Wenige Tage vor dem TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Martin Schulz am Sonntag versucht sich die SPD zynisch als Partei von Abrüstung und Frieden anzupreisen.
Während seiner USA-Reise stellte sich Außenminister Sigmar Gabriel hinter Schulz‘ Forderung nach einem Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland. „Natürlich bin ich der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass wir endlich wieder über Rüstungskontrolle und Abrüstung reden“, erklärte der Sozialdemokrat der Deutschen Presse-Agentur. Das Thema betreffe vor allem Europa und damit auch Deutschland. „Insofern fand ich den Hinweis von Martin Schulz darauf, dass es am Ende darum gehen muss, Atomwaffen auch in unserem Land zu beseitigen, schon richtig.“
Nach Schätzungen lagern bis zu 20 amerikanische Atomwaffen auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst in Büchel in der Eifel. Schulz hatte sich in der letzten Woche auf einer Wahlkampfveranstaltung in Trier für einen Abzug ausgesprochen. „Ich werde mich als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland dafür einsetzen, dass in Deutschland gelagerte Atomwaffen […] abgezogen werden“, verkündete er.
Offenbar haben die SPD-Wahlkampfstrategen, die verzweifelt bemüht sind, Schulz aus seinem Umfragetief zu holen, aktuelle Meinungsumfragen studiert. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey wollen 63,5 Prozent der Deutschen, dass sich die Bundesregierung für einen Abzug der in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen einsetzt. Fast die Hälfte (47,1%) denkt, die Regierung sollte sich sogar „auf jeden Fall“ dafür engagieren. Nur rund drei von zehn Deutschen (29%) sind anderer Meinung.
Niemand sollte sich von den pazifistischen Phrasen der SPD-Politiker täuschen lassen, die nun prominent in den Medien aufgegriffen werden. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist für einen Abzug der US-Atomwaffen, weil sie Krieg und Militarismus ablehnt. Gabriel und Schulz geht es jedoch nicht um Frieden und Abrüstung, sondern darum, die weitverbreitete Opposition gegen die US-Kriegspolitik in Unterstützung für den deutschen Militarismus umzumünzen.
Ein Interview von Schulz mit dem Bundeswehrverband, das am 28. August veröffentlicht wurde, lässt daran keinen Zweifel. Schulz versichert dort zunächst, sich nicht der „Aufrüstungspolitik à la Donald Trump [zu] unterwerfen“. Dann präsentiert er sich selbst als den „besten“ Kandidaten für die Interessen der Soldaten und die SPD als die führende Partei des deutschen Militarismus.
„Wir wollen eine gut ausgestattete Bundeswehr, die den wachsenden Aufgaben auch in Zukunft gerecht werden kann. Das sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig. Um den gestiegenen Anforderungen an die internationalen Einsätze, die Cyberabwehr und die Verteidigung gerecht zu werden, brauchen wir moderne und leistungsfähige Streitkräfte“, erklärt Schulz.
Immer wieder fordert der sozialdemokratische Kandidat eine massive Aufrüstung und Vergrößerung der Armee. „Wir brauchen eine Bundeswehr, in der die besten Köpfe Entscheidungen treffen und einsatzfähige Truppen, die auf Krisenfälle vorbereitet sind. Hierfür müssen wir die Bundeswehr personell und materiell besser ausstatten.“ Klar sei, „dass die Bundeswehr mehr Geld brauchen wird, in Milliardenhöhe.“
Auf die Frage „Welchen Stellenwert hat Verteidigungspolitik im Wahlkampf für Ihre Partei?“ antwortet Schulz: „Einen hohen! Ich selbst habe bereits im Mai das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow besucht. Ich konnte mir dort auch über die Gespräche hinaus, die ich mit dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, Oberstleutnant Wüstner, und vielen anderen häufig führe, ein genaues Bild der aktuellen Lage der Bundeswehr machen.“ Dieser Dialog sei ihm „sehr wichtig. Das schafft auch Vertrauen. Alle Politiker sollten mehr mit der Truppe reden als über die Truppe.“
Die Truppe müsse „sich darauf verlassen können, dass ihr die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung steht und die Dienstbedingungen an die heutigen Standards angepasst werden.“ Dazu gehörten „mehr Gerät und mehr Flugstunden“. Und „die dringend notwendige Nachwuchsgewinnung“ könne „nur besser werden, wenn auch die dienstlichen Rahmenbedingungen verändert werden“.
Auf seine „Ziele für die kommende Legislaturperiode“ angesprochen, nennt Schulz die Etablierung einer unabhängigen europäischen Außen- und Verteidigungspolitik und den Aufbau einer europäischen Armee. Die SPD wolle „die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gemeinsam mit den Partnern in Europa vorantreiben. Schon die im Lissabon-Vertrag vorgesehene ständige Zusammenarbeit ermöglicht konkrete Maßnahmen der engeren Kooperation und Arbeitsteilung auf dem Weg über eine Verteidigungsunion hin zu dem langfristigen Ziel einer europäischen Armee.“
Immer wieder greift Schulz, mit dem die Linkspartei und Teile der Grünen koalieren wollen, die CDU/CSU von rechts an. „Mit der SPD hätte es keine persönliche Profilierung und Karriereplanung auf Kosten der Bundeswehr gegeben. Hätten die folgenden Unionsminister auf uns gehört, wären die Fehler der letzten Strukturreform ausgeblieben. Sie können nicht der Bundeswehr immer neue Mandate und Aufgaben übertragen, ihr aber nicht das Personal, die Ausrüstung und die finanziellen Mittel dafür geben. Die Bundeswehr kann man nicht nach Kassenlage ausstatten.“ Unter Führung der SPD werde „die Bundeswehr besser behandelt“.
Am deutlichsten zeigt sich der extrem rechte und militaristische Charakter von Schulz und der SPD daran, dass sie jede noch so zahnlose Kritik an der Bundeswehr für illegitim erachten – selbst wenn es um so bedrohliche Entwicklungen wie neonazistische Terrorzellen geht. „Wir als SPD haben es auch als sehr ungehörig empfunden, dass Frau von der Leyen zuletzt die Angehörigen der Bundeswehr unter Generalverdacht gestellt hat“. Das habe „Vertrauen beschädigt“.