Amerikanischer Militäranalyst warnt vor Gefahr eines Atomkriegs mit China

Am Dienstag warnte der pensionierte Oberstleutnant Daniel Davis von der US Army im Guardian nachdrücklich vor der Gefahr, dass die USA im Falle eines Konflikts mit China um Taiwan „in einen Atomkrieg stolpern“ könnten.

In seinem Kommentar mit dem Titel „Die USA müssen einen Krieg mit China wegen Taiwan um jeden Preis vermeiden“ erklärt Davis: „Unter Insidern in Washington herrscht die Ansicht vor, dass die USA Krieg gegen China führen sollten, wenn das Land versucht, Taiwan zu erobern. Das wäre jedoch ein Fehler.“

Amerikanische Kriegsschiffe (Flickr.com/US Navy)

Er warnt: „Bevor der Krieg im Indopazifik beginnt und Washington unter Druck gerät, einen potenziell existenzbedrohenden Krieg zu führen, müssen sich die amerikanischen Entscheidungsträger der kalten und harten Tatsache stellen, dass ein Krieg mit China wegen Taiwan fast mit Sicherheit in einer militärischen Niederlage endet – und darauf hoffen, dass wir nicht in einen Atomkrieg stolpern.“

Davis' Äußerungen sind zweifellos Ausdruck der intensiven Diskussionen, die hinter verschlossenen Türen in den politischen,  Geheimdienst- und strategischen Kreisen Washingtons über die Vorbereitungen auf einen Krieg mit China und die zunehmende Wahrscheinlichkeit stattfinden, dass er sich an Taiwan entzünden könnte.

Im März hatte der scheidende Oberbefehlshaber des US Indo-Pacific Command, Admiral Philip Davidson, vor einem Krieg zwischen den USA und China um Taiwan innerhalb der nächsten sechs Jahre gewarnt und eine Verdoppelung des Etats seines Kommandos gefordert.

Davis argumentiert, dass die USA einen konventionellen Krieg mit China um Taiwan mit großer Sicherheit verlieren würden und „viele unserer Flugzeuge abgeschossen, Schiffe versenkt und Tausende von Soldaten getötet würden“. Er betont, um eine solche Niederlage zu vermeiden, sollten sich die USA nicht in einen solchen Konflikt hineinziehen lassen, selbst wenn das bedeutet, dass China die Insel übernimmt.

In Wirklichkeit verschärft die Biden-Regierung Washingtons jahrzehntelange aggressive Konfrontation mit Peking auf allen Fronten – diplomatisch, wirtschaftlich und auch militärisch. US-Außenminister Antony Blinken hat die jüngsten Einsätze chinesischer Militärflugzeuge über der von Taiwan selbst ausgerufenen Luftabwehrzone als „provokant“ verurteilt und erklärt, solche Aktivitäten „bergen das Risiko von Fehleinschätzungen“ und könnten „den Frieden und die Stabilität in der Region untergraben“.

Was für eine atemberaubende Heuchelei auf jeder Ebene! Als China im November 2013 seine eigene Luftabwehrzone ausrief, weigerte sich die Obama-Regierung rundheraus diese anzuerkennen. Stattdessen ließ das Pentagon atomwaffenfähige B-52-Bomber über das Gebiet fliegen, ohne dies dem chinesischen Militär mitzuteilen. Diese vorsätzliche Provokation barg das Risiko einer Fehleinschätzung und eines möglichen Zusammenstoßes.

Während die amerikanischen und internationalen Medien düstere Warnungen über chinesische Militärflugzeuge veröffentlichten, führte die US-Navy umfangreiche Militärmanöver in den Gewässern östlich von Taiwan durch, an denen drei Flugzeugträgerkampfgruppen (zwei aus den USA, eine aus Großbritannien) sowie japanische, niederländische und neuseeländische Kriegsschiffe beteiligt waren. Vor Beginn dieser Übungen hatten die USA, Großbritannien und Australien das Bündnis AUKUS gegründet, in dessen Rahmen die australische Marine mit Atom-U-Booten ausgerüstet werden soll.

Vor allem ist es Washington und nicht Peking, das den Status Quo um den gefährlichen Krisenherd Taiwan drastisch untergraben hat. Als die USA 1979 diplomatische Beziehungen zu China aufnahmen, akzeptierten sie faktisch die „Ein-China-Politik“, die Peking als die legitime Regierung von ganz China einschließlich Taiwans anerkennt. Sie brachen die diplomatischen Beziehungen mit Taipeh ab und traten von ihrem Verteidigungsbündnis mit der Insel zurück.

Im Verlauf des letzten Jahres haben die USA die Spannungen um Taiwan dramatisch erhöht. In den letzten Tagen der Trump-Regierung hatte Außenminister Mike Pompeo alle Einschränkungen für offizielle Kontakte auf allen militärischen und zivilen Ebenen zwischen den USA und Taiwan aufgehoben. Die Biden-Regierung hat diese Politik mit kleinen Korrekturen beibehalten und provokant US-Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland geschickt. Im August genehmigte sie einen weiteren großen Waffenverkauf von Panzerhaubitzen an Taiwan.

Durch die Förderung der Beziehungen zu Taiwan untergräbt die Biden-Regierung die Basis für diplomatische Beziehungen mit China und verschärft die Kriegsgefahr, indem sie die taiwanesische Regierung dazu drängt, ihre Unabhängigkeitsbestrebungen zu forcieren. Peking hat Taiwan mehrfach als abtrünnige Provinz bezeichnet, die aber ein integraler Bestandteil Chinas sei, und gewarnt, es werde auf eine formelle Unabhängigkeitserklärung mit Gewalt reagieren.

Washington rückt von seiner Politik der „strategischen Zweideutigkeit“ ab. Im Taiwan Act von 1979 hatten die USA erklärt, sie würden Taiwan Verteidigungswaffen verkaufen und jeden Versuch Chinas bekämpfen, die Insel mit Gewalt zurückzuerobern. Doch die USA weigerten sich, Taiwan eine verbindliche Garantie von militärischer Unterstützung unter allen Umständen zu geben. Diese Zweideutigkeit zielte darauf ab, die Unabhängigkeitsbestrebungen auf Taiwan unter Kontrolle zu halten.

Dieser Vorbehalt wird zunehmend untergraben. Biden erklärte diese Woche, die „Verpflichtungen der Vereinigten Staaten gegenüber Taiwan sind felsenfest.“ Anfang des Jahres wurde das Gesetz Taiwan Invasion Prevention Act verabschiedet, das den Präsidenten dazu ermächtigt, „Taiwan mit militärischen Mitteln gegen einen direkten Angriff zu verteidigen“. Das alles bestärkt die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) in Taipeh, die die Unabhängigkeit befürwortet, zu einer aggressiveren Haltung gegenüber Peking.

Die taiwanesische Legislative berät momentan über einen Sonderhaushalt für Verteidigung in Höhe von umgerechnet 8,6 Milliarden Dollar, der die landgestützten Kapazitäten deutlich ausweiten und die taiwanesische Marine mit „Hochleistungsschiffen“ verstärken würde. Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng warnte, die Spannungen mit China seien so scharf wie zuletzt vor 40 Jahren und fügte hinzu, China sei bereit, innerhalb von drei Jahren eine Invasion von Taiwan zu beginnen.

Taiwan ist nur der schärfste Ausdruck des Konfrontationskurses und der militärischen Aufrüstung, die die USA in der ganzen Indopazifik-Region gegen China betreiben. Biden war Vizepräsident unter Obama, als dieser die „Pivot to Asia“ genannte Politik forcierte, um den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu bekämpfen, den der US-Imperialismus als größte Gefahr für seine globale Hegemonie betrachtet. Jetzt hat Biden dort weitergemacht, wo Trump aufgehört hat, die Handelskriegsmaßnahmen der vorherigen Regierung und die provokanten militärischen Aktivitäten in den Gewässern nahe dem chinesischen Festland fortgesetzt.

Davis' Kommentar im Guardian ist nur der jüngste Beweis dafür, dass sich die USA aktiv auf einen Krieg gegen China vorbereiten. Seine Warnung, die USA könnten in einen Atomkrieg „stolpern“, ist eine starke Untertreibung der wirklichen Risiken. Der US-Imperialismus wird keine Bedrohung seiner globalen Position durch China tolerieren und ist bereit zum Einsatz aller Mittel – einschließlich militärischer – um nicht wirtschaftlich und strategisch ins Abseits gestellt zu werden. Wenn ihm in einem konventionellen Krieg mit China eine Niederlage droht, was Davis für höchst wahrscheinlich hält, würden die USA trotz der für die Menschheit unabschätzbaren Folgen nicht zögern, ihr riesiges Atomarsenal einzusetzen. Die USA sind das einzige Land der Welt, das jemals Atomwaffen eingesetzt hat – im August und September 1945 – um die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki auszulöschen.

Der Kriegskurs der USA kann und muss aufgehalten werden. Die ausufernde globale wirtschaftliche und soziale Krise, die Washington zum Konflikt mit Peking drängt, sorgt auch für ein Wiederaufleben des Klassenkampfes, da Arbeiter auf der ganzen Welt für die sozialen Rechte kämpfen, die immer stärker durch die Umleitung von Geld in Militäretats untergraben werden. Dieser entstehende Widerstand ist die Grundlage für die Entwicklung einer vereinten internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive gegen die Ursachen von Kriegen: das Profitsystem und die veraltete Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten.

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