Studierende und Jugendliche müssen den Kampf gegen die undemokratischen australischen Wahlgesetze aufnehmen

Die folgende Rede hielt der nationale Sprecher der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), Oscar Grenfell, der auch regelmäßig Beiträge für die WSWS schreibt, am Sonntag, dem 31. Oktober, bei einer öffentlichen Veranstaltung der Socialist Equality Party (Australien).

Das Treffen, das hier in voller Länge angesehen werden kann, schilderte den Zusammenhang zwischen den undemokratischen Wahlgesetzen, mit dem „Kleinparteien“ daran gehindert werden sollen, sich zu registrieren, der mörderischen und wirtschaftsfreundlichen Politik der herrschenden Elite und der ausufernden Krise des kapitalistischen Systems. Die Redner erklärten, dass die Maßnahmen verhindern sollen, dass der wachsende soziale Widerstand politischen Ausdruck findet, und schilderten die Kampagne der SEP dagegen.

Oscar Grenfell

Die Wahlgesetze, gegen die wir kämpfen, sind ein Frontalangriff auf die politischen Rechte der ganzen Arbeiterklasse. Sie richten sich besonders gegen Studierende und Jugendliche.

Labor und die Liberal-Nationalen wissen, dass sie vom Großteil der Jugend verachtet und zurecht als korrupte Instrumente des Großkapitals und der Banken angesehen werden. Die allgemeine Zunahme antikapitalistischer Ansichten ist unter Jugendlichen am ausgeprägtesten. Die Erfahrungen während der Pandemie haben die Tatsache eindringlich klargemacht, dass diese Generation unter dem Profitsystem keine Zukunft hat – was viele bereits zuvor erkannt haben. Junge Menschen und die am stärksten unterdrückten und ausgebeuteten Schichten der Arbeiterklasse haben in allen Bereichen die Hauptlast getragen.

Obwohl sich in Australien weniger Menschen mit Covid-19 infiziert haben als etwa in Großbritannien und den USA, haben sich viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit dem potenziell tödlichen Virus angesteckt. Seit Beginn der Pandemie haben sich 21.616 Kinder unter neun Jahren angesteckt, was 13 Prozent aller Infektionen ausmacht. In der Altersgruppe 10 bis 19 waren es 24.681 bzw. 15 Prozent. Diese Zahlen werden von den Medien weitgehend verschwiegen, während die Wiederöffnung der Schulen weiter vorangetrieben wird.

Corona-Fälle nach Altersgruppe (0-29 Jahre)

Die höchsten Infektionsraten gab es mit 34.788 Fällen (21 Prozent der Gesamtzahl) unter jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren. Zusammengerechnet bedeutet das, dass 49 Prozent aller Infektionen bei Menschen unter 29 Jahren auftraten.

Landesweite Daten zu den Hospitalisierungen pro Altersgruppe sind nicht verfügbar, doch auf dem Höhepunkt des Ausbruchs in Sydney führten drei Prozent aller Infektionen unter Teenagern zu einer Krankenhauseinweisung. Wenn man das mit der Gesamtzahl der Fälle extrapoliert, ergibt das mehr als 700 Jugendliche, die so stark erkrankt sind, dass sie ins Krankenhaus mussten.

Hier und im Rest der Welt wird behauptet, junge Menschen würden nicht an Covid sterben, aber das ist eine politisch motivierte Lüge. Ich möchte nur zwei tragische Beispiele nennen: Aude Alaskar, ein gesunder 27-jähriger Fußballspieler, starb im August plötzlich in seiner Wohnung im Westen von Sydney. Und vor zwei Wochen wurde ein 15-jähriges Mädchen das bisher jüngste Todesopfer.

Die Infektionen gehen direkt darauf zurück, dass die Regierung die Umsetzung der notwendigen Lockdowns und Einschränkungen verweigert. Nachdem sie jetzt, im Einklang mit der überall auf der Welt praktizierten Politik der ungehinderten Ausbreitung, alle Sicherheitsmaßnahmen abschafft, sind junge Menschen noch stärker bedroht. Hunderttausende Schüler und junge Arbeiter werden wieder in Schulen und Betriebe zurückgeschickt.

Die hohen Infektionsraten unter 20- bis 29-jährigen gehen nicht nur auf die höhere Mobilität dieser Altersgruppe zurück, sondern auch weil junge Arbeiter eher an schlecht bezahlten, befristeten, prekären und unsicheren Arbeitsplätzen beschäftigt sind, wenn sie überhaupt einen Arbeitsplatz haben.

Zu Beginn der Pandemie machten junge Menschen 46 Prozent der kurzfristig beschäftigten Gelegenheitsarbeiter aus, ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten lag jedoch nur bei 17,4 Prozent. Sie erhalten nur den Mindestlohn und wissen nicht, wie viele Schichten sie arbeiten werden. Während der Pandemie wurde ihnen entweder die Arbeitszeit gekürzt, oder sie mussten unter unsicheren Bedingungen arbeiten.

Einige weitere Statistiken dokumentieren die soziale Realität: Die Hälfte der unter 25-jährigen in Australien kann keine Vollzeitstelle bekommen, obwohl sich 60 Prozent nach dem Schulabschluss weiter qualifiziert haben. Ein Drittel der jungen Menschen ist arbeitslos oder unterbeschäftigt. Die offizielle – zweifellos zu niedrige – Jugendarbeitslosigkeit beträgt mehr als das Doppelte des landesweiten Durchschnitts, derzeit mehr als zehn Prozent. Doch in Arbeitervierteln sind die Zahlen deutlich höher. Im Südwesten von Sydney liegt die offizielle Jugendarbeitslosigkeit bei knapp über 20 Prozent, die reale jedoch vermutlich näher an 40 Prozent.

Die Pläne der herrschenden Elite werden diese soziale Krise noch weiter verschärfen. Während sie die Wirtschaft wieder öffnen und die Bevölkerung zwingen, mit dem Virus zu leben, benutzen die Konzerne, ihre Regierungen und die Gewerkschaften die Pandemie als Vorwand für wirtschaftsfreundliche Umstrukturierungen. Das Schlagwort lautet „mehr Arbeitsplatzflexibilität“, d.h. die Abschaffung der meisten festen Vollzeitstellen und die Einführung der miserablen Bedingungen der „Gig-Ökonomie“ für eine ganze Generation.

Dies ist bereits weit fortgeschritten. Laut einem Bericht der Produktivitätskommission von 2020 gehen die Einkommen junger Menschen ständig weiter zurück. Laut dem Bericht ist das Einkommen von 15- bis 24-Jährigen inflationsbereinigt zwischen 2008 und 2018 jedes Jahr um 1,6 Prozent gesunken, d.h. um 16 Prozent in zehn Jahren. Die Gründe dafür sind sinkende Löhne und Nullrunden bei Arbeitslosenhilfe und Leistungen für Jugendliche, während die Lebenshaltungskosten gestiegen sind.

Statistik zur Wohnungskrise

Zusammen mit dem starken Anstieg der Immobilienpreise bedeutet dies, dass es zunehmend unmöglich wird, eine Unterkunft zu finden. Im Zeitraum 2017 bis 2018 lebten 28 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren in Haushalten mit geringem Einkommen, die mit einer hohen Belastung durch Wohnkosten konfrontiert waren. Das bedeutet, dass sie 30 Prozent oder mehr ihres Einkommens für Mieten oder Hypotheken verwendeten. Bei den 20- bis 24-jährigen liegt dieser Wert noch höher: bei 37 Prozent.

Diese Situation hat sich während der Pandemie nur noch weiter verschlimmert. Die Medianpreise für Häuser sind im vergangenen Jahr um fast 22 Prozent gestiegen, in Sydney liegt dieser Preis bei fast 1,5 Millionen Dollar. Damit kann die große Mehrheit der Jugend sich niemals ein Haus leisten, und diejenigen, die sich eines kaufen, werden jahrzehntelang mit massiven Schulden belastet sein.

Die von der Regierung geförderte Spekulationsorgie auf dem Immobilienmarkt führt zu höheren Mieten. Im Juni berichtete CoreLogic, dass die Medianmieten innerhalb eines Jahres um 6,6 Prozent gestiegen sind ­– der größte Anstieg in zehn Jahren. Die wöchentliche Medianrente liegt bei 470 Dollar für Häuser oder Wohnungen. Die höchstmögliche Unterstützungszahlung für Jugendliche liegt bei 256 Dollar pro Woche, die JobSeeker-Unterstützung liegt bei 320 Dollar pro Woche. Dass die Situation unmöglich ist, ist offensichtlich.

Es gibt mehr Anzeichen für die soziale Krise, als wir jetzt beschreiben können. Laut einem Bericht von Foodbank vom letzten Jahr waren 65 Prozent aller jungen Menschen mit Ernährungsunsicherheit konfrontiert, d.h. sie konnten sich mindestens einmal pro Woche eine Mahlzeit nicht leisten.

Natürlich führen diese Bedingungen, für die die Regierungen verantwortlich sind, zu einer Epidemie psychischer Störungen. Laut einem Bericht des BlackDog Institute von November ist die Zahl der Arbeiter zwischen 18 und 34 Jahren, die unter psychischen Störungen leiden, von 15 Prozent vor der Pandemie auf 30 Prozent in diesem Jahr gestiegen. Als wichtige Gründe nannte der Bericht die wechselnden Arbeitszeiten und -bedingungen sowie fehlende soziale und staatliche Unterstützung während der Pandemie.

Millionen jungen Menschen wird klar, dass der Kapitalismus ihnen keine Zukunft bieten kann. Da ist die soziale Krise, die Übernahme einer mörderischen Pandemiepolitik im Interesse der Reichen und die anderen existenziellen Bedrohungen durch das kapitalistische System – von der Klimakatastrophe bis hin zur Gefahr eines Atomkriegs, der die Zukunft der Menschheit gefährdet. Die Regierung und Labor wissen, dass dieser Widerstand existiert, und das ist einer der Hauptgründe für diese undemokratischen Wahlgesetze.

Erst diese Woche wies Bildungsminister Alan Tudge auf eine Umfrage hin, laut der 40 Prozent der jungen Menschen eine Alternative zur so genannten „liberal-demokratischen Regierungsform“ befürworten, was er als „Katastrophe“ bezeichnete. Trotz der irreführenden Art, wie die Zahlen dargestellt werden, geht es weniger darum, dass junge Menschen Autoritarismus oder Diktatur wollen – womit in Wirklichkeit der Kapitalismus aufwartet. Stattdessen war laut Tudge das Problem, dass der Einfluss von Sozialismus und Kommunismus zunehmen.

Seine Äußerungen waren nur die jüngsten in einer Reihe ähnlicher Kommentare. Man könnte Artikel aus der Finanzpresse zitieren, in denen gewarnt wird, dass überall die Bedingungen bestehen, die Jugendliche in Massen zur Teilnahme an den Revolutionen in Ägypten und Tunesien getrieben haben. Daneben gibt es besorgte Kommentare über Umfragen in den USA und im Rest der Welt, laut denen eine Mehrheit der Jugend den Sozialismus dem Kapitalismus vorzieht.

Junge Menschen wollen für die Zukunft kämpfen. Das haben wir in den massiven Klimastreiks der letzten Jahre und dem weit verbreiteten Widerstand gegen die gefährlichen Schulöffnungen gesehen; Letzterer äußerte sich beispielsweise in Massenpetitionen, die von Schülern selbst initiiert wurden.

Die Gesetze sind darauf ausgelegt, die Jugend und die Arbeiterklasse in der Zwangsjacke eines kapitalistischen Zweiparteiensystems zu halten, das ihnen nur Krieg, Austerität und ein autoritäres Regierungssystem zu bieten hat. Das Ziel ist, die Diskussion über jede politische Alternative – vor allem eine sozialistische Perspektive – zu verhindern, weil die herrschende Elite weiß, dass sie sehr schnell die Unterstützung der Massen gewinnen könnte. Die Probleme, mit denen diese Generation konfrontiert ist, sind von ihrem Umfang her revolutionär, und die Kapitalistenklasse ist sich durchaus bewusst, dass die Jugend in allen Perioden sozialer Umwälzungen an erster Stelle im Kampf für die sozialistische Revolution stand.

Die IYSSE rufen alle jungen Menschen und Studierenden, die für ihre Zukunft kämpfen wollen, zum Kampf gegen diese Wahlgesetze auf. Sie sind ein Versuch, eure politischen Rechte zu unterdrücken und euch daran zu hindern, Zugang zu der sozialistischen und revolutionären Perspektive zu bekommen, die als einzige einen Ausweg bietet. Werdet heute noch Mitglied der SEP, meldet eure Freunde an, helft uns bei der Organisation von Treffen und Diskussionen mit jungen Menschen, und werdet in dieser Kampagne aktiv.

Vor allem aber: Eignet euch die Perspektive an, die von diesen Gesetzen bekämpft werden soll – eine sozialistische Perspektive mit dem Ziel, die Gesellschaft im Weltmaßstab umzugestalten, um die sozialen Bedürfnisse der großen Mehrheit der Weltbevölkerung statt die Profitinteressen einer winzigen Wirtschaftsoligarchie zu erfüllen und um das Nationalstaatensystem abzuschaffen, das den Interessen von rivalisierenden Cliquen der Kapitalistenklasse dient. Wir rufen euch auf, euch an den IYSSE zu beteiligen, als Vollmitglieder der SEP beizutreten und euren Platz im Kampf für den Sozialismus einzunehmen.

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