Perspektive

US-Raketenschlag gegen Syrien: Biden eskaliert US-Aggression im Nahen Osten

Mit einem tödlichen Raketenangriff auf die Position einer vom Iran unterstützten irakischen Miliz an der syrisch-irakischen Grenze hat die Biden-Regierung am Freitag deutlich gemacht, was das Mantra des demokratischen Präsidenten – „Amerika ist zurück“ – wirklich heißt.

Der Angriff, der unter eklatanter Verletzung des Völkerrechts und ohne rechtliche Autorisierung durch den US-Kongress durchgeführt wurde, stellt klar, dass das Weiße Haus unter Biden einen äußerst aggressiven außenpolitischen Kurs einschlägt. Der neue Präsident verschärft den Militarismus und das konfrontative Vorgehen seines Vorgängers im Nahen Osten und auf internationaler Ebene.

Präsident Joe Biden während einer Ansprache seines Verteidigungsministers Lloyd Austin an Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums am Mittwoch, 10. Februar 2021, in Washington. (AP Photo/Emilio Morenatti)

Nach Angaben syrischer Quellen, die von der Nachrichtenagentur Reuters benannt werden, wurden bei dem US-Luftangriff, der am Freitag im Morgengrauen durchgeführt wurde, mindestens 17 irakische Milizionäre getötet. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass bei dem Angriff 22 Kämpfer der Haschd al-Schaabi getötet wurden. Diese auch als „Volksmobilisierungseinheiten“ bekannten Streitkräfte sind ein offizieller Arm des irakischen Militärs, der zur Bekämpfung von ISIS nach Syrien geschickt wurde. Weitere Kämpfer wurden verwundet, weshalb die Zahl der Toten wahrscheinlich noch steigen wird.

Angeblich war der Raketenangriff die Vergeltung für einen Raketenangriff auf einen US-Stützpunkt in der irakisch-kurdischen Hauptstadt Erbil am 15. Februar, bei dem ein einzelner syrischer Militärmitarbeiter getötet wurde. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass der Angriff auf den US-Stützpunkt das Werk der vom Iran unterstützten Miliz war, die die USA am Freitag angegriffen haben. Sie bestritt nicht nur die Verantwortung, sondern verurteilte den Angriff auf den Stützpunkt in Erbil.

Pentagon-Beamte wiesen darauf hin, dass Präsident Joe Biden eine Aufstellung von Zielen sowie verschiedene Optionen für den Grad der Zerstörung durch das US-Militär zur Auswahl vorgelegt wurden. Biden entschied schließlich für den Raketenangriff gegen Syrien.

Auf die Frage, welche „Botschaft“ Biden mit dem Schlag senden wolle, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am Freitag gegenüber dem Nachrichtensender MSNBC: „Die Botschaft ist klar und eindeutig: Wir werden unsere nationalen Interessen in der Region schützen.“

Die Entscheidung zum Angriff auf Syrien hat eine unmissverständliche strategische Bedeutung. Es ist das erste Mal, dass die USA Ziele in dem vom Krieg verwüsteten Land angreifen, seit Donald Trump am 29. Dezember 2019 einen Luftangriff angeordnet hat. Auch dieser Angriff wurde seinerzeit als Reaktion auf einen Raketenangriff auf einen US-Stützpunkt im Irak dargestellt.

Fünf Tage später, am 3. Januar 2020, führte Washington das Drohnen-Attentat auf den General der iranischen Revolutionsgarde Qassem Soleimani durch, der als zweitwichtigste politische Figur im Iran galt. Der Raketenangriff markierte eine dramatische Eskalation der Kampagne des „maximalen Drucks“, die die Trump-Administration gegen den Iran verfolgte.

Washington zog sich aus der Konfrontation zurück, die den Nahen Osten und potenziell den gesamten Planeten an den Rand eines katastrophalen neuen Krieges gebracht hatte. Eine solcher Konflikt hätte das Ausmaß an Tod und Verwüstung, das die jahrzehntelangen US-Interventionen im Irak und in Afghanistan angerichtet haben, schnell in den Schatten gestellt.

Der von Biden angeordnete Schlag markiert das Ende der Pause bei den US-Luftangriffen in Syrien, die auf die Ermordung von Soleimani folgte und etwas mehr als ein Jahr andauerte. In diesem Jahr war das politische Geschehen in den USA von der verbrecherischen Politik dominiert, die zu über einer halben Million Covid-19-Toten geführt hat. Gleichzeitig herrschte ein erbitterter Kampf innerhalb des herrschenden politischen Establishments der USA, der zu zwei Amtsenthebungsverfahren gegen Trump führte. Im Zentrum dieses Konflikts standen Differenzen über die Außenpolitik, wobei die Demokraten Trump vorwarfen, gegenüber Russland und China – beides Atommächte – „zu weich“ aufzutreten.

Der Angriff in Syrien wird verbreitet und zu Recht als eine gefährliche Eskalation der US-Aggression gesehen, die erneut einen regionalen und sogar globalen Flächenbrand auszulösen droht. Der Politikwechsel, der sich unter der neuen demokratischen Regierung entwickelt, nimmt darin konkrete Formen an.

Die syrische Regierung verurteilte den Raketenschlag als einen Akt „feiger US-Aggression“ und beschuldigte die Biden-Regierung, nach dem „Gesetz des Dschungels“ vorzugehen. Auch russische, chinesische und iranische Regierungsvertreter verurteilten den Angriff.

Die weltweit einzige Regierung, die den US-Angriff lobte, war die israelische, die selbst Luftangriffe gegen Syrien geflogen hat, während sie sich im Allgemeinen weigert, ihre Verantwortung entweder zu bestätigen oder zu leugnen. „Die Iraner haben nicht realisiert, dass Biden nicht Obama ist und dass sie am Ende getroffen werden, wenn sie diesen fehlgeleiteten Weg fortsetzen“, erklärte ein namentlich nicht genannter, ranghoher Vertreter der israelischen Regierung gegenüber der Nachrichten-Website Walla.

Der Iran ist eines der unmittelbarsten Zielen des Raketenangriffs vom Freitag. Die Biden-Regierung kam mit dem Versprechen ins Amt, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) wieder beizutreten. Dieses im Jahr 2015 zwischen dem Iran und den Großmächten getroffene Abkommen, das als „iranisches Atomabkommen“ bekannt ist, sah als Gegenleistung dafür, dass Teheran scharfe Einschränkungen seines zivilen Atomprogramms akzeptiert, die Aufhebung der lähmenden Wirtschaftssanktionen vor. Trump hat das Abkommen 2018 aufgekündigt und eine Kampagne des „maximalen Drucks“ begonnen, bei der die USA ihre Sanktionen drastisch verschärften und damit einen regelrechten Kriegszustand herbeiführten.

Washington hat seit Bidens Amtsantritt keine Anstalten gemacht, diese Sanktionen aufzuheben. Das gleiche gilt für die anderen Länder, die die USA mit Sanktionen belegt haben und in denen insgesamt mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung lebt. Stattdessen haben die USA darauf bestanden, dass Teheran zunächst an einen Punkt zurückkehrt, an dem das Land die Bedingungen des JCPOA vollständig erfüllt. Das bedeutet vor allem, dass der Iran seine beschränkten Erfolge bei der Urananreicherung einstampft, die Teheran als Reaktion auf die Aufkündigung des Abkommens durch die USA und das Versagen der europäischen Mächte, die amerikanischen Sanktionen wirksam anzufechten, in Gang gesetzt hatte.

Bidens Außenminister Antony Blinken hat wiederholt erklärt, dass ein Abkommen mit dem Iran „länger und stärker“ sein müsse als das, was unter Obama ausgehandelt wurde. Neben der dauerhaften Beschränkung des iranischen Atomprogramms bedeutet dies, dass der Iran sein Entwicklungsprogramm für konventionelle Raketen aufgeben soll. Darüber hinaus soll der iranische Einfluss im gesamten Nahen Osten zurückgedrängt werden. Washingtons Ziel besteht darin, den Iran wieder auf den Status einer wehrlosen Halbkolonie herabzusetzen. Der Angriff auf Syrien ist ein erster Schritt in einer erneuten aggressiven Kampagne, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Raketenangriff auf Syrien richtet sich darüber hinaus gegen Russland und China und deren Einfluss in der Region. China, das von der Biden-Regierung als „strategischer Konkurrent“ Nummer eins und Ziel eines „extremen Wettbewerbs“ herausgehoben wurde, hat sich nach zwei Jahrzehnten imperialistischer Militärinterventionen der USA im Nahen Osten zum größten Investor der Region und zum wichtigsten Handelspartner für viele der dortigen Länder entwickelt.

Es ist mehr als ein Zufall, dass der jüngste US-Raketenschlag in Syrien im unmittelbaren Anschluss an gemeinsame Militärübungen iranischer, russischer und chinesischer Kriegsschiffe in den strategisch wichtigen Gewässern des Indischen Ozeans erfolgt ist. Die letzte derartige Übung „Maritime Security Belt“, die ebenfalls von der iranischen, russischen und chinesischen Marine gemeinsam durchgeführt wurde, fand im Dezember 2019 statt, kurz bevor General Soleimani ermordet wurde.

Während Washington seine Aggression im Nahen Osten eskaliert, führt das Pentagon gleichzeitig provokative Marineübungen im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan durch. Russland wird von Washington mit der Stationierung von B-1-Bombern in Norwegen direkt bedroht.

Der Raketenschlag ist auch ein Schuss vor den Bug der einstigen NATO-Verbündeten der USA in Europa, insbesondere Deutschland und Frankreich. Auf Bidens Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor zwei Wochen reagierten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron merklich kühl. Nicht nur einmal, gleich dreimal hatte Biden darin „Amerika ist zurück“ verkündet. Gleichzeitig forderte er, dass sich die europäischen imperialistischen Mächte den US-Interessen unterordnen.

Der Angriff auf Syrien erhielt breite Unterstützung innerhalb der demokratischen Parteiführung und wurde von führenden Republikanern gelobt. Der Abgeordnete Michael McCaul, der ranghöchste Republikaner im Ausschuss des Repräsentantenhauses für Internationale Beziehungen, erklärte: „Reaktionen wie diese sind eine notwendige Abschreckung und erinnern den Iran, seine Stellvertreter und unsere Gegner auf der ganzen Welt daran, dass Angriffe auf die Interessen der Vereinigten Staaten nicht toleriert werden.“

Der Angriff hat deutlich gemacht, dass die Übereinstimmung beider Parteien hinsichtlich einer Verschärfung der militärischen Aggression als Grundlage für Bidens Politik der „parteiübergreifenden Einheit“ dienen soll – d. h. eine Einheit mit den faschistischen Elementen innerhalb der Republikanischen Partei, die versucht haben, Bidens Amtsantritt zu verhindern und damit das Wahlergebnis zu kippen. Letztlich versucht die US-Regierung, durch militärische Aggression den Niedergang der globalen Hegemonie des US-Imperialismus zu kompensieren.

Es gibt darüber hinaus ein starkes innenpolitisches Motiv für die Eskalation des US-Militarismus: die Notwendigkeit, die enormen und unhaltbaren sozialen Widersprüche des amerikanischen Kapitalismus nach außen abzulenken.

Die Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus bringt indessen nicht nur einen verschärften Drang zum Krieg hervor, sondern ebenso einen internationalen Aufschwung des Klassenkampfs. Dieser Aufschwung vollzieht sich vor dem Hintergrund des Massensterbens, das durch die mörderische Politik der „Herdenimmunität“ in der Corona-Pandemie verursacht wurde, sowie der ständig wachsenden sozialen Ungleichheit und der immer heftigeren Angriffe auf soziale und demokratische Grundrechte.

Eine echte Opposition gegen den Kriegsdrang des amerikanischen und des Weltimperialismus kann sich nur diese Klassenkämpfe stützen. Die dringendste Aufgabe besteht darin, eine internationale und sozialistische Bewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen, um das kapitalistische System – und damit die Quelle der Gefahr eines Weltkriegs – zu beseitigen.

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