Große Koalition weitet Kriegseinsätze trotz Corona-Pandemie aus

Die dramatische Ausbreitung der Covid-19-Pandemie, die weltweit das Leben von Millionen Menschen bedroht, hat nichts an der deutschen Kriegspolitik geändert. Im Gegenteil: die herrschende Klasse nutzt die Krise, um ihre außenpolitische Offensive und die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik voranzutreiben.

Als Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin den größten Einsatz der Bundeswehr im Innern in der deutschen Nachkriegsgeschichte verkündete, stellte sie klar, dass auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr unvermindert weitergehen: „Wir müssen auch sicherstellen, dass der Kernauftrag, den wir haben, die Bündnis- und Landesverteidigung, die Gewährung der äußeren Sicherheit, aber auch unsere internationalen Verpflichtungen sichergestellt werden.“ Die Einsätze gingen „ganz normal weiter“, und man halte „in allen Missionen, in allen internationalen Gebieten unsere Leistungen aufrecht“.

Tatsächlich hat die Große Koalition in den letzten Tagen zahlreiche Kriegseinsätze in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten und in Zentralasien verlängert und ausgeweitet.

Am 25. März beschloss der Bundestag die „Ergänzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte“ in Syrien und im Irak. Das neue Mandat sieht vor, dass die A400M-Transporter der Bundeswehr vom jordanischen Luftwaffenstützpunkt al-Azraq aus weiterhin die Kampfflugzeuge der sogenannten Anti-IS-Koalition betanken. Darüber hinaus sollen die Transportflugzeuge nun auch für Flüge in den Irak eingesetzt werden. Hinzu kommt der geplante Einsatz eines Luftraumüberwachungsradars im Irak. Die Ausbildungsmission deutscher Soldaten im Zentralirak soll dabei künftig nicht mehr der US-geführten Operation Inherent Resolve, sondern der NATO unterstellt werden.

Bereits am 13. März hatte der Bundestag den Nato-geführten Militäreinsatz „Sea Guardian“ im Mittelmeer und die Mission „Resolute Support“ in Afghanistan um jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Vor allem der Einsatz in Afghanistan, wo seit 2001 tausende deutsche Soldaten stationiert sind, zeigt, an welche dunkle Tradition der deutsche Imperialismus wieder anknüpft. Am 2. April erließ Kramp-Karrenbauer zum zehnten Jahrestag des sogenannten „Karfreitagsgefechts“ in der Provinz Kundus einen Tagesbefehl in dem es heißt:

„Es waren nicht die ersten Gefechte der Bundeswehr in Afghanistan und nicht die letzten. Aber mit den Ereignissen dieses Tages wurde für viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland erstmals sichtbar, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Gefecht auch töten müssen und sterben können. Für die Bundeswehr verdeutlicht dieser Tag, was den Beruf des Soldaten in letzter Konsequenz ausmacht: die Fähigkeit, im Kampf zu bestehen. Und auch die Bereitschaft, für den Auftrag, den der Deutsche Bundestag der Bundeswehr gibt, das eigene Leben einzusetzen.“

Das ist die Sprache des deutschen Militarismus. Entgegen der offiziellen Propaganda geht es bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht um „Frieden“ und „Demokratie“, sondern die Verteidigung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen mit Krieg, Vernichtung und Tod.

Das gilt auch für „Sea Guardian“ und den Ende März von der EU beschlossenen Marineeinsatz „Irini" vor der libyschen Küste. Die Einsätze im Mittelmeer, an denen die Bundeswehr mit Kriegsschiffen, Aufklärungsflugzeugen und hunderten Soldaten beteiligt ist, dient der Abschottung der Festung Europa gegen Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika sowie der Vorbereitung neuer neokolonialer Raubzüge auf dem rohstoffreichen Kontinent.

In der vergangenen Woche erklärte die Bundesregierung ihre Unterstützung für eine Ausweitung der von Frankreich geführten Kriegsoffensive in der Sahelzone. Eine neu gebildete „Task Force“ werde unter dem Namen „Takuba“ in das Kommando der Operation „Barkhane“ integriert und „sich hauptsächlich aus europäischen Spezialeinheiten zusammensetzen, die von den wichtigsten Befehlshabern unterstützt werden und ein hohes Maß an Autonomie bieten“, heißt es in einer offiziellen Erklärung des französischen Verteidigungsministeriums.

Bundeswehrsoldaten in Mali im April 2016 zusammen mit der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (Michael Kappeler/Pool Foto über AP)

Explizites Ziel der Offensive ist die Zusammenfassung aller bisherigen Missionen, an denen Deutschland bereits mit über tausend Soldaten beteiligt ist, in einem umfassenden Kriegseinsatz. So werde die neue Task Force „die malischen Streitkräfte beraten, unterstützen und begleiten, und zwar in Abstimmung mit den G5-Sahel-Partnern, der UN-Mission (MINUSMA) und den EU-Missionen (EUTM Mali, EUCAP Mali und EUCAP Niger)“.

Zusätzliche Kriegseinsätze werden hinter dem Rücken der Bevölkerung bereits vorbereitet. Generalleutnant Martin Schelleis, der als Territorialer Befehlshaber der Bundeswehr den „Corona-Einsatz“ in Deutschland führt, betonte in einem Interview mit dem Nachrichten-Portal t-online.de: „Ausbildung und Grundbetrieb müssen auch zumindest soweit aufrechterhalten werden, dass die Einsatzbereitschaft nicht nachhaltig leidet. Wir wissen ja nicht, wo die Bundeswehr infolge der Corona-Krise vielleicht schon bald in weiteren Auslandseinsätzen gefragt sein könnte.“

Wie in Deutschland selbst fürchtet die herrschende Klasse vor allem auch in den weniger entwickelten Ländern revolutionäre Aufstände infolge der dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

„Die Lage ist dramatisch, denn mit einer Verzögerung von zwei Monaten kommt das Virus jetzt in den Entwicklungs- und Schwellenländern an“, warnte Entwicklungsminister Gerd Müller am Wochenende in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. In Mali „mit seinen 18 Millionen Menschen“ gebe „es gerade mal vier Beatmungsgeräte“. Und „die wirtschaftlichen Folgen des weltweiten Corona-Schocks“ führten bereits jetzt „in vielen Ländern zur Massenarbeitslosigkeit. Die Strukturen brechen zusammen.“ Er „habe große Sorgen, dass es in fragilen Staaten zum Ausbruch von Unruhen kommt, auch zu Bürgerkriegen. Die Auswirkungen auch auf uns wären völlig unabsehbar.“

Statt Beatmungsgeräte und medizinisches Gerät senden Deutschland und die anderen imperialistischen Mächte Waffen und Soldaten zur Unterdrückung der verarmten Massen. Dafür werden die astronomischen Summen, die bereits jetzt in Aufrüstung und Krieg fließen, weiter erhöht. Am vergangenen Donnerstag bekannte sich der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas vor einem Nato-Treffen erneut zum Zwei-Prozent-Ziel des Militärbündnisses. „Was die Zwei-Prozent-Vorgaben angeht, gilt das, was wir bisher gesagt haben. Wir haben seit 2014 unsere Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien um 45 Prozent erhöht“, prahlte er. „Wir stehen auch zu unseren Zusagen und wir beweisen das auch jeden Tag.“

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