Die Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) haben am Mittwoch eine Gedenkveranstaltung des bayrischen Landtags boykottiert, die den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet war. Während die 86-jährige Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch sprach, marschierten sie demonstrativ aus dem Saal.
Knobloch hatte den Vertretern der rechtsextremen Partei einige Wahrheiten ins Gesicht gesagt. Die AfD gründe ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und stehe nicht auf dem Boden der demokratischen Verfassung, sagte sie. Sie verharmlose die Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit und unterhalte enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu. Seither erreichen Knobloch, wie sie einer Zeitung berichtete, „beinahe im Minutentakt wüste Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen per E-Mail und Telefon“.
Charlotte Knobloch wurde 1932 in München geboren, wo sie als sechsjähriges Mädchen den Brand der Münchner Synagoge in der Reichspogromnacht persönlich miterlebte. Sie überstand den Holocaust nur, weil sie eine katholische Familie auf dem Land versteckte und als uneheliches Kind der eigenen Tochter ausgab. Trotz schwieriger Bedingungen blieb sie nach dem Krieg in Deutschland und spielte später eine führende Rolle in jüdischen Organisationen. Sie ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und war insgesamt 13 Jahre lang Vizepräsidentin und Präsidentin des Zentralrats der Juden sowie acht Jahre lang Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses (WJC).
Dass die AfD eine Holocaust-Gedenkveranstaltung boykottiert und eine antisemitische Hasslawine gegen die Präsidentin der jüdischen Gemeinde los tritt, unterstreicht den rechtsradikalen Charakter dieser Partei, deren Führer nie einen Hehl aus ihrer Verharmlosung und Bewunderung für das Hitler-Regime gemacht haben. So hat der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland öffentlich erklärt, die Nazi-Diktatur sei „nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ gewesen. Der Thüringer AfD-Führer Björn Höcke bezeichnet das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“.
Das hat weder Medien, etablierte Parteien und staatliche Behörden daran gehindert, die rechtsextreme Partei zu hofieren und zu fördern. Man kann den Aufstieg der AfD überhaupt nur verstehen, wenn man die Rolle untersucht, die die offizielle Politik, der Staat und die Universitäten dabei spielten.
Die Sozialistische Gleichheitspartei hatte bereits vor fünf Jahren gewarnt, dass die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik und zum Militarismus „ein neues Narrativ des zwanzigsten Jahrhunderts“ erfordert, „eine Verfälschung der Geschichte, die die Verbrechen des deutschen Imperialismus verniedlicht und rechtfertigt“.
Weil die SGP die Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski („Hitler war nicht grausam“) kritisierte, die die Verbrechen des deutschen Imperialismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg verharmlosten, wurde sie in den Medien heftig denunziert. Das Präsidium der Humboldt-Universität erklärte Kritik an Baberowski selbst dann noch für unzulässig, als Gerichte entschieden hatten, dass man ihn als „Rechtsextremen“ bezeichnen dürfe und er im AfD-Stil gegen Flüchtlinge hetzte. Schon zuvor hatten die Medien einen Hype um die rassistischen Hetzschriften des SPD-Politikers Thilo Sarrazin organisiert.
In diesem ideologischen Klima gedieh die AfD, die vom Staat jede denkbare Unterstützung erhielt. Der Verfassungsschutz stellte sich derart offen hinter die rechtsextreme Partei, dass der Innenminister seinen Chef, Hans-Georg Maaßen, im vergangenen Jahr gegen seinen Willen entlassen musste. Viele Funktionäre der AfD sind Beamte, Richter, Polizisten und Soldaten.
Obwohl die AfD bei der Bundestagswahl nur 12,6 Prozent der Stimmen erhielt, gibt sie inzwischen in der Bundespolitik den Ton an. Gauland und andere AfD-Politiker dürfen regelmäßig in den Fernseh-Talkshows ihr nationalistisches Gift versprühen. Die SPD hat der AfD mit ihrem Eintritt in die Große Koalition die Rolle der führenden Oppositionspartei und den Vorsitz mehrerer Parlamentsausschüsse überlassen. Die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition trägt ebenso die Handschrift der AfD, wie die massive Aufrüstung von Polizei, Geheimdienst und Bundeswehr.
Dieser Aufstieg der äußersten Rechten ist ein internationales Phänomen. In den USA, Brasilien, Ungarn, Polen, Österreich und mehreren anderen Ländern sitzen rechstextreme Parteien in der Regierung. Mit der Vertiefung der kapitalistischen Krise, der beispiellosen sozialen Ungleichheit und der Vorbereitung auf einen neuen Weltkrieg greifen die herrschenden Eliten auf den politischen Abschaum zurück, der für die schlimmsten Verbrechen des 20. Jahrhunderts verantwortlich war. Sie brauchen die Faschisten, um die wachsende und soziale und politische Opposition zu unterdrücken und neue Kriege vorzubereiten.
In der Bevölkerung haben die Ultrarechten dagegen kaum Unterstützung. Soweit sie überhaupt ärmere Wählerschichten mobilisieren können, verdanken sie dies der Enttäuschung und dem angestauten Hass über die arbeiterfeindliche Politik angeblich „linker“ Parteien. In Deutschland ist die AfD unter breiten Bevölkerungsschichten verhasst. An Demonstrationen gegen die Rechtsextremen nehmen regelmäßig Zehntausende teil.
Aber diese Opposition findet keinen politischen Ausdruck in der offiziellen Politik. Die im Bundestag vertretenen Parteien schwenken immer offener auf den Kurs der AfD ein. Das gilt nicht nur für die SPD, sondern auch für die Linkspartei, deren Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht von AfD-Chef Gauland regelmäßig wegen ihrer Flüchtlingspolitik gelobt wird.
Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass der Aufstieg der Rechten und Faschisten nur durch eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus bekämpft werden kann.
Die objektiven Voraussetzungen dafür entwickeln sich rasch. Das Jahr 2019 begann mit einer Welle von Streiks, Demonstrationen und anderen Klassenkämpfen auf der ganzen Welt – mit Protesten der „Gelbwesten“ in Frankreich, Lehrerstreiks in den USA, Massenstreiks gegen die indische Regierung, einem wilden Streik von 70.000 Arbeitern in Matamoros an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. In Deutschland stehen heftige Auseinandersetzungen in der Autoindustrie, wo hunderttausende Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, im öffentlichen Dienst und im Dienstleistungsbereich bevor. Das Sicherheitspersonal der Flughäfen hat den Flugverkehr eben erst für zwei Tage lahmgelegt.
Die Arbeiter geraten dabei in Konflikt mit den Gewerkschaften, sozialdemokratischen Parteien und ihren pseudolinken Verbündeten, die alles tun, um ihre Kämpfe zu ersticken und auszuverkaufen. Unter diesen Umständen gewinnt das sozialistische Programm der SGP und ihrer Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale wachsende Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Der Kampf gegen den Rechtsruck an den Universitäten hat den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), der Jugendorganisation der SEP, an der Humboldt-Universität und anderen Universitäten große Autorität und Unterstützung verschafft. Bei der Wahl zum Studierendenparlament gewannen die IYSSE trotz der systematischen Sabotage durch Rechte fünf Prozent der Stimmen und drei Sitze, und damit deutlich mehr als bei der letzten Wahl.
Nur der Aufbau einer sozialistischen Partei, die die Arbeiter auf der ganzen Welt im Kampf gegen Nationalismus, soziale Ungleichheit und Krieg vereint, kann den Aufstieg der Rechtsextremen stoppen. Diese Partei ist die SGP und das Internationale Komitee der Vierten Internationale.