40.000 demonstrieren gegen Polizeigesetz in München

Am vergangenen Donnerstag demonstrierten in München mehr als 40.000 Menschen gegen das neue bayerische Polizeigesetz (PAG). Organisatoren und Stadtverwaltung hatten etwa 7000 Teilnehmer erwartet. Doch immer mehr Menschen nehmen den Aufbau eines Polizeistaats und den hemmungslosen Abbau von demokratischen Grundrechten nicht mehr einfach hin.

In Nürnberg, Erlangen und Regensburg waren in den letzten Wochen bereits Tausende auf die Straße gegangen, um gegen die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und den Angriff auf Bürgerrechte zu demonstrieren.

Aufgrund der hohen Zahl von Protestierenden musste die geplante Auftaktkundgebung am Münchner Marienplatz abgesagt werden. Die Innenstadt wurde für den Autoverkehr gesperrt. Die Teilnehmer reisten aus ganz Bayern und anderen Bundesländern an. Vor allem junge Menschen beteiligten sich am Protest in der bayerischen Landeshauptstadt. Organisiert hatte die Demonstration das sogenannte „noPAG“-Bündnis, in dem sich Parteien, Gewerkschaften, Anwaltsverbände, der Bayerische Journalistenverband und zahlreiche andere Organisationen zusammengeschlossen haben.

An dem von der CSU geplante Gesetz, das am Dienstag im bayerischen Landtag verabschiedet werden soll, gibt es seit Monaten heftige Kritik. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) planen Verfassungsklagen dagegen.

Juristen bezeichnen das Gesetz als das härteste deutsche Polizeigesetz seit 1945. „Der Charakter der Polizei wird sich vollständig verändern, wir werden eine Polizei sehen mit Machtbefugnissen, wie es sie seit 1945 nicht gegeben hat“, sagte der renommierte Verfassungsrechtler Hartmut Wächtler.

Tatsächlich ist das PAG in der deutschen Geschichte seit dem Nazi-Regime beispiellos. Die Befugnisse der Polizei werden nicht nur massiv ausgeweitet, die Polizeibehörden bekommen auch nachrichtendienstliche Möglichkeiten.

Durfte die Polizei bislang nur präventiv tätig werden, wenn sie Hinweise auf eine „konkrete Gefahr“ hatte, reicht jetzt eine „drohende Gefahr“. Mussten bisher also konkrete Anhaltspunkte oder sogar eine richterliche Feststellung vorliegen, damit die Polizei eine Person oder eine Gruppe überwachen und gegen sie vorgehen konnte, genügt nach dem neuen Gesetz eine bloße Vermutung.

Mit dem PAG kann die Polizei künftig flächendeckend und ohne nennenswerte Einschränkungen überwachen. Sie darf bei Demonstrationen filmen, auch wenn keine Straftaten erwartet werden. Sie darf „Übersichtsaufnahmen“ erstellen und diese mit vorliegenden Bilddateien abgleichen. Dabei dürfen laut Gesetzentwurf „Systeme zur automatischen Erkennung und Auswertung von Mustern, bezogen auf Gegenstände und das Verhalten von Personen“, eingesetzt werden.

Polizisten sollen künftig im Einsatz Body-Cams an ihrer Uniform tragen, die ununterbrochen laufen. Eine gesetzliche Regelung zur Aufbewahrung der Aufnahmen existiert nicht, sie können also beliebig lang gespeichert und verwendet werden.

Damit soll auch die gesetzliche Grundlage für die Gesichtserkennung geschaffen werden. Ähnlich wie in Berlin gibt es in Bayern Pläne, Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen durchzuführen.

Das Ausspähen privater Daten auf Computern soll zukünftig präventiv und ohne konkreten Verdacht auf eine mögliche Straftat mittels entsprechender Software, sogenannten Trojanern, durchgeführt werden können. Dabei soll die Polizei verdeckt „auf informationstechnische Systeme zugreifen, um Zugangsdaten und gespeicherte Daten zu erheben“, so der Gesetzentwurf. Das gilt auch, wenn die Speicher „räumlich von dem von dem Betroffenen genutzten informationstechnischen System getrennt sind“ – die Daten also in der „Cloud“ liegen. Dabei können Daten auch manipuliert oder gelöscht werden.

Neu ist darüber hinaus, dass die Polizei Pakete und Briefe ohne richterliche Genehmigung beschlagnahmen kann, auch das schon bei „drohender Gefahr“. Dies hebelt das bislang geltende Postgeheimnis völlig aus. Unter denselben Voraussetzungen darf die Polizei künftig ohne erfolgte Straftat in die Telekommunikation eingreifen und „Kommunikationsverbindungen durch den Einsatz technischer Mittel unterbrechen oder verhindern“.

Zentrales Element des PAG ist die Zusammenarbeit der Polizei mit anderen staatlichen Stellen. Zukünftig sollen personenbezogene Daten jederzeit und ohne jeden konkreten Verdacht an Geheimdienste im In- und Ausland übermittelt werden können.

Parallel dazu soll die Polizei selbst geheimdienstliche Mittel einsetzen können. So soll sie in Zukunft verstärkt mit verdeckten Ermittlern unter Vorspiegelung einer falschen Identität arbeiten, wiederum ohne richterlichen Beschluss. Damit sollen gezielt Diskussionen in sozialen Netzwerken oder Treffen politischer Gruppen ausspioniert werden.

Das PAG ist der bisherige Höhepunkt einer massiven inneren Aufrüstung. Im Juli letzten Jahres führte die Staatsregierung die sogenannte „Unendlichkeitshaft“ ein. Danach können Verdächtige bis zu drei Monate in Haft genommen werden, anschließend muss wieder ein Richter entscheiden, ob die Haft verlängert wird – eine Höchstfrist gibt es nicht mehr. Eine tatsächliche Straftat muss auch hier nicht vorliegen.

Auf die große Beteiligung an der „noPAG“-Demonstration reagierte die Landesregierung mit offener Verachtung für die Teilnehmer und das Demonstrationsrecht. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beschuldigte Kritiker des PAG der Verbreitung von „Lügenpropaganda“ und warf ihnen vor, sie hätten „unbedarfte Menschen in die Irre geführt“. Regierungspolitiker bekräftigten ihre Entschlossenheit, das Gesetz ungeachtet der breiten Opposition unter allen Umständen durchzusetzen.

Der Demonstration hatten sich auch die SPD, die Grünen, Die Linke und selbst die FDP angeschlossen, die sich davon Stimmen bei der bevorstehenden bayrischen Landtagswahl erhoffen. Tatsächlich sind diese Parteien daran beteiligt, im Bund und in den Ländern, in denen sie in der Regierung sitzen, ähnliche Gesetzesvorhaben zu verabschieden. Das bayerische Polizeigesetz dient dabei als Vorlage.

Das bayrische PAG wurde unter Federführung des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) ausgearbeitet, der in der großen Koalition im Bund inzwischen das Innen- und Heimatministerium führt. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht auch in Berlin den „starken Staat“ propagiert. Dabei hat er die volle Unterstützung der SPD. Nach Seehofers Antrittserklärung als Innenminister Ende März erklärte Eva Högl im Bundestag im Namen der SPD-Fraktion: „Herr Seehofer, wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.“ Gemeinsam „mit den Bundesländern“ wolle man „Polizei, Justiz und die Sicherheitsbehörden besser ausstatten“.

In Sachsen, wo die SPD gemeinsam mit der CDU regiert, liegt der Entwurf eines Polizeigesetzes, das dem bayrischen bis ins Detail gleicht, bereits vor. Und auch in Nordrhein-Westfalen, wo ein Bündnis von CDU und FDP die Landesregierung führt, gibt es einen ähnlichen Entwurf. Auch Die Linke unterstützt die Forderung nach mehr Polizei.

Ursache für den Aufbau eines Polizeistaats sind die wachsenden sozialen Gegensätze und die Rückkehr zum Militarismus. Sie vertragen sich nicht mit Demokratie. Die herrschende Klasse bereitet sich wieder darauf vor, den Klassenkampf und politischen Widerstand gewaltsam zu unterdrücken.

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