Die Taliban, die Vereinigten Staaten und die Ressourcen Zentralasiens

Das Ziel der jüngsten amerikanischen Militäraggression sind die Taliban in Afghanistan. In der umfassenden Berichterstattung der Medien zum 'Krieg gegen den Terrorismus' sucht man jedoch vergebens nach einer schlüssigen Erklärung für die Entstehung dieser islamisch-extremistischen Organisation, ihrer gesellschaftlichen und ideologischen Grundlage und ihres Aufstiegs an die Macht. Dieses Versäumnis ist kein Zufall. Jede ernsthafte Untersuchung der Taliban enthüllt die Schuld Washingtons bei der Förderung des derzeitigen theokratischen Regimes in Kabul.

Die Bush-Regierung wettert gegen die Taliban, weil sie den islamischen Extremisten Osama bin Laden und seine Al Qaida-Organisation beherbergen. Aber während der gesamten 1980-er Jahre finanzierten aufeinanderfolgende amerikanische Regierungen den islamischen Heiligen Krieg oder Dschihad von Mudschahidin-Kämpfern gegen die von Moskau unterstützte Regierung in Kabul mit Milliarden von Dollar, um die Sowjetunion zu schwächen. Weiterhin gaben sich die Vereinigten Staaten bis in die späten 1990-er Jahre blind gegenüber dem islamischen Fundamentalismus und der rückwärts gewandten Sozialpolitik der Taliban, die von den zwei engsten Alliierten Washingtons in der Region, Saudi Arabien und Pakistan, unterstützt wurden.

Der ausschlaggebende Faktor im Hin und Her der Washingtoner Haltung gegenüber Afghanistan war nicht die Bedrohung durch den islamischen Extremismus sondern die Frage, wie die neuen Möglichkeiten am besten auszunutzen seien, die sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 in Zentralasien ergeben hatten. Während des vergangenen Jahrzehnts wetteiferten die Vereinigten Staaten mit Russland, China, den europäischen Mächten und Japan um politischen Einfluss in dieser strategischen Schlüsselregion und das Recht, die größten unerschlossenen Öl- und Gasreserven der Welt in den neu entstandenen zentralasiatischen Republiken Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien auszubeuten.

Der Schlüssel zu den gewaltigen potentiellen Profiten in Zentralasien ist die Verteilung - der Transport von Öl und Gas aus dieser isolierten und rückständigen Region ohne Zugang zum Meer zu den Energiemärkten der Welt. Die einzigen existierenden Pipelines sind die des alten sowjetischen Verteilungsnetzes, die durch Russland laufen. Als das Hickhack um die Ressourcen der Region zunahm, wurden die Ziele der Vereinigten Staaten deutlich. Sie wollten das ökonomische Monopol Russlands unterlaufen und gleichzeitig sicherstellen, dass andere Rivalen aus dem Rennen gehalten würden. Die Pipelines sollten demnach durch Länder verlaufen, auf die die Vereinigten Staaten erheblichen politischen Einfluss ausüben konnten, was China und den Iran ausschloss.

Die zentralasiatischen Republiken waren früher Teil der Sowjetunion und hatten lange Grenzen mit China und dem Iran. Für eine Pipeline, die nicht durch Russland, China und den Iran laufen sollte, blieben daher nur zwei Alternativen. Eine war eine gewundene Route durch das Kaspische Meer, den Kaukasus über Aserbaidschan und Georgien und dann durch die Türkei. Die zweite Route durch Afghanistan und Pakistan war kürzer, warf aber umgehend schwierige politische Fragen auf. Mit wem sollte man in Afghanistan verhandeln und wie konnte die politische Stabilität erreicht werden, die zum Bau und Unterhalt der Pipelines notwendig war?

Nach dem Sturz des von der Sowjetunion gestützten Regimes von Mohammed Nadschibullah 1992 wurde Kabul zu einem Schlachtfeld rivalisierender Mudschahidin-Milizen. Der nominale Kopf der Regierung war Professor Burhanuddin Rabbani, der einer höchst instabilen Koalition mit wechselnden Partnern vorstand, die sich vor allem auf ethnische Tadschiken und Usbeken aus Nordafghanistan stützte. Die rivalisierende Hizb-e-Islami-Miliz, die sich aus der paschtunischen Mehrheit aus Südafghanistan zusammensetzte, war ebenfalls in den Vororten Kabuls verschanzt. Sie stand unter der Führung von Gulbuddin Hekmatjar, der die Positionen der Regierung in der Hauptstadt unter heftiges Sperrfeuer nahm.

Auf beiden Seiten des Konflikts, der die Hauptstadt in Schutt legte und eine Flüchtlingswelle nach der anderen hervorrief, standen weitere Milizen, die die unzähligen ethnischen und religiösen Spaltungen des Landes widerspiegelten. Die Rivalitäten reflektierten nicht nur lokale Animositäten sondern auch die Interessen verschiedener Staaten und Geldgeber, die jeder für sich die Etablierung ihrer eigenen Vorherrschaft betrieben. Pakistan unterstützte Hekmatjar, der Iran stand hinter den schiitischen Hazara und Saudi Arabien finanzierte eine ganze Reihe von Gruppen, vor allem solche, die mit ihrer Spielart des Islam, dem Wahabbismus, sympathisierten. Die zentralasiatischen Republiken unterhielten Verbindungen zu den ethnischen Gruppen in Nordafghanistan, und im Hintergrund hatten Indien, Russland und die Vereinigten Staaten allesamt ihre Hand im politischen Leben Afghanistans.

Die Situation in Kabul spiegelte im Kleinen die Situation des gesamten Landes wider. Die Rabbani-Regierung verfügte über keine wirkliche Autorität außerhalb der Gebiete, die unter ihrer unmittelbaren militärischen Kontrolle standen. Das Land war unter den rivalisierenden Milizen aufgeteilt, die Wirtschaft und die soziale Struktur lagen in Trümmern. Über eine Million Menschen waren in den 1980-er Jahren im Krieg gegen das von der Sowjetunion unterstützte Regime gestorben und viele andere zu Flüchtlingen geworden. Mitte der 1990-er Jahre lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei nur 44 Jahren und ein Viertel aller Kinder starb vor Erreichen des fünften Lebensjahres. Nur 29 Prozent der Bevölkerung hatten Zugang zu medizinischer Versorgung und bloß zwölf Prozent Zugang zu sicherem Trinkwasser.

Die paschtunischen Gebiete im Süden, wo 1994 die Taliban entstanden, waren mit am stärksten vom Chaos gekennzeichnet. Kandahar, die zweitgrößte Stadt des Landes, war zwischen drei verschiedenen Kriegsherren aufgeteilt, und die Umgebung litt unter der von Willkür geprägten und oft brutalen Herrschaft Dutzender Milizführer. Die Region, die zu den wirtschaftlich rückständigsten und gesellschaftlich konservativsten in Afghanistan gehörte, hatte traditionell die Könige des Landes gestellt. Lokale Vorbehalte gegen die neue tadschikische und usbekische Führung in Kabul verbanden sich mit der Verzweiflung, die von den unerträglichen ökonomischen und sozialen Bedingungen erzeugt wurde.

Südafghanistan war allerdings auch die bevorzugte Route für eine Reihe von vorgeschlagenen Streckenführungen der Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan. Ein argentinischer Konzern, Bridas, war der erste, der ins Rennen trat. Der Konzern erhielt von Turkmenistan 1992/93 die Rechte, die Gasfelder des Landes zu erschließen und auszubeuten. 1994 eröffnete Bridas Gespräche mit den Regierungen von Turkmenistan und Pakistan über den Bau einer Gaspipeline, die im Frühjahr 1995 zur Unterzeichnung eines Abkommens über eine Machbarkeitsstudie führten. Bridas hatte ursprünglich versucht, den amerikanischen Energiegiganten Unocal in das Projekt einzubinden. Unocal hatte eigene Pläne, unterschrieb später im selben Jahr ein separates Abkommen über eine Pipeline und löste damit eine scharfe Rivalität und juristische Schlacht zwischen den beiden Konzernen aus.

Alle Pipeline-Pläne setzten eine politische Lösung für die chaotischen Verhältnisse entlang der geplanten Route voraus. Auch weniger gewichtige Wirtschaftsinteressen waren strebten danach, die Vielzahl von kleinen Kriegsherren und Milizen aus dem Weg zu räumen. Die Straße von Quetta in Pakistan durch Kandahar und Herat nach Turkmenistan war die einzige Transportroute nach Zentralasien, die eine Alternative zur nördlichen Straße durch das umkämpfte Kabul darstellte. Die Transportgesellschaften und Lastwagenbesitzer, die vom zentralasiatischen Handel und Schmuggel profitieren, mussten hohe Bestechungsgelder an jeden einzelnen Milizenführer zahlen, damit ihre Laster passieren konnten - eine Situation, die sie beendet wissen wollten.

Die Ursprünge der Taliban

Inmitten dieser Gespräche erschien die Taliban-Bewegung als mögliche Lösung. Das heißt nicht, dass die Taliban - Schüler oder 'Talib' aus Koranschulen oder 'Madrassen' - einfach eine Kreation der Regierungen und Geschäftsinteressen waren. Das plötzliche Auftreten dieser neuen Bewegung 1994 und die Geschwindigkeit ihres Wachstums und Erfolges waren das Ergebnis von zwei Faktoren: Zum einen waren sie das Resultat des gesellschaftlichen und politischen Niedergangs, der einen ständigen Nachschub an Rekruten erzeugte, zum anderen war ihr Aufstieg das Ergebnis externer Hilfe von Pakistan, Saudi Arabien und - höchstwahrscheinlich - den Vereinigten Staaten in Form von Geldern, Waffen und Beratern.

Obwohl eine Reihe von Taliban-Führern in dem von Amerika finanzierten 'Dschihad' gegen die Sowjetunion gekämpft hatten, war die Bewegung keine Abspaltung von anderen Mudschahidin-Fraktionen oder ein Zusammenschluss aus diesen. Sie stützte sich größtenteils auf eine neue Generation, die an den Kämpfen der 1980-er Jahre nicht direkt beteiligt war. Die Rekruten der Taliban standen der, wie sie es sahen, korrupten Herrschaft kleiner Mudschahidin-Despoten feindlich gegenüber, die nach Nadschibullahs Sturz nichts als Elend über das Leben der normalen Afghanen gebracht hatten. Ihr eigenes Leben war vom Krieg zerrissen worden. Viele von ihnen waren in den Flüchtlingslagern in Pakistan aufgewachsen und hatten eine rudimentäre Erziehung in den Madrassen erhalten, die von verschiedenen islamisch-extremistischen Parteien Pakistans betrieben wurden.

Ein Autor beschreibt sie folgendermaßen: 'Diese Jungs entstammten einer anderen Welt als die Mudschahidin, die ich in den achtziger Jahren kennen gelernt hatte und die über ihre Stammes- und Clanherkunft genau im Bilde waren, die sich wehmütig an die verlassenen Gehöfte und Täler ihrer Jugend und die historischen Legenden Afghanistans erinnerten. Diese Jungs hier hatten ihr Land nie im Frieden erlebt. [...] Sie waren Kriegswaisen im klassischen Sinn: entwurzelt, rast- und arbeitslos, arm und ohne jede Kenntnis. [...] Ihr schlichter Glauben an einen messianischen, puritanischen Islam, eingetrichtert von einfachen Dorfmullahs, war ihr einziger Halt und gab ihrem Leben eine gewisse Bedeutung. Ohne Ausbildung und ohne Kenntnis traditioneller Beschäftigungen wie Ackerbau, Viehzucht oder Handwerkskunst, waren sie, was Karl Marx Lumpenproletariat nannte.' [Ahmed Rashid, Taliban, Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad, Droemer Knauer Verlag, München 2001]

Die Ideologie der Taliban war ein Wirrwarr von Ideen, die entstanden waren, um diese gesellschaftlichen Schichten anzusprechen. Von Beginn an war die Bewegung zutiefst reaktionär. Zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme schaute sie zurück auf eine mystische Vergangenheit, als die Lehren des Propheten Mohammed strikt befolgt wurden. Sie war tief durchdrungen vom virulenten Antikommunismus, der von der Brutalität und Unterdrückung verschiedener von der Sowjetunion unterstützter Regime in Kabul hervorgerufen worden war, die sich fälschlicherweise das Banner des 'Sozialismus' umgehängt hatten.

Wie die Roten Khmer in Kambodscha reflektierten die Taliban das Misstrauen und die Feindschaft unterdrückter ländlicher Schichten gegenüber dem städtischen Leben, der Kultur, Technologie und dem Lernen allgemein. Ihre Führer waren halbgebildete Dorfmullahs, keine ausgebildeten Korangelehrten mit großer Kenntnis der Schriften und religiösen Kommentare. Sie standen anderen Richtungen des Islams, besonders den Schiiten, und anderen ethnischen Gruppen als den Paschtunen feindlich gegenüber. Der rückwärts gewandte gesellschaftliche Kodex der Taliban enthielt ebenso viele Elemente der Stammesgesetze der Paschtunen, der Pashtunwali, wie der islamischen Tradition. Sofern ihre Ideologie eine islamische Grundlage hatte, so war es der Deobandismus - eine einflussreiche Reformbewegung des 19. Jahrhunderts - aber in einer Form, die frei von allen auch nur im entferntesten progressiven Elementen war.

Die Taliban traten im vom Krieg verwüsteten Afghanistan als eine Art Klerikalfaschismus auf. Sie reflektierten die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit entwurzelter und deklassierter Schichten des ländlichen Kleinbürgertums - der Söhne von Mullahs, kleinen Beamten, Bauern und Händlern - die keine Alternative zu dem sozialen Übel sehen konnten, das in Afghanistan reichlich zu finden war, als die Einsetzung eines diktatorischen islamischen Regimes.

Die Selbstdarstellung ihrer Ursprünge durch die Taliban gewährt einen Einblick in ihre Art der Rekrutierung. Im Juli 1994 reagierte der höchste Taliban-Führer Mohammad Omar, damals ein Dorfmullah, auf Bitten um Unterstützung bei der Befreiung von zwei Mädchen, die von einem lokalen Milizenführer entführt und vergewaltigt worden waren. Omar, der in einer Mudschahidin-Organisation gekämpft hatte, stellte eine Gruppe seiner Unterstützer unter den Koranschülern aus den lokalen Madrassen zusammen. Bewaffnet mit eine Handvoll Gewehren befreite die Gruppe die Mädchen, schnappte sich den Kommandanten und hängte ihn am Lauf seines Panzers auf.

Was auch immer an der Geschichte dran sein mag - die Taliban präsentieren sich als religiöse Bürgerwehr, entschlossen die Übel, die der normalen Bevölkerung angetan werden, zu berichtigen. Ihre Führer bestehen darauf, dass die Bewegung, anders als die Mudschahidin-Organisationen, keine politische Partei ist und nicht die Bildung einer Regierung anstrebt. Sie behaupten, einer wahrlich islamischen Regierung den Weg frei machen zu wollen, und verlangen auf dieser Grundlage große Opfer von ihren Rekruten, die keine Bezahlung erhalten, nur Waffen und Essen.

Pakistanische Unterstützung

Es gab allerdings immer eine große Kluft zwischen diesem Bild und der Realität. Wenn die Taliban mehr sein wollten als eine Gruppe bewaffneter religiöser Fanatiker, die eine Guerilla-Taktik verfolgen, dann brauchte die Bewegung große Mengen an Geld, Waffen und Munition sowie beträchtliche technische und militärische Fachkenntnisse - die sie aus den Reihen ihrer verarmten Rekruten nicht erhalten konnte.

Von Beginn an war der prominenteste Geldgeber der Taliban das Nachbarland Pakistan. Pakistans mächtiger Geheimdienst ISI, der in den 1980-er Jahren der Hauptkanal für Geld, Waffen und Beratung von den Vereinigten Staaten an die Mudschahidin war, war tief in die afghanische Politik verstrickt. 1994 führte die Regierung von Benazir Bhutto Gespräche mit dem argentinischen Konzern Bridas, kam aber dadurch dem Ziel, den Weg durch Südafghanistan frei zu machen, auch nicht näher. Der Hauptvertreter von Pakistans Interessen Hekmatjar hatte sich bei den Kämpfen in Kabul festgefahren und schien kaum eine Lösung anbieten zu können.

Auf der Suche nach einer Alternative stieß Bhuttos Innenminister Naseerullah Babar auf die Idee, die Taliban zu benutzen. Im September 1994 organisierte er ein Team von Landvermessern und Geheimdienstoffizieren des ISI, um die Straße zwischen Kandahar und Herat nach Turkmenistan zu begutachten. Im folgenden Monat flog Bhutto nach Turkmenistan, wo sie sich die Unterstützung zweier afghanischer Kriegsherren in Schlüsselpositionen sicherte - von Rashid Dostum, der afghanische Gebiete nahe der turkmenischen Grenze kontrollierte, und von Ismail Khan, der über Herat herrschte. Um internationale finanzielle Unterstützung anzulocken, flog Pakistan eine Reihe von ausländischen Diplomaten aus Islamabad nach Kandahar und Herat.

Nachdem er eine gewisse Unterstützung für seinen Plan sichergestellt hatte, organisierte Innenminister Babar einen Versuchskonvoi von 30 Lastwagen, die mit ehemaligen Armeefahrern unter dem Kommando eines hochrangigen ISI-Feldoffiziers besetzt waren und von Taliban-Kämpfern bewacht wurden. Die Lastwagen fuhren am 29. Oktober 1994 los, und wenn die Straße blockiert war, kümmerten sich die Taliban um die verantwortliche Miliz. Am 5. November hatten die Taliban nicht nur die Straße freigeräumt sondern auch nach minimalen Kämpfen die Kontrolle über Kandahar übernommen.

In den nächsten drei Monaten übernahmen die Taliban die Kontrolle über zwölf der insgesamt 31 Provinzen Afghanistans. Zumindest ein Teil ihrer 'Siege' wurden mit Hilfe hoher Bestechungsgelder an lokale Milizführer erkauft. Nachdem sie Mitte 1995 einen militärischen Rückschlag erlitten hatten, wurden die Taliban mit pakistanischer Hilfe neu bewaffnet und organisiert. Im September desselben Jahres nahmen sie Herat ein und machten damit effektiv den Weg von Pakistan nach Zentralasien frei. Im darauffolgenden Monat unterzeichnete der amerikanische Ölkonzern Unocal seinen Pipeline-Deal mit Turkmenistan.

Pakistan war immer vorsichtig, die direkte Unterstützung für die Taliban zuzugeben, aber die Verbindungen sind recht offen. Die Taliban haben enge Beziehungen zur Jamiat-e-Ulema Islam (JUI), einer islamisch-extremistischen Partei mit Sitz in Pakistan, die ihre eigenen Madrassen in den Grenzgebieten zu Afghanistan unterhält. Die JUI hat die Taliban mit einer großen Zahl von Rekruten aus ihren Schulen versorgt und fungiert gleichzeitig als Kommunikationskanal zwischen den Taliban und den höheren Ebenen des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes.

Das deutlichste Zeichen für ausländische Einmischung war der militärische Erfolg der Taliban. In wenig mehr als einem Jahr waren sie von einer Handvoll Koranschüler zu einer gut organisierten Miliz geworden, die bis zu 20.000 Kämpfer mit Panzern, Artillerie und Luftwaffe aufbot und große Teile des südlichen und westlichen Afghanistans kontrollierte.

Wie ein Autor feststellte: 'Es ist auch unvorstellbar, dass eine Truppe, die sich aus ehemaligen Guerilla-Kämpfern und Amateuren zusammensetzt, mit dem Grad an Fachkenntnis und Organisation hätte operieren können, die die Taliban beinahe von Beginn an bei ihren Operationen an den Tag legten. Während es zweifellos ehemalige Mitglieder der afghanischen Streitkräfte unter ihnen gab, führen die Geschwindigkeit und Ausgereiftheit, mit denen ihre Angriffe durchgeführt wurden, und die Qualität solcher Elemente wie der Kommunikation, Luftangriffe und Artilleriebombardements unweigerlich zu dem Schluss, dass sie dies einer Militärpräsenz oder zumindest professionellen Unterstützung Pakistans verdankten.' [Martin Ewers, Afghanistan: A New History, Curzon 2001, S. 182f.]

Pakistan war nicht die einzige Quelle der Unterstützung. Saudi Arabien stellte ebenfalls beträchtliche finanzielle und materielle Hilfe zur Verfügung. Kurz nachdem die Taliban die Kontrolle über Kandahar übernommen hatten, begann der Kopf der JUI Maulana Fazlur Rehman sogenannte 'Jagdausflüge' für die Königshäuser von Saudi Arabien und der Golfstaaten zu organisieren. Mitte 1996 sandte Saudi Arabien Gelder, Fahrzeuge und Treibstoff, um den Marsch der Taliban auf Kabul zu unterstützen.

Es gab zwei Gründe hierfür. Auf der politischen Ebene war die fundamentalistische Ideologie der Taliban nicht weit entfernt vom Wahabbismus der Saudis. Die Taliban standen der schiitischen Richtung des Islam feindlich gegenüber und waren somit auch Gegner des größten regionalen Rivalen von Riad - dem Iran. Auf einer prosaischeren Ebene war der saudische Ölkonzern Delta Oil Partner bei der Unocal-Pipeline und setzte seine Hoffnungen auf einen Sieg der Taliban, um das Projekt in Gang zu bringen.

Wie Pakistan und Saudi Arabien haben auch die Vereinigten Staaten wiederholt geleugnet, dass sie die Taliban unterstützt haben. Angesichts der engen Zusammenarbeit des CIA mit Pakistan und dem pakistanischen Geheimdienst ISI während der 1980-er Jahre ist es allerdings höchst unwahrscheinlich, dass Washington die Pläne der pakistanischen Bhutto-Regierung bezüglich der Taliban nicht gekannt und stillschweigend unterstützt hat. Pakistans Unterstützung für die Taliban war ein offenes Geheimnis, doch erst Ende der 1990-er Jahre begannen die Vereinigten Staaten die pakistanische Regierung in Islamabad wegen ihrer Beziehungen zum Taliban-Regime unter Druck zu setzen.

Weitere indirekte Beweise für die Beziehungen zwischen den Taliban und den Vereinigten Staaten ergeben sich aus den Bemühungen des amerikanischen Kongressabgeordneten Dana Rohrabacher, einem Mitglied des Komitees für Auslandsbeziehungen, Zugang zu offiziellen amerikanischen Dokumenten über Afghanistan nach der Entstehung der Taliban zu erhalten. Rohrabacher, ein Unterstützer des afghanischen Königs, verfolgte dabei sicherlich seine eigenen Interessen gegenüber der Clinton-Regierung. Aber die Reaktion auf seine Forderungen war bezeichnend. Nach zweijährigem Druck händigte das Außenministerium schließlich beinahe tausend Dokumente über die Periode nach 1996 aus, weigerte sich aber hartnäckig irgendwelche Papiere freizugeben, die die höchst wichtige vorausgegangene Periode betrafen.

Auch wenn exakte Details über die frühen amerikanischen Kontakte mit den Taliban oder ihren pakistanischen Sekundanten nicht zu erhalten sind, war Washingtons Haltung doch klar. Autor Ahmed Rashid kommentiert: 'Die Clinton-Regierung stand den Taliban sichtbar verständnisvoll gegenüber, da sie sich in einer Linie mit Washingtons Politik gegen den Iran befanden und wichtig waren für den Erfolg einer jeden Pipeline, die südlich von Zentralasien verlaufen und dabei den Iran vermeiden sollte. Der amerikanische Kongress hatte ein verdecktes Budget von 20 Millionen Dollar für die CIA zur Destabilisierung des Iran genehmigt und Teheran beschuldigte Washington, einen Teil dieser Gelder den Taliban zukommen zu lassen - ein Vorwurf, der von Washington immer zurückgewiesen wurde.' [ Taliban, Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad]

Tatsächlich fiel die Periode von 1994 bis 1997 mit einer Belebung von diplomatischen Aktivitäten der Vereinigten Staaten zusammen, die Unterstützung für die Unocal-Pipeline sicherstellen sollten. Im März 1996 besuchte der prominente US-Senator Hank Brown, ein Unterstützer des Unocal-Projekts, Kabul und andere afghanische Städte. Er traf sich mit den Taliban und lud sie ein, Delegierte zu einer von Unocal finanzierten Konferenz zu Afghanistan in die Vereinigten Staaten zu entsenden. Im gleichen Monat übten die Vereinigten Staaten auch Druck auf die pakistanische Regierung aus, die nach amerikanischem Wunsch ihre Abmachungen mit dem argentinischen Ölkonzern Bridas fallen lassen und den amerikanischen Konzern unterstützen sollte.

Im darauffolgenden Monat besuchte die für das südliche Asien zuständige Staatssekretärin im Außenministerium, Robin Raphael, Pakistan, Afghanistan und Zentralasien und drängte auf eine politische Lösung für den anhaltenden Konflikt. 'Wir sind auch besorgt, dass hier wirtschaftliche Möglichkeiten verpasst werden, wenn die politische Stabilität nicht wiederhergestellt werden kann,' sagte sie gegenüber der Presse. Raphael führte keine Gespräche mit den Taliban-Führern und machte auch sonst keine Andeutungen über offizielle Unterstützung. Aber die Vereinigten Staaten kritisierten die Taliban auch nicht wegen ihrer Missachtung der Rechte der Frauen oder der Förderung und Verbreitung von Drogen und Terrorismus - drei Punkte, die Ende der 1990-er Jahre zur Grundlage für die Ultimaten der Vereinigten Staaten an das Taliban-Regime wurden. In allen drei Fragen lag schon damals eine Fülle von Beweisen vor, die nur ignorieren konnte, wer sich bewusst dazu entschlossen hatte.

Seit der Einnahme von Kandahar war offensichtlich, dass die Taliban nicht einmal die grundlegendsten demokratischen Rechte wahren würden. Mädchen wurden vom Schulunterricht ausgeschlossen und Frauen wurde das Arbeiten verboten - diese Maßnahmen verursachten ein enormes Leid. Eine strikte, gar absurde Kleiderordnung wurde Männern und Frauen auferlegt und buchstäblich alle Formen der Unterhaltung, von Video und Fernsehen bis hin zu Schach, Fußball und Drachenfliegen wurden verboten. Eine religiöse Polizei setzte den gesellschaftlichen Kodex durch und exerzierte auf den Straßen die willkürliche Bestrafung von Gesetzesbrechern. Öffentliche Hinrichtungen wurden für eine Vielzahl von 'Verbrechen' verhängt, so zum Beispiel für Ehebruch und Homosexualität. Der Zweck des gesamten Unterdrückungssystems bestand in der Terrorisierung der Menschen, damit sie die theokratische Diktatur der Taliban akzeptierten, in der keiner etwas zu sagen hat außer den Mullahs der Taliban. Und selbst deren Entscheidungen konnten durch ein Veto des höchsten Taliban-Führers Mullah Omar in Kandahar revidiert werden.

Was die riesige Heroinindustrie Afghanistans betrifft, so spielten die Vereinigten Staaten eine Hauptrolle bei deren Expansion. Während der gesamten 1980-er Jahre nutzten die Mudschahidin und ihre pakistanischen Sekundanten die verdeckten Versorgungsrouten, die mit Hilfe der CIA aufgebaut wurden, um Waffen nach Afghanistan zu bringen, zum groß angelegten Opiumschmuggel außer Landes. Die CIA ignorierte den Drogenhandel im Interesse der Fortführung des Krieges gegen die sowjetische Armee. In den frühen 1990-er Jahren machte Afghanistan schließlich Burma die Stellung des weltgrößten Opiumproduzenten streitig.

Die Vereinigten Staaten ähnelten mit ihrer Haltung in dieser Frage sehr den Taliban, die ursprünglich für ein Verbot der Opiumproduktion eingetreten waren, die Entscheidung aber zurücknahmen, als sie feststellten, dass es kaum alternative Einnahmequellen in Afghanistans ruinierter Wirtschaft gab. Nachdem die Taliban Kandahar eingenommen hatten, erhöhte sich die Opiumproduktion in der zugehörigen Provinz um 50 Prozent. Als ihre Truppen weiter nach Norden zogen, steigerte sich die geschätzte Opiumproduktion des ganzen Landes auf 2.800 Tonnen im Jahre 1997 - mindestens 25 Prozent mehr als noch 1995. Nichts von dem wurde zu dieser Zeit in Washington öffentlich verurteilt.

Die amerikanische Haltung in Bezug auf die Gefahr des islamischen Extremismus war ebenso heuchlerisch. In den 1980-er Jahren unterstützten die Vereinigten Staaten nicht nur generell die Mudschahidin, sondern sie hießen 1986 auch ausdrücklich einen pakistanischen Plan zur internationalen Rekrutierung von Kämpfern gut, die demonstrieren sollten, dass die gesamte muslimische Welt den anti-sowjetischen Krieg unterstützte. Diesem Plan folgend wurden schätzungsweise 35.000 militante Islamisten aus dem Nahen Osten, Zentralasien, Afrika und den Philippinen ausgebildet und bewaffnet, um in Afghanistan zu kämpfen.

Prominent unter den arabischen Afghanen, wie sie genannt wurden, war Osama bin Laden, der Sohn eines reichen jemenitischen Baumagnaten, der seit 1980 in Pakistan Straßen und Depots für die Mudschahidin gebaut hatte. Er arbeitete 1986 mit der CIA beim Bau des gewaltigen Khost-Tunnelkomplexes zusammen, der als Waffenlager und Ausbildungseinrichtung diente. Später richtete er sein eigenes Trainingslager ein und gründete 1989 Al Qaida (Die Basis) für arabische Afghanen.

Der Fall Kabuls

Mitte der 1990-er Jahre wurde die Haltung der Vereinigten Staaten gegenüber den Taliban nicht durch bin Laden, Drogen und demokratische Rechte bestimmt. Wenn die amerikanische Vertreterin Robin Raphael Mitte 1996 zurückhaltend war bei der offiziellen Umarmung der Taliban, so lag dies daran, dass Washington sich nicht sicher war, ob die Taliban-Kämpfer in der Lage wären, ihre Gegner zu besiegen und ein stabiles politisches Klima für das Unocal-Projekt zu schaffen.

Nach der Einnahme von Herat 1995 konzentrierten sich die Taliban auf den Angriff auf Kabul. Alle Seiten bewaffneten ihre Stellvertreter in Afghanistan für die vorhergesehene Entscheidungsschlacht. Pakistan und Saudi Arabien rüsteten die Taliban aus, modernisierten den Flughafen von Kandahar und errichteten ein neues Telefon- und Funknetz. Russland und der Iran versorgten das Rabbani-Regime und seine Alliierten über den Luftstützpunkt Bagram im Norden Kabuls mit Waffen, Munition und Treibstoff. Indien half Rabbani indirekt, indem es Afghanistans nationale Fluggesellschaft aufpolierte und Geld zur Verfügung stellte.

Versuche der Vereinten Nationen (UN), der Vereinigten Staaten und anderer Länder, zwischen Rabbani und den Taliban zu vermitteln, scheiterten. Im August 1996 nahmen Taliban-Truppen Jalalabad an der pakistanischen Grenze ein und zwangen schließlich die gegnerischen Kräfte, sich im folgenden Monat aus Kabul zurückzuziehen. Eine der ersten Handlungen der Taliban nach der Einnahme Kabuls bestand darin, Nadschibullah und seinen Bruder, die seit 1992 unter diplomatischer Immunität in der UN-Vertretung der Hauptstadt gelebt hatten, brutal zu foltern und zu ermorden und ihre verstümmelten Körper in der Straße aufzuhängen. Washingtons Reaktion hierauf wird wie folgt beschrieben:

'Nur wenige Stunden nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban kündigte das amerikanische Außenministerium an, dass es diplomatische Beziehungen mit den Taliban aufnehmen und einen Vertreter nach Kabul senden werde - eine Ankündigung, die ebenso schnell wieder zurückgenommen wurde. Der Sprecher des Außenministeriums Glyn Davies sagte, dass die Vereinigten Staaten an den Schritten der Taliban, islamisches Recht einzusetzen, ‚nichts bedenklich‘ fänden. Die Taliban seien eher anti-modern als anti-westlich. Amerikanische Kongressabgeordnete stellten sich auf die Seite der Taliban. ‚Das Gute an den Ereignissen ist, dass eine der Fraktionen endlich in der Lage zu sein scheint, eine Regierung in Afghanistan aufzubauen,‘ sagte Senator Hank Brown, ein Unterstützer des Unocal-Projekts.' [Ebenda]

Die Reaktion von Unocal war beinahe gleichlautend. Der Konzernsprecher Chris Taggert begrüßte den Sieg der Taliban und erklärte, dass es nun leichter sei, das Pipeline-Projekt durchzuführen - und nahm dann die Stellungnahme schnell zurück. Die Bedeutung war klar. Die Vereinigten Staaten sahen die Taliban als das beste Mittel an, um die für das Unocal-Projekt benötigte Stabilität zu gewährleisten, waren aber nicht bereit, sich offen hinter das neue Regime zu stellen, solange dessen Kontrolle noch nicht unangefochten war.

Bei einer Rede vor den Vereinten Nationen in einer geschlossenen Sitzung im November 1996 erklärte Raphael frei heraus: 'Die Taliban kontrollieren mehr als zwei Drittel des Landes, sie sind Afghanen, sie sind Eingeborene, sie haben bleibende Stärke bewiesen. Die wirkliche Quelle ihres Erfolges war die Bereitschaft vieler Afghanen, vor allem der Paschtunen, stillschweigend das unendliche Kämpfen und Chaos gegen ein gewisses Maß an Frieden und Sicherheit einzutauschen, selbst wenn dies mit schwerwiegenden sozialen Einschränkungen einhergeht. Es ist nicht im Interesse Afghanistans oder von uns hier, die Taliban zu isolieren.'

Unocal warb mit Unterstützung Washingtons weiter aktiv um die Gunst der Taliban-Führer, die beim Versuch, den Deal für sich selbst möglichst lukrativ zu machen, den amerikanischen Konzern gegen Bridas ausspielten. Unocal gab beinahe eine Million Dollar aus, um das Zentrum für Afghanistan-Studien an der Universität von Omaha einzurichten, das als Front für ein Hilfsprogramm im von den Taliban gehaltenen Kandahar fungierte. Das Hauptergebnis dieser 'Hilfe' war eine Schule zur Ausbildung der Rohrleger, Elektriker und Zimmermänner, die zum Bau der Pipeline benötigt wurden. Im November 1997 wurde eine Delegation der Taliban von Unocal in Houston im Bundesstaat Texas feierlich empfangen, die während ihres Besuches auch mit offiziellen Vertretern des Außenministeriums zusammentraf.

Washingtons politischer Kurswechsel

Aber der politische Wind war bereits dabei sich zu drehen. Der wichtigste Wendepunkt war der Mai 1997, als die Taliban die größte Stadt Nordafghanistans Masar-i-Scharif einnahmen und versuchten, ihre religiösen und sozialen Beschränkungen einer feindlichen und misstrauischen Bevölkerung von Usbeken, Tadschiken und schiitischen Hazara aufzuzwingen. Ihre Maßnahmen provozierten einen Aufstand mit heftigen Kämpfen in der Stadt, bei denen etwa 600 Taliban-Soldaten getötet wurden. Mindestens 1.000 weitere Taliban wurden gefangen, als sie zu fliehen versuchten, und angeblich umgebracht. In den nächsten zwei Monaten wurden die Taliban entlang der nördlichen Grenze zurückgetrieben und erlitten dabei ihre bis dahin schlimmste militärische Niederlage. In zehn Wochen wurden mehr als 3.000 von ihnen bei Kämpfen getötet oder verwundet und weitere 3.600 gefangen genommen.

Masar-i-Scharif war nicht nur ein militärischer Rückschlag. Die Taliban gruppierten sich neu, nahmen die Stadt im August 1998 erneut ein, schlachteten Tausende der schiitischen Hazara ab - Männer, Frauen und Kinder - und provozierten beinahe einen Krieg mit dem Iran, als sie elf iranische Staatsvertreter und einen Journalisten töteten. Die Ereignisse im Mai 1997 hatten allerdings die tiefe Feindseligkeit unter Nicht-Paschtunen gegenüber den Taliban gezeigt. Dies bedeutete, dass der Bürgerkrieg unvermeidlich anhalten würde und selbst wenn die Taliban die Hochburgen der Opposition im Norden einnehmen würden, Rebellionen und weitere politische Instabilität wahrscheinlich wären.

Direkt nach dem Debakel bei Masar-i-Scharif wurden in Washington einige höchst wichtige Entscheidungen getroffen. Im Juli 1997 gab die Clinton-Regierung in einer abrupten politischen Kehrtwende ihre Opposition gegen eine Gaspipeline auf, die über iranisches Territorium von Turkmenistan in die Türkei führen sollte. Im folgenden Monat kündigte ein Konsortium europäischer Konzerne, darunter Royal Dutch Shell, Pläne für ein solches Projekt an. Ein davon unabhängiger Deal, der von Australiens BHP Petroleum ins Auge gefasst wurde, sah eine weitere Gaspipeline vom Iran nach Pakistan und eventuell Indien vor.

Im gleichen Zeitraum warben die Vereinigten Staaten und die Türkei gemeinsam für die Idee eines 'Transportkorridors', wobei eine größere Ölpipeline von Baku in Aserbaidschan durch Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan verlaufen sollte. Washington drängte Turkmenistan und Kasachstan, an dem Plan teilzuhaben durch den Bau von Gas- und Ölpipelines, die durch das Kaspische Meer zum selben Korridor führen sollten.

Unocals Pläne für eine Gaspipeline aus Turkmenistan hatten Konkurrenz bekommen. Darüber hinaus betrafen die Vorhaben der Rivalen Routen, die - zumindest auf kurze Sicht - politisch stabiler zu sein versprachen. Bridas und Unocal verfolgten beide mit Nachdruck ihre Pläne in Südafghanistan, aber die Aussichten wurden zunehmend schlechter. Gegen Ende des Jahre 1997 erklärte der stellvertretende Direktor von Unocal Marty Miller: 'Es ist nicht sicher, wann dieses Projekt begonnen wird. Das hängt davon ab, ob es Frieden in Afghanistan gibt und eine Regierung, mit der wir zusammenarbeiten können. Dies kann am Ende dieses Jahres der Fall sein, im kommenden Jahr oder in drei Jahren oder es mag sich zerschlagen, wenn die Kämpfe kein Ende nehmen.'

Auch in Washington machte sich parallel dazu ein Wechsel in der politischen Rhetorik bemerkbar. Im November 1997 schlug die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright bei einem Besuch in Pakistan neue Töne an. Sie nutzte die Gelegenheit, um die Politik der Taliban gegenüber Frauen als 'verachtenswert' zu bezeichnen, und warnte Pakistan gezielt, dass es eine internationale Isolation riskieren würde. Washington begann, Druck auf Pakistan auszuüben wegen der Verwicklung der Taliban in den Heroinhandel und der Gefahren des 'islamischen Terrorismus'.

Der Wechsel in der amerikanischen Politik wurde komplett nach den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia im August 1998, als die Clinton-Regierung mit Cruise Missiles Ausbildungslager von Osama bin Laden im afghanischen Khost angriff. Bin Laden war im Mai 1996 nach sechsjähriger Abwesenheit nach Afghanistan zurückgekehrt. In der Zwischenzeit hatte seine Verbitterung über die Rolle der Vereinigten Staaten im Persischen Golf und im Nahen Osten zugenommen. Im August 1996 begann er, öffentlich einen Dschihad gegen die Vereinigten Staaten zu fordern. Die amerikanische Regierung verlangte allerdings erst nach den Bombenanschlägen in Afrika vom Taliban-Regime seine Auslieferung, ohne dass sie Beweise für bin Ladens Beteiligung an den Anschlägen vorlegte.

Unocal gab das Pipeline-Projekt auf und zog seine Mitarbeiter aus Kandahar und Islamabad ab. Der letzte Auslöser für die Aufgabe des Projekts war der Fall der Ölpreise 1998 von 25 Dollar auf 13 Dollar pro Barrel, was die Unocal-Pipeline zumindest auf kurze Sicht unrentabel machte. Gleichzeitig wurden die Forderung der Clinton-Regierung nach der Auslieferung bin Ladens und ihre Klagen über den Drogenhandel und die Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan zur Grundlage für eine Reihe von Strafsanktionen der Vereinten Nationen, die 1999 gegen die Taliban verhängt und im Frühjahr dieses Jahres verschärft wurden.

Trotz des starken Drucks auf die Taliban und auch auf Pakistan wurde keine Forderung der Vereinigten Staaten erfüllt. 1998 und 1999 führten die Taliban neue militärische Offensiven durch und erweiterten ihre Kontrolle, wobei sie ihre Gegner in kleine Territorien im Nordosten abdrängten. Aber der Bürgerkrieg war einer Lösung nicht näher gekommen, da Russland und der Iran den Gegnern der Taliban weiter Waffen lieferten. Die UN-Sanktionen führten dazu, dass keiner der Rivalen Washingtons eine vorteilhafte Position in Afghanistan einnehmen konnte, hielten aber auch die Vereinigten Staaten davon ab, in der Region sicher Tritt zu fassen.

Die amerikanische Regierung hat sich nun die Terroranschläge des 11. Septembers auf New York und Washington zunutze gemacht, um ihre lang gehegten Pläne für Zentralasien in Angriff zu nehmen. Ohne irgendeinen Beweis vorzulegen, hat Bush umgehend bin Laden für die Verwüstungen in den Vereinigten Staaten verantwortlich gemacht und dem Taliban-Regime eine Reihe von Ultimaten gestellt: Liefert bin Laden aus, schließt alle Einrichtungen der Al Qaida und gewährt den Vereinigten Staaten Zugang zu allen 'Ausbildungslagern für Terroristen'. Als die Taliban diese unbegrenzten Forderungen zurückwiesen, gab Bush seinen Generälen das Signal, Tausende Bomben und Cruise Missiles auf Afghanistan abzuschießen mit dem erklärten Ziel, das Regime zu stürzen.

Wenn man der Bush-Regierung und den internationalen Medien Glauben schenkt, so besteht der einzige Zweck von Washingtons umfassendem und kostspieligem Krieg gegen eines der rückständigsten Länder der Welt darin, bin Laden zu fangen und sein Al Qaida-Netzwerk zu zerstören. Doch wie dieser historische Rückblick zeigt, sind Washingtons Ziele in Afghanistan nicht von Bedenken hinsichtlich des Terrorismus oder der Menschenrechte bestimmt.

Mit der Stationierung von Truppen in Usbekistan verfügen die Vereinigten Staaten zum ersten Mal über eine Militärpräsenz in den zentralasiatischen Republiken und mit ihrer militärischen Kampagne stellen sie sicher, dass sie die Grundlagen eines jeglichen Regimes diktieren können, das nach den Taliban in Afghanistan die Macht übernimmt. Selbst wenn bin Laden morgen getötet und seine Organisation zerstört würde, hätte Washington nicht die geringste Absicht, diese ersten Schritte zur Beherrschung der strategischen Schlüsselregion und ihrer gewaltigen Energiereserven rückgängig zu machen.

Literaturhinweise:

Ahmed Rashid, Taliban, Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad, Droemer Knauer Verlag München 2001

Martin Ewers, Afghanistan: A New History, Curzon 2001

Michael Griffin, Reaping the Whirlwind: The Taliban Movement in Afghanistan, Pluto Press 2001

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