Trotz Rekordergebnissen bei Umsatz und Gewinn hält Siemens am geplanten Abbau von 6900 Arbeitsplätzen fest. Darin ließ Konzern-Chef Joe Kaeser am Rande der Aktionärsversammlung, die am 31. Januar in München stattfand, keinen Zweifel.
Kaeser reagierte damit auch auf die zahlreichen Protestaktionen und Demonstrationen, mit denen sich Siemens-Beschäftigte in den letzten Wochen und Monaten gegen den angekündigten Arbeitsplatzabbau und die damit verbundenen Werksschließungen zur Wehr gesetzt hatten. Er machte klar, dass er sich dadurch nicht von seinen Plänen abbringen lassen werde.
Laut Süddeutscher Zeitung vom 1. Februar sagte er: „Man kann den Schwächeren nur helfen, wenn man selber stark ist.“ Er zitierte Siemens-Gründer Werner von Siemens: „Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht“, und fügte zynisch hinzu: „Aber auch nicht für den augenblicklichen Widerstand.“
Der Abbau konzentriert sich auf den Kraftwerksbereich Power & Gas (PG), wo 6100 Arbeitsplätze betroffen sind – 2500 in Deutschland, weitere 1100 in Europa und 1800 in den USA. Im Bereich Antriebstechnik Process Industries & Drives (PD) sollen weitere 760 Stellen wegfallen, der überwiegende Teil davon in Berlin.
Kaeser gab in München für das letzte Quartal 2017 einen Anstieg des Gewinns um 12 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, des Umsatzes um 3 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro und des Auftragseingangs um 14 Prozent auf 22,5 Milliarden Euro bekannt. Zu dem Gewinnanstieg trugen mit 655 Millionen Euro auch der Verkauf der restlichen Aktien, die Siemens an seiner ehemaligen Lichttechnik-Tochter Osram gehalten hatte, und die für das Unternehmen positiven Auswirkungen der US-Steuerreform bei, die dem Konzern eine Ersparnis von etwa 100 Millionen Euro pro Jahr bringt.
Im industriellen Geschäft war das Ergebnis allerdings um 14 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro gesunken und im Kraftwerksbereich hatte es sich halbiert. Hier sei also der Handlungsbedarf „sogar dringlicher geworden“, begründete Kaeser sein Festhalten am Arbeitsplatzabbau.
Ebenfalls zum Wachstum beigetragen hat die im letzten Jahr durchgeführte Fusion der Siemens-Windkraftsparte mit dem spanischen Windkraftanbieter Gamesa. Auch hier werden 6000 Arbeitsplätze in 24 Ländern vernichtet, wie Siemens-Gamesa Anfang November letzten Jahres ankündigte. Dadurch verliert mehr als jeder fünfte der insgesamt 26.000 Beschäftigten in den nächsten drei Jahren seinen Arbeitsplatz.
Siemens hat bei diesem Arbeitsplatzmassaker die volle Unterstützung der Gewerkschaften.
Janina Kugel, die Personalchefin von Siemens, gab am Rande der Aktionärsversammlung bekannt, dass bereits offizielle Gespräche mit Gewerkschaftsvertretern und Betriebsräten über die Einschnitte im Kraftwerksgeschäft aufgenommen worden seien. Sie zeigte sich zuversichtlich, gemeinsam mit ihnen Lösungen zu finden. Man befände sich jetzt in einem geordneten Prozess, der auf eine gute Einigung hoffen lasse.
In den Gesprächen mit den Betriebsräten und der IG Metall gehe es sowohl um die Planungen für die betroffenen Standorte als auch um den generellen Strukturwandel in der Industrie, sagte Kugel. „Erfreulicherweise verlaufen beide Sondierungen bisher sachlich und konstruktiv.“
Kugels Äußerungen machen klar, dass die bisherigen Behauptungen von IG Metall- und Betriebsräten, sie wollten nicht mit der Konzernleitung über Massenentlassungen und Werksschließungen verhandeln, reine Schau waren. Sie dienten dazu, angesichts der Wut und Militanz der Arbeiter, die in Görlitz, Erfurt, Leipzig, Offenbach, Mülheim/Ruhr und Berlin immer wieder auf die Straße gegangen sind, etwas Zeit zu gewinnen.
Viele Siemens-Beschäftigte hatten sich auch mit selbst gemalten Schildern an den Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie beteiligt, um die Mobilisierung von Hunderttausenden Arbeitern mit der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze zu verbinden.
Tatsächlich waren die gut bezahlten Betriebsräte und IG-Metall-Vertreter von Anfang an in die Abbaupläne des Konzernvorstands eingebunden. Sie suchen nach dem effektivsten Weg, den Arbeitsplatzabbau gegen den Widerstand der betroffenen Arbeiter und Angestellten durchzusetzen.
Jochen Wallisch, der bei Siemens für Tarif- und Personalpolitik zuständig ist, hat in einem Interview mit SiemensWelt, der Mitarbeiterzeitung von Siemens, in bemerkenswerter Offenheit erläutert, wie das Management, der Betriebsrat und die IG Metall Hand in Hand arbeiten.
„Zunächst einmal arbeitet das Unternehmen mit der gebotenen Sorgfalt die Pläne aus, wie es das Geschäft neu aufstellen will“, sagte er. „Dann stellen wir diese Pläne im Wirtschaftsausschuss der Siemens AG vor, und auf europäischer Ebene wird das Siemens Europe Committee (SEC) mit dessen Arbeitnehmervertretern informiert. Erst dann informieren wir die Mitarbeiter und danach die Öffentlichkeit. Diese Pläne sind die Grundlage für alle weiteren Gespräche. Wir loten im Dialog mit den Arbeitnehmervertretern aus, welche Lösung zum Tragen kommt und in welchem Zeitraum die vereinbarten Schritte umgesetzt werden.“
Wallisch berichtete dann, dass die Konzernführung sehr froh darüber sei, dass Betriebsrat und IG Metall sich nunmehr bereit erklärt hätten, „Sondierungsgespräche aufzunehmen, um in einem offenen Dialog nach gemeinsamen Lösungen zu suchen“.
Abschließend betonte der Manager: „Von daher werden wir alles daran setzen, die Sondierungsgespräche im Frühjahr abzuschließen und dann unverzüglich in die Beratungen einzutreten. Ziel ist, die Beratungen bis im Sommer mit einem Interessenausgleich erfolgreich zu beenden. Die Umsetzung der Maßnahmen soll dann schnellstmöglich erfolgen.“
Die Äußerungen des Managementvertreters unterstreichen, dass Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen nur gegen die IG Metall und den Betriebsrat verteidigt werden können. Dazu ist ein Bruch mit der Gewerkschaft und der Aufbau von Aktionskomitees erforderlich. Diese müssen Kontakt zu den Arbeitern in anderen Betrieben und Ländern aufbauen, um einen gemeinsamen Kampf gegen die Angriffe von Siemens zu organisieren.
Auch das lehnen IG Metall und Betriebsrat ab, die eine völlig nationalistische Politik vertreten.
Als Siemens-Chef Joe Kaeser kürzlich in Davos an der Seite von US-Präsident Donald Trump auftrat, kritisierten sie nicht dessen Lob für Trumps Steuerreform, die Reiche und Unternehmen – einschließlich Siemens – begünstigt. Sie griffen ihn an, weil er angekündigt hatte, eine neue Generation von Gasturbinen in den Werken in den USA zu entwickeln und zu produzieren, wo Siemens 50.000 Arbeiter beschäftigt und ein Viertel seines Umsatzes erzielt.
Der IG Metall-Bevollmächtigte von Berlin, Klaus Abel, nannte dies „unverantwortlich“ und eine Provokation. Die Vorstellung einer gemeinsamen, internationalen Verteidigung der Arbeitsplätze ist für die IG Metall-Funktionäre und Betriebsratsfürsten völlig abwegig.
Kaesers Sympathien für Trump sind kein Zufall. Der Siemens-Chef hat wiederholt seine Verachtung für demokratische Grundsätze und seine Vorliebe für starke Führungspersönlichkeiten und Diktatoren zur Schau gestellt.
Im Juli 2015 antwortete er im Bayerischen Fernsehen auf die Frage, was er von der Regierung erwarte, er wünsche sich „wieder mehr Staatsmänner und Staatfrauen und weniger Politiker“, da „Staatsmänner und Staatsfrauen das tun, was sie als richtig erkannt haben“, und es auch gegen Widerstand durchsetzten. „Politik ist mehrheitsgetrieben, und das ist nicht gut für unser Land.“
Im selben Interview lobte er den ägyptischen Diktator al-Sisi, mit dem er wenige Wochen vorher den größten Einzelauftrag in der fast 170-jährigen Firmengeschichte im Umfang von knapp 8 Milliarden Euro abgeschlossen hatte.