Perspektive

Die Bedeutung der Online-Maikundgebung 2021

Am Samstag, dem 1. Mai, hielt das Internationale Komitee der Vierten Internationale seine achte jährliche Online-Kundgebung zum Internationalen Maifeiertag ab. Auf der Kundgebung gab das IKVI den Anstoß zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), die in den Reden konkrete Gestalt annahm.

Die Maikundgebung spiegelte die enormen Veränderungen in der Weltlage durch die Pandemie wider und nahm sie zugleich vorweg. Das IKVI hat die Pandemie mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verglichen und als Trigger-Event definiert, das alle grundlegenden Widersprüche des kapitalistischen Systems beschleunigt. Das betrifft vor allem die Zuspitzung des Klassenkampfs, der im IKVI und der Maikundgebung seinen bewusstesten Ausdruck findet.

Internationale Online-Maikundgebung 2021

Die Kundgebung war sowohl in ihrer Form als auch in ihrem Inhalt ein globales Ereignis. Sie fand große internationale Resonanz, mit mehr als 2.500 Zuhörern aus über 75 Ländern aller Kontinente, einschließlich der Antarktis. 14 führende Mitglieder des IKVI aus zehn Ländern hielten Reden in sieben verschiedenen Sprachen – Englisch, Deutsch, Französisch, Tamilisch, Singhalesisch, Türkisch und Portugiesisch.

Während die Redner auf die spezifische Situation der einzelnen Länder eingingen, gaben sie eine einheitliche globale Perspektive.

Die Kundgebung stand ganz im Zeichen der Pandemie, die Arbeiter auf der ganzen Welt hart getroffen hat – von den kapitalistischen Zentren in den USA und Europa bis hin zu den ehemaligen Kolonialländern. Vor einem Jahr, am 1. Mai 2020, hatte die weltweite Zahl der Todesopfer 240.000 erreicht. Jetzt liegt sie bei fast 3,2 Millionen – ein Anstieg um mehr als das 13-fache. 590.000 Menschen starben in den Vereinigten Staaten, mehr als eine Million in Europa, 520.000 in Asien, 670.000 in Südamerika und 122.000 in Afrika.

Fast anderthalb Jahre nach Beginn der Pandemie sind die Neuinfektionen auf einem Rekordniveau, angeheizt durch den katastrophalen Corona-Anstieg in Indien, wo jeden Tag fast 400.000 neue Fälle gemeldet werden. Nach offiziellen Zahlen, die weit unter dem realen Wert liegen, sterben weltweit täglich mehr als 13.000 Menschen, was einer Todesrate von fast 5 Millionen pro Jahr entspricht.

Was jetzt in Südasien passiert, wird sich auf andere Länder ausbreiten, auch in Afrika, das bisher von dem Virus nur in begrenztem Maße betroffen war. Sogar in den fortgeschrittenen Ländern sprechen Politiker und Medien jetzt davon, dass die Pandemie endemisch wird, das heißt, dass sie nie ganz ausgerottet werden kann, sondern Arbeiter einfach damit „leben müssen“.

Die Redner klagten die herrschende Klasse und das kapitalistische System für die katastrophalen Auswirkungen des Virus an. „Es ist eine unbestreitbare Tatsache“, erklärte der Vorsitzende der internationalen WSWS-Redaktion David North in seiner Einleitung zur Kundgebung, „dass die Unterordnung von Menschenleben unter finanzielle Interessen zu Millionen von vorzeitigen Todesfällen geführt hat. Die überwältigende Mehrheit der Covid-19-Todesfälle hätte verhindert werden können. Die verheerenden Auswirkungen der Pandemie sind weit mehr auf die wirtschaftlichen Interessen der Kapitalistenklasse zurückzuführen als auf die biologische Struktur des Virus.“

Nick Beams, ein langjähriges führendes Mitglied des IKVI, ging in seinem Beitrag auf die Spekulationsorgie des vergangenen Jahres ein, die durch das endlose Drucken von Geld durch die US-Notenbank und andere Zentralbanken weltweit angefeuert wurde. Der wachsende Reichtum der herrschenden Klasse, so Beams, ist „ein Ausdruck davon, was Trotzki richtigerweise als Todeskrise des Kapitalismus beschrieb – ein Haufen Oligarchen, die Milliarden Dollar scheffeln, während Millionen sterben“.

Die Pandemie hat die politische Krise in Ländern auf der ganzen Welt enorm beschleunigt. Die herrschende Klasse wendet sich immer offener diktatorischen Formen der Herrschaft zu. Alex Lantier, der nationale Sekretär der Parti de l'égalité socialiste in Frankreich, erklärte, dass der Brief französischer Generäle, die mit einem Militärputsch drohen, Teil einer globalen Entwicklung ist: Trumps faschistischer Putschversuch vom 6. Januar, die Aufdeckung von Neonazi-Netzwerken im deutschen Militär- und Staatsapparat und Putschdrohungen der neofaschistischen Vox-Partei und pensionierter Armeeoffiziere in Spanien.

Der stellvertretende nationale Sekretär der SEP in Sri Lanka, Deepal Jayasekera, schilderte, wie die srilankische Regierung auf die Streikwelle der letzten Monate mit einem weiteren Schritt hin zu einer Militär- und Polizeidiktatur reagiert. Er zitierte die Kommentare des Verkehrsministers, der den srilankischen Präsidenten Rajapaksa aufgefordert hat, „wie ein Hitler“ zu handeln.

Und inmitten des Massensterbens und sozialen Elends intensiviert die herrschende Klasse ihren Kriegskurs. Peter Symonds, der nationale Redakteur der WSWS in Australien, entlarvte die Propaganda des US-Imperialismus gegen China und das heuchlerische Gerede über „Menschenrechte“. Er sagte: „Es ist wichtig, dass Arbeiter auf der ganzen Welt den giftigen Nationalismus zurückweisen. Die Herrschenden versuchen, die Arbeiter zu spalten und die immensen sozialen Spannungen infolge der Pandemie auf einen äußeren Feind abzulenken.“

Die Redner zeigten die Verantwortung aller Parteien der herrschenden Klasse für die katastrophalen Auswirkungen der Pandemie auf – von der Tory-Regierung unter Boris Johnson in Großbritannien über die faschistischen Regierungen von Jair Bolsonaro in Brasilien und Narendra Modi in Indien bis hin zur pseudolinken Podemos in Spanien und der Linkspartei in Deutschland. In den USA hat die Trump-Regierung die „Back-to-Work“-Kampagne angeführt, aber die gleiche Politik wird jetzt im Kern von Biden fortgesetzt.

Ein wichtiges Thema in allen Reden war die noch stärkere Integration des Gewerkschaftsapparats in den Staat. Die herrschende Klasse verfolgt überall das Ziel, die offiziellen nationalen und pro-kapitalistischen Gewerkschaften in einen korporatistischen Rahmen einzubinden, d.h. das Unternehmensmanagement und die Gewerkschaften in einer Staatstruktur zu verschmelzen, um den wachsenden sozialen Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

In seiner Eröffnungsrede untersuchte North detailliert, wie Biden offensiv versucht, den amerikanischen Gewerkschaftsverband AFL-CIO zu stärken. Dafür hat er u.a. eine „White House Task Force on Worker Organizing and Empowerment“ gegründet, zu der auch der Verteidigungsminister Lloyd Austin, die Finanzministerin und ehemalige Chefin der Federal Reserve Janet Yellen und der Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas gehören.

Seit über 40 Jahren, so North, haben die AFL-CIO und ihre reichen Funktionäre an der Spitze jeden Widerstand in der Arbeiterklasse unterdrückt. Streiks waren praktisch verschwunden. North sagte dazu:

In diesem Kontext zielt Bidens Aufruf zur Stärkung der bestehenden Gewerkschaften nicht darauf ab, die Militanz der Arbeiterklasse zu fördern, sondern einer solchen Entwicklung zuvorzukommen und ihre weitere Unterdrückung sicherzustellen.

Darüber hinaus ist die Auslöschung jeder Form von unabhängiger Arbeiterorganisation in einer von der Regierung geförderten Arbeiterbewegung – die vollständig in den kapitalistischen Staat nach korporatistischem Vorbild integriert ist – ein strategischer Imperativ für den amerikanischen Imperialismus. Er bereitet sich unter den Bedingungen einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise auf eine Konfrontation mit China vor, die in herrschenden Kreisen als unvermeidlich angesehen wird.

Die Tendenz zur korporatistischen Unterdrückung der Arbeiterklasse ist jedoch ein internationales Phänomen. Die Redner verdeutlichten die ähnliche Rolle des Ceylon Workers Congress in Sri Lanka, der CUT und Força Sindical (jetzt im Gewerkschaftsverband IndustriAll fusioniert) in Brasilien, des TUC in Großbritannien, der IG Metall und Verdi in Deutschland, der CGT in Frankreich und der ACTU in Australien.

Vor diesem Hintergrund hat das IKVI die Bildung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) initiiert. North erklärte:

Ziel dieser globalen Initiative ist es, eine echte, breit angelegte Bewegung der internationalen Arbeiterklasse zu entwickeln. Sie soll die Arbeiter in allen Ländern ermutigen, die gefängnisartigen Fesseln zu sprengen, die ihr von den bestehenden staatlich kontrollierten und antidemokratischen Gewerkschaften, die mit rechten, prokapitalistischen Führungskräften besetzt sind, angelegt wurden...

Die IWA-RFC wird danach streben, nationale Schranken zu überwinden. Sie wird sich allen Bemühungen widersetzen, die Klasseneinheit durch die Förderung ethnischer und verwandter Formen der Identitätspolitik zu untergraben, und die Koordination des Klassenkampfes auf internationaler Ebene erleichtern.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihm angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien unterstützen die Arbeiter beim Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz und kämpfen dafür, eine bewusste, sozialistische Strategie in den globalen Klassenkampf zu tragen. Die Logik der Kämpfe, in die die Arbeiterklasse geht, stellt sie vor die Notwendigkeit, die politische Macht zu übernehmen, die kapitalistischen Oligarchen zu enteignen und eine internationale Planwirtschaft zu errichten, die auf sozialen Bedürfnissen und nicht auf privatem Profit basiert.

Die Internationale Online-Maikundgebung 2021 war das Ergebnis eines bedeutenden Wachstums der trotzkistischen Bewegung und ihres politischen Einflusses in der Arbeiterklasse. Gleichzeitig nimmt sie eine gewaltige politische Entwicklung vorweg. Die weltweite revolutionäre Bewegung für den Sozialismus wird sich unter der Führung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale entwickeln.

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