Nato und USA haben Syrien im Blick

Die Medien sind randvoll von Propagandaartikeln. Angeblich profitiert Präsident Wladimir Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine von den Erfahrungen, die er in Russlands militärischer Intervention in Syrien gewonnen hat.

Die Heftigkeit der Hetze zeigt, wie sehr die Regierung Biden und ihre Nato-Verbündeten den Ukrainekrieg als Gelegenheit betrachten, um Russland aus Syrien zu verdrängen, wo die russische Militärpräsenz wesentlich dazu beigetragen hat, die amerikanischen Pläne zu vereiteln. Die US-Regierung strebt in Syrien danach, Präsident Baschar al-Assad zu stürzen, um damit den Iran zu isolieren. Um diese Ziele zu erreichen, bedient die Regierung in Washington sich seit dem Arabischen Frühling 2011 der Hilfe islamistischer Milizen, die als ihre Stellvertreter operieren.

Ein Artikel des amerikanischen Hörfunks NPR trägt die Überschrift: „Russland hat sein Drehbuch in Syrien sehen lassen, und was das für die Zivilbevölkerung in der Ukraine bedeutet“. Darin werden russische Luftangriffe gegen Zivilisten in Aleppo und in der Provinz Idlib geschildert. Diese Angriffe hätten zu schweren Verlusten an Menschenleben, Schäden an der zivilen Infrastruktur und Massenvertreibung der Bevölkerung geführt, die als Kriegsverbrechen gewertet würden.

Gepanzerte Fahrzeuge der USA und Russlands in Syrien (Foto: Russisches Verteidigungsministerium)

NPR warnt seine Leser, dass dieselbe mörderische Taktik, die darauf abzielt, die Moral der syrischen Opposition zu brechen und das Land zu zerstückeln, nun auch in der Ukraine zur Anwendung komme. Im Artikel wird Robert Ford, US-Botschafter in Syrien von 2011 bis 2014, mit den Worten zitiert: „Sie zögern nicht, zivile Ziele zu treffen. Und die zweite Lektion ist, dass sie darüber ständig lügen.“

Ford fügte hinzu: „Natürlich wurde diese Taktik in Syrien nicht zum ersten Mal angewandt. Sie hatten sie auch schon in Grosny, im Feldzug gegen Tschetschenien, verwendet. Ich gehe also davon aus, dass das ihr Standard-Drehbuch ist, und dass sie es auch in der Ukraine so machen werden.“

Im Vereinigten Königreich setzt die Boulevardzeitung The Sun, die zur Murdoch-Presse gehört, mit der reißerischen Schlagzeile noch eins drauf: „EKELERREGEND: Putin benutzt in seinem Ukrainekrieg das Syrien-Drehbuch. Die Welt muss mit Chemiewaffen und bombardierten Krankenhäusern rechnen.“ Darin wird behauptet, Präsident Wladimir Putin folge demselben „Schlachtplan, den die Russen im Nahen Osten und in ihrer eigenen Region Tschetschenien verfolgten, und der blühende Städte in Schutt und Asche legte“. Es folgt die Behauptung, der Kreml stecke hinter einem Chemiewaffenangriff von Präsident Assad in Syrien im August 2013, und er habe „die Idee gebilligt, verbotene chemische Waffen einzusetzen und zuzulassen, dass die Syrer ihr eigenes Volk damit angriffen“.

Um eine aktuelle Verbindung zwischen den beiden Konflikten herzustellen, zitierten die Medien Arabi21, eine von Katar finanzierte Website, die behauptet, Russland bereite sich zur Unterstützung seiner Streitkräfte in der Ukraine darauf vor, „Söldner“ aus Syrien zu rekrutieren. Ein syrischer Journalist berichtete Arabi21, dass sich Hunderte syrischer Kämpfer der russischen Miliz „Gruppe Wagner“ angeschlossen hätten, die auch in Afrika kämpft.

Die Schreiberlinge in den Redaktionsstuben vergießen Krokodilstränen über das Leid der syrischen Bevölkerung im „von der Opposition kontrollierten“ Idlib. Dabei verschweigen sie die Tatsache, dass es sich um die letzte Bastion der mit Al-Qaida und dem Islamischen Staat (IS) verbundenen Islamisten handelt. Diese stellten früher einmal die verhassten Schurken dar, die die imperialistische Kriegsführung rechtfertigen sollten.

Auch der vorgeblich liberale Guardian berichtet immer wieder über die Verbrechen und Gräueltaten, die Russland an der Zivilbevölkerung begeht, und trägt so dazu bei, das notwendige politische Klima für Krieg, Zensur und innere Unterdrückung zu schaffen.

Dabei ziehen die Journalisten der Welt es vor, den Mantel des Schweigens über die Angriffe zu breiten, die die USA, Israel oder Saudi-Arabien in verschiedenen Teilen des Nahen Ostens verübten und noch verüben, und die vom Irak über Syrien bis zum Jemen reichen. Die Schlacht um die Stadt Mossul im Jahr 2017, die unter Führung der USA bombardiert wurde, ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Fälle, bei denen imperialistische Mächte die nationale Souveränität, nicht zuletzt von Syrien, verletzten.

Darüber hinaus ignorieren, verzerren und fälschen diese Journalisten schlichtweg, was in Syrien wirklich passiert ist. Und gleichzeitig bereiten sich die USA und die Nato auf neue Angriffskriege im Nahen Osten vor, um ihre Hegemonie in der ressourcenreichen Region wiederherzustellen.

Der Krieg in Syrien dauert nun schon elf Jahre, und es sind die Vereinigten Staaten, die ihn antreiben. Er begann als Versuch der USA und ihrer regionalen Verbündeten (der Golfstaaten, der Türkei und Israels), die Proteste im März 2011 im Arabischen Frühling zu nutzen, um Assad zu Fall zu bringen. Sie bewaffneten Kräfte wie die Al-Nusra-Front, die mit Al-Qaida verbündet war, und statteten eine weitere, „gemäßigte“ Gruppe von CIA-Rekruten und Regimekritikern mit finanziellen Mitteln und politischem Rückhalt aus.

Die Medien und mehrere pseudolinke Gruppen priesen diese Kräfte, die in der Bevölkerung kaum Unterstützung genossen, als „Revolutionäre“, die für die Demokratie kämpften. Sie taten dies auch dann noch, als diese sunnitisch-islamistischen Banden Amok liefen und zu Diebstahl, mutwilliger Zerstörung, Einschüchterung und Mord griffen.

Die syrische Regierung wandte sich um Unterstützung an ihre Verbündeten. Der Iran mobilisierte seine Streitkräfte und Kämpfer der libanesischen Schiitengruppe Hisbollah. Russlands Engagement war eher begrenzt: Die russische Regierung lieferte Waffen und gab Damaskus politische und diplomatische Rückendeckung, um zu verhindern, dass die syrische Regierung von Washington ausgeschaltet würde, wie es Ghaddafi in Libyen geschehen war. Russland versuchte, zwischen den „Rebellen“ und der Assad-Regierung zu vermitteln, und es blockierte alle Resolutionen der Vereinten Nationen, die als Vorwand für militärische Interventionen in Syrien hätten dienen können.

Als es im August 2013 zu dem bereits erwähnten Chemiewaffen-Angriff in Ghuta, in der Nähe von Damaskus, kam, war es Russland, das Präsident Barack Obama einen Ausweg aus einer verfahrenen Situation aufzeigte. Die USA beschuldigten die syrische Regierung, für den Anschlag verantwortlich zu sein, und sie planten, dies als Rechtfertigung für einen militärischen Angriff auszuschlachten, um einen Regimewechsel durchzusetzen. Da Obama im In- und Ausland jedoch auf Widerstand gegen seinen Bombenkrieg stieß, bot Putin ihm an, im Gegenzug für einen Verzicht auf diese Intervention dafür zu sorgen, dass sämtliche Chemiewaffen aus Syrien entfernt würden.

Wochen später wies die UN-Chemiewaffeninspektion auf mehrere Angriffe mit Sarin-Gas hin, die von „Rebellen“-Kräften verübt worden waren. Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Enthüllungsjournalist Seymour Hersh wies in der London Review of Books detailliert nach, wie die Obama-Regierung absichtlich Geheimdienstinformationen manipuliert hatte, um die syrische Regierung und das Militär fälschlicherweise für den Angriff verantwortlich zu machen.

Erst im September 2015, mehr als ein Jahr nach dem Putsch auf dem Maidan, griff Russland in den Syrienkonflikt ein. Bei dem Putsch auf in Kiew, den die USA 2014 aktiv unterstützten, setzten rechtsextreme Kräfte den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch ab und stürzten die ukrainische Regierung. Unter der muslimischen Bevölkerung in Russland und seinen Nachbarn in Zentralasien breitete sich Unruhe aus. In Syrien erlitten Assads Streitkräfte im Nordwesten eine Niederlage, und islamistische Kräfte bedrohten die Küstengebiete, darunter die Regionen, die am loyalsten zu Assad standen. Bedroht war auch die Hafenstadt Tartus mit Russlands einzigem Marinestützpunkt am Mittelmeer, der 1971, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, eingerichtet worden war. Unter diesen Bedingungen intervenierte Russland auf ein offizielles Ersuchen der Assad-Regierung hin in Syrien.

Es war Russlands erste militärische Intervention in der arabischen Welt. Die USA hatten bereits mörderische Feldzüge im Irak, in Afghanistan und in Libyen durchgeführt, nicht zu reden von ihren Intrigen hinter den Kulissen und offenen Staatsstreichen. Diese reichten von der Unterstützung Oberst Gamal Abdul Nassers im Jahr 1952, der die von Großbritannien eingesetzte Monarchie in Ägypten stürzte, über den Putsch gegen die nationalistische Regierung Irans 1953, bis zum Putsch in Syrien 1957 und im Libanon 1958 – um nur einige zu nennen.

Russlands Luftmacht war in Syrien entscheidend für den Sieg über die Milizen. Mit seinen 5.000 bis 7.000 Soldaten, die von einem erweiterten Marinestützpunkt in Tartus und der kürzlich vergrößerten Air Base Khmeimim aus operierten, bot es den Soldaten der iranischen und irakischen Hisbollah und der syrischen Infanterie Deckung. So gelang es, die Islamisten weitgehend auf die von der Türkei kontrollierte nordwestliche Provinz Idlib zurückzudrängen. Russlands Bodentruppen wurden in Syrien hauptsächlich zur Verteidigung seiner Stützpunkte eingesetzt.

Die russischen Militäroperationen in Syrien waren bezüglich Dauer, Umfang und Taktik stets als begrenzt geplant. Sie konzentrierten sich weitgehend auf Assads bewaffnete Gegner, weniger auf IS-treue Gruppen, und stützten sich auf seine brüchige Koalition mit dem Iran, der Hisbollah und dem Irak, der so genannten schiitischen Achse. Sie wollten verhindern, dass Assad durch die lokale Opposition, die USA oder den Islamischen Staat gestürzt würde. Der IS ist eine reaktionäre dschihadistische Gruppierung, den die USA angestiftet haben, um einen grausamen Religionskrieg in Syrien anzuzetteln. Der IS wurde erst zum Staatsfeind Nummer eins, als er im Juli 2014 große Teile des Irak eroberte und Bagdad selbst bedrohte.

Moskau gelang es, der syrischen Regierung die Kontrolle über die wichtigsten Bevölkerungszentren zu sichern und Assads Herrschaft zu stabilisieren, seine Waffen zu testen und seine Soldaten im Kampf auszubilden. Auch konnte die russische Regierung das langfristige Recht auf die Stützpunkte Tartus und Khmeimim erwerben. Damit erweiterte sie den Verkauf moderner Waffen, ihren Handel und die russischen Investitionen, und sie dehnte ihren Einfluss auf die gesamte Region aus, einschließlich der Türkei, des Irans, Israels, Ägyptens, Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Katars, Kuwaits, Bahrains, Jordaniens und des Libanons. Damit ist Syrien zu Russlands wichtigstem regionalen Stützpunkt geworden.

Dies geschah zu dem relativ geringen Preis von 4 Millionen Dollar am Tag, 28 russischen Menschenleben und dem Abschuss eines russischen Su-24-Bombers durch die Türkei im Jahr 2015. Darüber hinaus war der größte Verlust an Menschenleben, den Russland zu beklagen hatte, der Abschuss eines Passagierflugzeugs mit 224 Menschen an Bord, als eine ägyptische, mit dem IS verbündete Zelle am 31. Oktober 2015 diese Maschine über der Sinai-Halbinsel abschoss.

Russland ist also im Verlauf des Syrienkriegs als wichtiger geopolitischer Akteur und auf Kosten der Vereinigten Staaten in den Nahen Osten zurückgekehrt. Und diese Konstellation wollen die USA unbedingt rückgängig machen. Dies wollen sie im Rahmen ihrer Regimewechsel-Operationen erreichen, die zuletzt zum Ukrainekrieg geführt haben. Die USA und die Nato setzen darauf, dass Moskau einen Teil seiner Streitkräfte in Syrien jetzt in die Ukraine verlegen muss. Somit könnten ihre islamistischen Stellvertreter in Idlib und Ostsyrien mit Unterstützung der Türkei auf die von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete und wichtigsten Bevölkerungszentren vorrücken. Das Ziel, die Assad-Regierung zu stürzen, könnte wieder in greifbare Nähe rücken.

Die USA und die Nato haben zusammen mit der Ukraine Druck auf die Türkei ausgeübt, damit sie die Dardanellen und den Bosporus für russische Kriegsschiffe sperren. Letzte Woche gab Ankara bekannt, dass es Russland offiziell von seiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt habe, die Durchfahrt von Kriegsschiffen durch die Meerengen zu unterbinden. Zuvor hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärt, dass die Türkei die Souveränität der Ukraine über ihr gesamtes Staatsgebiet anerkenne.

Dies wird offiziell als defensiver Schritt zur Unterstützung der Ukraine dargestellt. In Wirklichkeit zielt es darauf ab, Russlands Schiffe daran zu hindern, das Mittelmeer zu verlassen, um in der Heimat Nachschub aufzunehmen.

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