Berlin: Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) wurde am gestrigen Dienstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und der Linken zur regierenden Bürgermeisterin von Berlin gewählt.

Franziska Giffey (Bild: Olaf Kosinsky / CC BY-SA 3.0)

Die drei Parteien setzen damit die Koalition fort, die seit 2016 in der Hauptstadt regiert. Bei den Wahlen im September hatte die SPD nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen knapp die Mehrheit erreicht. Wie auch auf Bundesebene musste die Linke in Berlin Verluste hinnehmen und wurde nur viertstärkste Partei.

Giffey und die Neuauflage von Rot-Rot-Grün werden die Politik des sozialen Kahlschlags, der inneren Aufrüstung und der Corona-Durchseuchungspolitik verschärfen. Dies macht der Koalitionsvertrag der drei Parteien ebenso deutlich, wie ein Blick auf die Personen, die im Roten Rathaus vereidigt wurden.

Giffey selbst steht auf dem äußersten rechten Flügel der SPD. Sie ist die politische Ziehtochter des ehemaligen Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky, der für seine üblen rassistischen Ausfälle gegen Migranten berüchtigt war. Lange Zeit favorisierte sie ein Bündnis mit der CDU und der FDP oder – wie im Bund – mit den Grünen und der FDP. Angesichts der zu erwartenden Konfrontation mit großen Teilen der Bevölkerung kam Giffey aber dann zu dem Schluss, dass dieser Widerstand am wirkungsvollsten in Zusammenarbeit mit der Linkspartei unterdrückt werden kann.

Es ist bezeichnend, dass nahezu das komplette Personal der letzten Legislaturperiode ausgetauscht wurde. Einer der wenigen, die dem Kabinett weiterhin angehören, ist Andreas Geisel (SPD). Der als ausgesprochener Law- and Order-Mann geltende Geisel war für Inneres zuständig und machte sich vor allem mit seiner rigiden Abschiebepolitik und seinem brutalen Vorgehen gegen Hausbesetzer in der Rigaer Straße einen Namen.

Dass Geisel nun das Amt des Senators für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen bekleidet, ist wohl kalkuliert. Er soll mit aller Härte die Politik des Senats gegen die Bevölkerung durchsetzen. Mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus fand in Berlin der Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungskonzerne statt. Angesichts der seit Jahren explodierenden Mieten stimmten 56 Prozent der Berliner mit Ja. Giffey und andere Regierungsvertreter machten jedoch unmissverständlich deutlich, dass es zu keiner – wie auch immer gearteten – Enteignung der Immobilienhaie kommen wird, egal was die Wähler entschieden haben.

Geisel löst den bisherigen Wohnungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) ab. Obwohl Scheel selbst immer Politik im Interesse der Immobilienkonzerne machte und zuletzt sogar die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen begrüßte, soll das Ressort nun nicht mehr von der Linken gesteuert werden, die im Wahlkampf für das Volksbegehren geworben hatte.

Neue Innensenatorin ist nun die stellvertretende SPD-Vorsitzende Iris Spranger. Sie ist in Berlin keine Unbekannte. Sie ist seit 1999 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Von 2006 bis 2011 war Spranger, zunächst unter Thilo Sarrazin und später unter Ulrich Nußbaum, Staatssekretärin in der Finanzverwaltung. Sie gestaltete den brutalen Sparkurs der rot-roten Landesregierung von 2002 bis 2011 maßgeblich mit. SPD und PDS, die Vorgängerin der Linken, organisierten in der Hauptstadt einen ungeheuren sozialen Kahlschlag, dem die Löhne und Stellen im Öffentlichen Dienst, die öffentlichen Kliniken, der Wohnungsbau und sonstige Einrichtungen zum Opfer fielen.

Wenn Spranger sich auf ihrem Twitter-Profil als „Kämpferin für die Mieterinnen und Mieter in Berlin“ darstellt, ist das an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Während der Regierungszeit von Rot-Rot wurden landeseigene Wohnungen zum Schleuderpreis an Spekulanten veräußert, die heute für die horrenden Mieten in Berlin verantwortlich sind.

Es ist bezeichnend, dass Spranger ankündigte, ihre erste Amtshandlung werde die Einstellung von mehr Polizeikräften sein. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und Linke auf eine deutliche personelle und finanzielle Aufstockung von Polizei und Verfassungsschutz geeinigt.

Neue Bildungssenatorin ist die Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen, Astrid Busse (SPD). Wie ihre Vorgängerin Sandra Scheeres (SPD) ist auch sie eine Verfechterin der kriminellen Durchseuchungspolitik an den Schulen. Seit dem letzten Jahr plädierte sie für eine uneingeschränkte Öffnung der Schulen und unterstützte ein frühzeitiges Ende der Maskenpflicht. Obwohl alleiniges Impfen nicht ausreicht, um Kinder und Lehrkräfte vor den Folgen einer Infektion zu schützen, propagiert sie dies als alleinige Maßnahme.

Die Grüne Ulrike Gote ist neue Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Gote, die seit 2019 Dezernentin für Gesundheit in Kassel war, übernimmt das Amt von Dilek Kalayci (SPD). Kalayci trägt die direkte Verantwortung für die desolate Lage an den Berliner Klinken, die von Personalmangel und fehlenden Investitionen gezeichnet ist. Die SPD-Politikerin wehrte sich ebenfalls gegen Lockdown- oder andere Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus.

Auch wenn Gote jetzt wegen der gefährlichen Omikron-Variante erklärt: „Wir werden wieder alle unsere Kontakte reduzieren müssen“ und schnelles Handeln anmahnt, folgt auch sie der Profite-vor-Leben-Politik der anderen Parteien. An ihrem vorherigen Wirkungsort hatte sie sich explizit für Präsenzunterricht und gegen Luftreinigungsgeräte in Klassenräumen ausgesprochen. Einfaches Lüften reiche aus, erklärte sie stattdessen lapidar.

Mit Daniel Wesener (Finanzen) und Bettina Jarasch (Verkehr) sind zwei weitere langjährige Führungskader der Grünen in den Senat berufen worden. Beide haben maßgeblich am Koalitionsvertrag mitgearbeitet. Wesener bekennt sich ausdrücklich zur „Schuldenbremse“. Auch die Enteignung der Miethaie sieht Wesener rein unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit. Bereits vor zwei Jahren hatte er in der B.Z. erklärt, der Berliner Landeshaushalt könne dies nicht leisten.

Das Rot-Rot-Grün den parteilosen Unternehmer Stephan Schwarz zum Wirtschaftssenator kürt, spricht Bände über den Klassencharakter der Regierung. Schwarz gehört das Unternehmen GRG, das mit Gebäudereinigung Millionenumsätze macht. Im vergangenen Jahr erklärte der Unternehmer im Tagesspiegel, sein Unternehmen habe den Umsatz von 50 auf 102 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die Löhne und Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigungsbrache sind hinlänglich bekannt. Wenn Schwarz davon spricht, den Wirtschaftsstandort Berlin nach der Pandemie neu zu starten, meint er damit, solche Bedingungen flächendeckend einzuführen.

Dabei wird Schwarz eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten. Er ist Mitglied im „Rat der Arbeitswelt“, einem „Expertengremium“ des Arbeitsministeriums, dem neben Unternehmern und Politikern auch hochrangige Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionäre angehören.

Für die Linke übernimmt Klaus Lederer erneut das Kulturressort und Lena Kreck wird Senatorin für Justiz. Die Partei spielt eine besonders üble Rolle in der neuen Regierung. Während sie im Wahlkampf für Enteignung, mehr Geld für Kliniken und öffentliche Einrichtungen versprochen hatte, setzt sie nun das genaue Gegenteil um. 75 Prozent der Mitglieder haben sich bei einer Mitgliederbefragung für den Koalitionsvertrag und das erneute Bündnis mit SPD und Grünen ausgesprochen.

Vor diesem Hintergrund muss die Wahl von Katja Kipping als Senatorin für Soziales gesehen werden. Angesichts der stramm rechten Wirtschafts- und Fiskalpolitik des Senats hat Kipping die Aufgabe, die anstehenden Sozialkürzungen durchzusetzen. Sie gilt als strikte Verfechterin von Bündnissen mit SPD und Grünen, führte neun Jahre lang in einer Doppelspitze die Partei und steht für deren Rechtsentwicklung.

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