Opel vernichtet weitere 1000 Arbeitsplätze

Obwohl Opel unter dem Dach des Stellantis-Konzerns wieder saftige Gewinne verzeichnet, baut das Management in den nächsten Monaten weitere 1000 Stellen an den deutschen Standorten ab.

Opel-Werk in Rüsselsheim

Der Opel-Stammsitz in Rüsselsheim wird am stärksten betroffen sein. Vor allem die Beschäftigten des Entwicklungszentrums (ITEZ) und der Verwaltung werden aufgefordert, „freiwillig“ zu gehen. Doch auch im Werk Eisenach, das am letzten Wochenende 30-jähriges Bestehen feierte, und im Werk Kaiserslautern sollen Stellen „sozialverträglich“ abgebaut werden.

Seit der Übernahme Opels durch den PSA-Konzern (Peugeot/Citroën) 2017 steht das ITEZ unter Beschuss. Dem Konzernchef Carlos Tavares sind die Ingenieure, die einstmals als „das Herz“ von Opel galten, zu teuer. Er möchte die Entwicklung durch Fremdfirmen ersetzen.

Die 2019 angekündigte und Anfang 2021 vollendete Fusion von PSA mit Fiat Chrysler Automotive (FCA) zu Stellantis hat den Stellenabbau weiter beschleunigt. Nun soll auch die bisherige Vertriebsabteilung von Opel in Rüsselsheim bereits zum 1. Oktober zu einer gemeinsamen Stellantis-Vertriebsorganisation zusammengelegt werden. Gleichzeitig sind in der Rüsselsheimer Produktion Hunderte von Stammbeschäftigten durch Leiharbeiter ersetzt worden.

Das Management begründet sein Vorhaben, wie derzeit viele andere Konzerne, mit den Folgen der Krise, die die herrschende Klasse und insbesondere die Ampelregierung selbst geschaffen hat. Ein Firmensprecher von Opel erklärte: „Vor dem Hintergrund der rapiden Transformation der Branche, der Pandemie, der geopolitischen Situation, brüchiger Lieferketten sowie massiver Energie- und Rohstoffpreiserhöhungen“ verfolge man das Ziel, „die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu stärken“.

Mit anderen Worten, Arbeiter, die sich oft über Jahrzehnte in der Autoproduktion verschlissen haben, sollen jetzt die Folgen der Kriegsbeteiligung Deutschlands und des Wirtschaftsboykotts gegen Russland ausbaden. Auch dass sich die Regierung im Interesse der Wirtschafts- und Finanzeliten geweigert hat, die Corona-Pandemie einzudämmen, haben Hunderttausende mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit bezahlt. Jetzt sollen sie auch noch ihre Arbeitsplätze freiwillig opfern.

Auffallend bei der jüngsten Hiobsbotschaft ist nicht nur das geringe Interesse von Medien und Politik, sondern insbesondere das Schweigen der IG Metall. Das hat einen einfachen Grund. Auch beim jüngsten Arbeitsplatzabbau führt die Konzernleitung den Kahlschlag weiter fort, den sie mit IG Metall und den Opel-Betriebsräten seit langem vereinbart hat.

Als 2017 die Übernahme Opels durch PSA eingefädelt wurde, stimmten die IG Metall und ihr Betriebsrat dem Abbau Tausender Stellen zu. Damals arbeiteten noch rund 19.000 Menschen bei Opel. Allein im ITEZ arbeiteten einst 7000 Beschäftigte, inzwischen sind es weniger als 3000.

Ende 2019 gab der IGM-Betriebsrat – PSA kündigte gerade die Fusion mit FCA zu Stellantis an – in einem Eckpunktepapier grünes Licht für die Streichung weiterer mindestens 4000 Stellen. Wie immer ohne jegliche Zustimmung der Belegschaften, vereinbarte er einen Kahlschlag in Etappen. Bis Ende 2021 fielen weitere 2100 Stellen über sogenannte Freiwilligenprogramme, d. h. Altersteilzeit, Vorruhestand oder Abfindungen weg. Der Betriebsrat setzte diesen Abbau mit dem Versprechen der Konzernleitung durch, dafür bis Ende 2025 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.

Doch damit nicht genug, das Eckpunktepapier gestand dem Konzern zwei weitere Optionen zu. Stellantis kann nach Belieben 2022 und 2023 noch einmal jeweils 1000 Jobs streichen. Der Konzern muss dafür lediglich versprechen, den Kündigungsschutz schrittweise bis 2029 zu verlängern.

Wie viel dieser angebliche Kündigungsschutz wert ist, mit dem IG Metall und ihre Betriebsräte die Belegschaften ruhig halten wollen, belegen die nackten Zahlen. Innerhalb von sechs Jahren, also seit der Übernahme durch PSA bis Ende 2023, werden 11.000 Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen. Angesichts der 19.000 Beschäftigten vor der Übernahme handelt es sich also um eine Reduzierung von rund 60 Prozent.

Das hessische Zeitungsportal VRM stellte dazu treffend fest: „Wer diese Rechnung vor ein paar Jahren aufmachte, bekam sowohl von Unternehmens- als auch Gewerkschaftsseite vorgeworfen, Horrorszenarien zu verbreiten. Stand heute ist Opel von solchen Szenarien nicht mehr weit entfernt.“

Die World Socialist Web Site hat schon früh auf diese Entwicklung hingewiesen. Der Riesenkonzern Stellantis, der heute ca. 410.000 Arbeiter beschäftigt und Werke auf fast allen Kontinenten betreibt, ist mittlerweile der drittgrößte Autokonzern der Welt. Wir schrieben schon bei der Fusion im Januar 2021:

Die FCA-PSA-Fusion wurde durch einen erbitterten Kampf zwischen mehreren Autogiganten um die Vorherrschaft an den Märkten vorangetrieben, wie auch durch das Wettrennen, das sie sich in den neuen Technologien und der Entwicklung elektrischer wie autonomer Fahrzeuge liefern. Der Zusammenschluss selbst wird andere Unternehmen ermutigen, weitere Konsolidierung und Kostenersparnis anzustreben. Die großen Banken und Investoren üben seit mehreren Jahren unerbittlichen Druck auf die Autohersteller aus. Sie verlangen immer neue Kürzungen und Restrukturierungspläne mit dem Ziel, jeden möglichen Tropfen Gewinn aus der Arbeiterklasse herauszuquetschen.

Stellantis-Vorstandschef Carlos Tavares ist als Sanierer und Kostensenker berüchtigt und verantwortlich für die Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen in den europäischen PSA-Niederlassungen in Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Jetzt führt er weltweit ähnliche Angriffe, damit Stellantis weiterhin hohe Dividenden an die Aktionäre auszahlen und sich im rapide wachsenden Elektrofahrzeugmarkt gegen seine Rivalen durchsetzen kann.

Ohne die IG Metall und ihre konzernhörigen Betriebsräte könnte Opel/Stellantis den Stellenabbau nicht verwirklichen. Mit Hilfe der Gewerkschaft ist es bereits gelungen, die Opel-Werke in Antwerpen und Bochum zu schließen und in den verbleibenden Standorten Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach tausende Stellen zu streichen. Jede Opposition und Gegenwehr der Arbeiter haben die Betriebsräte unterdrückt. Dabei schürten sie und die IG Metall gezielt Nationalismus und Standortpolitik, um die Arbeiter zu spalten und gegeneinander auszuspielen.

Es ist an der Zeit dieser Verschwörung von Unternehmen und Gewerkschaft entgegenzutreten und den Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze aufzunehmen. Dazu müssen die Autoarbeiter bei Opel die Sache selbst in die Hand nehmen und sich mit ihren Kollegen an den anderen Stellantis-Standorten in Europa und weltweit vernetzen.

Arbeiter stehen weltweit vor denselben Problemen und sind mit den gleichen Kontrahenten konfrontiert: Mit Gewerkschaften, die ihnen gemeinsam mit Regierungen und Konzernen die Last der kapitalistischen Krise aufbürden wollen. Sie sollen für den Krieg bezahlen, den die Nato in der Ukraine gegen Russland führt, für die Energiekosten, die wegen der Sanktionen gegen Russland explodieren, und für die Inflation.

Erst letzte Woche haben Arbeiter im Stellantis-Werk im nordfranzösischen Hordain unabhängig von der dortigen Gewerkschaft CGT die Arbeit niedergelegt. Der spontane Streik dauerte drei Tage lang, bevor die CGT die Arbeiter wieder an die Bänder schicken konnte.

Die Opelarbeiter in Deutschland müssen Aktionskomitees aufbauen, um die nationalistische und unternehmensfreundliche Politik der IGM und ihrer Betriebsräte zu bekämpfen und sich mit ihren Kollegen in Frankreich, Italien, den USA, Mexiko, Europa und dem Rest der Welt zusammenschließen.

Sie können sich dabei am eindrucksvollen Beispiel orientieren, das Zehntausende Arbeiter in den USA geben: Sie revoltieren offen gegen die Konzerne und deren Juniorpartner in den Gewerkschaften. Diese Arbeiter haben unabhängig von den korrupten Gewerkschaften Streikkomitees gegründet, um auf lokaler, nationaler und globaler Ebene die mächtigste Kraft der Welt, die Arbeiterklasse, zu mobilisieren.

Der stärkste Ausdruck dieser Bewegung ist die Kampagne des Autoarbeiters Will Lehman, der zurzeit gegen die Bürokraten der Autoarbeitergewerkschaft UAW zur Wahl des UAW-Präsidenten antritt. Er verfolgt mit seiner Kampagne das Ziel, „eine Massenbewegung unter einfachen Arbeitern aufzubauen, um die Diktatur des UAW-Apparates zu brechen und die Macht zurück an die Arbeiter zu geben“.

Der Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees ist der einzige Weg, sich aus dem Griff der Gewerkschaftsbürokraten zu befreien, die Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen und gegen die militärische Eskalation zu kämpfen. Die Stellantis-Arbeiter in Europa müssen nach dem Vorbild ihrer Kollegen in Sterling Heights in den USA, der Ford-Arbeiter im deutschen Saarlouis, die gegen die Schließung ihres Werks kämpfen, und der US-Eisenbahnarbeiter ihre Aktionskomitees bilden.

Arbeiter, die an diesem entscheidenden Kampf interessiert sind, setzen sich mit der WSWS/SGP in Verbindung, entweder über WhatsApp unter der Nummer +491633378340 oder über das Formular unten.

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