Armut in Deutschland: Zwei Millionen Menschen müssen zuhause frieren

Am 15. Februar, als die Temperaturen weit unter Null sanken, große Teile Europas unter Schnee und Frost versanken und Obdachlose auf den Straßen erfroren, meldete das Statistische Bundesamt, dass in Deutschland über zwei Millionen Menschen in ihren Wohnungen frieren, weil sie zu arm sind, um zu heizen.

Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2019. 2,5 Prozent der Bevölkerung waren damals betroffen. Besonders hoch war der Anteil unter Alleinlebenden mit 4,8 Prozent und unter Alleinerziehenden und deren Kindern mit sieben Prozent. Die Gefahr, unter solchen Bedingungen ernsthaft zu erkranken oder gar zu erfrieren, ist sehr hoch.

Es ist zu befürchten, dass sich die Zahl der Menschen, die im Winter aus finanzieller Not nicht ausreichend heizen können, in diesem Winter weiter erhöht hat. Die soziale Krise hat sich infolge der Corona-Pandemie weiter verschärft. Besonders Menschen, die schon vorher wenig verdienten, sind von Entlassungen und Kurzarbeit betroffen.

Dass sich in einem der reichsten Länder der Welt Millionen keine Heizung leisten können, ist das Ergebnis der Politik der Regierungen der vergangenen Jahrzehnte. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Koalition aus SPD und Grünen, die von 1998 bis 2005 unter Gerhard Schröder die Bundesregierung stellte. Sie hat mit ihrer Agenda 2010 unter aktiver Mithilfe der Gewerkschaften einen riesigen Niedriglohnsektor geschaffen.

Der ständige Anstieg der Mieten und der Nebenkosten für Heizung und Strom setzt Millionen Menschen und Familien mit niedrigem Einkommen unter Druck. Menschen, die auf Grundsicherung und Hartz IV angewiesen sind, bekommen nicht die tatsächlichen Strom- und Heizkosten, sondern nur einen „angemessenen Betrag“ ersetzt. Die Differenz können sie meist nicht aufbringen, da die Hartz-IV-Regelsätze bereits zu niedrig sind, um das Existenzminium zu sichern. Zurzeit liegt der Regelsatz für eine alleinstehende Person bei 446 Euro im Monat.

Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2017 zeigt, dass vor allem Empfänger von Grundsicherung von Stromsperren betroffen sind. Der Grund dafür ist, dass der Anteil, der bei Hartz-IV für Strom vorgesehen ist, die Stromkosten nicht ausreichend abdeckt. „Während die Kosten für Strom zwischen den Jahren 2008 und 2018 um knapp 40 Prozent nach oben kletterten, stiegen die staatlichen Zuwendungen für Strom im Regelsatz der Grundsicherung nur um 27 Prozent an.“

Die Europäische Zentralbank und die Bundesregierung haben den großen Banken und Konzernen durch Anleihenkäufe und Konjunkturpakete mehrere Billionen geschenkt. Der DAX befindet sich im Höhenflug, während Tausende Menschen aufgrund mangelnder Schutzmaßnahmen an Covid-19 sterben. Gleichzeitig gibt es keine Unterstützung für Menschen, die durch die Verschärfung der sozialen Krise in Not geraten oder bereits länger in Armut leben.

Die zehn reichsten Deutschen haben ihr Vermögen während der Pandemie um 35 Prozent auf 242 Milliarden Dollar vermehrt. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt gleich viel wie die ärmsten 75 Prozent. Trotzdem plant die Bundesregierung, die Milliardengeschenke an die Reichen durch weitere Kürzungen im sozialen Bereich, bei Gesundheit und Bildung wieder aus der Arbeiterklasse herauszuholen.

Deutschland ist dabei keine Ausnahme. Laut europäischem Statistikamt waren 2019 EU-weit sieben Prozent der Bevölkerung nicht in der Lage, ihre Wohnungen ausreichend oder überhaupt zu heizen. In Bulgarien waren es 30,1, in Litauen 26,7 und auf Zypern 21 Prozent. In Italien litten 11,1, in Rumänien 9,3, in Spanien 7,5, in Frankreich 6,2 und in Polen 4,2 Prozent unter demselben Problem.

Auch in Schweden, Österreich und Finnland konnten zwei Prozent der Bevölkerung nicht ausreichend heizen. Insgesamt waren 2019 in der EU 30 Millionen Menschen von diesem Problem betroffen, das entspricht etwa der Bevölkerung Österreichs, Ungarns und der Tschechischen Republik zusammengenommen. Auch hier muss man davon ausgehen, dass sich die Situation mit der Pandemie weiter verschlimmert hat.

In einem Video-Interview mit euronews schildert eine Rentnerin aus Belgien, dass sie ihre Heizung nur nachmittags aufdreht und abends wieder ausmacht, weil sie das Geld nicht hat, um ihre Wohnung durchgehend zu heizen. Sie berichtet auch, dass sie sich weitgehend nur von Nudeln und Eiern ernährt. Fleisch sei zu teuer und stehe bestenfalls einmal im Monat auf dem Speiseplan.

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