Globale Autokonzerne erwirtschaften Rekordgewinne

Fast 220 Millionen Menschen haben sich bislang mit dem Corona-Virus infiziert, aktuell werden es täglich 650.000 mehr. 4,5 Millionen Menschen sind am Virus gestorben, jeden Tag kommen fast 10.000 hinzu. Arbeiter riskieren tagtäglich in den Fabriken, Lagerhallen und Büros ihr Leben, erleiden Lohneinbußen oder haben ihren Arbeitsplatz ganz verloren.

Doch es gibt eindeutige Nutznießer dieser Katastrophe: die Konzerne und ihre Aktionäre. Die deutsche Autoindustrie hatte schon im letzten Jahr Milliardengewinne gemacht, obwohl sie deutlich weniger Fahrzeuge verkaufte. Für die Bereicherung der Aktionäre sorgten staatliche Hilfsprogramme, Kurzarbeit, Massenentlassungen und Sparprogramme auf Kosten der Arbeiter.

Autoproduktion bei VW (Bild: VW)

Nun haben die internationalen Autohersteller im ersten Halbjahr des Jahres 2021 ihre Profite weiter gewaltig gesteigert. Die Gewinne aller Autokonzerne beliefen sich laut einer Analyse der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) im ersten Halbjahr auf insgesamt 71,4 Milliarden Euro. „Das sind satte 32 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2016,“ schreibt das Handelsblatt zur EY-Analyse, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Im ersten Halbjahr 2020 hatte die Industrie weltweit noch einen Verlust von insgesamt 4,1 Milliarden Euro ausgewiesen.

„Trotz aller Widrigkeiten haben die Top-Autokonzerne ein phänomenal starkes erstes Halbjahr hingelegt“, sagte Peter Fuß, Partner bei EY. Die durchschnittliche EBIT-Marge oder Rendite aller Hersteller falle mit 8,8 Prozent höher aus als vor der Coronakrise und habe im ersten Halbjahr 2021 den höchsten Stand seit 2004 erreicht, als die EY-Analyse erstmals veröffentlicht wurde.

Die Wirtschafts- und Unternehmensberater stellen fest, dass die deutschen Hersteller noch weit mehr Profit eingestrichen haben als die globale Konkurrenz. Rund 43 Prozent aller Gewinne, 30,3 Milliarden Euro, landeten auf den Konten von drei Konzernen: BMW, Daimler und Volkswagen. BMW (14,5 Prozent Rendite) und Daimler (12,9 Prozent Rendite) sind die beiden profitabelsten Hersteller der Welt.

Dabei profitierten die Autokonzerne weniger von erhöhten Verkäufen. Das Vor-Corona-Niveau ist hier noch lange nicht erreicht. Weltweit wurden im ersten Halbjahr mit rund 33,5 Millionen elf Prozent weniger Neuwagen verkauft als im ersten Halbjahr 2019.

Die Milliarden-Gewinne resultieren vielmehr aus den Milliardenprogrammen der Regierungen sowie den Angriffen auf die Belegschaften, die die Konzerne gemeinsam mit den Gewerkschaften im Zuge der Corona-Pandemie durchgeführt haben.

Zudem wirke sich ein weiterer Effekt positiv auf die Gewinne aus, so die EY-Analysten. Wegen des weltweiten Chipmangels als Folge von Produktionseinstellungen aufgrund der Corona-Pandemie produzieren die Hersteller derzeit vor allem Fahrzeuge mit hoher Rendite, also vor allem Luxuskarossen für die Profiteure der Corona-Pandemie. Sie sind in diesem Segment auch nicht gezwungen, hohe Rabatte zu gewähren.

Ein kurzer Blick auf die Situation bei den wichtigsten Herstellern verdeutlicht, wie die Unternehmen von den Angriffen auf ihre Belegschaften profitieren.

BMW

Als sich bei BMW 2020 abzeichnete, dass sich die Verkaufszahlen und damit die Profite nicht wie geplant realisieren lassen, wurden im Mai letzten Jahres 34.000 Arbeiter mit Lohnkürzungen in Kurzarbeit geschickt. Zur gleichen Zeit schüttete der Konzern 1,6 Milliarden Euro als Dividende an die Aktionäre aus, vor allem an die Familien Quandt und Klatten, die zu den reichsten der Welt gehören.

Nur zwei Monate später, im Juli 2020, kündigte BMW die Entlassung von 16.000 Arbeitern an, darunter 10.000 Leiharbeitern. IG Metall und Betriebsrat haben dies alles abgesegnet.

Nun erntet der Konzern die Früchte: Acht Milliarden Euro Gewinn im ersten Halbjahr 2021, ein deutliches Absatzplus und eine von keinem Konkurrenten erreichte Rendite von 14,5 Prozent.

Daimler

Das gleiche Vorgehen bei Daimler: Im ersten Halbjahr 2020 fuhr der Konzern eine Milliarde Euro Verlust ein. Bis Ende des Jahres war dieser bereits wieder aufgeholt. Mit 6,6 Milliarden operativem Gewinn erzielte der Konzern sogar über 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Möglich wurde dies durch den Beginn eines gewaltigen Arbeitsplatzabbaus. 30.000 Arbeitsplätze fallen der Profitjagd zum Opfer. Neben dem Jobabbau hatte die IG Metall im Juli 2020 auch einer Arbeitszeitverkürzung für 70.000 Arbeiter und Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich für 4000 weitere zugestimmt. Auch die sonst üppige Erfolgsprämie wurde bis auf ein Fünftel zusammengestrichen.

Dass nicht die angeblich schlechten Zahlen dafür verantwortlich sind, zeigt die Dividendenausschüttung. Wie in den Jahren zuvor schüttete Daimler 40 Prozent der Gewinne an die Aktionäre aus. Sie erhielten für das Jahr 2020 insgesamt 3,6 Milliarden Euro Dividende.

Für das Jahr 2021 dürfen die Aktionäre jetzt schon jubeln. In den ersten sechs Monaten des Jahres fuhr Daimler einen Gewinn von 10,9 Milliarden Euro ein. Die Folge ist die zweithöchste Rendite weltweit in Höhe von 12,9 Prozent.

Volkswagen

VW-Konzernchef Herbert Diess hat dem größten deutschen Autobauer in den vergangenen Jahren eine radikale Rosskur verordnet. Auch hier wurde Corona-bedingt im ersten Halbjahr 2020 ein Verlust von rund 1,5 Milliarden Euro ausgewiesen. Dennoch standen am Ende des Jahres rund 10 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern.

Der Jahresgewinn 2020 ist nun bereits im ersten Halbjahr 2021 übertrumpft worden, 11,34 Milliarden Euro vermeldet der Wolfsburger Konzern. Anfang Juli hat VW das Renditeziel für den Gesamtkonzern hochgesetzt. 2025 soll eine Rendite zwischen acht und neun Prozent erreicht werden, zuvor war es ein Prozentpunkt weniger.

Ausschlaggebend für die hohen Gewinn-Margen sind die Gewinnaussichten bei den beiden VW-Töchtern Audi und Porsche.

Während die Konzernmarke Volkswagen Pkw mit gut vier Prozent Rendite deutlich schlechter abschneidet als Konkurrenten wie Toyota, streben Audi und Porsche mit ihren Nobelkarossen mindestens 11 Prozent an. Auch hier sind vor allem die Angriffe auf die Belegschaften die Ursache. Schon 2019 hatte Audi mit der IG Metall den Abbau von 9500 Arbeitsplätzen vereinbart, inzwischen ist mehr als die Hälfte davon umgesetzt. Die Personalkosten für den Konzern sinken so dauerhaft um 15 Milliarden Euro. Weniger Autos werden dadurch nicht gebaut, im Gegenteil. Bis 2030 will Audi drei Millionen anstatt zwei Millionen Fahrzeuge jährlich produzieren.

Toyota

Mit fast 5,5 Millionen Fahrzeugen und rund 13 Milliarden Euro Gewinn im ersten Halbjahr 2021 bleibt der japanische Konzern der größte Autohersteller der Welt. Im ersten Halbjahr lag die Rendite bei 10,8 Prozent – und damit zwei Prozentpunkte über dem Branchenschnitt.

Stellantis

Der französisch-italienisch-amerikanische Auto-Riese, der aus der Fusion von Fiat-Chrysler (FCA) mit Peugeot-Citroën (PSA), zu dem auch Opel gehört, hervorging, konnte den Gewinn im ersten Halbjahr steigern. Nach nur 65 Millionen Euro im Vorjahr waren es nun rund 7,5 Milliarden Euro. Das ist eine Folge des radikalen Kahlschlags, den Konzernchef Carlos Tavares und die jeweiligen nationalen Gewerkschaften rigoros durchsetzen. Die Rendite fiel mit zehn Prozent sogar höher aus als bei Volkswagen.

Renault und Nissan

„Die französisch-japanische Allianz ist die große Enttäuschung des ersten Halbjahrs“, schreibt das Handelsblatt. Auf lediglich 2,8 (Renault) bzw. 1,2 Prozent (Nissan) belaufe sich die Rendite. „Der neue Renault-Chef Luca de Meo wird die Franzosen neu ausrichten müssen“, verlangt das Handelsblatt und meint wie in den anderen Konzernen Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und gesteigerte Arbeitshetze.

Tesla

Einen Sonderfall stellt nach wie vor der Hersteller Tesla dar, der zeigt, dass Verkaufszahlen nur sehr wenig mit der Bonanza an den Börsen zu tun haben. Im ersten Halbjahr verkaufte Tesla fast 15 Mal weniger als Toyota, nämlich 386.000 Fahrzeuge (plus 115 Prozent). Der Gewinn verdreifachte sich von 506 Millionen Euro auf 1,58 Milliarden Euro.

Aber mit einem Börsenwert von rund 703 Milliarden Dollar ist Tesla mittlerweile so viel wert wie Toyota, Volkswagen, Daimler, BMW und Ford zusammen. Das alles sind erhoffte Profite auf Kosten der Löhne und Arbeitsplätze – bei Tesla wie bei den anderen Herstellern.

Die EY-Analyse zeigt einmal mehr, dass Arbeiter in allen Ländern mit den gleichen Problemen und Aufgaben konfrontiert sind. Die Konzerne pressen ihre Belegschaften bis aufs Blut aus, schicken sie in unsicheren Fabriken zur Arbeit, einzig und allein, um die Gier ihrer Aktionäre nach immer höheren Profiten und Dividenden zu stillen.

Arbeiter müssen diese internationale Offensive der Konzerne mit einer eigenen internationalen Offensive beantworten. Aus diesem Grund haben das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihr angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien im Mai die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ausgerufen, um die weltweiten Kämpfe aller Arbeiter zu koordinieren und zu organisieren. Die Autoarbeiter spielen allein aufgrund der eng verzahnten internationalen Produktion und der zahlreichen damit verbundenen Branchen eine zentrale Rolle in diesem Kampf.

Wir rufen daher alle Autoarbeiter auf, sich in von den Gewerkschaften unabhängigen Aktionskomitees zusammenzuschließen und mit uns Kontakt aufzunehmen. In Deutschland ist diese Initiative ein wichtiger Bestandteil des Bundestagswahlkampfs der Sozialistischen Gleichheitspartei.

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