Keine vier Monate ist es her, seit im brandenburgischen Grünheide Teslas neue Elektroautofabrik euphorisch eröffnet wurde. Überschwänglich feierten Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck Tesla-Gründer Elon Musk für seine „Unternehmens-Wagemut-Kultur“.
Am Montag hat jetzt Tesla einen Produktionsstopp angekündigt, der bereits am 11. Juli beginnen und zwei Wochen andauern soll. Für die mittlerweile fast 5000 Autoarbeiter bedeutet dies Zwangsurlaub und Bangen, in welcher Form es weitergehen wird. Tesla ließ lediglich verlauten, eine solche einkalkulierte Pause sei Bestandteil einer „Umbauphase“, um Abläufe zu „optimieren und nachzujustieren“.
In einem Interview Ende Mai bezeichnete Elon Musk die Werke in Grünheide und in Texas als „gigantische Geldverbrennungsöfen“, die ihn Milliarden kosten würden. Der Ausstoß sei viel zu gering, die Kosten zu hoch und es gebe Lieferkettenprobleme. Er sorge sich darum, dass die Fabriken nicht pleite gingen, wie man sie am Laufen halten könne, um die Arbeiter zu bezahlen. Mit dieser deutlichen Drohung an die Belegschaft werden gegenwärtig die Werke in Texas und Grünheide auf maximale Ausbeutung getrimmt.
Zum Mitschreiben: Elon Musk, der allem Anschein nach bald der erste Billionär der Welt sein wird, der im Vorbeigehen mal eben für Twitter 44 Milliarden bietet, spielt nun den armen Mann und beklagt sich, dass seine zwei neuen Gigafactorys nicht vom ersten Tag an Profit abwerfen.
Die Produktion der sündhaft teuren Tesla-Elektroautos in den weltweit fünf Gigafactorys betreibt der reichste Mann der Welt nur zu einem Zweck: Maximale Profitabschöpfung. Und das lässt sich nur umsetzen durch maximale Ausbeutung der rekrutierten Arbeitskräfte. Auch dies spricht Elon Musk ganz offen aus, so bezeichnet er das Hochfahren der Produktion, wie es in Grünheide gerade geschieht, als „Produktionshölle“.
Nach Musks Plänen sollten in Grünheide jährlich 500.000 E-Autos vom Model Y hergestellt werden. Die gegenwärtigen 1000 Fahrzeuge pro Woche entsprechen gerade einem Zehntel dieses Vorhabens. Außerdem wurde bekannt, dass viele Autos wegen Mängeln nicht ausgeliefert werden konnten und aufwändig nachbearbeitet werden mussten.
Tesla hält sich ziemlich bedeckt, wie und was in den zwei Juli-Wochen umstrukturiert werden soll. Es gibt unterschiedliche Berichte darüber. Es ist die Rede davon, dass zukünftig die Karosserien nur noch 30 Sekunden an jeder Fertigungsstation verbringen sollen, bisher waren es bis zu drei Minuten. Das entspräche einer Verschärfung des Arbeitstempos um das Sechsfache.
Dem Unternehmensportal „Teslamag“ zufolge soll das Arbeitstempo je Produktionsschritt von gegenwärtig 90 auf 45 Sekunden beschleunigt werden. Auch wenn bis Ende des Jahres die Belegschaft um einige Tausend wachsen würde, wird das Arbeitspensum pro Arbeiter damit enorm erhöht. Elon Musk selbst sagte im Juni vor Aktionären, er rechne mit neun bis zwölf Monaten, um die Wochenproduktion auf zunächst 5000 Autos zu steigern.
Derweil setzt Tesla seine rücksichtslose, und auch umweltschädigende Pläne rigoros fort. Gegenwärtig ist Tesla dabei, eine zweite „Gigapresse“ in einem weiteren Presswerk zu errichten. Laut dem Tagesspiegel sollen dabei 1300 Gründungspfähle aus Beton in den brandenburgischen Sand gerammt werden, wie die ganze Autofabrik und die im Bau befindliche Batteriefabrik inmitten eines Trinkwasserschutzgebietes.
Der regionale Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) hat erneut dagegen geklagt, ist aber in der zurückliegenden Woche vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder gegen Tesla unterlegen.
Wie viele andere Autohersteller ist Tesla von Rohstoffen und Zulieferungen aus China und auch Russland abhängig. Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg, die Sanktionen gegen Russland und die daraus resultierende Energiekrise und Inflation erschüttern zunehmend die Weltwirtschaft.
So musste auch Teslas größte Autofabrik, die in Shanghai steht, aufgrund der Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung zeitweise schließen, länger als Musk das erwartet hatte. In Grünheide werden die aktuell verbauten Motoren und auch die Batteriepacks aus Shanghai zugeliefert. Laut Medienberichten sei die Belieferung von Grünheide begrenzt, da die Giga Shanghai selbst viele der Komponenten benötige.
In China produziert Tesla die meisten Autos und das Land ist zugleich der profitabelste Markt für den Konzern. Laut Fachmagazinen will Tesla die wöchentliche Produktion auf mehr als 15.000 Autos verdoppeln und zudem eine zweite Gigafactory in der Nähe von Shanghai hochziehen.
Ende Juli soll auch der Zweischicht- auf Dreischichtbetrieb ausgebaut werden. Die Arbeiter in Grünheide werden dann 24 Stunden produzieren, einschließlich samstags, und das bei einer 40 Stunden-Woche und reichlich vorgesehenen Überstunden. Die Motoren und auch die Batteriepacks sollen demnächst in Grünheide hergestellt werden. Dafür erforderliche Anlagen und Werke befinden sich im Bau.
Bereits jetzt dringen erste Berichte über wachsenden Unmut über Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne und ungleiche Bezahlung aus dem Werk. Danach sollen Arbeiter in der Produktion etwa 20 Prozent weniger als branchenüblich und mit Flächentarifvertrag erhalten. Auch sollen einige Beschäftigte aus Unzufriedenheit zu ihrem alten Arbeitgeber zurückgekehrt sein.
Obwohl Arbeitsagentur und Jobcenter ein Team mit eigenem Büro im Tesla-Personalbereich betreiben, um dem Werk günstige Arbeitskräfte zu Verfügung zu stellen, scheint Tesla Probleme zu haben, genügend Arbeitskräfte zu finden.
Der Leiter der zuständigen Arbeitsagentur in Frankfurt/Oder, Jochem Freyer, teilte der Presse neulich stolz mit: „Durch die kurzen Abstimmungswege konnten wir bereits über 600 Arbeitslose zu Tesla vermitteln und, was mich besonders freut: über die Hälfte davon war vorher langzeitarbeitslos.“ Nicht mitgeteilt wurde, zu welchen Bedingungen eingestellt wurde und wie viele Zuschüsse Tesla dabei obendrauf bekommen hat.
Offenbar bietet Tesla neu eingestellten Arbeitern höhere Löhne als solchen, die früher eingestellt wurden, um genügend Arbeitskräfte zu finden. Aus diesen Gründen sah sich die Geschäftsleitung wohl auch genötigt, die Löhne für Produktionsarbeiter ab August um 6 Prozent anzuheben.
Landesregierung und IG Metall
Die Vertreter der brandenburgischen Landesregierung, bestehend aus SPD und Grünen, sowie die Gewerkschaft IG Metall liegen dem Tesla-Konzern unvermindert zu Füßen und dienen sich ihm an. Während sie hinter den Kulissen die gegen Umweltvorschriften verstoßende und halb illegal gebaute Gigafactory genehmigt und unterstützt haben, akzeptieren sie jetzt auch die Bedingungen von Musks „Höllenproduktion“.
Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) teilte am Dienstag lapidar mit, die Hochlaufphase der Gigafactory sei eine besondere Zeit, die stellenweise Nachjustierungen verlange: „Ich gehe indes davon aus, dass Tesla die richtigen Entscheidungen trifft, um die Fabrik gut aufzustellen.“
Der Grüne Heiner Klemp, Sprecher für Wirtschaft, Europa und Kommunales seiner Landtagsfraktion, bescheinigte Tesla, „pragmatische Lösungen“ zu haben, um den Standort zu sichern.
Auch die IG Metall hat grundsätzlich nichts gegen die brutalen Ausbeutungsmethoden Musks einzuwenden. Zur Eröffnung des Werks im März schickte Birgit Dietze, die IGM-Bezirksleiterin für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Elon Musk eine lobhudelnde Grußbotschaft, die eine rein nationalistische bzw. regionalistische Ausrichtung hatte.
„Wer auf einer Weltkarte die großen Automobilstandorte sucht, wird künftig auf den Ort Grünheide in Brandenburg stoßen,“ schrieb sie. „Mit der Eröffnung der Tesla-Fabrik stärkt Ostdeutschland seine internationale Vorreiterrolle bei der Elektromobilität.“ Sie verlor kein Wort über die Machenschaften Musks oder darüber, was den Tausenden neu angeheuerten Arbeitern im neuen Werk blühen wird.
Die IG Metall und ihre Funktionäre, die seit Monaten verzweifelt versuchen, im Betrieb Fuß zu fassen, treibt nur eins um: Wie kann Elon Musk am besten davon überzeugt werden, dass eine Zusammenarbeit mit der IG Metall nur Vorteile bringt.
Bereits nach der Betriebsratswahl im Februar, bei der die IG Metall leer ausging, hatte Dietze die Dienste der Gewerkschaft angeboten. „Dennoch war diese erste Betriebsratswahl bei Tesla in Grünheide eine gelungene Premiere.“ Nun müssten „dem ersten Schritt in die Mitbestimmungskultur weitere folgen“. Die IG Metall habe „jedes Interesse daran, dass dieses Werk floriert und dauerhaft Erfolg hat“.
Der erste Unmut, der jetzt in der Belegschaft wegen der ungleichen Bezahlung aufkam, veranlasste die IG Metall, sich zum Berater von Tesla aufzuschwingen und ihre bewährten Ordnungsdienste anzubieten. Dietze erklärte dazu: „Das wird auf Dauer dem Betriebsfrieden schaden. Uns haben schon jetzt viele Beschwerden darüber erreicht.“
Die IG Metall habe in Zusammenarbeit mit mehreren Mitarbeitern aus dem Tesla-Werk Arbeitsverträge und Tätigkeitsbeschreibungen analysiert. Das Ergebnis sei eindeutig, so Dietze. Mit fast 20 Prozent seien die Entgeltunterschiede zu anderen Automobilbetrieben in der Region „in der Mitte der Entgeltskala, also bei den Facharbeiterinnen und Facharbeitern, besonders groß“.
Mit den angestrebten Tariferhöhungen, die die IG Metall in den kommenden Tarifrunden für die Metall- und Elektroindustrie durchsetzen wolle (und die in Wirklichkeit noch nicht einmal die Inflation ausgelichen), würden diese Unterschiede noch deutlich größer ausfallen. Darauf werde das Tesla-Management reagieren müssen.
Die Botschaft der IG-Metall an das Tesla-Management ist klar: Nur wenn ihr einen Tarifvertrag mit der IG Metall abschließt, können wir für Ordnung, Ruhe und für ein florierendes Werk sorgen. Dazu müsst ihr uns in den Betrieb lassen und uns gutbezahlte Aufsichtsrats- und Betriebsratsposten zur Verfügung stellen.
Gleichzeitig versucht die IG-Metall den Tesla-Arbeitern weiszumachen, sie könnten nur mit der IG Metall höhere Löhne erzielen und sollten sich deshalb bei ihr organisieren.
Alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte und vor allem der letzten Jahre belegen das Gegenteil. Die IG Metall hat über Jahre Reallohnsenkung vereinbart, bestehende Sozialstandards geopfert und unzählige Arbeitsplätze mit abgewickelt, bis hin zur Stilllegung ganzer Werke wie bei Opel in Bochum und jüngst bei Ford in Saarlouis.
Die wachsende Tesla-Belegschaft sei daher gewarnt. Sie kann alle ihre Belange, angefangen von gerechter Bezahlung bis zu erträglichen Arbeitsbedingungen, nur in Eigenregie erkämpfen. Sie müssen bei Tesla ihre eigenen, unabhängigen Aktionskomitees aufbauen, die demokratisch gewählt sind und von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Solche Organisationen sind wichtig, um sich mit Tesla-Kollegen in den USA und weltweit zu vernetzen und einen gemeinsamen Kampf vorzubereiten.
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