Prinz Philip: Ein verbitterter Fürsprecher erblicher Privilegien

Prinz Philip verbrachte sein ganzes, langes Leben damit, die verlöschende Glut der Monarchie am Glimmen zu halten. Voller Berechnung und Zynismus verteidigte er die aristokratischen Klassenprivilegien, wobei er sich selbst einmal als „diskreditierten Prinzen vom Balkan ohne besondere Verdienste und Auszeichnungen“ bezeichnete.

Seit seinem Tod überschlägt sich die britische Presse beinahe. Die Flut der medialen Lobeshymnen ist überwältigend und ekelerregend, und doch enthält sie keine neuen Erkenntnisse, weder über den Mann noch über die Rolle, die er spielte. Tatsächlich geht das Propagandafeuerwerk eher nach hinten los, was nur bestätigt, dass die breite Bevölkerung die Trauer über den Mann, den Prinz Andrew absurderweise als „Großvater der Nation“ bezeichnet, keineswegs teilt.

Die BBC änderte bei Philips Tod ihr gesamtes Fernsehprogramm und setzte sogar einen Kanal gänzlich aus. Alle Radioprogramme außer einem wurden auf Newsticker reduziert. Auch der Privatsender ITV hat sein vorgesehenes Programm abgesetzt und sendet bis zum Erbrechen endlose Detailberichte und Kommentare. Auch in Deutschland überträgt das erste Programm heute die Beerdigungszeremonie live.

In Großbritannien brachen infolge der Berichterstattung die Zuschauerzahlen ein. BBC1, der BBC-Hauptnachrichtensender, verzeichnete einen Zuschauerrückgang um 6 Prozent. Anderswo schalteten die Zuschauer einfach ab, und BBC2 und ITV verzeichneten Rückgange der Zahlen um 60–65 Prozent.

Philip Mountbatten, Prinzessin Elisabeth und Louis St. Laurent auf einer Kanada-Reise 1951 (nagualdesign/Flickr)

Philips Eigenlob entspricht genau seiner persönlichen Bedeutungslosigkeit. Wichtiger ist jedoch die verkommene politische Bedeutung seines Lebens. Der Antrieb für seine Verteidigung der Monarchie und aristokratischen Privilegien, seine Verbundenheit mit der bürgerlichen Ordnung, auf der sie heute beruhen, entsprang einem stark ausgeprägten Gespür für das prekäre Umfeld, sowie der wohlbegründeten Furcht vor den Massen, die alles vernichten könnten.

Eins prägte sein Leben vor allem andern, und das war die Reaktion auf revolutionären Aufruhr. Die einflussreichste Episode, die Philips Weltbild formte, war die Russische Revolution von 1917, die den Zarismus stürzte und unter bolschewistischer Leitung den ersten Arbeiterstaat der Welt gründete. Die Monarchien Europas und die bürgerliche Ordnung, auf denen sie beruhten, gerieten in große Sorge und befürchteten ein ähnliches Schicksal. Nie wieder sollte Philip diese Furcht und ihre Ursache vergessen.

Wegen seiner Verwandtschaft mit der russischen Zarenfamilie wurde sogar seine DNA zur Identifikation der Leichen der Romanows benutzt. Als er später einmal gefragt wurde, ob er Russland gerne besuchen würde, sagte er, das wolle er gerne, und fügte bissig hinzu: „Obwohl die Bastarde die Hälfte meiner Familie ermordet haben.“

Er hatte persönliche Erfahrung damit, wie schwach und inzestuös der Machterhalt des europäischen Königtums war und ist. Philip wurde auf der griechischen Insel Korfu geboren, und als einziger Sohn unter fünf Kindern wurde er zum Prinzen Philip von Griechenland und Dänemark ernannt. Sein Großvater, Prinz Wilhelm von Dänemark, hatte eine Enkelin des Zaren Nikolaus I. geheiratet. Im Jahr 1863 hatte Prinz Wilhelm die Einladung der griechischen Regierung angenommen und sich als Georg I. zum König der Hellenen krönen lassen. Er wurde im Jahr 1913 ermordet.

Auf ihn folgte sein ältester Sohn, Konstantin I, von Griechenland.

Wilhelms/Georgs jüngerer Sohn, Prinz Andreas von Griechenland und Dänemark, wurde Philips Vater. Philips Mutter war eine Tochter des deutschen Prinzen Ludwig von Battenberg und Enkelin der Königin Viktoria.

Konstantin wurde im Zuge der griechischen Neutralität im Ersten Weltkrieg 1917 abgesetzt und 1920 wieder eingesetzt. 1922 wurde er nach einem Militärputsch erneut gestürzt. Prinz Andreas wurde verhaftet und wegen „Befehlsverweigerung“ während der Schlacht am Sakarya (1921) vor ein Kriegsgericht gestellt, nachdem Griechenland in dieser Schlacht Land an die Türkei verloren hatte. Andreas, der eine Anklage wegen Hochverrats erwartete, wurde ausgebürgert. Um seiner Hinrichtung zuvorzukommen, ließ Georg V. von Großbritannien die ganze Familie, einschließlich des einjährigen Philip, per Schiff nach Italien bringen.

Der andere große Faktor, der Philips Schicksal bestimmte, war der stalinistische Verrat an den revolutionären Kämpfen der Arbeiterklasse. Dank ihm überlebte der europäische und internationale Kapitalismus, und er war es auch, der das Anwachsen der politischen Reaktion in den 1920er und 1930er Jahren erleichterte. So hing beispielsweise das Überleben der Monarchie in Griechenland von der Protektion des Diktators Ioannis Metaxas ab, der Mussolinis Faschisten imitierte, aber mit dem britischen Imperialismus verbündet war. Die griechische Monarchie wurde schließlich im Jahr 1973 von der Militärjunta abgeschafft.

Philips Orientierung am britischen Imperialismus war durch ähnliche geopolitische Fakten und entsprechende politische Überlegungen bestimmt. Seine im Ausland lebende Familie wohnte in der Nähe von Paris, bis seine Mutter nach einem Nervenzusammenbruch interniert wurde. Sein Vater begeisterte sich für die Casinos von Monte Carlo und blieb bis zu seinem Tod 1944 in Vichy-Frankreich.

Philipps Schwestern heirateten alle deutsche Prinzen. Drei seiner Schwager traten in die Nazi-Partei ein und kämpften für sie. Der erste Mann seiner Schwester Sophie wurde SS-Mitglied. 1937 kam seine Schwester Cecilie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, kurz nachdem sie in die NSDAP eingetreten war. Als Philip ihrem Sarg in Darmstadt folgte, entbot er der Menge den Hitlergruß. Später äußerte sich Philip darüber mit seinem bezeichnenden Zynismus und sagte: „Das passierte einfach. Die Familie fiel auseinander (...) Damit musste ich mich abfinden. Man macht einfach mit. Das macht jeder.“

Ab 1933 besuchte Philip die prestigeträchtige deutsche Internatsschule Schloss Salem des Kurt Hahn. Schon ein Jahr später musste Hahn als Jude und Nazi-Gegner Deutschland verlassen. Philip folgte ihm nach Schottland in die neu gegründete Schule Gordonstown. Damit war Philips persönliche Loyalität zum britischen Imperialismus gesichert.

Als eine Art Ersatzvater bereitete Hahn Philip auf seine Rolle in den oberen Rängen der britischen Gesellschaft vor. Der Prinz, so schrieb er, „ wird in jedem Beruf, in dem er sich zu bewähren hat, auf sich aufmerksam machen und die notwendige Stärke zeigen“. Auf Hahn geht auch eine Art von Prämienregelung zurück, das "Duke of Edinburgh’s Award Scheme", das angeblich Individualismus mit gesellschaftlicher Verantwortung verbindet. Diese Regelung, die jungen Menschen „die Kunst zivilisierter Lebensführung auf einfache Weise“ nahebringen soll, wurde unter dem Namen des Prinzen, des offiziellen Herzogs von Edinburgh, eingeführt, aber Philip bestand darauf, dass sie „ohne Hahn niemals zustande gekommen“ wäre.

Vor dem Krieg wurde Philip auf das Navy-College, eine Ausbildungsstätte für Marineoffiziere, geschickt, wo er Prinzessin Elisabeth, damals noch ein Kind, kennenlernte. Als Klassenbester in der Abschlussklasse 1940, ging er zur Navy, erlernte das Militärhandwerk und wurde weiter gefördert. Selbst hier stand er im Ruf der Intoleranz. „Einer seiner Untergebenen“, schreibt ein Biograf, „soll gesagt haben, lieber würde er sterben, als nochmals unter ihm zu dienen.“

Am Anfang, als er Elisabeth den Hof machte, sah die britische Monarchie ihn als jemanden an, der weit unter ihr stand. Sein Ahnenstamm war ein Durcheinander, sein Charakter war ungehobelt und er hatte nur wenige Titel vorzuweisen. Die Royals reagierten auf seinen Heiratsantrag mit der Rückständigkeit dieser Kreise. Queen Mum nannte Philip „den Hunnen“, und für ihren Bruder war er nur „der Deutsche“. Dennoch willigte man in die Heirat ein. Er verzichtete auf seinen griechischen Titel, wurde britischer Staatsbürger und nahm den anglizierten Namen Mountbatten an. An seinem Hochzeitstag im Jahr 1947 wurde er zum Herzog von Edinburgh geschlagen. Er verließ die Navy 1951, um Elisabeth zu unterstützen, die immer mehr Verpflichtungen ihres kränkelnden Vaters übernahm. 1952 starb George, und Elisabeth wurde Königin.

Auf diese Zeit konzentrieren sich die meisten Nachrufe. Seither spielte Philip siebzig Jahre lang seine Rolle als Ehemann der Queen, was ihn zum langjährigsten royalen Ehepartner der britischen Geschichte macht. Und wie es heißt, hat er diese Rolle meist loyal und souverän gespielt.

Er war bereit, die Königin zu unterstützen, und er sorgte für die notwendigen Thronerben. Das war ein überlebensnotwendiges Geschenk an die herrschende Elite Großbritanniens. Das bezeugen die zahllosen übereinstimmenden Beiträge, die seine Bereitschaft anerkennen, seine männlich dominante Rolle zu opfern und den notwendigen Abstand hinter seiner Gattin einzuhalten. Besonders lächerlich ist dabei der Kommentar der Hofberichterstatterin Gaby Hinsliff. Im Guardian beschreibt sie Philip als jemanden, „der in einem Zeitalter lebte, in dem es immer noch unüblich ist, dass sich ein Mann vor weiblicher Autorität verbeugt“. Philip sei gekommen, „um eine andere Art männlichen Vorbilds zu definieren, das in Hingabe, Unterstützung und Stärke wurzelt und es nicht für notwendig hält, durch Muskelspiele ins Rampenlicht zu treten“. Angeblich war es „seine wirkliche Funktion im öffentlichen Leben, dass er die Größe hatte, im Hintergrund zu bleiben und das Rampenlicht seiner Gemahlin zu überlassen“.

Eine Beobachtung, die Hinsliff mitteilt, ist jedoch wohl nicht ganz falsch: „Vielleicht war es die Krone, genau wie die Frau, die sie trug, der sich dieser Abkömmling einer ausgewiesenen griechischen Königsfamilie fügte. Dieser Krone hatte er bekanntermaßen Treue geschworen, als er bei der Krönung vor seiner Frau niederkniete.“

Tatsächlich hatte man Philip darauf vorbereitet – und er sah das auch klar als persönliche Demütigung an – die Autorität der Krone als Institution zu bewahren. Sein Leben war dem Ziel gewidmet, die Monarchie für die Bevölkerung attraktiv zu machen und sie gegen jeden Ausbruch plebejischer Feindseligkeit zu schützen. Weil er betonte, dass die Monarchie sich anpassen müsse, wenn sie überleben wolle, nannte man ihn einen „Modernisierer“. Trotz seiner wirklich autokratischen Haltung leitete er die „Way-Ahead-Group“, eine Organisation führender Royalisten und ihrer Berater, deren Aufgabe es war, Kritik an der Monarchie aufzuspüren und ins Leere laufen zu lassen. Es sei einfach seine Aufgabe, so sagte er, „sicher zu stellen, dass die Königin regieren kann“.

Das Gleiche ist über seine „Wohlfahrtsarbeit“ und seine zahlreichen öffentlichen Engagements zu sagen. Es war der Preis, der für ein außerordentlich privilegiertes Leben bezahlt werden musste: für Kricket, Polo, Jacht- und Kreuzschiff-Fahrten, Dinners, Parties und was sonst dazu gehört. Dennoch jammerte Philip immer wieder über das große „Opfer“, das er bringe, und er war nicht nur privat, sondern auch in der Öffentlichkeit erkennbar verbittert. Er bedauerte, dass er seine Karriere als Marineoffizier nicht fortsetzen konnte, und beklagte sich, dass seine Kinder nicht den Namen Mountbatten, sondern Windsor trugen. Er erklärte: „Ich bin der einzige Mann im Land, dem nicht erlaubt ist, seinen Kindern seinen Namen zu geben. Ich bin nichts als eine verdammte Amöbe.“

Seine zahlreichen ignoranten und oft rassistischen Äußerungen bei öffentlichen Anlässen sind unrühmliche Ausbrüche seiner verdrängten persönlichen Unzufriedenheit. Dies wurde besonders deutlich, als er einmal in Paraguay zu dem dortigen Diktator Alfredo Stroessner sagte: „Es ist eine angenehme Abwechslung, einmal in einem Land zu sein, in dem nicht das Volk regiert.“

Die Sorgen des Prinzen um die Monarchie fußten auch auf tieferen Erwägungen über die allgemeine Stabilität des Kapitalismus. 1977 verglich er die britische Ökonomie mit der Trockenfäule in einem Haus und sagte: „Man weiß nicht, wann es beginnt, man weiß nicht, wann die Krise eintritt, aber der Ort wird zunehmend unbewohnbar.“

Es sollte hinzugefügt werden, dass Philips hochgelobtes Umwelt-Engagement auf einem ähnlich menschenfeindlichen Klassenstandpunkt basierte. Seinen Einsatz für die Natur konnte er problemlos mit seinem Recht auf Großwildjagd vereinen. Seine Verteidigung der Artenvielfalt formulierte er mit unverblümter Gehässigkeit, der Menschheit gegenüber. Er schrieb: „Manchmal wünsche ich mir meine Reinkarnation als ein besonders tödlicher Virus, aber das geht vielleicht doch zu weit.“

Diese politischen Tatsachen und Klassenfragen finden ihren Niederschlag in den Lobreden des politischen Führungspersonals in Großbritannien. Premierminister Boris Johnson, ein besonders durchsichtiger Vertreter der käuflichen britischen Bourgeoisie, lobte Philips „Dienstethik“. Der Führer der Labour-Party, Sir Keir Starmer, erklärte, Großbritannien habe „einen außergewöhnlichen Diener des Staats verloren“.

In nicht allzu ferner Zukunft, wenn die Menschen zurückschauen, werden sie nicht glauben können, dass diese lächerliche und parasitäre Institution und ihre Vertreter im Jahr 2021 noch immer ein so großes Thema waren. In jedem Fall hat Philips Tod die Presse erneut bloßgestellt.

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