Perspektive

Möchtegern-Führer Trump intensiviert Putschversuche

US-Präsident Donald Trump intensiviert seine Bemühungen, einen Vorwand für die Verhängung des Kriegsrechts und den Einsatz des Militärs auf den Straßen der Vereinigten Staaten zu schaffen. Der Präsident hat eine Reihe provokanter Maßnahmen ergriffen, obwohl immer mehr Informationen darüber ans Licht kommen, wie kurz Trump Anfang letzter Woche davor stand, ein Blutbad durch das Militär zu befehlen.

Nur Stunden nachdem die letzten Truppen der Nationalgarde aus Washington DC abgezogen worden waren, drohte Trump erneut mit militärischer Gewalt gegen eine amerikanische Großstadt, diesmal Seattle. In Erklärungen auf Twitter am Mittwochabend forderte Trump, dass der Gouverneur von Washington, Jay Inslee, und die Bürgermeisterin von Seattle, Jenny Durkan – beides Demokraten – handeln müssten, um die Demonstranten in einem überschaubaren Stadtviertel zu unterdrücken, aus dem sich die Polizei vorübergehend zurückgezogen hat. „Wenn ihr es nicht tut, werde ich es tun“, twitterte er. „Das ist kein Spiel.“

Trump griff damit eine Reihe kleinerer Protestaktionen in der Stadt auf, bei denen Demonstranten gegen Polizeigewalt eine „Autonome Zone Capitol Hill“ ausgerufen hatten, die alle sechs Häuserblöcke umfasst und mit gesprühten Schildern, Zeltlagern und anderen Utensilien an die Proteste von Occupy Wall Street 2011 erinnert. Dieser Umstand hat Trump nicht davon abgehalten, die Ereignisse in den aufhetzendsten Begriffen darzustellen. „Einheimische Terroristen haben Seattle übernommen, das natürlich von linksradikalen Demokraten regiert wird“, twitterte er später und fügte hinzu: „RECHT & ORDNUNG!“

Am Montag, den 1. Juni 2020, räumt die Polizei das Gebiet um den Lafayette-Park und das Weiße Haus in Washington, als sich Demonstranten versammelten, um wegen der Ermordung von George Floyd zu protestieren. (Foto: AP/Alex Brandon)

Trump kündigte am Donnerstag außerdem an, dass er am 19. Juni in Tulsa (Oklahoma) seine erste öffentliche Wahlkampfkundgebung seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie abhalten wird. Angesichts der anhaltenden Massenproteste gegen die Ermordung von George Floyd ist dies eine außerordentliche Provokation. Der 19. Juni wird von Afroamerikanern traditionell als „Juneteenth“ gefeiert – als der Tag, an dem die Emanzipationsproklamation 1865 in Texas endlich in Kraft gesetzt wurde. Demgegenüber ist Tulsa Schauplatz der schlimmsten rassistischen Gewalt gegen Afroamerikaner in der Geschichte. Beim so genannten Greenwood-Massaker wurden 1921 bis zu 300 Menschen getötet.

Die Wahl dieses Termins und Ortes für eine Wahlkampfkundgebung muss als bewusster Versuch gesehen werden, eine Konfrontation zwischen Unterstützern und Gegnern von Trump zu inszenieren, die den Einsatz des Militärs „rechtfertigen“ würde.

Die beispiellose politische Krise in Amerika wurde durch die Kommentare von Trumps Gegner bei den Präsidentschaftswahlen seitens der Demokraten, Joe Biden, am Mittwochabend in der Sendung Comedy Central von Trevor Noah unterstrichen. „Dieser Präsident wird versuchen, diese Wahl zu stehlen“, erklärte Biden. Auf eine Frage Noahs, ob er damit rechne, dass Trump sich weigere, sein Amt zu verlassen, wenn er am 3. November geschlagen werde, antwortete der ehemalige Vizepräsident, dass dies „meine größte Angst“ sei.

Biden lobte dann die öffentlichen Angriffe auf Trump durch eine Reihe ehemaliger Militärführer in der vergangenen Woche, nachdem Trump gedroht hatte, das Militär gegen diejenigen aufzubieten, die gegen den Polizeimord an George Floyd protestierten. „Ich war so verdammt stolz. Sie haben vier Stabschefs, die herauskommen und Trump die Haut vom Leib reißen“, sagte er. Außerdem rechne er damit, dass das Militär Trump aushebeln werde, wenn er sich weigere, die Ergebnisse der Wahl zu respektieren. „Ich verspreche Ihnen, ich bin absolut überzeugt, dass sie ihn aus dem Weißen Haus eskortieren werden in einer … – mit großer Eile“, schloss Biden.

Diese Aussage ist bemerkenswert: erstens, weil Biden zugibt, dass Trump nicht die Absicht hat, den Ausgang der Wahl zu akzeptieren; und zweitens, weil er dem Militär die entscheidende Rolle bei Trumps endgültiger Amtsenthebung zugesteht. Die Frage, was Biden tun würde, wenn das Militär Trump nicht entfernt, sondern ihm vielmehr erlauben würde zu bleiben, stellte Noah nicht, und Biden sagte dazu nichts.

Presseberichte haben zusätzliches Licht auf die Ereignisse des 1. Juni und der Tage danach geworfen und die Warnungen der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party vollständig bestätigt, dass Trump einen Militärputsch initiieren wollte. Er erklärte sich selbst zu „Ihrem Präsidenten für Recht und Ordnung“ und drohte damit, sich auf das Aufstandsgesetz von 1807 zu berufen. Nach diesem Gesetz kann der Präsident Truppen entsenden, falls lokale und bundesstaatliche Regierungen die Ordnung nicht aufrechterhalten können.

Bei einem Treffen am Montagmorgen, den 1. Juni, forderte Trump, dass Soldaten nach Washington einrücken sollten, wo er durch Proteste vor dem Weißen Haus erschrocken war. In einem Bericht der New York Times vom Donnerstag hieß es: „General Mark A. Milley, der Vorsitzende der Vereinigten Generalstabschefs, erhob Einspruch und sagte, es sei eine schreckliche Idee, Kampftruppen gegen Amerikaner einzusetzen, die für den Kampf gegen ausländische Gegner ausgebildet worden sind. Es kam zu einem wilden Gerangel um eine weitere Option: Einberufung von Truppen der Nationalgarde aus anderen Staaten zur Verstärkung der bereits einberufenen 1.200 Garde-Truppen aus D.C.“

Elf Bundesstaaten stellten dann 3.900 Soldaten der Nationalgarde zur Verfügung, darunter nicht nur das nahe gelegene Maryland und New Jersey, sondern auch weiter entfernte Bundesstaaten wie South Carolina, Florida, Mississippi, Tennessee, Ohio, Indiana, Missouri und sogar Utah und Idaho. Zehn der elf Staaten haben republikanische Gouverneure. Auf Drängen des Pentagon ließen die Truppen der Nationalgarde ihre Waffen und Munition in einem örtlichen Waffenlager und gingen unbewaffnet auf Patrouille, um eine Wiederholung des Massakers an der Kent State University vor 50 Jahren zu vermeiden. Damals hatten Truppen der Nationalgarde das Feuer auf protestierende Studenten aus der Antikriegsbewegung eröffnet und vier von ihnen getötet.

Es ist jedoch klar, dass Trump eine solch gewaltsame Konfrontation wollte und versuchte, sie in dieser Nacht auszulösen, um ihm einen Vorwand für weitere und weitreichendere militärische Schritte in die Hand zu geben. Aus Presseberichten geht hervor, dass die Anordnung von Verteidigungsminister Mark Esper, die Nationalgarde solle ohne bereitgestellte Waffen operieren, nicht mit dem Weißen Haus abgesprochen wurde.

Gleichzeitig, so die Times, warnten General Milley und Armeesekretär Ryan McCarthy „den ganzen Tag über die Nationalgarde, dass Mr. Trump höchstwahrscheinlich die 82nd Airborne Division herbeirufen würde, wenn sie die Proteste nicht kontrollieren könnte.“ Diese Truppen sowie die Militärpolizei der 10. Gebirgsdivision, die im Norden des Bundesstaates New York stationiert war, wurden in das Gebiet von Washington DC gebracht, blieben aber auf Stützpunkten außerhalb der Stadt.

Obwohl es in der US-Hauptstadt keine nennenswerte Gewalt gab, stimmte Trump erst am Donnerstagabend, dem 4. Juni, zu, dass die regulären Truppen nach Hause geschickt werden sollten. Am Sonntag, den 7. Juni, erlaubte er den Truppen der Nationalgarde von außerhalb DCs, in ihre Staaten zurückzukehren. Dieser Rückzug, der erst am Mittwoch abgeschlossen wurde, hat eine drohende militärische Intervention allerdings nicht beendet.

Am Mittwoch antworteten Verteidigungsminister Esper und General Milley in einem Brief auf die Forderung des Armeeausschusses des Repräsentantenhauses, vor diesem über den geplanten Einsatz des Militärs gegen die Massenproteste im Inland auszusagen. Die beiden haben es bisher abgelehnt auszusagen, mit Verweis auf verfassungswidrige Anweisungen des Weißen Hauses, die jegliche Zusammenarbeit mit dem von den Demokraten kontrollierten Repräsentantenhaus ausschließen.

In ihrem Brief erklärten Esper und Milley, dass die Streitkräfte im aktiven Dienst „sich nie zu Zwecken der zivilen Strafverfolgung im Distrikt befanden.“ Aber sie erklärten, dass sich Trump die Befugnis vorbehielt, sich auf den Insurrection Act von 1807 zu berufen und Soldaten überall in den Vereinigten Staaten zur Unterdrückung von Unruhen zu entsenden. „Falls ein Präsident eine solche Entscheidung trifft, kann er dies ohne Zustimmung der Bundesstaatsregierung tun, in der die Streitkräfte eingesetzt werden sollen“, schrieben sie. Dies würde direkt auf den Bundesstaat Washington zutreffen, der gegenwärtig das Ziel von Trumps Drohungen ist.

Die SEP hat in einer Erklärung gewarnt: „Die Verschwörer im Weißen Haus schmieden weitere Pläne. Das Militär wartet ab und prüft seine Optionen. Die Polizei ist nach wie vor bis an die Zähne bewaffnet.“

Wie Bidens Bemerkungen deutlich machen, halten die Demokraten das Militär für den ultimativen Schiedsrichter der Politik in den Vereinigten Staaten.

Weder der Kongress noch die Demokratische Partei haben einen Finger gegen diese präsidiale Erklärung autoritärer Herrschaft gerührt. Nur aufgrund des Widerstands der Machthaber im Pentagon, die eine solche Militäraktion für schlecht vorbereitet und noch nicht notwendig hielten, zog Trump sich zurück.

Die Verantwortung, sich den Vorbereitungen Trumps auf eine Diktatur zu widersetzen, liegt bei der Arbeiterklasse, der einzigen gesellschaftlichen Kraft, deren bloße Existenz mit der Verteidigung demokratischer Rechte verbunden ist – wie die anhaltenden Massenproteste gegen Polizeimorde zeigen. Dies muss durch den Aufbau einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms vorangetrieben werden.

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