Perspektive

Putsch in der Ukraine: Eine Warnung an die internationale Arbeiterklasse

Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine sind eine Warnung an die internationale Arbeiterklasse. Wenn sie über keine Perspektive verfügt und keine Partei aufbaut, um eigenständig ins politische Geschehen einzugreifen, entwickeln sich die Ereignisse in eine äußerst reaktionäre Richtung. Was seit 1945 undenkbar schien, ist wieder eingetreten: Während die USA und Deutschland das Land rücksichtslos destabilisierten, wurden vor Ort offene Faschisten zur entscheidenden Kraft.

Die Krise hatte sich im November vergangenen Jahres an der Weigerung von Präsident Viktor Janukowitsch entzündet, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Für Washington und Berlin war dies nicht hinnehmbar. Es ging, wie es Theo Sommer damals in der Zeit formulierte, um die Frage: „Wo soll die östliche Grenze der EU liegen, wo die westliche Grenze des russischen Einflussgebiets?“

Die USA und Deutschland begannen systemtisch, die Pro-EU-Opposition zu unterstützen, die Massendemonstrationen gegen Janukowitsch organisierte. Neben Julia Timoschenkos Vaterland und Vitali Klitschkos UDAR, zwei rechten Parteien mit engen Beziehungen zur deutschen CDU, zählte dazu auch die faschistische Swoboda von Oleg Tjagnybok.

Die Tatsache, dass sich „Swoboda” neofaschistischer Symbole bedient, gegen Ausländer, Juden, Ungarn und Polen hetzt, enge Beziehungen zum französischen Front National unterhält und vom Jüdischen Weltkongress in eine Reihe mit der griechischen Chrysi Avgi und der ungarischen Jobbik gestellt wird, hielt die Außenminister der USA und Deutschlands nicht davon ab, Tjagnybok öffentlich zu unterstützen.

Die Demonstrationen der Opposition waren jedoch nicht in der Lage, Janukowitsch zum Rückzug zu zwingen, und drohten zu versanden. Nun wurden paramilitärische faschistische Milizen mobilisiert, um den Konflikt zu verschärfen und das Land an den Rand des Bürgerkriegs zu treiben. Die führende Rolle spielte dabei der sogenannte Rechte Sektor, dessen maskierte, mit Helmen, Schlagstöcken, Brandbomben und Schusswaffen ausgerüsteten Kämpfer bald das Zentrum von Kiew beherrschten und brutal gegen die Sicherheitskräfte vorgingen. Zeitungsbericht schätzten ihre Zahl allein in Kiew auf mindestens 2.000 bis 3.000.

Die konservative Zeitung Die Welt bezeichnet den Rechten Sektor als „informelle Vereinigung von rechtsradikalen und neofaschistischen Splittergruppen“. Das Magazin Time, das seinen Führer Dmitri Jarosch interviewte, schreibt, seine „Ideologie grenzt an den Faschismus und wird nur von den extremsten Nationalisten der Ukraine unterstützt“. Die Gruppe vertritt laut Frankfurter Allgemeine Zeitung einen radikalen Antisemitismus. Viele ihrer Mitglieder seien ehemalige Soldaten oder hätten im Berg-Karabach-Konflikt an der Seite Aserbaidschans und in Tschetschenien und Südossetien gegen Russland gekämpft.

Diese paramilitärischen, faschistischen Milizen sorgten am vergangenen Donnerstag dafür dass die Lage eskalierte. Während sie sich blutige Schlachten mit den Sicherheitskräften lieferten, die auf beiden Seiten Dutzende Tote forderten, flogen der deutsche, der polnische und der französische Außenminister ein und nötigten Janukowitsch in stundenlangen Verhandlungen zu einem „Kompromiss“, der sich als Beginn seines politischen Endes erwies.

Als der Rechte Sektor sich gegen die Vereinbarung aussprach und mit der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen drohte, erklärte das Militär seine Neutralität und zahlreiche Abgeordneten von Janukowitschs Partei der Regionen wechselten die Seite. Das besiegelte das politische Ende seines Regimes.

Stabilisiert hat sich die Lage in der Ukraine damit nicht. Sie ist nach wie vor äußerst gespannt und instabil. Die verschiedenen Lager der Opposition kämpfen um die politische Vorherrschaft, während auf der Krim und im Osten des Landes die Gefahr der Abspaltung und des Bürgerkriegs droht. Die faschistischen Kräfte, auf die sich die westlichen Mächte und die Opposition gestützt haben, um den Machtwechsel zu erzwingen, fordern ihren Tribut und werden eine gewichtige Rolle im politischen Leben des Landes spielen.

Die Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko lobte die die faschistischen Milizen überschwänglich, als sie nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis auf dem Maidan sprach. Sie dankte dem Rechten Sektor ausdrücklich für seinen „Beitrag zur Revolution“. Der neue Innenminister versprach, die „Selbstverteidigungskräfte vom Maidan“ würden in die neue Ordnung einbezogen.

Die Stärkung der Faschisten wäre nicht möglich gewesen, ohne die systematische Unterstützung der Medien und aller politischen Parteien in Europa und den USA. Liberale oder angeblich liberale Blätter wie die New York Times und die Süddeutsche Zeitung haben eine wahre Propagandaflut produziert, um die Ereignisse in der Ukraine als „demokratische Revolution“ darzustellen, die Rolle der Faschisten zu beschönigen und den Umsturz zu verherrlichen.

Vertreter aller Parteien – der Demokraten und Republikaner aus den USA, der Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Piraten aus Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern – sind nach Kiew gepilgert, um sich öffentlich mit dem rechten Mob zu solidarisieren. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ein führender Sozialdemokrat, hat eine Schlüsselrolle beim Putsch gegen Janukowitsch gespielt.

Auch die Partei Die Linke in Deutschland und zahlreiche pseudolinke Organisationen haben sich der Kampagne zur Verharmlosung der ukrainischen Faschisten angeschlossen und den Umsturz in Kiew unterstützt.

Diese Hinwendung zu faschistischen Kräften ist nicht auf die Ukraine beschränkt. So wenden sich in Frankreich Teile des traditionellen bürgerlichen Lagers dem Front National zu. Dieser profitiert von der rechten, arbeiterfeindlichen Politik der Sozialistischen Partei und liegt in den Umfragen für die Europawahl vorne. Der Grund für diese Rechtswendung liegt in der Verschärfung der internationalen Krise des Kapitalismus und der wachsenden sozialen Polarisierung. Um ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen, stützt sich die herrschende Klasse zunehmend auf autoritäre Herrschaftsmethoden und faschistische Kräfte.

In Kiew wird die erste Aufgabe der neuen Regierung darin bestehen, dem Land die Medizin zu verabreichen, die bereits Griechenland schlucken musste: Austerität, Sozialabbau und Preiserhöhungen. Vertreter der EU und des IWF lassen keinen Zweifel daran, dass sie dem Land nur unter dieser Voraussetzung Kredite gewähren werden, die es dringend benötigt, um einem drohenden Bankrott zu entgehen. Die milliardenschweren ukrainischen Oligarchen, von denen einige seit langem die Gegner Janukowitschs unterstützen, während andere in den letzten Tagen die Seite gewechselt haben, werden dies gerne hören.

Die USA und die EU benutzen den Umsturz in der Ukraine auch, um den Druck auf Russland weiter zu verschärfen, und riskieren damit eine militärische Konfrontation. In der Financial Times droht der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, eine Einmischung Russlands in die inneren Konflikte der Ukraine „würde Washington zwingen, seinen internationalen Einfluss zu nutzen, um Schritte zu veranlassen, die Moskau teuer zu stehen kämen“.

Die Arbeiterklasse hatte während der gesamten Krise in der Ukraine keine Chance, ins politische Geschehen einzugreifen. Deshalb konnten die imperialistischen Mächte und die konkurrierenden Oligarchencliquen das Geschehen dominieren. Der wachsenden Gefahr von Diktatur und Krieg, die in der Ukraine so deutlich wird, kann nur eine vereinte Bewegung der internationalen Arbeiterklasse entgegentreten, die gegen den Kapitalismus und all seine Verteidiger kämpft und für ein sozialistisches Programm eintritt.

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