Den folgenden Text verteilt die Sozialistische Gleichheitspartei am 29. Juni auf der #Fairwandel-Demonstration der IG Metall in Berlin.
Unter dem Motto #Fairwandel ruft die IG Metall heute zu einer Großdemonstration in Berlin auf. Ihr Ziel: „Regierung und Unternehmen endlich zum Handeln bewegen. Damit der anstehende Umbau der Industrie gelingt – sozial, ökologisch und demokratisch.“
Diese Demonstration ist ein Betrug. Der IG Metall geht es nicht um Löhne und Arbeitsplätze, und auch nicht um Ökologie und Demokratie. Das würde einen Kampf gegen Regierung und Unternehmer erfordern, und nicht einen Appell an sie.
Die IG Metall will Regierung und Unternehmer überzeugen, dass der „Strukturwandel“ – d.h. der Abbau von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Arbeitshetze – nur mit ihr machbar ist. Dass nur sie mit ihrem Heer von 50.000 Betriebsräten und 80.000 Vertrauensleuten in den Betrieben für Ruhe sorgen und jeden Widerstand unterdrücken kann.
In viele Betrieben stehen die Zeichen auf Sturm. Ein Rationalisierungsprogramm jagt das nächste. Festarbeitsplätze werden durch Leiharbeit, Werkverträge und andere Billiglohnjobs ersetzt. Millionen Vollzeitbeschäftigte sind trotz Arbeit arm.
Diese Entwicklung ist international. Millionen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Erst vor zwei Tagen hat Ford den Abbau von 12.000 und BASF den Abbau von 6000 Arbeitsplätzen in Europa bekannt gegeben. Seit Beginn des Jahres hat General Motors 14.000, Volkswagen 7000, Jaguar 4500 und Tesla 3000 Entlassungen angekündigt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vom vergangenen Herbst gelangt zum Schluss, dass eine übereilte Umstellung der Produktion auf Elektromobilität in der deutschen Autoindustrie 600.000 Arbeitsplätze gefährden und einen Großteil der Zulieferer ruinieren würde. Aber auch ein Festhalten an den traditionellen Produktionsmethoden und das „Hinausschieben von Systeminnovationen“ hätten nicht weniger katastrophale Konsequenzen.
Das Problem dabei ist nicht die moderne Technik. Künstliche Intelligenz und Robotik können die Arbeit erleichtern und den Lebensstandard aller erhöhen. Das Problem ist die unersättliche Gier des Kapitals nach Profit. Allein im vergangenen Jahr ist das Vermögen sämtlicher Milliardäre der Welt laut Oxfam um 900 Milliarden Dollar oder 12 Prozent gestiegen. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, insgesamt 3,8 Milliarden Menschen, hat dagegen 11 Prozent ihres Vermögens verloren.
Es ist eine gigantische Finanzblase entstanden, die zu platzen droht, wenn sie nicht wie ein Moloch täglich mit dem Mehrwert gefüttert wird, der aus dem Schweiß und Blut der Arbeiter herausgepresst wird. Das ist der Grund für die endlosen sozialen Angriffe, die beschönigend als „Strukturwandel“ bezeichnet werden.
Als Ford am Donnerstag 12.000 Entlassungen ankündigte, jubelten die Börsen. Seit Anfang des Jahres ist der Aktienkurs des Weltkonzerns um 33 Prozent gestiegen. Während tausende Arbeiter entlassen werden, rechnen die Aktionäre auch in diesem Jahr mit Ausschüttungen von mehreren Milliarden Dollar.
Es gibt nur zwei mögliche Antworten auf diese Entwicklung.
Die erste Antwort ist die der Unternehmen, der Regierung und der IG Metall. Sie schließen die Reihen, um den „Standort Deutschland“ gegen seine internationalen Rivalen zu verteidigen.
Die Folgen dieser Antwort sind unausweichlich. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Ausbeutung erhöht, um Investoren anzulocken, die Profitrate gesteigert, und um als Standort „attraktiv“ zu bleiben, jeder Arbeitskampf unterdrückt werden. Das setzt bei Löhnen und Arbeitsplätzen eine Spirale nach unten in Gang, während die Profite nach oben schnellen und die Konten der Aktionäre – und der Gewerkschaftsbürokraten – immer fetter werden.
Bernd Osterloh, der Betriebsratsfürst von VW, verdient bis zu 750.000 Euro im Jahr. Er war tief beleidigt, als sein Gehalt wegen offensichtlicher Illegalität vorübergehend gekürzt wurde. Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück brachte es auf eine halbe Million jährlich.
Die IG Metall und ihre Betriebsräte begnügen sich nicht damit, die Arbeiter in den Betrieben ruhig zu halten. Sie arbeiten die Pläne für den Sozialabbau und die Entlassungen selbst aus. So präsentierte der Betriebsrat von VW vor drei Jahren ein sogenanntes „Zukunftspaket“, das den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen vorsieht. Opel Bochum, wo einmal 20.000 beschäftigt waren, wurde vor fünf Jahren mit der aktiven Unterstützung der IG Metall geschlossen. Auch Peter Hartz, der Erfinder von „Hartz IV“, besitzt das Mitgliedsbuch der IG Metall.
Die Konsequenzen der Politik der Standortverteidigung gehen aber noch weiter. Sie führen unweigerlich zu Handelskrieg und Krieg. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Großmächte wieder dabei, den Kampf um Absatzmärkte, Rohstoffe und Weltmacht gewaltsam auszufechten – auch mit Atomwaffen.
Die USA bereiten einen Krieg gegen China vor, das sie zum „strategischen Rivalen“ erklärt haben. Deutschland und Europa rüsten frenetisch auf. Der DGB, der in den 1950er Jahren noch gegen die Wiederbewaffnung protestiert und sich lange als Friedensorganisation verstanden hatte, hat eine Partnerschaft mit der Bundeswehr geschlossen.
Die zweite Antwort ist die der internationalen Arbeiterklasse.
Die Arbeiter stehen auf der ganzen Welt denselben multinationalen Konzernen und Finanzinteressen gegenüber. Deshalb dürfen sie sich nicht spalten lassen. Sie können ihre Rechte und Errungenschaften nur verteidigen, wenn sie ihre Kämpfe international koordinieren.
Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees. Diese müssen den Kampf gegen Werksschließungen, Entlassungen und Sozialabbau organisieren und Verbindungen zu den Beschäftigen anderer Standorte und Länder aufbauen.
Die objektiven Bedingungen für eine solche Offensive reifen schnell heran. Der Klassenkampf nimmt immer mehr internationale Formen an. Im mexikanischen Matamoros, nahe der US-Grenze, haben Zehntausende Beschäftigte der Autozulieferindustrie wochenlang für bessere Löhne gestreikt. Obwohl es sich um einen der größten und längsten Arbeitskämpfe der letzten Zeit handelte, haben ihn die deutschen Medien und die IG Metall totgeschwiegen – aus Angst vor Ansteckung. Dasselbe gilt für den Kampf der Maruti-Suzuki-Arbeiter in Indien, die deswegen zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Auch in der osteuropäischen Autoindustrie gab es in jüngster Zeit zahlreiche Arbeitskämpfe.
Der internationale Klassenkampf braucht eine sozialistische Strategie. Ohne die Macht der Finanzaristokratie zu brechen, kann kein einziges Problem gelöst werden. Erst die entschädigungslose Enteignung der Konzerne und Banken schafft die Voraussetzungen für eine demokratische Kontrolle über die Produktion. Erst dann ist es möglich, die Produktion planmäßig, im Interesse der Beschäftigen und der gesellschaftlichen Bedürfnisse zu entwickeln.
Zentraler Bestandteil eines sozialistischen Programms ist die Verteidigung demokratischer Rechte und der Widerstand gegen den Militarismus. Dabei spielt die Verteidigung von Julian Assange und Chelsea Manning eine zentrale Rolle, denen lebenslange Haft droht, weil sie Kriegsverbrechen enthüllt haben.
Die herrschende Klasse reagiert auf die Krise des Kapitalismus und die Verschärfung des Klassenkampfs auf der ganzen Welt mit einem scharfen Rechtsruck. Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Neonazi mit engen Verbindungen zu terroristischen Netzwerken, die tief in den Staatsapparat hinein reichen, zeigt, wie weit die Rückkehr faschistischer Strukturen bereits fortgeschritten ist.
Alle Teilnehmer der heutigen Demonstration, die wirklich gegen die Angriffe der Konzerne kämpfen wollen, laden wir ein, Kontakt zur Sozialistischen Gleichheitspartei aufzunehmen, die World Socialist Web Site zu lesen und ihren Autoworker Newsletter zu abonnieren. Wir geben jeden Tag eine Perspektive zu den wichtigsten politischen Ereignissen. Wir informieren Euch über die Kämpfe von Arbeitern auf der ganzen Welt. Wir helfen Euch, Aktionskomitees zu gründen und internationale Kontakte zu entwickeln. Und wir bauen die Vierte Internationale als internationale sozialistische Arbeiterpartei auf.