Innenminister Seehofer will Abschiebungen verschärfen

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat einen 60-seitigen Gesetzesentwurf zur Abschiebung von Flüchtlingen vorgelegt, der von der ersten bis zu letzten Seite die Handschrift der AfD trägt. Der Entwurf ist ein Hohn auf demokratische Grundsätze, ein Dokument bürokratischer Grausamkeit und würde, sollte er vom Bundestag verabschiedet werden, einen Präzedenzfall für die Unterdrückung jeder sozialen und politischen Opposition schaffen.

Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber aufgrund von Krieg und Terror in ihrer Heimat oder wegen mangelnder Papiere nicht abgeschoben werden können, so schnell wie möglich außer Landes zu schaffen. Es trägt den zynischen Namen „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“; „Ausländer-raus-Gesetz“ wäre passender.

Derzeit leben 236.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland; 180.000 besitzen eine Duldung, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihr Herkunftsland zurück können. Sie sollen in Zukunft wie Kriminelle behandelt und rücksichtslos schikaniert werden.

So soll zur Strafe abgeschoben werden, wer nicht aktiv zu seiner eigenen Abschiebung beiträgt! Flüchtlinge, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, werden ins Gefängnis gesteckt. In der orwellschen Sprache des Gesetzentwurfs nennt sich das „erweiterte Vorbereitungshaft“. Allein schon mangelnde Beteiligung an der Beschaffung eines Reisepasses – die sich aufgrund nicht funktionierender Behörden im Heimatland oft als unmöglich erweist – reicht aus, um hinter Gittern zu landen. Der Hauptmann von Köpenick lässt grüßen.

Laut Entwurf sollen Geflüchtete den Status der „Duldung“ verlieren, wenn sie nach Meinung der Behörden nicht ausreichend kooperieren. Beispielsweise müssen sie beweisen, dass alle Angaben zur Identität richtig sind – was bei Geflüchteten aus Kriegs- und Bürgerkriegswirren oft schwierig oder unmöglich ist. Damit wird die Beweislast umgedreht: Bisher war es offiziell Sache der Ausländerbehörde, nachzuweisen, dass eine Person falsche Angaben gemacht hat, ehe sie die Rechte dieser Person beschneiden durfte.

Der Gesetzentwurf geht aber noch weiter: Wer Flüchtlinge warnt und ihnen hilft, wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Ähnlich wie heute schon in Ungarn sollen Mitglieder von Flüchtlingsinitiativen und Privatpersonen mit Zugang zu Behördenwissen schwer bestraft werden, wenn sie jemanden warnen, dem die Abschiebung droht. Hier wird ein Präzedenzfall geschaffen, um jede Form von Protest und Widerstand gegen die Obrigkeit zu kriminalisieren. Bestraft werden soll auch die Warnung vor bevorstehenden Abschiebeflügen per Newsletter oder soziale Medien – ein klarer Verstoß gegen die Presse- und Informationsfreiheit.

Der Entwurf sieht auch vor, dass die Leistungen für Flüchtlinge, die kein Bleiberecht haben, noch weiter abgesenkt werden. Außerdem sollen Staatsangehörige aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ von vorneherein keine Duldung mehr bekommen und allein aufgrund ihrer Nationalität sanktioniert, inhaftiert und abgeschoben werden.

Insgesamt sollen Geflüchtete, die nach Ansicht der Behörden ausreisepflichtig sind, künftig frühzeitig in Abschiebehaft genommen werden. Besonders im Flughafenbereich soll es in Zukunft leichter möglich sein, Menschen ohne Gerichtsurteil und ohne dass sie kriminelle Taten begangen haben, einzusperren.

Obwohl Gerichte dies verboten haben, sollen Flüchtlinge zur Abschiebehaft in regulären Gefängnissen untergebracht werden. Dort sollen sie lediglich räumlich vom Strafvollzug getrennt werden.

Schon bisher werden immer mehr Menschen aus Deutschland abgeschoben. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren es im Jahr 2017 knapp 24.000 Menschen. Weitere knapp 30.000 Menschen sind „freiwillig“ ausgereist. 7102 Menschen wurden nach den Dublin-Bestimmungen in andere europäische Länder deportiert. Insgesamt sind damit 2017 über 60.000 Flüchtlinge aus Deutschland entfernt worden, also pro Tag im Durchschnitt 166 Menschen.

Um diese Zahlen zu verdoppeln und zu vervielfachen, scheut die Große Koalition nicht vor offenem Rechtsbruch zurück. „Das ‚Geordnete-Rückkehr-Gesetz‘ ignoriert rechtsstaatliche Grundsätze“, kritisiert die Organisation Pro Asyl auf ihrer Website. „Abgelehnte Asylbewerber*innen, die nie eine Straftat begangen haben, werden wie Straftäter behandelt.“

Wie der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, der Nachrichtenagentur AFP sagte, bedeutet der Gesetzentwurf eine „uferlose Ausdehnung von Haftgründen“, die nahezu jeden Asylbewerber treffen könnten. Aufgrund des Arbeits- und Ausbildungsverbots werde den Betroffenen damit jegliche Bleibeperspektive entzogen. Eine sehr große Gruppe von Menschen werde in einen „rechtslosen Zustand“ gestoßen.

Innenminister Seehofer rechtfertigte den Entwurf gegenüber der Passauer Neuen Presse: „Wenn jemand abgeschoben werden soll, sollten wir ihn in Gewahrsam nehmen, damit er zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht verschwunden ist.“

Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster verteidigte ihn in der Tagesschau mit den Worten: „Wir wollen denen, die ihre Abschiebung selbst verhindern, indem sie ihre Identität nicht klären, nicht mitwirken oder gar täuschen, nur noch einen Aufenthalt gewähren, bis wir sie abgeschoben haben, auf – sagen wir mal – abgesenktem Standard. Derjenige darf nicht arbeiten, er kriegt abgesenkte Asylbewerberleistungen, etc.“

Die SPD hat bereits deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich nichts gegen das Gesetz einzuwenden hat. Sie kritisierte lediglich, es sei nicht effektiv genug. Ihr innenpolitische Sprecher, Burkhard Lischka, sagte der Tagesschau, er bezweifle, dass die Maßnahmen zu mehr Abschiebungen führten: Dadurch werde „keine Abschiebung beschleunigt. Ich kann es ‚Duldung‘ nennen oder ‚Duldung light‘ – aber ich muss dafür sorgen, dass Menschen auch zurückgeführt werden.“

Seehofers Gesetzentwurf und die Reaktionen darauf bestätigen die Einschätzung der Sozialistischen Gleichheitspartei, dass die im März vergangenen Jahres gebildete Große Koalition die „rechteste deutsche Regierung seit dem Untergang des Nazi-Regimes“ ist. Um den Widerstand gegen die wachsende soziale Ungleichheit und die militärische Aufrüstung zu unterdrücken, übernimmt sie das Programm der AfD, schürt systematisch rechte und ausländerfeindliche Stimmungen und rüstet den Staatsapparat auf.

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