Rede zur IYSSE-Kundgebung gegen Krieg, 10. Dezember 2022

Die soziale Krise der Jugend in den Vereinigten Staaten

Dies ist der Beitrag von Genevieve Leigh zur Kundgebung vom 10. Dezember 2022 Für eine Massenbewegung von Jugendlichen und Studierenden gegen den Krieg in der Ukraine“, die von den International Youth and Students for Social Equality organisiert wurde.

Leigh ist Mitglied der IYSSE in den USA. Weitere Informationen, wie ihr bei den IYSSE mitmachen könnt, findet ihr unter iysse.de.

Die Eskalation des Krieges der USA und der Nato gegen Russland führt jungen Menschen vor Augen, dass sie für das elementarste Recht kämpfen müssen: Das Recht auf eine Zukunft.

Nicht nur der Atomkrieg, sondern auch die Realität des Klimawandels, eine anhaltende Pandemie, die katastrophalen Bedingungen der Ungleichheit und Armut, das Anwachsen von Faschismus und Diktatur: All das macht deutlich, dass wir für die Zukunft der Jugend kämpfen müssen, wenn wir sie haben wollen.

Die Jugend von heute hat keinen Tag ihres Lebens erlebt, an dem sich die Vereinigten Staaten nicht im Krieg befunden haben. Die Folgen sind verheerend.

Im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 wurden fast 100.000 Kinder in militärischen Konflikten, die ganze Gesellschaften zerstörten, getötet oder verstümmelt. Allein in dem seit 20 Jahren andauernden Krieg in Afghanistan wurden fast 33.000 Kinder getötet und verletzt, im Durchschnitt alle fünf Stunden ein Kind.

Die Auswirkungen des Kriegs auf junge Menschen in den USA sind weitreichend. Tausende von jungen US-Soldaten gehen nur aus wirtschaftlicher Not zum Militär. Das heißt, sie sehen das Militär als einzigen Ausweg aus ihrer Armut, als einzige Möglichkeit, sich eine Ausbildung zu leisten. Viele derjenigen, die nicht gestorben oder verletzt worden sind, sind für immer von ihren Erfahrungen gezeichnet. Im Jahr 2019 haben sich 5.861 Veteranen in den Vereinigten Staaten das Leben genommen. Die Jugendlichen haben miterlebt, wie ihre Freunde und Familienmitglieder in den Tod geschickt wurden, um die Ziele der amerikanischen herrschenden Klasse zur Welteroberung voranzutreiben.

Der Krieg im Ausland hat auch einen Krieg im eigenen Land bedeutet. Die amerikanische Regierung wird nicht müde zu behaupten, dass ihre Kriege für „Menschenrechte“ geführt werden. Zur Rechtfertigung des Krieges in der Ukraine sprach Biden von einem „Kampf zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung.“

Doch was ist die Realität des gesellschaftlichen Lebens in Amerika? Sie sprechen vom „amerikanischen Traum“, aber die Arbeiter und insbesondere die jungen Menschen in den USA sind mit dem amerikanischen Albtraum konfrontiert.

Die Abzweigung unbegrenzter Ressourcen für die amerikanische Kriegsmaschinerie geht einher mit der Kürzung aller Sozialprogramme, die der Masse der Menschen zugute kommen. Die Mittel für das öffentliche Bildungswesen wurden bis auf die Knochen gekürzt, und die Studenten schließen ihr Studium mit einem immensen Schuldenberg ab. Mehr als 26.000 amerikanische Arbeiter sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen mangelnder Gesundheitsfürsorge.

Die Jugend von heute ist während der Corona-Pandemie, der schlimmsten globalen Gesundheitskrise seit über einem Jahrhundert, erwachsen geworden. Sie sahen zu und litten, als über 21 Millionen Menschen weltweit, darunter mehr als eine Million in den Vereinigten Staaten, durch die verbrecherische Politik der herrschenden Klassen in fast allen Ländern starben.

Millionen von Jugendlichen leiden heute an Long-Covid, das das Gehirn, das Herz, die Lunge und andere lebenswichtige Organe schädigen kann.

Mehr als 200.000 amerikanische Kinder haben einen Elternteil oder eine Hauptbezugsperson durch Covid-19 verloren. Ein solch erschütternder Verlust wird verheerende und lebenslange Auswirkungen haben.

Mehr als 30 Jahre militaristischer Gewalt im Ausland sind in alle Bereiche der Gesellschaft eingedrungen. Dies zeigt sich in der Epidemie von Schießereien an Schulen – 46 allein in diesem Jahr –, die das Ergebnis extremer sozialer Not und der Folgen einer Kultur der Gewalt sind, die die amerikanische Gesellschaft durchdringt.

Videos von Polizisten, die Arbeiter und Jugendliche auf der Straße verstümmeln und ermorden, sind an der Tagesordnung. Jeder Jugendliche in Amerika kann sich an die brutalen Szenen erinnern, als die Polizei George Floyd, Breonna Taylor, Jayland Walker und unzählige andere Opfer ermordete.

Die USA haben das weltweit größte Netz von Gefängnissen und Haftanstalten aufgebaut, in denen inzwischen über zwei Millionen Menschen unter entsetzlichen Bedingungen eingesperrt sind.

Die USA haben die höchste Rate an Drogenüberdosierungen aller wohlhabenden Länder. Allein zwischen 2015 und 2019 verloren Kinder und junge Erwachsene in den USA etwa 1,2 Millionen Lebensjahre durch unbeabsichtigte Überdosierungen.

Die Jugend sollte eine Zeit sein, die von Hoffnung, Optimismus und Idealismus geprägt ist. Junge Menschen haben ein Recht auf eine vielversprechende Zukunft. Der rücksichtslose Drang zum Krieg muss als Angriff auf dieses Recht verstanden werden – Krieg ist die Absage an alle Zukunft.

An Widerstand gegen die abscheulichen Zustände in Amerika mangelt es nicht, vor allem nicht bei der Jugend. Es stellt sich die Frage nach der politischen Perspektive, die den Kampf gegen den Krieg beleben muss.

Vergebliche Appelle an die politischen Parteien und Regierungen, die für den Krieg verantwortlich sind, werden das Gemetzel nicht beenden. In den USA unterstützen die Demokraten ebenso wie die Republikaner die Aktivitäten des amerikanischen Imperialismus.

Junge Menschen haben bereits die Erfahrung gemacht, dass Obama, der Kandidat der „Hoffnung und des Wandels“, zum Drohnenbomber und Deporter-in-Chief wurde. Sie haben auch die Erfahrung von Bernie Sanders gemacht, der es mit seinem Aufruf zu einer „politischen Revolution“ zu einer Spitzenposition im politischen Establishment gebracht hat, wo er den Krieg der USA und der Nato gegen Russland unterstützt hat.

Die Jugendlichen wollen kämpfen, aber sie können es nicht aus eigener Kraft tun. Die Hinwendung muss zur Arbeiterklasse und zur Entwicklung des Klassenkampfs erfolgen. Die Arbeiterklasse, deren Ausbeutung die Quelle allen Profits ist und die die große Mehrheit der Menschheit darstellt, ist die soziale Basis für eine neue Bewegung gegen den Krieg.

Um in der Gegenwart einen Kampf zu entwickeln, der unsere Zukunft sichert, müssen wir uns auf die Lehren aus der Vergangenheit stützen. Die herrschende Klasse wendet enorme Mittel auf, um die Jugend in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt von der Geschichte, von der langen Tradition der Revolution und der Kämpfe der Arbeiterklasse abzuschneiden.

Die amerikanische herrschende Klasse scheut keine Mühe, das Bewusstsein der jungen Menschen mit Propaganda zu verwaschen, die gegen die grundlegende Wahrheit des Marxismus argumentiert: dass die Geschichte der Menschheit die Geschichte von Klassenkämpfen ist.

Ein völlig falsches Narrativ, das „Projekt 1619“, wurde entwickelt, um uns davon zu überzeugen, dass die Geschichte der Vereinigten Staaten von allgegenwärtigen Rassenkonflikten und Spaltungen geprägt ist, um uns gegeneinander aufzubringen und eine einheitliche Bewegung aller Arbeiter zu verhindern.

Die Geschichte der sozialistischen Politik im 20. und 21. Jahrhundert ist die Geschichte der trotzkistischen Bewegung, der Fortsetzung der internationalistischen Prinzipien, die in der Russischen Revolution von 1917 zum Ausdruck kamen, im Kampf gegen Stalinismus, Nationalismus und alle Formen des Antimarxismus, die die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse leugnen wollten.

Die IYSSE hält dieses Erbe aufrecht und kämpft dafür, junge Menschen über die Grundlagen des Marxismus und Trotzkismus aufzuklären. Wie Trotzki im Gründungsdokument der Vierten Internationale erklärte, „läuft die historische Krise der Menschheit auf die Krise der revolutionären Führung hinaus.“ Dies, der Aufbau einer revolutionären Führung, ist die große Aufgabe, vor der wir heute stehen.

Es gibt viele Herausforderungen und Hindernisse, mit denen junge Menschen heute konfrontiert sind. Doch die IYSSE ist von Optimismus beseelt, einem Optimismus, der auf dem Verständnis des revolutionären Potenzials der Arbeiterklasse und auf den Lehren und Erfahrungen der Geschichte beruht.

Ich rufe Euch alle, die Ihr heute und in den kommenden Wochen und Monaten zuhört, auf, die Entscheidung zu treffen, der IYSSE beizutreten, sich dem Kampf für die Zukunft und dem Kampf für den Sozialismus anzuschließen.

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