Der Fall Möritz und die Faschisierung der deutschen Politik

Ende vergangenen Jahres warf der Fall des ehemaligen CDU-Politikers Robert Möritz ein Schlaglicht auf den scharfen Rechtsruck der herrschenden Klasse in Deutschland. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Horror des Dritten Reichs tummeln sich offene Rechtsradikale in einer deutschen Regierungspartei. Sie werden dabei von führenden Medienvertretern und Politikern auf Landes- und Bundesebene verteidigt. SPD und Grüne, die in Sachsen-Anhalt mit der CDU die Landesregierung stellen, sind keine Gegner, sondern Bestandteil des Rechtsrucks.

Möritz, der im Frühjahr bei den Kommunalwahlen in Löbnitz an der Linde für die CDU auf Listenplatz eins antrat und ein Mandat im Ortschaftsrat gewann, war seit etwa August 2018 Mitglied der Jungen Union und gehörte seit Oktober desselben Jahres dem Vorstand des CDU-Kreisverbandes Anhalt-Bitterfeld an. Er ist ein bekannter Neo-Nazi, der aus seiner Gesinnung und seinem Umfeld offensichtlich auch als CDU-Mitglied nie einen Hehl gemacht hat. Seine rechtsradikalen Umtriebe sind gut dokumentiert.

Ein vor über acht Jahren veröffentlichtes YouTube-Video zeigt Möritz als Ordner und Teilnehmer einer Mai-Demonstration gemeinsam mit Enrico Marx und Jens Bauer, zwei engen Verbündeten des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben. Auf einem Facebook-Foto aus dem Jahr 2015 ist deutlich zu sehen, dass Möritz eine „Schwarze Sonne“ – ein Nazi-Symbol, das aus drei übereinander gelegten Hakenkreuzen besteht – als Tätowierung auf dem Unterarm trägt. Auf einem Foto vom 6. Dezember dieses Jahres ist der Kommunalpolitiker mit Uniter-Abzeichen am Arm zu sehen, wie er das Banner des Vereins (Kreuz, Schwert und Lorbeeren) in die Kamera hält.

Der Verein Uniter, der sich als Hilfsorganisation für Mitglieder von Eliteeinheiten der Bundeswehr, der Polizei und privater Sicherheitsdienste tarnt, steht im Verdacht, Dreh- und Angelpunkt des rechtsextremen „Hannibal-Netzwerks“ zu sein. Ihm gehören Reservisten, Polizisten, Angehörige von Spezialeinsatzkommandos (SEKs), Richter, und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und anderer deutscher Sicherheitsbehörden an, die sich auf die Durchführung eines faschistischen Umsturzes an einem „Tag X“ vorbereiten, Waffen horten und die gezielte Ermordung politischer Gegner planen.

Der Gründer von Uniter, André S. (Pseudonym Hannibal), hatte sich in der Vergangenheit mehrfach persönlich mit dem rechtsextremen Bundeswehroffizier Franco A. getroffen, der sich mittlerweile wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ vor Gericht verantworten muss. Die Rede ist von Mordanschlägen auf linke Politiker, Kulturschaffende und Institutionen unter einer gefälschten Flüchtlingsidentität.

Obwohl sich Möritz offensichtlich auch als CDU-Mitglied in diesem rechtsextremen Terror-Milieu bewegte, wurde er bis zu seinem Austritt am 20. Dezember von Parteikollegen in Schutz genommen und aggressiv verteidigt. So behauptete etwa der Generalsekretär der CDU Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, Möritz habe sich „glaubhaft“ von der rechtsextremen Szene distanziert und seine Mitgliedschaft bei Uniter beendet. Der CDU-Landesvorsitzende Holger Stahlknecht erklärte, Möritz habe „eine zweite Chance verdient“.

Den Grünen, die Möritz auf Twitter kritisiert hatten, drohte die CDU gar mit der Aufkündigung der Koalition. Schulze bezeichnete einen Tweet der Fraktion der Grünen („Wieviel Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“) als „inakzeptabel“. Wenn nicht „umgehend eine Entschuldigung“ folge, sei „eine Fortsetzung der Koalition kaum denkbar“.

Die Grünen, die seit 2016 in Sachsen-Anhalt zusammen mit CDU und SPD regieren, beeilten sich klarzustellen, dass sie zu keinem Zeitpunkt vorhatten, die Regierung zu verlassen. „Wir haben als Grüne nicht die Koalition infrage gestellt“, versicherte Landeschef Striegel gegenüber der Deutschen Presseagentur. „Wir haben einen Koalitionsvertrag, den wollen wir gerne abarbeiten.“ Mit anderen Worten: die Grünen sind wie die SPD bereit, das rechte Regierungsprogramm – der Koalitionsvertrag sieht u.a. eine massive Aufrüstung der Polizei und der Geheimdienste sowie Angriffe auf Flüchtlinge („konsequente Abschiebungen“) vor – auch in Zusammenarbeit mit offen rechtsextremen Kräften durchzusetzen.

Hinter der Kritik von Grünen und SPD an der CDU steht vor allem die Sorge, dass die Causa Möritz sichtbar gemacht hat, wie weit rechts die herrschende Klasse steht. Im Fall der Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt ist das seit langem offensichtlich. Bereits im Juni hatten die stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, eine Denkschrift veröffentlicht, die sich für eine alternative Koalitionsregierung mit der AfD ausspricht. Und dies auf der Grundlage eines explizit rechtsextremen Programms. Es müsse „wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“, heißt es darin. „Der Sehnsucht nach Heimat und nationaler Identität“ sei „durch eine klare Abgrenzung gegen multikulturelle Strömungen linker Parteien und Gruppen entgegenzutreten“.

Im November wollten Stahlknecht und die sachsen-anhaltinische CDU dann den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt zum Staatssekretär ernennen. Wendt ist eine Galionsfigur der AfD und ein Unterstützer des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der sozialistische Parteien und linkes Gedankengut in Deutschland verbieten will und offen faschistische Positionen vertritt.

Die CDU, in der bereits nach dem Untergang des Dritten Reichs und dem Verbot der NSDAP viele alte Nazis ihre neue politische Heimat fanden, ist heute wieder ein Sammelbecken für rechtsextreme Kräfte. Selbst zahlreiche bürgerliche Medien kommentieren, dass Möritz „kein Einzelfall“ sei.

Wie der Tagesspiegel berichtete, existieren zwischen Uniter und der CDU in Ostdeutschland „vielfältige Überschneidungen“. So sei etwa Gründungsmitglied Theo Schöpfel, ein CDU-Stadtrat aus demselben Kreisverband wie Möritz, im Jahr 2012 einstimmig zum zweiten Vorsitzenden von Uniter gewählt worden. Der CDU-Lokalpolitiker Robert Mehliß, ein Oberstleutnant der Bundeswehrreservisten, soll laut Spiegel in Sachsen-Anhalt ein Treffen der Verbindung organisiert haben.

Die rechtsextremen Entwicklungen in Sachsen-Anhalt verdeutlichen, was auch auf Bundesebene stattfindet. Die Große Koalition aus CDU und SPD hat die rechtsextreme AfD, die über enge Verbindungen zur NPD verfügt, nach den Bundestagswahlen 2017 nicht nur zur offiziellen Oppositionsführerin im Bundestag gemacht, sondern systematisch in die parlamentarische Arbeit eingebunden. Seitdem hofieren die etablierten Parteien und Medien immer offener die extreme Rechte und arbeiten eng mit ihr zusammen, um ihre Politik des Militarismus, der Staatsaufrüstung und des Sozialabbaus gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.

Besonders deutlich zeigt sich die erneute Faschisierung der bürgerlichen Politik in Deutschland auch im Fall des rechtsextremen Humboldt-Professors Jörg Baberowski. Obwohl dieser für seine Verharmlosung des Nationalsozialismus („Hitler war nicht grausam“) und seine Flüchtlingshetze international berüchtigt ist und von faschistischen Parteien und Hetzblättern wie der NPD oder dem Daily Stormer gefeiert wird, hat sich die Bundesregierung im letzten Jahr in einem offiziellen Statement hinter den Professor gestellt.

Nun soll der rechtsextreme Vordenker eine zentrale Rolle im offiziellen Gedenken an das Ende des zweiten Weltkriegs spielen. Am 4. Mai spricht Baberowski auf einer zentralen Veranstaltung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Torgau, für die auch die CDU-Vorsitzende und amtierende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als Rednerin angefragt ist.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) werden ausführlicher dazu schreiben. Allein die Tatsache, dass die Bundesregierung darüber sinniert, gemeinsam mit Baberowski das Ende des Zweiten Weltkriegs zu begehen, bestätigt alles, was wir in den letzten Jahren erklärt haben. Die herrschende Klasse muss die Verbrechen des Dritten Reichs verharmlosen und letztlich den Nationalsozialismus rehabilitieren, um Deutschland wieder zu militarisieren und auf Krieg vorzubereiten.

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