Am Freitag verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD den Haushalt für das Jahr 2020. Im Zentrum des von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegten Budgets steht eine massive Steigerung der Militärausgaben. Vor fünf Jahren hatte die Große Koalition auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik verkündet. Jetzt spiegeln sich die weitreichenden Konsequenzen dieser Politik immer deutlicher im Haushalt wider.
Allein der Militäretat wird im kommenden Jahr 45,05 Milliarden Euro betragen und ist damit seit 2014 (32,4 Milliarden) um mehr als 12 Milliarden Euro erhöht worden. Tatsächlich liegt er sogar noch höher. Laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur hat die Bundesregierung der Nato für 2020 Ausgaben in Höhe von 50,25 Milliarden Euro gemeldet. „Wir kommen unseren internationalen Verpflichtungen nach. Die NATO-Quote für Verteidigung beträgt 1,42 Prozent“, betonte der sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz in seiner Rede im Bundestag.
Für die nächsten Jahre sind dann weitere massive Steigerungen geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündete in ihrer Regierungserklärung: „Wir werden das schrittweise weitermachen: 1,5 Prozent bis 2024. Die Verteidigungsministerin hat einen Plan aufgesetzt, wie wir durch Verbesserung unserer Bündnisfähigkeit, durch Aufwuchs unserer Fähigkeiten bis zum Anfang der 30er-Jahre die 2 Prozent erreichen werden. Darauf kann man sich verlassen, meine Damen und Herren.“
Was Merkel und die gesamte herrschende Klasse planen, ist eine massive Rüstungs- und Kriegsoffensive. In absoluten Zahlen bedeutet das anvisierte Zwei-Prozent-Ziel, auf das sich die Große Koalition erstmals auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales verpflichtet hatte, die Erhöhung des Militäretats auf jährlich mehr als 90 Milliarden Euro. Eine gigantische Summe. Allein die geplanten Mehrausgaben umfassen ungefähr das Dreifache des gesamten Gesundheitshaushalts, der sich im nächsten Jahr auf 15,35 Milliarden Euro belaufen wird.
Politiker aller Bundestagsfraktionen unterstrichen in ihren Reden, was in den nächsten Jahren auf die Bevölkerung zukommt, wenn sie diesem Wahnsinn nicht durch den Aufbau einer unabhängigen sozialistischen Massenbewegung gegen Kapitalismus und Krieg Einhalt gebietet. Arbeiter und Jugendliche müssten die Kosten gleich in mehrfacher Hinsicht tragen – in Form von Sozialkürzungen zur Finanzierung der Aufrüstung und als Kanonenfutter in neuen imperialistischen Kriegen.
Die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stellte in ihrer Rede klar: „Wenn wir in der Welt Verantwortung tragen und eines der Länder sind, das wie kaum ein anderes auf freie Schifffahrt angewiesen ist, weil wir mit die meisten Container auf den Weltmeeren transportieren, dann ist es gut, hier in diesem Haus von freier Schifffahrt und der Freiheit der Seewege zu reden. Der Glaube, dass immer irgendwelche anderen Nationen ihren Kopf hinhalten und ihre Soldaten schicken, damit diese Freiheit gewährleistet ist, fehlt mir. Darauf müssen wir uns einstellen. Das ist die Debatte, die geführt werden muss.“
Kramp-Karrenbauer hatte bereits am Montag auf einem Stützpunkt der Bundeswehr im Saarland verkündet, dass sich diese auf neue Kriegseinsätze vorbereitet. „Wir wären auch heute in der Lage, auch zusätzliche Auslandseinsätze zu übernehmen“, erklärte sie. Am gestrigen Freitag brachte sie dann die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Schulabgänger ins Spiel. Tatsächlich geht es um die Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht, mit dem Ziel neue Rekruten für die Bundeswehr auszuheben und die Kriegspläne in die Tat umzusetzen.
Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Verteidigungsministerin, Peter Tauber, machte daraus keinen Hehl: „Ich bin für eine solche Dienstpflicht“, erklärte er in der CDU-Parteizentrale. Er spreche als „ehemaliger Wehrpflichtiger“ und erhoffe sich von einer Dienstpflicht nicht nur einen besseren Zusammenhalt der Gesellschaft, sondern er sei auch überzeugt davon, dass man „die Verteidigung unserer Freiheit nicht einigen wenigen überlassen kann“.
Innerhalb der Bundesregierung treibt vor allem die SPD die Offensive für eine deutsche Weltmachtrolle voran. Der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas prahlte in seiner Rede mit dem deutschen Engagement in Syrien, Libyen, der Ukraine, Afghanistan, Jemen und anderen Ländern. Er erklärte: „Wer das sieht und wer über die Verantwortung Deutschlands in der Welt spricht, der muss zur Kenntnis nehmen, dass in all diesen Krisen, mit denen wir es im Moment zu tun haben, Deutschland mittlerweile meistens die führende Rolle bei der Konfliktlösung übernommen hat. Ich finde, das ist eine gute Art und Weise, Verantwortung in der Welt zu übernehmen.“
Die Aufrüstungspolitik der Großen Koalition entspricht mittlerweile so offen dem Programm der AfD, dass die Rechtsextremen voll des Lobs über den neuen Kriegshaushalt sind. „Der Verteidigungshaushalt für das Jahr 2020 erfährt eine Steigerung auf rund 45 Milliarden Euro. Das ist sehr zu begrüßen“, frohlockte der AfD-Abgeordnete Martin Hohmann. „Ebenso positiv“ sei „die Aufnahme des schweren Transporthubschraubers“ und die „Ankündigung der Ministerin, die Heeresinstandsetzung bei den HIL-Werken und diese in Staatshand zu belassen“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Hohmann, der 2004 wegen einer als antisemitisch kritisierten Rede aus der CDU ausgeschlossen worden war, pries die Große Koalition auch dafür, dass sie „das 2-ProzentVersprechen gegenüber der NATO“ unterstützt und den Militarismus auch nach innen vorantreibt. „Das große öffentliche Gelöbnis am 12. November vor dem Reichstag entsprach Ihrer Absicht, Frau Ministerin, die Bundeswehr in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Auf ähnlicher Ebene liegt Ihr entschlossenes Handeln, Soldaten in Uniform ähnlich wie Polizisten – natürlich in Uniform; diese Frage kam vorhin hier auf – kostenfreies Bahnfahren zu ermöglichen.“
Die sogenannten linken Oppositionsparteien haben der scharfen Rechtswende der herrschenden Klasse nicht nur nichts entgegenzusetzen, sondern machen sie mit. Wenn Vertreter von Linkspartei und Grünen die Große Koalition in ihren Reden kritisieren, dann dafür, dass sie die Interessen des deutschen und europäischen Imperialismus nicht aggressiv genug gegen internationale Rivalen durchsetzt.
"Gemessen an diesen Problemen und gemessen an den Ansprüchen, die hier formuliert werden, muss man sagen, dass der Haushalt, der hier verabschiedet werden soll, ein Totalausfall ist", beschwerte sich Michael Leutert von der Linkspartei. Die Regierung habe "nicht einmal die Mittel für die notwendigsten Sachen" und werde deshalb "auf internationaler Ebene krachend scheitern".
„Wir wollen auf keinen Fall Spielball zwischen den Großmächten Russland, China und den USA sein oder werden“, erklärte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Franziska Brantner. Auf Grund des „aktuellen Zustand der NATO“ sollte man „hier ernsthaft darüber debattieren, was es für Europa und was es für den europäischen Haushalt bedeutet, wenn wir diese Herausforderung ernst nehmen“. Das von der Regierung veranschlagte Budget sei „nicht ausreichend, wenn wir europäische Souveränität wirklich gestalten wollen im Rahmen der NATO, wie wir es bisher getan haben“.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter forderte: „Wir müssen mehr in Europa investieren, damit wir am Ende nicht nur Zaungäste sind, wenn andere die internationalen Regeln festlegen. Wir wären dann nämlich nur noch Empfänger dieser Regeln. Da muss Europa mehr Verantwortung übernehmen, und da müssen wir mehr Verantwortung für Europa übernehmen.“ Deutschland müsse „dazu beitragen, dass sich Europa selbstbewusste Ziele setzen kann“. Es gelte „den Euro zu einer globalen Leitwährung [zu] machen, die uns unabhängiger vom Dollar macht“ und „die Selbstbehauptung Europas“ insbesondere auch „im Umgang mit China“ durchzusetzen.