, ein negatives Bild der ‚minderwertigen‘ Rassen in Umlauf zu bringen, war die Kunst von Breker und Thorak dafür zuständig, das positive Bild einer nordischen Überrasse innerhalb des Schemas klassizistischer Darstellung zu liefern, zu perfektionieren und hervorzuheben. Die Stürmer-Karikatur und Brekers Bildhauerei können nicht voreinander getrennt werden. Sie wurden beide gleichermaßen und gleichzeitig gefördert, weil sie die rassistische Politik guthießen und illustrierten." (Grasskamp, Denazification of Nazi Art)

Wenige Jahre nach der Vertreibung der "Entarteten" aus der Welt der Kunst gingen die Nazis zur physischen Vernichtung der "Überflüssigen" und "Degenerierten" über, d.h. sie brachten geistig und körperlich Behinderte, Juden und Kommunisten um. Es ist unklar, wie weit Breker über solche Verbrechen Bescheid wusste (wenn es auch erwiesen ist, dass er Zwangsarbeiter in seinen Ateliers beschäftigte), doch die Tatsache bleibt bestehen, dass seine eigene Arbeit sich auf eine durch und durch verzerrte Vorstellung von Schönheit gründete, die dazu beitrug, die öffentliche Propagandafassade für solche Grausamkeiten zu schaffen.

Es ist schade, dass all diese Fragen zur Beziehung von Kunst und gesellschaftlicher und politischer Entwicklung in der neuen Breker-Show in Schwerin nicht angesprochen werden. In seinem Buch Old Dreams of the New Reich entwickelte Jost Hermand folgende Idee: "Nationalsozialistische Kunst ist somit nicht auf unproblematische Weise ‚schön‘, nicht bloß der perfekten Form und dem leeren Inhalt verpflichtet; sie ist auch unmittelbar brutal, eine Kunst basierend auf Überzeugungen, die, als sie realisiert wurden, ihren Weg buchstäblich mit Leichen pflasterten."

Siehe auch:
Verteidigung der nationalsozialistischen Ästhetik und Politik
(19. Januar 2002)
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