Perspektive

Globale Pandemie und globaler Krieg gegen Migranten und Flüchtlinge

Die Covid-19-Pandemie breitet sich weiter aus und verursacht weltweit massenhaft Tod und Leid. Forderungen internationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation nach globaler „Solidarität“ stoßen derweil auf taube Ohren – jedenfalls bei der herrschenden kapitalistischen Klasse.

In einer Erklärung zur Covid-19-Krise warnt Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, davor, unter dem Vorwand der Pandemie das Asylrecht abzuschaffen und diejenigen zurückzudrängen, die vor Tod und Unterdrückung fliehen. „In diesen herausfordernden Zeiten sollten wir diejenigen nicht vergessen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Sie brauchen, wir alle brauchen Solidarität und Mitgefühl jetzt mehr als je zuvor“, sagte Grandi.

Anstatt jedoch „Solidarität und Mitgefühl“ zu erfahren, sind Flüchtlinge und Migranten auf globaler Ebene von staatlicher Gewalt, Massenabschiebung, Inhaftierung, Hunger und Tod bedroht. Ebenso wie soziale Ungleichheit und eine verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse die kapitalistischen Gesellschaften auf der ganzen Welt durchdringt, ebenso wie das nicht nachlassende Kriegsstreben und die Hinwendung zu autoritären Herrschaftsmethoden, so wird auch die Coronavirus-Pandemie dazu genutzt, den Krieg gegen Flüchtlinge zu verschärfen und zu rechtfertigen, der schon lange vor dem Auftreten des Virus tobte.

Bis heute haben 177 Länder ihre Grenzen entweder ganz oder teilweise geschlossen, und das Recht auf Asyl ist in weiten Teilen der Welt faktisch abgeschafft worden.

Dies trifft vor allem auf die Vereinigten Staaten zu, wo die Trump-Regierung die Coronavirus-Pandemie nutzt um weitreichende Verordnungen gegen Zuwanderer zu erlassen, die schon lange vor Covid-19 in der Schublade lagen. Die Trump-Regierung beruft sich dabei auf ein obskures Einwanderungsstatut, das dem Schutz gegen Infektionskrankheiten dienen soll, um Zehntausende von Menschen in Länder abzuschieben, in denen das Coronavirus weitaus geringer verbreitet ist als in den USA selbst.

Während die Trump-Regierung Verschwörungstheorien Vorschub leistet, China habe den Virus absichtlich in die USA und Westeuropa „gesät“, tut sie genau das mit der Massenabschiebung von Migranten in verarmte Länder Mittelamerikas sowie nach Haiti und anderswo in der Karibik. In Abschiebegefängnissen, die als profitorientierte Unternehmen betrieben werden, hat sich das Coronavirus wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Abschiebungen wiederum werden zum treibenden Faktor bei der Ausbreitung der Pandemie in Ländern, deren Gesundheitssysteme schnell überfordert sind.

Sogar der rechtsextreme guatemaltekische Präsident Alejandro Giammattei, ein unterwürfiger Verbündeter des US-Imperialismus, sah sich gezwungen, die US-Deportationen zu verurteilen. Er sagte gegenüber dem Washingtoner Think Tank Atlantic Council: „Wir verstehen, dass die Vereinigten Staaten Menschen deportieren wollen, wir verstehen das. Aber wir verstehen nicht, dass sie uns verseuchte Flüge schicken.“ Seine Worte spiegeln exakt die Verachtung und Grausamkeit seiner Regierung gegenüber den Menschen wider, die als Guatemalteken gewaltsam aus den USA abgeschoben werden.

Nicht einmal Kinder sind vom Sadismus der US-Regierung ausgenommen: Mehr als 1.000 von ihnen wurden seit März in Sammelabschiebungen nach Mexiko und in die von Gewalt heimgesuchten Länder des Nördlichen Dreiecks in Mittelamerika verfrachtet.

Die Trump-Regierung ist berüchtigt für ihr eklatantes Versäumnis, eine wirksame Politik zur Eindämmung des Coronavirus zu betreiben. Die USA, ein Land, das kaum vier Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, hat dadurch etwa ein Drittel aller Infektionen und Todesfälle weltweit zu verzeichnen. Trump hat sich jedoch durch die Schließung der Grenzen und die Missachtung der US-amerikanischen Gesetze und des Völkerrechts hervorgetan. Er verweigert Zuwanderern und Flüchtlinge ihre grundlegenden Recht - alles unter dem Vorwand, Amerika vor einem Virus zu schützen, der sich bereits ungehindert von Küste zu Küste ausgebreitet hat.

Diese Reaktion ist jedoch nicht nur das Ergebnis einer kriminellen und faschistoiden Geisteshaltung des US-Präsidenten. Ähnlich drakonische Maßnahmen gegen Migranten sind auf der ganzen Welt zu beobachten.

In Europa betreiben die beiden Nationen, die als Hauptfrontlinien der „Festung Europa“ dienen und die Migrationsrouten auf dem Mittelmeer bzw. Balkan bewachen - Griechenland und Ungarn - eine ebenso barbarische Politik gegen Flüchtlingen, die um ihr Leben fliehen.

In Griechenland sind seit Beginn der Pandemie Hunderte, wenn nicht Tausende von Asylbewerbern ohne Rechtsverfahren abgeschoben worden.

Männer, Frauen und Kinder, die vor den Auswirkungen der imperialistischen Kriege in Afghanistan, Syrien, Irak, Libyen und anderswo fliehen, begegnen an der griechischen Grenze Polizisten, die Tränengas auf sie abfeuern und Stacheldraht ziehen. Flüchtlinge und Migranten, die sich bereits im Land befinden, werden von der Polizei von der Straße und aus Abschiebegefängnissen geholt, geschlagen, ihres Geldes und ihrer Mobiltelefone beraubt, ihrer Kleidung entledigt und illegal über die Grenze in die Türkei gebracht. Unterdessen grassiert das Coronavirus in den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern.

In der Türkei selbst, die eine der größten Flüchtlingspopulationen der Welt beherbergt, sind die Bedingungen zunehmend unerträglich. Eine von der Vereinigung für Solidarität mit Asylsuchenden und Migranten des Landes durchgeführte Umfrage ergab, dass 63 Prozent der Flüchtlinge angaben, unter den Bedingungen der Pandemie schlecht mit Lebensmittel versorgt zu sein. 88 Prozent gaben an, keine Arbeit mehr zu haben, verglichen mit 18 Prozent vor dem Ausbruch des Virus.

Ungarn beugte sich in der vergangenen Woche einem Gerichtsurteil der Europäischen Union. Demnach sind die so genannten „Migranten-Transitzonen“ an den ungarischen Grenzen, in denen aus Serbien und Kroatien kommende Flüchtlinge in Containern, umgeben von Rasierdraht und schwer bewaffneten Grenzsoldaten, teilweise mehr als ein Jahr lang gefangen waren, nicht mit EU-Recht vereinbar. Gleichzeitig kündigte die ungarische Regierung an, dass sie allen Asylbewerbern den Zugang zu ihrem Territorium verwehren wird, was direkt gegen die Genfer Konventionen verstößt.

Im Mittelmeer haben in den vergangenen vier Jahren 20.000 Menschen ihr Leben verloren bei dem Versuch, Europa zu erreichen. Unter den Bedingungen der Pandemie ist die Situation auch hier noch grausamer geworden. Sowohl Malta als auch Italien haben ihre Häfen wegen der Coronavirus-Bedrohung für Migranten geschlossen und Hunderte Flüchtlinge sitzen seit Wochen auf dem Meer fest. Bei einem schockierenden Zwischenfall, der auf Video aufgezeichnet wurde, vollführten maltesische Patrouillenboote bedrohliche Manöver rund um eine Gruppe von Flüchtlinge im Wasser, deren Schlauchboot gesunken war.

Tausende, die seit Beginn der Pandemie an einer Einreise nach Europa gehindert wurden, wurden nach Libyen zurückgeschickt - mit Hilfe der von der EU finanzierten libyschen „Küstenwache“. Die Flüchtlinge landen in Gefangenenlagern, die in vielen Fällen von bewaffneten Milizen geführt werden, wo sie überfallen, ausgehungert, vergewaltigt und sogar in die Sklaverei verkauft werden.

Hinter dieser barbarischen Behandlung von Einwanderern und Flüchtlingen stehen die Interessen der herrschende Klasse in ganz Westeuropa, an ihrer Spitze die Eliten von Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

In fast allen Ländern, von den USA über Europa bis hin zu den Ölmonarchien am Persischen Golf, sind Migranten mit den schlimmsten Bedingungen konfrontiert und machen einen unverhältnismäßig hohen Anteil der Opfer von Covid-19 aus. Dies trifft auch auf die Schlachthöfe und Fleischfabriken in den USA zu, in denen früher regelmäßig Razzien gegen illegale Einwanderer stattfanden, die dann wie Verbrecher aus dem Fabriktor geführt wurden. Heute sind sie zu „systemrelevanten Produktionsbetrieben“ erklärt worden, in denen die Arbeiterinnen und Arbeiter weiter schaffen müssen, obwohl sich Hunderte infiziert haben und viele auch gestorben sind.

Dieselbe Reaktion des Kapitalismus erleben auch die Massen von südasiatischen Arbeiterinnen und Arbeitern, die jetzt kurzerhand aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Kuwait hinausgeworfen werden. Vormals waren sie dort das Rückgrat der Arbeiterschaft, arbeiteten für niedrige Löhne und praktisch ohne Grundrechte. Nicht zuletzt trifft es auch die große Zahl von osteuropäischen Arbeiterinnen und Arbeitern, die in der gesamten Europäischen Union unter den schlimmsten Bedingungen arbeiten.

Unterdessen drängen sich in Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder in Räumen, in denen die gesundheitlich empfohlenen Maßnahmen wie das Abstandhalten, Händewaschen und anderen grundlegenden sanitären Vorkehrungen unerreichbar sind.

Die faschistische Auffassung, dass das Coronavirus zu besiegen ist, indem die nationalen Grenzen vor einer „fremden“ Ansteckung versiegelt werden, ist ebenso unwissenschaftlich wie reaktionär. Das Virus respektiert keine nationalen Grenzen; es benötigt weder Visum noch Reisepass. Solange das Virus irgendwo auf dem Planeten unangefochten bleibt, bedroht es weiterhin die gesamte Menschheit.

Die Coronavirus-Pandemie zeigt die Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse ihre immense soziale Macht unabhängig von der herrschenden Klasse und auf der Grundlage eines sozialistischen Programms mobilisiert. Sie muss sich unversöhnlich gegen die wirtschaftlichen Interessen der Kapitalistenklasse und das kapitalistische System als Ganzes stellen. Dies erfordert vor allem die Vereinigung der Arbeiterklasse über nationale Grenzen hinweg - Grundlage hierfür ist die strategische Perspektive der sozialistischen Weltrevolution. Ein integraler Bestandteil dieser Perspektive ist die bedingungslose Verteidigung des Rechts von Arbeiterinnen und Arbeitern aus allen Weltregionen, in dem Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten, mit vollen Bürgerrechten, einschließlich des Rechts auf Gesundheitsversorgung, mit einem auskömmlichen Einkommen und der Möglichkeit, ohne Angst vor Repression oder Abschiebung zu leben, zu arbeiten und mobil zu sein.

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