IG Metall würgt Streik in der Metall- und Elektroindustrie ab

Kurz vor der Einigung über eine Neuauflage der Großen Koalition hat die IG Metall den Tarifkampf in der Metall- und Elektroindustrie abgewürgt. In der Nacht zum Dienstag einigte sie sich im Pilotbezirk Baden-Württemberg mit dem Arbeitgeberverband auf einen Tarifvertrag, der weitere Streiks in den nächsten zwei Jahren ausschließt. Das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der Metallarbeiter und bedeutet einen deutlichen Reallohnverlust.

Der Abschluss belegt, dass es der IG Metall zu keinem Zeitpunkt darum ging, für ein Ende der Lohnkürzungen oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Sie wollte um jeden Preis verhindern, dass die angestaute Wut über sinkende Löhne und wachsenden Stress in den Betrieben zu einem Flächenstreik führt, der die Neuauflage der Großen Koalition gefährdet. Ihr wichtigstes Ziel war es, eine breite Mobilisierung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Aus ihrer Sicht dienten die eintägigen Warnstreiks, an denen sich in der letzten Woche eine halbe Million Arbeiter beteiligten, lediglich dazu, Dampf abzulassen. Sie hat absichtlich auf eine Urabstimmung verzichtet, weil sie dann auch über das Tarifergebnis hätte abstimmen lassen müssen. Nun können die Mitglieder nicht einmal ihre Meinung über den erbärmlichen Ausverkauf äußern.

Während etliche Großkonzerne in der Metall- und Elektroindustrie, wie Siemens, General Electric, Opel und Bombardier, Massenentlassungen planen und die Große Koalition einen Generalangriff auf die Rechte der Arbeiter vorbereitet, hat die Gewerkschaft den Arbeitern ein zweijähriges Streikverbot verordnet, indem sie einem Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 27 Monaten zugestimmt hat.

Mit dem Tarifabschluss nimmt die Gewerkschaft die nächste Runde des Sozialabbaus vorweg, die die Große Koalition vorbereitet, um ihre Aufrüstungspläne zu finanzieren und ihre Freunde in den Banken und Konzernen weiter zu bereichern. Sie hat auf die große Mobilisierung der vergangenen Wochen reagiert, indem sie die Reihen mit den GroKo-Parteien und den Unternehmen geschlossen hat. Obwohl die Auftragsbücher voll sind und die großen Konzerne der Branche Rekordprofite einfahren, hat sie die Kürzung der Reallöhne fortgeschrieben und die Arbeitszeit erhöht.

Der Tarifabschluss sieht die Erhöhung der Löhne um 4,3 Prozent ab April 2018 vor. Für die ersten drei Monate dieses Jahres gibt es nur eine Einmalzahlung von insgesamt einhundert Euro. Ab dem Jahr 2019 soll es dann jeweils im Juli ein „tarifliches Zusatzgeld“ geben, das sich aus 27,54 Prozent eines Monatsentgelts sowie einheitlichen 400 Euro zusammensetzt. Letztere können in wirtschaftlich schwierigen Zeiten allerdings verschoben, abgesenkt oder gar gestrichen werden. Zudem haben andere Tarifbezirke schon angekündigt, dass der Betrag dort generell noch geringer ausfallen könnte.

Ohne diese 400 Euro ergibt sich eine Steigerung über den gesamten Zeitraum von 6,6 Prozent, also 2,9 Prozent pro Jahr. Geht man allerdings vom realen Zuwachs des Lohnvolumens in den 27 Monaten aus und bricht sie auf eine Laufzeit von 12 Monaten herunter, ergibt sich je nach Gehaltsgruppe eine Erhöhung der durchschnittlichen Nominallöhne von 2,2 bis 2,3 Prozent pro Jahr. Rechnet man die unsicheren 400 Euro mit ein, könnten es in den untersten Gehaltsgruppen bis zu 2,5 Prozent sein.

Selbst die offizielle Inflationsrate wird für die Jahre 2018 und 2019 auf 1,7 bzw. 1,8 Prozent geschätzt. Die tatsächlichen Lebenshaltungskosten für Arbeiter steigen in der Regel noch sehr viel deutlicher, so dass der Abschluss einem Reallohnverlust gleichkommt.

Das Ergebnis liegt sogar unter dem Angebot, das die Arbeitgeber vor dem Streik in der letzten Woche gemacht hatten. Zu dem Zeitpunkt hatten sie 6,8 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten, also 3,0 Prozent pro Jahr angeboten. Die Gewerkschaft hatte ursprünglich sechs Prozent mehr Lohn für eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert, diese Forderung aber in den Verhandlungen schon auf 3,6 Prozent pro Jahr gesenkt.

Auch ihre ursprüngliche Forderung nach einer freiwilligen Arbeitszeitverkürzung bei teilweisem Lohnausgleich hat die IG Metall in ihr Gegenteil verkehrt. Zwar können Arbeiter ihre Wochenarbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 28 Stunden reduzieren, sie erhalten dafür aber keinerlei Lohnausgleich. Außerdem können die Unternehmen andere Arbeiter umgekehrt länger als die tariflich festgelegten 35 Stunden arbeiten lassen und die Verkürzung somit vollständig neutralisieren.

Die Unternehmen haben sogar noch zusätzliche Möglichkeiten erhalten, die Arbeitszeit zu erhöhen und die 35-Stundenwoche zu untergraben. So können sie bis zu 30 Prozent der Belegschaft länger arbeiten lassen, wenn sie einen „Fachkräftemangel“ nachweisen. Diese Quote steigt sogar auf 50 Prozent, wenn besonders viele Beschäftigte in einer hohen Entgeltgruppe eingeordnet sind.

Nur Arbeiter, die sich um kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern, können außerdem das „tarifliche Zusatzgeld“ in acht Urlaubstage umtauschen. Sie erhalten also nicht, wie ursprünglich gefordert, einen Lohnausgleich, sondern müssen auf einen Teil ihres Einkommens verzichten. Das geht aber pro Kind oder Pflegefall nur zwei Mal und betrifft nur sehr wenige Arbeiter. Unterm Strich haben Gewerkschaften und Arbeitgeber einer flexiblen Erhöhung der Wochenarbeitszeit den Weg geebnet.

Die IG Metall hat mit dem Abschluss unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie an der Seite der Großen Koalition steht. Lohnsenkungen und die Flexibilisierung der Arbeitszeit haben den Konzernen bereits Rekordprofite beschert und Deutschland zu einem der ungleichsten Länder Europas gemacht. Nur in Litauen klaffen die Vermögen noch weiter auseinander.

Die Große Koalition will diese Entwicklung nicht nur fortschreiben, sondern auf ganz Europa ausweiten und verschärfen. Gleichzeitig will sie die Europäische Union aus einem ökonomischen in ein Militärbündnis verwandeln, das massiv aufrüstet und, ähnlich wie die USA, auf der ganzen Welt Kriege führt, um seine imperialistischen Interessen zu verteidigen. Die Gewerkschaften haben sich mit dem Abschluss als Bündnispartner angeboten. Sie versprechen nicht nur, Streiks und Proteste zu unterdrücken, sondern organisieren die Lohnkürzungen selbst.

Kurz vor dem Abschluss hatte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann die Unterstützung der Gewerkschaften für eine Neuauflage der Großen Koalition in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe bekräftigt. „Nachdem sich die FDP bei den Jamaika-Verhandlungen in die Büsche geschlagen hat, kann nur die SPD für eine stabile Regierung sorgen. Sie muss sich der Verantwortung stellen“, forderte er.

Hoffmann verteidigte auch die unsoziale Regierungspolitik der letzten Legislaturperiode. Die SPD müsse anerkennen, „was sie in den vergangenen vier Jahren in der großen Koalition erreicht hat“, sagte er. Der DGB-Chef meint damit den sozialen Kahlschlag in Südeuropa ebenso wie die Politik der sozialen Angriffe in Deutschland, die zur größten sozialen Polarisierung seit hundert Jahren geführt hat.

Hoffmann ist sich völlig darüber im Klaren, dass diese Politik der Umverteilung von unten nach oben in der Arbeiterklasse auf breite Ablehnung trifft. Deshalb hat die große Koalition schon bei den letzten Wahlen 14 Prozent der Stimmen verloren. Hoffmann reagiert darauf, indem er ganz auf Wahlen verzichten und auf keinem Fall vorzeitige Neuwahlen zulassen will, weil sich die Wähler dann gegen die Parteien der großen Koalition aussprechen würden. „Es könnte sogar gar nicht erst für eine große Koalition reichen, weil die SPD noch weiter verliert“, erklärte der DGB-Vorsitzende.

Diese diktatorische Haltung drückt sich auch im Abschluss in der Metallindustrie aus. Gewerkschaften und Unternehmen arbeiten zusammen, um gegen die gewaltige Streikbereitschaft der Arbeiter Lohnsenkungen und Mehrarbeit durchzusetzen. Unter diesen Bedingungen gewinnt brennende Aktualität, was die Sozialistische Gleichheitspartei bereits zu Beginn des Streiks erklärte:

„Deshalb müssen die Streiks in der Metall- und Elektroindustrie ausgeweitet und mit der Mobilisierung für Neuwahlen verbunden werden. Das erfordert einen Bruch mit der IG Metall, die alles tut, um den Streik so schnell wie möglich abzuwürgen. Sie arbeitet nicht nur eng mit den Unternehmerverbänden zusammen, die meisten ihrer Funktionäre sind auch Mitglieder der SPD und unterstützen eine Neuauflage der Großen Koalition. Selbst Peter Hartz, der Urheber der Hartz-Gesetze, ist bis heute Mitglied der IG Metall und der SPD.

Um den Streik auszuweiten, müssen unabhängige Arbeiterkomitees aufgebaut werden, die den Arbeitskampf in die Hand nehmen und Kontakt zu Arbeitern in Europa und auf der ganzen Welt aufbauen. Die SGP und die World Socialist Web Site werden sie dabei unterstützen.“

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