Wenn Marxisten ihre Haltung zu einem bestimmten Krieg definieren, analysieren sie die tiefgreifenden historischen und materiellen Kräfte, die ihn hervorgerufen haben und sich in seiner Entwicklung ausdrücken.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) lehnt zwar den Einmarsch der Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Ukraine ab, aber es stellt den aktuellen Krieg in den Kontext einer umfassenderen marxistischen Analyse des gesamten 20. Jahrhunderts. Insbesondere geht es um die historischen Prozesse im Verlauf der Auflösung der Sowjetunion und der dreißig Jahre imperialistischer Kriege, die die USA und die Nato seither geführt haben.
Kleinbürgerliche Opportunisten nehmen eine diametral entgegengesetzte Haltung ein. Ihre Einschätzung bleibt an der Oberfläche der Ereignisse stehen und stellt niemals ihre eigene Orientierung am Kapitalismus und seinem nationalstaatlichen System in Frage.
Die International Socialist League (ISL), ein Zusammenschluss von Moreno-Anhängern und Shachtmanisten, bringt diese Haltung besonders klar zum Ausdruck. In den letzten Monaten hat die ISL folgende zwei Erklärungen veröffentlicht: „Nein zur imperialistischen Aggression Russlands gegen die Ukraine! Nato und USA raus aus Osteuropa! Keine weiteren Kriege im Interesse der Imperialisten!“ und „Russischer Imperialismus raus aus der Ukraine! Solidarität mit den ukrainischen Arbeitern und dem ukrainischen Volk! Keine weiteren von den Imperialisten unterstützten Kriege!“
Diese Pseudolinken versuchen, ihre Unterstützung für die imperialistische Politik der USA und der Nato mit verlogenen „antiimperialistischen“ Parolen zu tarnen. Die ISL schließt sich der ungehemmten Kriegspropaganda der westlichen Konzernmedien an. Sie macht sich für den „ukrainischen Widerstand“ stark, gleichwohl er von der Nato unterstützt wird, und trotz seines überwiegend rechtsextremen Charakters. Gleichzeitig sieht die ISL in dem angeblich aggressiven Expansionismus des „russischen Imperialismus“ den entscheidenden Faktor für den Ausbruch des Krieges. Wenn sie die Beteiligung der Nato überhaupt erwähnt, behauptet sie, dass deren Präsenz „keine Garantie für den Frieden“ sei und „Putin Ausreden liefert“.
Die ISL hat die Proteste „gegen die russische Aggression“, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern stattfanden, vorbehaltlos unterstützt. Sie verschleiert, dass bürgerliche Kräfte sie anführen, wie auch ihre Forderung an die imperialistischen Staaten nach militärischer Eskalation, sowie die Tatsache, dass diese Proteste Hass gegen das russische Volk schüren und ukrainischen Chauvinismus propagieren.
In Lateinamerika, wo die nationale Bourgeoisie zurückhaltender auf den Konflikt in der Ukraine reagierte, organisierte die ISL selbst solche Demonstrationen, die an reaktionäre Stimmungen in der wohlhabenden Mittelschicht appellieren. In Argentinien veranstaltete die führende Partei der ISL, Movimiento Socialista de los Trabajadores (MST, Sozialistische Arbeiterbewegung), eine Demonstration vor der russischen Botschaft in Buenos Aires, bei der Flaggen der ISL zusammen mit rechten Schildern zu sehen waren, die Putin als Hitler darstellten und den Slogan „Slava Ukraini“ (Ruhm der Ukraine) trugen.
Am 4. März veröffentlichte die ISL ihre „Kiewer Chronik“, Kommentare zum Krieg von Oleg Vernyk (oder Vernik), dem Führer der Ukrainischen Sozialistischen Liga (USL), der ISL-Gruppe in der Ukraine. In der Sprache eines kleinbürgerlichen Chauvinisten verkündete er: „Das ukrainische Militär ist viel kleiner und weniger gut vorbereitet. Wir sind kein imperialistischer Staat. Aber gestern haben unsere Jungs wahres Heldentum bewiesen. Und sie leisten Widerstand! (...) Es lebe die Ukraine!“
Die Pro-Nato-Konferenz der ISL
Diese Ansichten wurden in einer Online-Veranstaltung der ISL am 9. März mit dem Titel „Internationale Konferenz aus Kiew“, bei der Vernyk als Hauptredner auftrat, ausführlicher dargelegt. Die Konferenz war eine klare Bestätigung, dass die angebliche Opposition der ISL gegen die Nato ein Schwindel ist.
Im Namen der ISL lobte Vernyk den ukrainischen Staat und die rechtsgerichtete Regierung von Wolodymyr Selenskyj, der „sehr positive persönliche Eigenschaften“ gezeigt habe. Den Einfluss rechtsextremer und faschistischer Kräfte im ukrainischen Staatsapparat und in der Armee tat er als „Mythos“ ab und forderte praktisch von USA und Nato, eine direkte militärische Konfrontation mit Russland einzugehen, was einen Atomkrieg wahrscheinlich machen würde. In Vernyks Worten:
Viele linke Organisationen sage: „Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Imperialismen, aber wir sind nicht bereit, eine der beiden Seiten zu unterstützen.“ Doch wir sollten uns die reale Situation ansehen: Wer hat einen Krieg gegen wen begonnen? Der russische Imperialismus. (...) Vor dem Krieg hatten die USA nur hundert Panzerabwehrwaffen in die Ukraine geschickt, aber es gab einen riesigen Skandal, als hätten sie eine große Menge Waffen geliefert. Seit zwei Wochen fordert unser Präsident Selenskyj die Nato auf, den ukrainischen Luftraum zu schließen und das ukrainische Volk zu verteidigen. Doch wie sieht die Antwort der Nato aus? „Liebe Freunde, das ist euer Konflikt, und wir wollen uns nicht daran beteiligen.“
Anders als die ISL irreführend behauptet, geht das Engagement der Vereinigten Staaten (und der europäischen imperialistischen Mächte) im Krieg gegen Russland in der Ukraine weit über die Lieferung einer geringfügigen Menge an Waffen hinaus. Die Menge an amerikanischen und europäischen Waffen, die vor und nach der Invasion in das Land geliefert wurde, ist in Wirklichkeit enorm und nimmt noch zu. Wie die World Socialist Web Site berichtet hat, drängt die Biden-Regierung auf ein 40-Milliarden-Dollar-Paket an Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine, das „die Gesamtsumme, die in weniger als drei Monaten für den Krieg in der Ukraine bereitgestellt wurde, auf schwindelerregende 53 Milliarden Dollar anhebt“. Außerdem sind die Bestrebungen Finnlands und Schwedens, der Nato beizutreten, die jüngsten imperialistischen Provokationen und Vorbereitungen für einen direkten Krieg gegen Russland. Die Analyse des IKVI bestätigt sich damit voll und ganz.
Doch dies sind nur die jüngsten Episoden im systematischen Vormarsch der USA und der Nato in Osteuropa, seit die Stalinisten die Sowjetunion im Jahr 1991 auflösten. Das Ziel ist es, Russland einzukreisen und letztendlich zu kolonialisieren.
Diese Bestrebungen erhielten einen kräftigen Schub durch den von den USA unterstützten rechtsextremen Putsch in Kiew im Jahr 2014, der die Ukraine de facto zu einem Militärstützpunkt für die imperialistischen Ambitionen der Nato machte. Seitdem haben die Nato-Mächte immer häufiger kriegerische Provokationen gegen Russland unternommen, etwa gemeinsame Militärübungen mit der ukrainischen Armee. Auf diplomatischem Gebiet gibt es den Vertrag über die Strategische Partnerschaft zwischen den USA und der Ukraine, der unverblümt mit einem Krieg gegen Moskau droht.
Der von der ISL genannte Ausgangspunkt ihrer Position – „wer hat einen Krieg gegen wen begonnen?“ – ist ganz und gar unmarxistisch. Für revolutionäre Internationalisten ist nicht entscheidend, „wer den ersten Schuss abgefeuert“ hat, sondern der allgemeine Charakter eines Krieges und die gesellschaftlichen Kräfte, die hinter ihm stehen. In seinen Schriften über den ersten imperialistischen Krieg erinnerte Lenin oft an Clausewitz' berühmtes Diktum: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, und er stellte fest: „Die Marxisten haben diesen Satz mit Recht stets als theoretische Grundlage ihrer Auffassungen von der Bedeutung eines jeden konkreten Krieges betrachtet.“
Lenin warnte in seiner Schrift, „Krieg und Revolution“ im Mai 1917: „Wenn man nicht die Politik beider Gruppen der kriegführenden Mächte im Laufe der Jahrzehnte studiert hat – um Zufälligkeiten zu vermeiden und nicht Einzelbeispiele herauszugreifen – , wenn man nicht den Zusammenhang dieses Kriegs mit der vorausgegangenen Politik aufgezeigt hat, dann hat man nichts von diesem Krieg begriffen.“ Das Hauptmerkmal der Reaktion der ISL auf den Krieg ist gerade diese von Lenin kritisierte Haltung, die zu einer Methode der systematischen politischen Vertuschung geworden ist.
Die bankrotten Ursprünge der These vom „russischen Imperialismus“
Das zeigt sich vor allem daran, dass die ISL Russland als imperialistisches Land charakterisiert und so den Begriff Imperialismus völlig aus seinem historischen Kontext reißt. Für den Marxismus ist der Imperialismus die Epoche der höchsten Entwicklungsstufe des Kapitalismus, gekennzeichnet durch die Vorherrschaft des Finanzkapitals, die im späten 19. Jahrhundert begann und bis in unsere Zeit reicht. Ob im Krieg oder im Frieden, die großen kapitalistischen Mächte verfolgen eine imperialistische Politik in dem Sinne, dass sie versuchen, den Widerspruch zwischen dem Wachstum der globalen Produktivkräfte und den Beschränkungen der nationalen Staatsgrenzen durch das Streben nach Weltherrschaft zu lösen.
In diesem weltweiten Kampf hat Russland den Status einer zweitrangigen Wirtschaftsmacht, die hauptsächlich auf dem Export von Waren (und nicht von Kapital) basiert. Die imperialistischen Nato-Mächte finanzieren ihren Stellvertreterkrieg in der Ukraine mit dem Ziel, die Kontrolle über die riesige russische Landmasse zu erlangen, die die weltweit größten Vorkommen an Öl, Gas und strategischen Mineralien aufweist. Außerdem ist dieser von den USA angeführte imperialistische Feldzug Teil umfassenderer Vorbereitungen auf einen Krieg gegen China. Russland hingegen interveniert militärisch im Ausland, nicht um Kolonien zu erobern und auszubeuten, sondern um geostrategische Garantien gegen imperialistische Interventionen zu erhalten.
Die ISL kann vor allem nicht erklären, wie Russland aus der Auflösung der Sowjetunion als neue imperialistische Macht hervorgegangen ist. Ihre Position steht in keiner Weise in der Tradition des Trotzkismus, der historisch erklärt hat, dass die Wiedereinführung des Kapitalismus in der UdSSR die Rückverwandlung Russlands in ein halbkoloniales Land zur Folge hatte. Die Position der ISL folgt in Wirklichkeit aus den Auffassungen der kleinbürgerlichen Opposition unter Führung von Max Shachtman und James Burnham, die bereits 1939-1940 mit der Vierten Internationale brachen.
Die Grundlage der Shachtman-Opposition war die Ablehnung von Trotzkis Definition der Sowjetunion als degenerierter Arbeiterstaat und ihrer Bürokratie als Kaste, nicht als soziale Klasse. Varianten des Shachtmanismus - wie diejenige von C.L.R. James (Johnson-Forrest-Tendenz) - vertraten die Ansicht, dass die Sowjetunion eine neue Form des „Staatskapitalismus“ mit imperialistischen Tendenzen darstelle. Seinen vollständigen und offenen Bruch mit den Perspektiven der Vierten Internationale verkündete James mit den Worten: „Der orthodoxe Trotzkismus kann keine objektive Notwendigkeit für einen imperialistischen Krieg zwischen dem stalinistischen Russland und dem amerikanischen Imperialismus erkennen. Er ist die einzige politische Strömung der Welt, die nicht erkennen kann, dass der Konflikt ein Kampf zwischen zwei Mächten um die Weltherrschaft ist“ („State Capitalism and World Revolution“, 1950, aus dem Englischen).
Das heutige Russland als imperialistische Macht zu bezeichnen, wie es die ISL tut, impliziert die Annahme, dass die Sowjetunion kein degenerierter Arbeiterstaat war, sondern ein halber Schritt auf dem Weg zu einem imperialistischen kapitalistischen Staat. Die Auflösung der UdSSR war demnach nur die Vollendung dieses Prozesses. Die historische Bedeutung der Oktoberrevolution wird, statt der Beginn der sozialistischen Weltrevolution zu sein, auf eine bloße Abkürzung in der Herausbildung des Kapitalismus in Russland reduziert.
Durch ihre reaktionäre Verteidigung des ukrainischen Nationalstaates demonstriert die ISL die Auswirkungen ihrer bankrotten Geschichtsauffassung. Vernyk befürwortet die Zusammenarbeit mit Selenskyjs Streitkräften und fordert Unterstützung für das ukrainische Regime, denn es sei, im Gegensatz zum russischen „Totalitarismus“, eine „ganz gewöhnliche bürgerliche Demokratie“. In ihrer bereits erwähnten Erklärung vom 21. Januar schreibt die ISL: „Die Ukraine ist das Hindernis für die Errichtung der vollständigen und totalen Kontrolle des russischen Imperialismus über das Gebiet der ehemaligen UdSSR.“
Aus diesen Behauptungen kann man schließen, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion – der aus der reaktionären Sicht der ISL ein fortschrittliches historisches Ereignis ist – zu zwei unterschiedlichen Ergebnissen geführt habe: zum „imperialistischen Russland“ auf der einen Seite und der „demokratischen Ukraine“ auf der anderen. Die logische Folge daraus ist, dass eine weitere Aufspaltung und Zerstückelung Russlands notwendig sei, um den „russischen Imperialismus“ zu eliminieren und weitere „ganz gewöhnliche bürgerliche Demokratien“ zu schaffen.
Marxisten müssen die falschen Auffassungen vom „russischen Imperialismus“ und der „demokratischen Ukraine“ zurückweisen. Der russische und der ukrainische Staat sind reaktionäre Produkte der Auflösung der Sowjetunion und haben daher grundlegende Merkmale gemeinsam. In beiden Staaten sind verrottete kapitalistische Oligarchien an der Macht: die Nachkommen der stalinistischen Bürokratie und Erben des gestohlenen Eigentums des Sowjetstaates. Sie sind grundsätzlich nicht in der Lage, ihre eigenen Interessen gegenüber dem Imperialismus zur Geltung zu bringen.
Die verkommene Orientierung der ISL auf den ukrainischen bürgerlichen Staat und die Nato ist nicht nur platonischer Art. Ihre Unterstützer in der Ukraine sitzen mit imperialistischen Agenten am Verhandlungstisch, gehen Verpflichtungen gegenüber rechtsextremen Politikern ein und bauen ihre Gefolgschaft unter den faschistischen paramilitärischen Kräften auf.
Die schmutzige Bilanz der ISL in der Ukraine
Für den Ursprung und die Entwicklung der politischen Kräfte, die ihre Ukrainische Sozialistische Liga (USL) gegründet haben, bietet die ISL keinerlei Erklärung an. Das ist verständlich, denn ein Blick auf den Hintergrund und die Verbindungen dieser Kräfte offenbart eine äußerst schmutzige politische Bilanz.
Auf ihrer Website berichtet die ISL, dass die USL vor weniger als einem Jahr, im April 2021, gegründet worden sei. Die Eröffnungsrede hielt der Anführer der Gruppe, Oleg Vernyk, der als Präsident der Gewerkschaft Zakhyst Pratsi (Verteidigung der Arbeit) vorgestellt wurde. In Worten, die für alle opportunistischen politischen Tendenzen typisch sind, erklärte Vernyk, die USL lehne die „traditionellen Konflikte im marxistischen Milieu“ ab. Stattdessen trete sie für „vereinte Bemühungen“ aller „marxistischen Organisationen und Zirkel [ein], die in der Ukraine existieren“.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam es innerhalb der marxistischen Bewegung mehrmals zur Spaltung, und „ein Strom von Blut“ trennt heute den Trotzkismus vom Stalinismus. Die USL zeigt dafür keinerlei Interesse. Vielmehr neigt sie dazu, politische Tendenzen nach ihrer Orientierung an verschiedenen bürgerlichen Nationalstaaten einzuteilen. In einem Interview mit der russischen Website Levoradikal bezeichnet Vernyk „mich und meine Genossen von der USL“ als die „proukrainische Linke“, im Gegensatz zur „prorussischen Linken, die natürlich die Linke in der Ukraine dominiert“. Er behauptet, seine Position bedeute, „den russischen Imperialismus in der Ukraine und den westlichen Imperialismus gleichzeitig zu bekämpfen“. Das ist jedoch eine Lüge.
Offensichtlich bestehen Verbindungen zwischen Vernyk und seinen Gewerkschaften (er sitzt auch in der Führung der Demokratischen Gewerkschaften der Ukraine) und den proimperialistischen politischen Kräften, die hinter dem Maidan-Putsch standen. In einer Erklärung aus dem Jahr 2014 behaupten die Demokratischen Gewerkschaften der Ukraine: „Die Allukrainische Union der Demokratischen Gewerkschaften der Ukraine, vertreten durch ihre Führungskräfte und Gewerkschaftsmitglieder, befindet sich auf dem Euromaidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew seit dem ersten Tag der Massenproteste gegen die brutale Gewalt der Regierung. Diese will die historische Entscheidung des ukrainischen Volks für die europäische Integration rückgängig machen.“
Die Erklärung enthüllt die Rolle der Demokratischen Gewerkschaften der Ukraine als Agenten der europäischen imperialistischen Mächte, wie auch ihre rein bürgerlich-nationalistische Perspektive. Darin wird die Forderung erhoben, „eine proeuropäische Regierung des Vertrauens der Bevölkerung zu bilden“. Auch müsse es „eine breite öffentliche Debatte unter Beteiligung von Politikern, Zivilgesellschaft und europäischen Partnern über die Umsetzung des Abkommens“ geben. Dieses reaktionäre Programm wurde später umgesetzt, und Vernyk saß mit Vertretern der europäischen und ukrainischen herrschenden Klassen an einem Tisch, um über die kapitalistische Zukunft des Landes zu diskutieren.
Auf mehreren Fotos auf der Facebook-Seite der Demokratischen Gewerkschaften der Ukraine, auf der heute ISL- und USL-Erklärungen geteilt werden, ist zu sehen, wie ihre Fahnen neben denen der faschistischen Svoboda (Freiheit)-Partei gehisst sind. Svoboda gehörte zu den Hauptakteuren des rechtsextremen Putsches von 2014. Auf einem der Bilder sind beide Flaggen zusammen an einer Mauer zu sehen. Das Bild soll die „Besetzung des Kiewer Rathauses“ im Dezember 2013 zeigen.
In einer Erklärung von Svoboda aus dem Jahr 2010 werden die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) und ihr Anführer Stepan Bandera verherrlicht, der den Nazis während des Zweiten Weltkriegs bei den grausamen Massakern an der jüdischen Bevölkerung geholfen hatte. Dort heißt es: „Um in den Städten des Ostens und des Südens eine wahrhaft ukrainische Ukraine zu schaffen, müssen wir den Parlamentarismus abschaffen, alle politischen Parteien verbieten, die gesamte Industrie und alle Medien verstaatlichen, die Einfuhr jeglicher Literatur aus Russland in die Ukraine verbieten, die Führungskräfte des öffentlichen Dienstes, des Bildungswesens und des Militärs (vor allem im Osten) vollständig austauschen, alle russischsprachigen Intellektuellen und alle Ukraine-Feinde physisch liquidieren (schnell, ohne Prozess. Jedes Mitglied von Svoboda kann hier die Registrierung von Ukraine-Feinden vornehmen), und alle Mitglieder der antiukrainischen politischen Parteien hinrichten (…)“
Während der ukrainischen Kommunalwahlen 2020 gab Vernyk eine offizielle Erklärung ab, in der er den rechtsgerichteten Kandidaten Yuri Lewtschenko und dessen Partei „Volksmacht“ unterstützte, welche führende Vertreter seiner Gewerkschaft als Kandidaten zugelassen hatte. Vernyk schrieb, er spreche der „politischen Partei Volksmacht und Lewtschenkos Team ausdrücklich meinen Dank aus. Sie hat in der Tat die Unterstützung für unabhängige Gewerkschaften der Ukraine demonstriert und ihre Aktivisten mutig und prinzipiell für lokale Regierungen nominiert.“
Diese Partei Volksmacht, die Vernyk so begeistert unterstützte, hatte Lewtschenko 2020 gegründet, kurz nachdem er mit Svoboda gebrochen hatte. Zuvor hatte er Svoboda als Abgeordneter in Kiew vertreten. Eine typische Episode seiner politischen Karriere ereignete sich im Oktober 2017, als Lewtschenko, wie er zugab, eine Rauchbombe ins Parlament warf, um die Abstimmung über einen Gesetzentwurf zur „Friedlichen Regelung der Lage in bestimmten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk“ zu verhindern.
Die obskure Ausrichtung der USL auf die ukrainische extreme Rechte wird auch durch einen Beitrag auf Vernyks Facebook-Seite belegt. Auf einem Bild, das auf November 2017 datiert ist, posiert er neben uniformierten Polizisten, die als Mitglieder der Sondereinsatzpolizei bezeichnet werden, und mit denen er vorgeblich einen Gewerkschaftsverband gründet. In der Bildunterschrift schreibt er: „Die Zeit ist gekommen, in der die Soldaten des Regiments, auf deren Schultern der harte Alltag des Anti-Terror-Einsatzes ruht, beginnen, mit unserer kampfbereiten, unabhängigen Gewerkschaft unabhängig und verantwortungsbewusst für ihre sozioökonomischen und Arbeiterrechte zu kämpfen.“
Die Sondereinsatzpolizei ging aus dem Putsch von 2014 hervor. Unter dem neuen Regime wurde sie als Netzwerk von „Freiwilligenbataillonen“ geschaffen. Sie setzt sich aus paramilitärischen Kräften zusammen, von denen einige offen faschistisch sind, wie das berüchtigte Asow-Bataillon, dessen Emblem ein abgewandeltes Nazi-Hakenkreuz darstellt. Yuriy Bereza, ein faschistischer Politiker und Kommandeur des Dnepr-1-Bataillons, erklärte die Bedeutung dieser Milizen so: „Die Freiwilligenbataillone, die bei ihrer Gründung dem Innenministerium unterstellt wurden, stellen wohl eine der wichtigsten Reformen dar, die echte Patrioten zur Polizei gebracht haben.“
Oleg Vernyk, der Mann der ISL in der Ukraine, hat eine äußerst dubiose Vergangenheit. Im Jahr 2003 stand er im Zentrum von Anschuldigungen wegen eines „politischen und finanziellen Betrugs“ in der Ukraine, an dem nach Angaben der League for the Revolutionary Party (LRP) in den USA (die zu den Opfern dieses Betrugs gehörte) „mindestens 12 und wahrscheinlich deutlich mehr (über 20) Organisationen auf der ganzen Welt“ beteiligt waren.
Vernyk war damals Führer der ukrainischen Sektion des Committee for a Workers International (CWI). In dieser Funktion soll er mit seinen Kollegen unter verschiedenen Identitäten Kontakt zu mehreren „westlichen Organisationen“, die Interesse an der Gründung einer ukrainischen Gruppe zeigten, aufgenommen haben. Auf dieser Grundlage ergaunerten sie finanzielle Unterstützung. Diese betrügerischen Machenschaften und die zum Schein gegründeten politischen Parteien hatten jahrelang Bestand. Dies zeigt gleichzeitig die Verkommenheit der „internationalen“ Beziehungen, an denen diese pseudolinken Organisationen Interesse haben. Der Skandal bewog das CWI im August 2003 zu einer Erklärung, in der es seine Entscheidung bekannt gab, „Oleg Vernik, ein Mitglied des IEC des CWI, sofort zu suspendieren und dem nächsten Treffen des IEC seinen Ausschluss zu empfehlen“.
Ebenfalls an diesem Betrug beteiligt soll Ilya Budraitskis gewesen sein, der damalige Vertreter der russischen Sektion des CWI und heutige Vorsitzende des pablistischen Russian Socialist Movement, der – wie Vernyk und die USL – den Maidan-Putsch verteidigt.
Was ist die ISL?
Die ISL ist ein politischer Zusammenschluss nationaler Tendenzen mit unterschiedlichen antitrotzkistischen Wurzeln. Ihnen gemeinsam ist das Bedürfnis, ihre opportunistische Bilanz und Geschichte des Verrats an der Arbeiterklasse hinter einer neuen politischen Fassade zu verbergen.
Sie wurde 2019 auf Initiative der argentinischen MST gegründet, die als Partei aus einer Abspaltung von der Movimiento al Socialismo (Bewegung zum Sozialismus, MAS) von Nahuel Moreno hervorgegangen war. Während es unmöglich ist, eine Erklärung für die politischen Gründe zu finden, die sie zum Bruch mit der MAS und ihrer internationalen Gruppierung, der LIT-CI, bewog, lässt ihre weitere Geschichte die verfaultesten Merkmale des Morenoismus noch deutlicher hervortreten.
Zwischen 1997 und 2005 trat die MST im Wahlbündnis „Izquierda Unida' (Vereinte Linke, IU) mit der stalinistischen Kommunistischen Partei Argentiniens auf. Sie entlehnte die Bezeichnung IU einem der zahlreichen opportunistischen Bündnisse, die nach dem Ende der argentinischen Militärdiktatur zwischen Morenos MAS und der schon damals diskreditierten KP gebildet wurden. Auch als das Bündnis mit den Stalinisten 2005 zerbrochen war, blieb es das grundlegende politische Modell der MST. Im Jahr 2015 schloss sich die MST der Frente de Izquierda y de Trabajadores (Linke und Arbeiterfront, FIT) an, der sie bis heute angehört. Diese „Front“ wird von der Partido Obrero (Arbeiterpartei, PO) und der Partido de los Trabajadores Socialistas (Sozialistische Arbeiterpartei, PTS) angeführt.
Seit 2018 tritt die PO mit einer Initiative zur „Neugründung“ der Vierten Internationale im Bündnis mit russischen Stalinisten an die Öffentlichkeit, an der sich auch die Revolutionäre Arbeiterpartei (EEK) in Griechenland und die Revolutionäre Arbeiterpartei (DIP) in der Türkei beteiligen.
Die venezolanische Marea Socialista (Sozialistische Flut, MS), eine weitere Gründungssektion der ISL, wurde während des Aufstiegs des bürgerlichen Nationalisten Hugo Chavez zum Regierungschef gegründet, was nach Meinung der MS einer Revolution gleichkam. Im Jahr 2008 schloss sich die MS Chavez' regierender Partido Socialista Unido de Venezuela (Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas, PSUV) an, verließ sie aber 2015 wieder, obwohl sie behauptete, den „echten Chavismus“ gegen die „Abweichungen“ des neuen Präsidenten Nicolás Maduro zu vertreten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Ihre Ausrichtung am eigenen bürgerlichen Nationalstaat und politischen Establishment bestimmt die Politik jeder Sektion der ISL. Dies erzeugt ein ständiges Potenzial für eine organisatorische Implosion. Deutlich hat sich dies bei den letztjährigen Präsidentschaftswahlen in Chile gezeigt: Die chilenische und die türkische Sektion der ISL gaben einander widersprechende Erklärungen zum Sieg des pseudolinken Kandidaten Gabriel Boric über seinen rechtsextremen Rivalen José Antonio Kast ab. Während die chilenische Movimiento Anticapitalista (Antikapitalistische Bewegung) „eindeutig zur Stimmabgabe gegen Kast [zugunsten von Boric] aufrief“ und „die Niederlage des Pinochetismus“ feierte, empfahl die türkische Sosyalist Emekçiler Partisi (Sozialistische Arbeiterpartei, türkische Abkürzung: SEP): „Revolutionäre sollten Boric‘ Sieg bei der Präsidentschaftswahl nicht ausgelassen feiern.“
Die ISL wurde nicht auf der Grundlage einer kritischen Analyse ihrer eigenen politischen Erfahrungen gegründet, geschweige denn auf Basis einer prinzipiellen Aneignung der 80-jährigen Geschichte der trotzkistischen Bewegung, mit der sie jegliche Verbindung abgebrochen hat. Die ISL gründet sich auf den Versuch, diese Geschichte zu verfälschen: Sie behauptet, dass die Vierte Internationale in Wirklichkeit nie existiert habe, sondern nur ein Projekt gewesen sei, das mit dem Mord an Trotzki im Jahr 1940 endete.
Im Jahr 2020 organisierte die ISL eine Veranstaltung mit dem Titel „Leon Trotsky Series“, die angeblich das Leben des großen russischen Revolutionärs feiern sollte. ISL-Führer Alejandro Bodart fasste die fehlorientierte Sicht seiner Organisation auf die Geschichte der Vierten Internationale nach Trotzkis Tod so zusammen:
[Der] Abstand zwischen [Trotzkis] Erfahrung und Fähigkeiten und denen der Kader, die seine Arbeit fortsetzten, war enorm (…) Die Vierte Internationale war während des Krieges dezimiert und praktisch gelähmt. Und als sie sich am Ende des Krieges reorganisierte, stellte sich heraus, dass ihre Führer den schwierigen Umständen nicht gewachsen waren (…) Diese schwierigen Umstände wurden durch eine Reihe von gewaltigen Fehlern der Führung der Vierten Internationale verschlimmert, die schließlich zur Spaltung und Zersplitterung der trotzkistischen Bewegung führten (…) Diejenigen unter uns, die den Kampf für den Aufbau einer revolutionären Weltpartei fortsetzten, taten dies getrennt voneinander und bauten internationale Strömungen auf, die mit gleichgesinnten Gruppen in anderen Ländern zusammen vor allem das Ziel einer stärker entwickelten Partei verfolgten.
Bodart deutet die politischen Schlussfolgerungen an, die sich aus dieser falschen historischen Konstruktion ergeben: „Um das Erbe der Vierten Internationale zu neuem Leben zu erwecken, müssen wir die Beschränkungen, denen wir unterlagen, überwinden. Dieser Herausforderung stellt sich die ISL, indem sie versucht, die Revolutionäre, die aus unterschiedlichen Erfahrungen und Traditionen und aus verschiedenen Strömungen des Trotzkismus kommen, auf der Grundlage eines prinzipiellen Programms für die sozialistische Revolution zusammenzuführen.“
Die ISL weigert sich beharrlich, die internen Kämpfe anzusprechen, die sich innerhalb der Vierten Internationale während und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten. Diese Weigerung spielt eine wichtige politische Rolle. Indem sie die Geschichte des langwierigen Kampfs des orthodoxen Trotzkismus gegen alle Arten von Revisionismus auslöscht und verfälscht, will sie vertuschen, dass ihre eigene opportunistische Politik mit derjenigen der antitrotzkistischen Abtrünnigen der Vierten Internationale übereinstimmt. Bodart selbst und seine MST waren bis vor kurzem im Vereinigten Sekretariat der Pablisten mit Beobachterstatus vertreten.
In ihrem Dokument „Welche Art von internationaler Organisation brauchen wir?“ spricht sich die ISL für ein „anderes Modell des internationalen Aufbaus“ aus und lehnt offen die Prinzipien ab, die der Gründung der Vierte Internationalen zugrunde lagen. Die ISL, erklärt sie, „ist nicht auf 100% Übereinstimmung aufgebaut“.
Für welche politische Heterogenität sie eintritt, drückt die ISL so aus: „Differenzen in Teilfragen, zum Beispiel über den Klassencharakter der UdSSR (in der Vergangenheit eine sehr typische Diskussion), können kein Grund für eine Trennung sein.“
Die „sehr typische Diskussion der Vergangenheit“, auf die sie sich bezieht, war für die trotzkistische Bewegung alles andere als eine offene Frage, sondern der Grund für eine unwiderrufliche Spaltung zwischen Trotzkismus und kleinbürgerlichem Opportunismus. Der Weg derer, die die Charakterisierung der UdSSR als Arbeiterstaat durch die Vierte Internationale ablehnten (wie z. B. Max Shachtman), führte sie zu direkter Zusammenarbeit mit dem US-Imperialismus – dahin, wo die ISL heute steht.
Ein weiterer historischer Vorfahre der ISL-Sektionen, Tony Cliff, brach 1950 auf der Grundlage der Shachtman‘schen „Theorie“ des Staatskapitalismus mit der Vierten Internationale. Dieser Auffassung zufolge war die Sowjetunion eine neue Form der Klassengesellschaft, und die stalinistische Bürokratie war eine neue herrschende Klasse. Cliff lehnte die Verteidigung der UdSSR gegen den Imperialismus ab und prägte die Parole: „Weder Washington noch Moskau“.
Die ISL lehnt alle historischen Grundlagen der Vierten Internationale ab und stützt sich auf den Revisionismus der Shachtmanisten und Pablisten. Sie ist eine von vielen kleinbürgerlichen antitrotzkistischen Organisationen, die die Würde des Trotzkismus verletzen und die Notwendigkeit einer „internationalen“ Organisation nur beschwören, um ihre opportunistischen nationalen Programme zu bemänteln.
Die weitsichtigen Warnungen des IKVI und seine revolutionär-internationalistische Haltung zum Krieg
Da wir den Krieg in der Ukraine als eine Folge der Auflösung der Sowjetunion verstehen, muss eine prinzipielle revolutionäre Haltung zu diesem Krieg aus einer korrekten politischen Bewertung des bedeutsamen historischen Ereignisses von 1990–1991 hervorgehen.
In ihrem Dokument „Unsere Vision der Welt. Unsere Strategie“ verkündet die ISL: „Keine triumphale Konterrevolution ebnete den Weg zur kapitalistischen Restauration. Vielmehr beendete eine demokratische Revolution nach der anderen die Herrschaft des Stalinismus über ein Drittel des Planeten.“ Mit dieser reaktionären Lobhudelei reiht sich die ISL in die verkommene Tradition der Morenisten und anderer pablistischer Organisationen ein, die der stalinistischen Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion einen politischen Deckmantel verschaffen.
Das IKVI verstand die Auflösung der Sowjetunion und die Wiederherstellung des Kapitalismus durch die Sowjetbürokratie eindeutig als Höhepunkt der stalinistischen Konterrevolution, als vollständige Bestätigung der Prognosen und Perspektiven der Vierten Internationale. Die Morenisten hingegen behaupteten, es handele sich um eine neue Art von „demokratischer Revolution“, die Trotzki nicht vorgesehen hatte und die das Programm der Vierten Internationale praktisch hinfällig machte.
Das IKVI entlarvte die Illusionen, welche die stalinistische Bürokratie und ihre pablistischen Apologeten verbreiteten. Es warnte die sowjetische und internationale Arbeiterklasse: Die Auflösung der Sowjetunion werde nicht den Weg für eine Blütezeit des Kapitalismus und eine friedliche Koexistenz mit dem Imperialismus ebnen. Im Gegenteil werde sie zu einer Zersplitterung des Territoriums der UdSSR und zu einer verschärften Aggression durch die imperialistischen Mächte führen. Obendrein werde sie zu einem beispiellosen Rückgang des Lebensstandards der sowjetischen Arbeiterklasse führen. In den darauffolgenden 30 Jahren traten diese Tendenzen in den Kriegen, die die USA und die Nato führten, deutlich zutage. Sie setzen sich heute im Krieg in der Ukraine fort.
Nach dem Augustputsch in der UdSSR im Jahr 1991 reiste David North im Namen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale nach Kiew und hielt einen Vortrag in einem Arbeiterclub. In diesem Vortrag, der die trotzkistische Analyse der Weltwirtschaft und die Gefahr einer kapitalistischen Restauration in der Sowjetunion darlegte, sagte North: „Wenn Russland und die Ukraine versuchen, sich auf kapitalistischer Grundlage in die Strukturen des Weltimperialismus zu integrieren, werden sie bald feststellen, dass sie nicht nur mit den gigantischen Problemen jeder anderen Nation der Dritten Welt – und keine einzige hat eine wirkliche, volle Antwort auf ihre Probleme gefunden – konfrontiert sein werden, sondern noch mit zusätzlichen, besonders schlimmen Schwierigkeiten.“
North erklärte: „Die einzig mögliche Lösung begründet sich auf das Programm des revolutionären Internationalismus.“ Er fuhr fort:
Die Rückkehr zum Kapitalismus, die sich unter anderem in die chauvinistische Agitation der Nationalisten kleidet, kann nur zu einer neuen Form von Unterdrückung führen. Anstatt dass jede einzelne sowjetische Nationalität mit gesenktem Kopf auf Knien die Imperialisten um Almosen und Begünstigungen anfleht, sollten die sowjetischen Arbeiter aller Nationalitäten eine neue Beziehung untereinander aufbauen, die sich auf die Prinzipien wirklicher sozialer Gleichheit und Demokratie stützt, und auf dieser Grundlage auf revolutionärem Wege all das verteidigen, was vom Erbe von 1917 erhaltenswert ist. (Vierte Internationale, Jg.19 / Nr.1, Essen 1992)
Die vergangenen 30 Jahre der Nato-Osterweiterung haben diese Warnungen nachdrücklich bestätigt. Unerbittlich wurde Russland eingekreist und zuletzt zu einer verzweifelten Invasion in der Ukraine getrieben. Das Narrativ der Morenisten und anderer pseudolinker Gruppen über ein „imperialistisches Russland“, das einen unprovozierten Expansionskrieg führe, entbehrt dagegen jeder historischen und materialistischen Grundlage.
Wie die WSWS bereits erklärt hat, wäre die Unterstützung der Morenisten für die Nato und den ukrainischen Nationalstaat auch dann nicht gerechtfertigt, wenn ihre Darstellung zuträfe (was sie nicht tut). Sozialistischer „Defätismus“ richtet sich in einem interimperialistischen Konflikt gegen alle Seiten.
Vor fast 90 Jahren erklärte Trotzki: „Ein 'Sozialist', der die nationale Verteidigung predigt, ist ein kleinbürgerlicher Reaktionär im Dienst des faulenden Kapitalismus.“ Die Aufgabe von Marxisten in der Ukraine besteht nicht darin, ihren „eigenen“, vom Imperialismus unterstützten Nationalstaat im Krieg gegen Russland zu verteidigen, sondern für eine internationalistische revolutionäre Perspektive auf der Grundlage des sozialistischen Defätismus einzutreten, um die ukrainische, russische und internationale Arbeiterklasse gegen die Nato-Mächte sowie die Regime in Kiew und im Kreml zu vereinen und zu mobilisieren.
Auch die russischen Marxisten müssen ihre Perspektive auf den sozialistischen Defätismus gründen und die Arbeitermassen und die Jugend mobilisieren, um gegen das Putin-Regime die Forderung nach einem sofortigen Ende der reaktionären Invasion zu erheben. Die einzigen Verbündeten der russischen Arbeiter sind ihre ukrainischen und internationalen Klassenbrüder und -schwestern. Diese Position ist integraler Bestandteil eines einheitlichen Programms für die ukrainische und internationale Arbeiterklasse, das auf einer revolutionären sozialistischen Weltstrategie basiert. Es bedeutet den Aufbau von IKVI-Sektionen in der Ukraine, in Russland und auf der ganzen Welt.
In den pseudolinken Erklärungen für den gegenwärtigen Krieg fehlt auch völlig, dass er seine Wurzeln in der unlösbaren Krise des Weltkapitalismus hat, die die Corona-Pandemie explosiv verschärft hat. Sowohl die kriminelle Reaktion der herrschenden Kapitalistenklasse auf die Pandemie, wie auch der Krieg wirken sich verheerend auf den Lebensstandard von Hunderten von Millionen Menschen weltweit aus. Sie drängen die proletarischen Massen auf den Weg der sozialistischen Revolution.
Die große Protest- und Streikwelle, die auf der ganzen Welt – von Sri Lanka bis zur Türkei, Brasilien und auf allen Kontinenten – ausgebrochen ist, bildet die wichtigste soziale Basis einer internationalen Bewegung für den Sozialismus. Sie wird dem Krieg, der sozialen Ungleichheit und der massenmörderischen Pandemiepolitik ein Ende setzen.
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