Renault-Nissan-Arbeiter in Chennai gründen erstes Autoarbeiter-Aktionskomitee in Indien

Die folgende Erklärung wurde vom kürzlich gegründeten Renault-Nissan-Aktionskomitee veröffentlicht. Dem Komitee gehören Arbeiter des globalen Automobilgiganten im Werk am Rande von Chennai an, der viertgrößten Stadt Indiens und der Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu.

Renault-Nissan, eine Allianz aus zwei der größten Automobilhersteller der Welt, beschäftigt in seinem Werk in Chennai rund 6.000 Arbeiter. Mindestens die Hälfte der Arbeiter stehen in einem Leiharbeits- oder Traineeverhältnis zum Konzern, was bedeutet, dass ihnen eine Festanstellung verweigert wird und sie deutlich niedrigere Löhne erhalten.

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Wir sind eine Gruppe von Arbeitern im Renault-Nissan-Automontagewerk im Industriegebiet Sriperumbudur-Oragadam in Tamil Nadu. Wir sind davon überzeugt, dass wir neue Klassenkampforganisationen aufbauen müssen, um uns gegen die unerbittlichen Angriffe der Unternehmensleitung und den wiederholten Verrat durch die Gewerkschaften zu verteidigen, die behaupten, in unserem Namen zu sprechen. Unsere Erfahrungen haben uns auch davon überzeugt, dass die Gewerkschaftsverbände die Kämpfe der Arbeiter isolieren und ausverkaufen, indem sie den Forderungen der Unternehmensleitung nach immer schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen stattgeben.

Aus diesem Grund haben wir uns zum Autoarbeiter-Aktionskomitee Renault-Nissan (RNRFC-Chennai) zusammengeschlossen. Mit diesem Komitee können wir als Belegschaft den Kampf selbst in die Hand nehmen, unsere Forderungen demokratisch formulieren, unsere Strategie entwickeln und den notwendigen Kampf organisieren, um sie durchzusetzen. Durch den Aufbau dieser neuen Organisation werden wir auch unseren Kolleginnen und Kollegen in diesem Industriegürtel zeigen, dass es einen fortschrittlichen Weg für uns alle gibt, uns zu vereinen und eine Gegenoffensive gegen die Angriffe der Konzerne zu führen, die mit der Regierung des Bundesstaates und der nationalen Regierung zusammenarbeiten.

Arbeiter des dauerhaft geschlossenen Ford-Werks in Chennai blockieren am 30. September eine Hauptstraße, um ihre Forderungen direkt an den Ministerpräsidenten von Tamil Nadu zu richten [Photo by RP, a Ford worker]

Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, die nur festangestellten Arbeitern offen stehen, zielt das RNRFC-Chennai darauf ab, eine unverbrüchliche Einheit zwischen Festangestellten, Leiharbeitern und Praktikanten zu schaffen. Diese willkürlichen Abstufungen der Arbeitsverträge werden von Unternehmen des privaten und öffentlichen Sektors in ganz Indien benutzt, um die Ausbeutung der Arbeiter zu erhöhen, Streiks zu vereiteln und uns auf andere Weise zu spalten. Das RNRFC-Chennai kämpft für den Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit und die endgültige Abschaffung aller Leih- und Zeitarbeit.

Kolleginnen und Kollegen, wie ihr wisst, arbeiten wir seit April 2018 ohne Vertrag – also über eine beispiellose Zeitspanne von viereinhalb Jahren. Und das, obwohl unsere Verträge normalerweise für einen Zeitraum von drei Jahren ausgehandelt werden.

Sowohl die RNITS-Gewerkschaft (Renault Nissan India Thozhilalar Sangam) als auch die United Labour Federation (ULF), mit der die RNITS eng zusammenarbeitet, haben ihren völligen Bankrott bewiesen, indem sie ohne jegliche Zustimmung der Belegschaft ein Schlichtungsverfahren eingeleitet haben und an diesem betrügerischen Prozess noch lange nach dem Auslaufen unseres letzten Vertrags im März 2021 teilnehmen. Dieses Schlichtungsverfahren wurde im ersten Quartal 2020 eingeleitet. Das ist fast drei Jahre her! Darüber hinaus hat die Gewerkschaftsführung keine Schritte unternommen, um einen Kampf für den nachfolgenden Dreijahresvertrag zu organisieren, der von April 2021 bis März 2024 gelten soll.

Indem die Gewerkschaften zulassen, dass Renault-Nissan mit Hilfe der Gerichte den Schlichtungs- und Verhandlungsprozess endlos in die Länge zieht und die Arbeiter noch tiefer in die Armut treibt, machen sie es uns noch schwerer, einen Streik oder andere wirksame Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen.

Nachdem der Vertrag von 2018 ausgelaufen war, legte die Gewerkschaft der Renault-Nissan-Geschäftsführung eine Liste von Forderungen vor. Die Geschäftsleitung reagierte daraufhin mit einer beleidigenden Lohnerhöhung von 5.000 Rupien (ca. 80 US-Dollar) pro Monat, verteilt über drei Jahre. Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten käme dies einer massiven Lohnkürzung gleich. Die Verhandlungen zogen sich bis Ende 2019 hin. Verärgert über die Unnachgiebigkeit des Konzerns sprachen sich alle Festangestellten einstimmig dafür aus, Ende 2019 zu streiken. Jedes Mitglied bot sogar an, bis zu 1.000 Rupien für einen Streikfonds zu spenden.

Nachdem die Gewerkschaft der Geschäftsführung die Streikankündigung vorgelegt hatte, beantragte das Unternehmen Anfang 2020 ein Schlichtungsverfahren. RNITS und ULF beschlossen daraufhin einseitig, an dem von der Unternehmensleitung eingeleiteten Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Sie begründeten dies damit, dass das Unternehmen im Falle eines Streiks die Stammbelegschaft schikanieren würde, indem es einige von uns entlassen oder versetzen würde, obwohl alle 3.000 Festangestellten zu einem Massenstreik bereit waren.

Anstatt eine Strategie zu entwickeln, um die Drohungen von Renault-Nissan abzuwehren, wiederholt die Gewerkschaft diese, um ihre Kapitulation und Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung zu rechtfertigen.

Wie jedes kapitalistische Unternehmen wird Renault-Nissan rücksichtslos handeln, um seine Profite zu verteidigen und zu steigern, und die Unterstützung der Polizei, der Gerichte und der rechten DMK-Regierung in Anspruch nehmen. Aber wir Arbeiter haben potenziell noch mächtigere Verbündete im Industriegürtel Sriperambatur-Oragadam, in ganz Indien und international, denn es ist die Arbeiterklasse, die den gesamten Reichtum der Gesellschaft produziert.

Die Forderungen, für die wir kämpfen – ein Ende der Armutslöhne, der Arbeitsverdichtung und der Leiharbeit – sind für alle Arbeiter von zentraler Bedeutung. Deshalb können und müssen wir uns den Drohungen des Managements entgegenstellen, indem wir an die Unterstützung breiterer Schichten der Arbeiterklasse appellieren und diese mobilisieren.

Nicht nur die Arbeiter von Renault-Nissan leiden unter der bankrotten Strategie und der Feigheit der Gewerkschaften. Die Arbeiter von Ford Motors wurden von der Chennai Ford Employees Union (CFEU) auf grausamste Weise hintergangen. Mehr als 2.600 Arbeiter haben jetzt durch die Schließung des Werks ihren Arbeitsplatz verloren. Die meisten von ihnen waren die Alleinverdiener für ihre Familien.

Am 2. Juli vergangenen Jahres beendete die CFEU in enger Zusammenarbeit mit der Ford-Geschäftsführung und der DMK-Regierung von Tamil Nadu einen militanten fünfwöchigen Streik, der von jungen Arbeitern angeführt wurde und das „Recht“ von Ford bestritt, das Werk zu schließen und die Belegschaft auf den Müllhaufen zu werfen. Die CFEU tat dies ohne jegliche Konsultation der streikenden Arbeiter, geschweige denn eine Abstimmung unter der Mitgliedschaft.

Keiner der Gewerkschaftsverbände – einschließlich des CITU, des LTUC und des AITUC, die sich als „links“ darstellen – mobilisierte echte Unterstützung für die Ford-Belegschaft, obwohl sie in der Industriezone Sriperumbudur-Oragadam stark vertreten sind. Sowohl die Mutterparteien des CITU als auch des AITUC, die CPM (Communist Party of India) und die CPI, unterstützen aktiv die DMK-geführte Regierung von Tamil Nadu, die dem Großkapital ergeben ist.

In den letzten zehn Jahren kam es in verschiedenen Branchen in diesem Industriegürtel und in ganz Indien zu zahlreichen Kämpfen. Trotz der Entschlossenheit und des Mutes der Arbeiter haben die Gewerkschaften diese Kämpfe wiederholt isoliert, was zu ihrer Niederlage führte. Dazu gehören die Kämpfe der Arbeiter bei Yamaha, Royal Enfield, Motherson Group (Industries) und JBM.

Überall auf der Welt werden die Kämpfe der Arbeiter von den national ausgerichteten, pro-kapitalistischen Gewerkschaften sabotiert. Wie die World Socialist Web Site (WSWS), das Organ des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), erklärt, wird der Aufbau von Aktionskomitees „dem Klassenkampf einen neuen Weg eröffnen, indem vertrauenswürdige Vertreter der Arbeiterklasse die Führung übernehmen und die Bemühungen der Gewerkschaftsbürokraten abwenden, jeden Kampf zu sabotieren“.

Um weltweit operierende Konzerne wie Renault-Nissan, die eine globale Strategie verfolgen, erfolgreich bekämpfen zu können, müssen Arbeiter ihre eigene globale Strategie entwickeln: Wir müssen uns mit Autoarbeitern und anderen Arbeitern vernetzen; nicht nur in Tamil Nadu, sondern in ganz Indien und international. Besonders wichtig ist es, Verbindungen zu Renault-Nissan-Arbeitern weltweit herzustellen. Das Chennai-Aktionskomitee unterstützt die laufenden Bemühungen des IKVI für den Aufbau einer Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), damit sich Arbeiter international vernetzen können, um ihre Kämpfe zu koordinieren und für eine bessere Zukunft für alle Arbeiter zu kämpfen.

Der RNRFC stellt die folgenden ersten Forderungen auf:

  • Die seit viereinhalb Jahren andauernden ergebnislosen Verhandlungen von RNITS und ULF mit dem Renault-Nissan-Management und den Gerichten müssen sofort beendet werden. Stattdessen müssen wir das Prinzip „kein Vertrag, keine Arbeit“ durchsetzen. Wir müssen einen unbefristeten Streik vorbereiten und durchführen, bis unsere Forderungen erfüllt sind.
  • Ein neues Verhandlungskomitee muss von der Belegschaft demokratisch gewählt werden, damit die vertrauenswürdigsten Arbeiter den Kampf für bessere Löhne, die durch die massive Inflation ausgehöhlt wurden, und für sichere Arbeitsbedingungen führen können.
  • Es darf keine Geheimverhandlungen hinter dem Rücken der Arbeiter geben. Was auch immer zwischen der Geschäftsleitung und den neu gewählten Arbeitervertretern besprochen wird, muss von nun an von der Verhandlungskommission unverzüglich und vollständig der Belegschaft berichtet werden.
  • Gleicher Lohn für alle Arbeiter, unabhängig von der Klassifizierung. Vereinigung aller Arbeiter über Kastenlinien und kommunalistische Linien hinweg.

Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen, dass ihr mit der in diesem Dokument dargelegten Perspektive einverstanden seid. Wir verfügen über eine enorme Stärke. Das hat sich gezeigt, als wir alle Mitte 2020 wegen der unsicheren Arbeitsbedingungen während der Covid-19-Pandemie eine Arbeitsniederlegung beginnen wollten und die Unternehmensleitung daraufhin gezwungen war, das Werk für zwei Wochen mit Bezahlung stillzulegen. Wir fordern euch auf, die Lehren aus unseren gemeinsamen Erfahrungen zu ziehen und diese neue Kampforganisation mit aufzubauen. Bitte kontaktiert uns unter rnrfc_chennai@yahoo.com oder auf Facebook unter Rnrfc-chennai.

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