Griechische Regierung schränkt Demonstrationsrecht massiv ein

Am letzten Donnerstag haben in Athen und 40 weiteren griechischen Städten Tausende gegen einen drakonischen Gesetzentwurf demonstriert, der das Recht auf Demonstrationen stark einschränkt und an die Unterdrückung durch die faschistische Junta anknüpft, die das Land von 1967 bis 1974 regiert hat.

Viele trugen Transparente mit der Aufschrift „Hände weg von den Demonstrationen“. Der Marsch war friedlich, bis er das Parlamentsgebäude am Syntagma-Platz erreichte, wo gerade über den Gesetzentwurf debattiert wurde. Die Bereitschaftspolizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein, und es kam zu zahlreichen Fällen von Polizeigewalt gegen die Demonstranten. Das Internet-Nachrichtenportal pressproject.gr veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie eine Polizeiformation auf Motorrädern in eine Gruppe von Demonstranten fährt.

Der Gesetzentwurf wurde nach einer zweitägigen Debatte von 187 Abgeordneten der amtierenden konservativen Nea Dimokratia, der sozialdemokratischen Kinima Allagis (Bewegung für den Wandel, Kinal) und der rechtsextremen Elliniki Lysi (Griechische Lösung) angenommen.

Ein Demonstrant mit einem Brandsatz in der Hand tritt einen Tränengaskanister weg, den Bereitschaftspolizisten während einer Demonstration gegen das neue Protestgesetz in Athen am 9. Juli geworfen hatten. (AP Photo/Petros Giannakouris)

Als Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis den Gesetzentwurf einbrachte, erklärte er, das neue Gesetz solle „einen funktionierenden Rahmen“ schaffen. Er betonte, derzeit würden „50 Menschen jeden Tag ganz Athen lahmlegen, wenn ihnen danach ist“.

Diese Äußerung liegt auf der gleichen Linie wie die Medienpropaganda im Vorfeld der Abstimmung. Proteste wurden als schädlich für die Wirtschaftstätigkeit verurteilt, vor allem nach der Lockerung des Corona-Lockdowns im Mai. Der Athener Handelsverband beschwerte sich eine Woche vor Verabschiedung des Gesetzentwurfs in einer Stellungnahme: „Seit der Wiedereröffnung des Marktes im Mai gab es in Athen 80 Demonstrationen und Versammlungen, 53 davon seit Anfang Juni. Das Stadtzentrum von Athen wurde im Durchschnitt dreimal pro Werktag geschlossen. Das alles schafft Tag für Tag extrem ungünstige Bedingungen, in denen das Funktioniere der Stadt und des Marktes unmöglich wird.“

Nach dem neuen Gesetz müssen die Veranstalter von Demonstrationen „die örtliche Polizei oder Hafenbehörde“ im Voraus über geplante öffentliche Versammlungen informieren. Die Polizei oder die Behörden können Einschränkungen verhängen oder die Proteste sogar ganz verbieten, falls die öffentliche Sicherheit gefährdet ist oder „eine ernsthafte Gefahr besteht, dass das sozioökonomische Leben in einem bestimmten Gebiet beeinträchtigt wird“. Spontane Proteste sind faktisch verboten, da gegen „nicht genehmigte“ Proteste oder Veranstaltungen, bei denen die vorgeschriebenen Einschränkungen nicht eingehalten werden, vorgegangen werden kann.

Die Veranstalter müssen aktiv mit den Behörden zusammenarbeiten und die Demonstrationen überwachen, indem sie „mit der Polizei oder den Vertretern der Hafenbehörden kooperieren und sich an ihre Empfehlungen halten“. Sie müssen außerdem dafür sorgen, dass die Teilnehmer „keine Gegenstände mitbringen, die für Gewalttaten benutzt werden können“ und „das Eingreifen der relevanten Polizei- oder Hafenbehörde anfordern, um Personen mit solchen Gegenständen zu entfernen“. Sie müssen „eine ausreichende Zahl von Personen“ benennen, die „bei der Sicherung der Versammlung unterstützen können“.

Wer wegen des Versuchs verhaftet wird, den friedlichen Charakter der Demonstration zu gefährden, kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Die Veranstalter der Proteste werden außerdem für alle Verletzungen, Todesfälle oder Sachschäden haftbar gemacht, die von Teilnehmern verursacht werden.

Das Gesetz erinnert an das Dekret „bezüglich öffentlicher Versammlungen“, das die Militärjunta 1971 verabschiedet hatte. Dieses Dekret diente als scheinlegale Grundlage für die Unterdrückung des Studentenaufstands an der Polytechnischen Hochschule in Athen 1973.

Nach dem Fall der Junta 1974 wurde das Dekret nie formell außer Kraft gesetzt und stellte bisher die einzige gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Protesten dar. Es wurde argumentiert, dass es in der Praxis „inaktiv“ war, weil das Demonstrationsrecht durch Artikel 11 der Verfassung von 1975 geschützt ist. Dieser Artikel 11 erlaubt jedoch ausdrücklich das Verbot von Demonstrationen durch die Polizei aus den gleichen Gründen, die auch im neuen Gesetz festgelegt sind. Auf dieser Grundlage konnte der Minister für Bürgerschutz, Michalis Chrysochoidis, die Behauptung zurückweisen, das neue Gesetz gehe auf die Zeit der Junta zurück. Er erklärte: „Das Gesetz ist ein Versuch, das verfassungsmäßige Recht der Bürger auf Protest so zu festigen, dass die Versammlungsfreiheit gewährleistet ist. Wer glaubt, die Regierung würde auf einen rechtsextremen Weg geführt, täuscht sich.“

Der Inhalt des neuen Gesetzes widerlegt diese Behauptungen. Es erwähnt ausdrücklich das Dekret von 1971 und ein weiteres von 1972, die beide durch den Artikel 14 des neuen Gesetzes ersetzt werden. Das erlaubt es den Ministern, Dekrete zu erlassen, die „spezifische Fragen bei der Durchsetzung des [Gesetzes] regulieren“. Damit hat die Regierung die Möglichkeit, weitere repressive Maßnahmen zu verhängen, wenn die Umstände es erforderlich machen! Die Erwähnung des Dekrets von 1972, das geografische Zonen in griechischen Städten errichtete, in denen Demonstrationen grundsätzlich verboten waren, macht deutlich, welche repressiven Formen ein solches Dekret annehmen könnte.

Das Gesetz zielt drauf ab, einem massiven Aufleben des Klassenkampfs zuvorzukommen. Die Europäische Kommission veröffentlichte vor Kurzem einen Bericht, laut dem die griechische Wirtschaft im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um schätzungsweise 9,7 Prozent schrumpfen wird; die Arbeitslosigkeit soll auf fast 20 Prozent steigen.

Der Vorsitzende von Syriza (Koalition der Radikalen Linken) und ehemalige Ministerpräsident Alexis Tsipras machte dies während der Debatte im Parlament deutlich. Nachdem er auf eine bevorstehende tiefe Rezession hingewiesen hatte, fragte er die Regierung, ob das neue Gesetz aus „Angst vor den Entwicklungen und möglichen sozialen Folgen, die im Herbst bevorstehen“, verabschiedet wurde.

Syriza sollte wissen, wovon sie redet. Diese verkommene, von den internationalen Pseudolinken bejubelte Partei hatte 2015 ihre frühere Rhetorik von „Widerstand gegen den Austeritätskurs“ aufgegeben und gegen die Arbeiter in Griechenland die bisher brutalsten Angriffe durchgeführt. In seinen vier Jahren als Ministerpräsident hatte Tsipras keine Hemmungen, die volle Staatsgewalt gegen die „sozialen Folgen“ der Austeritätsmaßnahmen anzuwenden, die er auf Geheiß der EU und des IWF durchgesetzt hatte.

Die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) inszeniert sich als Gegner des Gesetzentwurfs. Ihr Generalsekretär Dimitris Koutsoumpas erwiderte der Regierung: „Sie halten sich selbst zum Narren, wenn Sie glauben, diese Monstrosität wird durchgesetzt. Selbst wenn es ins Gesetzbuch aufgenommen wird, werden Sie gezwungen sein, es wieder zurückzunehmen. Die Arbeiter und das griechische Volk werden Sie dazu zwingen, indem sie es in der Praxis außer Kraft setzen.“

Mit diesem Wortgetöse versucht die KKE, ihre lange Geschichte von Verrätereien an den Kämpfen der Arbeiter in Griechenland vergessen zu machen. Durch ihren Gewerkschaftsbund, die Panergatiko Agonistiko Metopo (Militante Arbeiterfront, PAME), inszeniert sie sich als militanter Flügel der Gewerkschaftsbürokratie. Dieser hatte dafür gesorgt, dass die zahllosen Generalstreiks gegen den Austeritätskurs in den letzten zehn Jahren, darunter Massenproteste in Athen und in allen anderen Großstädten, der Kontrolle der Bürokratie nicht entglitten sind. Auf diese Weise konnten die Maßnahmen erst umgesetzt werden.

Das Gesetz schreibt die Rolle der PAME bei Demonstrationen nur noch formell fest. Der PAME-Block ist dafür berüchtigt, dass er stets von Sicherheitskräften mit Schlagstöcken flankiert wird, die angeblich die Sicherheit der Proteste gewährleisten sollen. Ihre wirkliche Aufgabe zeigte sich im Oktober 2011 während eines Generalstreiks, als sie die Polizei dabei unterstützten, eine Mauer vor dem Parlament zu bilden und sich Handgemenge mit Demonstranten lieferten, die ihr zu nahe kamen.

Der Minister für Bürgerschutz, Chrysochoidis, spielte auf einen speziellen Zweck des neuen Gesetzes an: Demonstrationen zu verhindern, die nicht unter der Kontrolle von pseudolinken Gruppen in und um die Gewerkschaftsbürokratie stehen. Mit Bezug auf PAME erklärte er im Vorfeld der Abstimmung vor einem Parlamentsausschuss: „Gibt es bestimmte Bürger, die etwas Besonderes sind? Die keine Erlaubnis [für Proteste] beantragen? Warum beantragt PAME eine Erlaubnis und sie [die nicht-organisierten Gruppen] nicht? Warum erlauben wir das? Das akzeptiere ich nicht.“

Nach dem Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrationen letzte Woche machte Chrysochoidis der KKE und PAME ein Friedensangebot. Er deutete an, er sehe sie als die Vollstrecker des neuen Gesetzes. Auf Beschwerden der KKE-Abgeordneten im Parlament gab er zu, dass ihre Mitglieder und andere Demonstranten mit Tränengas attackiert wurden und bezeichnete das Verhalten von PAME als „vorbildlich“.

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