Perspektive

“Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz” – eine Einladung an Neonazis

Der „freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz“, den die Bundeswehr ab April kommenden Jahres einführt, ist eine Einladung an Neonazis und andere Rechtsextreme, sich vom Staat gegen Bezahlung militärisch ausbilden zu lassen. Das geht sowohl aus der Bezeichnung wie aus dem historischen, politischen und internationalen Zusammenhang hervor.

Der Begriff „Heimatschutz“, der geradezu inflationär gebraucht wird (im kurzen Werbetext auf der Website des Verteidigungsministeriums kommt er elf Mal vor), ist ein Kampfbegriff der extremen Rechten. Er ist sowohl aktuell wie historisch vorbelastet.

Neonaziorganisationen, die in Terroranschläge und Morde verwickelt sind, bezeichnen sich gerne als „Heimatschutz“. So rekrutierte der „Thüringer Heimatschutz“, der vom Verfassungsschutzinformanten Tilo Brandt mit staatlichen Geldern aufgebaut wurde, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die später als Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) mindestens zehn rassistische Morde und mehrere Anschläge verübten.

Demonstration des "Thüringer Heimatschutz" (Foto: -/Mobit e.V./dapd)

Es gab – oder gibt – aber auch den „Fränkischen Heimatschutz“, den „Märkischen Heimatschutz“, usw. Ein 2014 erschienenes Buch der Autoren Stefan Aust und Dirk Laabs trägt den Titel: „Heimatschutz: Der Staat und die Mordserie des NSU“.

Zwischen den beiden Weltkriegen bezeichneten sich zahlreiche rechte paramilitärische Verbände als Heimatschutz. So in Österreich, wo sich unter diesem Namen Heimwehrverbände zusammenschlossen, die Mussolinis Faschisten zum Vorbild hatten. 1928 griffen sie bei einem „Marsch auf Wien“ das sozialdemokratische Arbeiterviertel Wiener Neustadt an.

Angelehnt an die Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis vermischten Heimatschutzverbände teilweise auch Natur- und Denkmalschutz mit völkischen und antisemitischen Vorstellungen. So der Bayerische Heimatschutz, dessen Ehrenvorsitzender seit 1927 Regierungspräsident Gustav von Kahr war, eine Schlüsselfigur rechtsextremer Umtriebe.

In der Slowakei bezeichnete sich während des Zweiten Weltkriegs eine lokale Hilfseinheit innerhalb der Waffen-SS als „Heimatschutz Slowakei“. Der HS bewachte unter anderem Konzentrationslager und war an der Festnahme, Folterung und Ermordung zahlreicher Juden beteiligt.

Mit der Einladung, „Dienst im Heimatschutz“ zu leisten und sich dafür an der Waffe ausbilden zu lassen, sendet die Bundeswehr rechtsextremen Jugendlichen ein klares Signal, dass sie sich nicht mehr verstecken müssen, um sich auf einen kommenden Bürgerkrieg vorzubereiten.

Spätestens seit dem Münchener NSU-Prozess, der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, dem rassistischen Massenmord in Hanau und der Aufdeckung rechter Netzwerke in und um die Bundeswehr-Eliteeinheit KSK sind die rechten Terrornetze ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, wo sie auf Entsetzen, Wut und Empörung stoßen.

Die Große Koalition reagiert darauf, indem sie die Flucht nach vorne antritt und unter der Obhut der Bundeswehr ganz offen militärische Einheiten für den Einsatz gegen politische Gegner aufbaut. In ihren öffentlichen Verlautbarungen bekennt die Bundeswehr bemerkenswert offen, dass es um bewaffnete Militäreinsätze im Innern geht, die laut Grundgesetz eigentlich verboten sind.

„Der größte Unterschied zum klassischen Freiwilligen Wehrdienst“, heißt es auf der Bundeswehr-Webseite, sei „die heimatnahe Einplanung im Reservistendienst nach der Grund- und Fachausbildung und der Dienst im Heimatschutz, statt im Auslandseinsatz“.

Dabei handelt es sich nicht um eine Art Zivildienst in Uniform Die Freiwilligen werden vollumfänglich militärisch ausgebildet. Teil der insgesamt siebenmonatigen Grund- und Spezialausbildung sei „auch die Schießausbildung“, betont die Bundeswehr. Auch „körperliche Fitness und Geschicklichkeit an der Hindernisbahn“ seien gefragt. Die „Freiwillig Wehrdienst Leistenden für den Heimatschutz“ absolvierten auch „diese militärischen Herausforderungen“.

In den letzten fünf Monaten ihres einjährigen Dienstes sollen die Freiwilligen dann Reservistendienst leisten. Anschließend haben sie die Möglichkeit, „in die Territoriale Reserve“ hineinzuwachsen, die seit acht Jahren systematisch aufgebaut wird.

Ein Pilotprojekt dafür ist das „Landesregiment Bayern“, das von der Bundeswehr und dem Reservistenverband getragen wird. Das deutschlandweit erste derartige Regiment dient laut Darstellung der Bundeswehr sowohl der Landesverteidigung wie dem Heimatschutz. Unter anderem soll es „in Notlagen“ die Polizei unterstützen. Es soll dazu beitragen, „eine moderne und leistungskräftige Reserve“ schnell und einfach in „die bestehenden aktiven Strukturen“ einzubinden.

Mit anderen Worten: Es soll für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den auf den Inlandseinsatz ausgerichteten Reservisten und der kämpfenden Truppe sorgen. Dass es dabei nicht, wie es die Regierung gerne darstellt, um Hilfe bei Naturkatastrophen, die Bekämpfung von Borkenkäfern, das Durchführen von Coronatests u.ä. geht, ist offensichtlich.

Vorbild ist vielmehr das Department of Homeland Security, das amerikanische Heimatschutzministerium. Die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegründete Behörde ist zu einem gigantischen Apparat mit 240.000 Mitarbeitern und einem Jahreshaushalt von 62 Milliarden Dollar herangewachsen. Sie überwacht, bespitzelt und terrorisiert die gesamte Bevölkerung der USA.

In den vergangenen Tagen hat Präsident Trump hochtrainierte Kampfeinheiten der Heimatschutzbehörde in amerikanische Städte geschickt, wo sie gegen Demonstrationen vorgehen. In Szenen, die an südamerikanische Militärdiktaturen erinnern, verhaften nicht identifizierbare Soldaten friedliche Demonstranten und transportieren sie in Autos ohne Nummernschilder an unbekannte Orte. Trump bereitet so angesichts der eskalierenden sozialen und politischen Krise die Errichtung einer Diktatur vor.

Ähnliches geschieht auch in Deutschland. Die herrschende Klasse bereitet sich auf heftige Klassenkämpf vor. Die Corona-Pandemie hat die globale Krise des kapitalistischen Systems massiv verschärft. Millionen drohen ihren Arbeitsplatz und Teile ihres Einkommens zu verlieren, während andere unter Gefährdung ihres Lebens an die Arbeit zurückgezwungen werden.

Vor 90 Jahren hatten die Herrschenden in Deutschland auf eine ähnliche Krise mit der Nazi-Diktatur und dem Vernichtungskrieg reagiert. In dieselbe Richtung bewegen sie sich heute wieder. Sie rüsten systematisch auf und bereiten neue Kriegseinsätze sowie die gewaltsame Unterdrückung sozialer und politischer Opposition vor. Aber anders als in den 1930er Jahren verfügen sie über keine faschistische Massenbewegung. Die Stimmung in der Bevölkerung tendiert nach links. Der Aufbau rechter und faschistischer Kräfte geht vor allem vom Staat aus.

Der Verfassungsschutz dient als Schaltzentrale des Rechtsterrorismus. In der Bundeswehr und der Polizei gibt es rechtsextreme Netzwerke, die von oben gedeckt und verharmlost werden. Auch die AfD, in deren Reihen sich zahlreiche Vertreter der Polizei, der Bundeswehr und der Geheimdienste finden, wird vom Staat und den etablierten Parteien systematisch hofiert und gefördert.

Die Parteien der Großen Koalition, CDU, CSU und SPD, tragen die Hauptverantwortung für diese Politik. Aber auch die Oppositionsparteien, die Linke, die Grünen, die FDP und natürlich die AfD, unterstützen sie. Der Kampf gegen Faschismus und Militarismus erfordert den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die für den Sturz des Kapitalismus und für ein internationales sozialistisches Programm kämpft.

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