Mit Genehmigung der Taliban intensiviert das US-Militär die Evakuierung von Kabul

Am Mittwoch hat das US-Militär die Evakuierungen aus Kabul intensiviert. Dies geschieht mit Zustimmung der Taliban-Führung, die nach ihrem Eintreffen in der afghanischen Hauptstadt begonnen hat, eine neue Regierung als Ersatz für das US-Marionettenregime zu bilden, das am Sonntag zusammengebrochen war.

Etwa 2.000 amerikanische Staatsbürger und Ortskräfte wurden am Mittwoch aus Kabul ausgeflogen, und das US-Militär erklärte, es könne sogar bis zu 9.000 Menschen pro Tag ausfliegen, sobald alle Landebahnen am Hauptflughafen frei seien. Der Flughafen wurde von mindestens 4.000 US-Soldaten bewacht, insgesamt sollen 6.000 dort stationiert werden.

Taliban-Kämpfer posieren am 18. August für ein Foto in dem Kabuler Stadtteil Wazir Akbar Khan (AP Photo/Rahmat Gul)

Der Befehlshaber des US Central Command General Frank McKenzie hatte laut Presseberichten am Sonntag in Doha (Katar) mit hohen Taliban-Führern über die Evakuierung verhandelt und war am Dienstag heimlich nach Kabul geflogen, um sie zu beaufsichtigen. McKenzie gab während seines Besuchs weder Interviews noch Treffen mit den Taliban öffentlich bekannt.

Dass sich der oberste US-Kommandant mit Erlaubnis der siegreichen Guerilla-Bewegung, gegen die er gekämpft hat, auf den Flughafen schleichen muss, verdeutlicht eindrücklich das Debakel des US-Imperialismus in Afghanistan.

Alle Schmähungen des Weißen Hauses gegenüber der abgesetzten afghanischen Regierung ändern nichts an der Tatsache, dass nicht nur die Marionettenregierung in Kabul eine vernichtende Niederlage erlitten hat, sondern auch die US-Regierung und Präsident Biden selbst.

Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Mark Milley wurden am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im Pentagon gefragt, ob die militärische Sperrzone um den Kabuler Flughafen so weit vergrößert werden solle, dass Evakuierungsrouten für in der Stadt gefangene Amerikaner aufgebaut werden können. Daraufhin erklärten sie offen, dies sei ihnen nicht möglich.

Milley erklärte, die US-Truppen seien nicht nur „nicht in der Lage“, in die Stadt vorzudringen, sondern jeder Versuch könnte zudem ihre Kontrolle über den Flughafen schwächen. Dieser sei nicht nur die einzige Rettungsmöglichkeit für Evakuierungswillige, sondern auch für die US-Truppen selbst.

Pentagon-Sprecher John Kirby enthüllte, dass sich US-Kommandanten „mehrfach täglich“ zu Gesprächen mit Taliban-Führern treffen, um militärische Konflikte zwischen US-Soldaten und Taliban-Kämpfern zu vermeiden. Die Luftbrücke soll bis zum 31. August fortgesetzt werden, dem Tag, den Präsident Biden als Stichtag für den Truppenabzug festgelegt hat. Bis dahin sollen täglich bis zu 9.000 Menschen aus dem Land ausgeflogen werden.

Doch in einem Interview mit dem ABC News-Moderator George Stephanopoulos, aus dem am Mittwochabend Auszüge gezeigt wurden, deutete Biden erstmals eine Verschiebung der Frist für den Truppenabzug bis nach dem 31. August an: „Wenn [nach dem 31. August] noch amerikanische Staatsbürger im Land sind, werden wir bleiben, bis alle draußen sind.“

Der oberste politische Führer der Taliban, Abdul Gani Baradar, der auch die Verhandlungen in Katar geleitet hatte, traf am Dienstag zum ersten Mal seit zehn Jahren in Afghanistan ein. Einen Großteil der letzten zehn Jahre hatte er im Gefängnis oder im Hausarrest in Pakistan verbracht, bevor er 2018 auf Drängen der Trump-Regierung freigelassen wurde, um die führende Rolle in Gesprächen mit den USA einzunehmen.

In Washington beklagten Kongressabgeordnete der Demokraten und Republikaner den schnellen Zusammenbruch in Afghanistan und attackierten die Biden-Regierung wegen ihrer Entscheidung zum Abzug der letzten 2.500 US-Truppen. Der Abzug der US-Truppen bildete den Auftakt zum Zusammenbruch des Marionettenregimes – nur elf Tage, nachdem die Taliban in die Offensive gegangen waren.

In dem Interview mit ABC News erklärte Biden gegenüber Stephanopoulos, er habe durchaus gewusst, dass man Afghanistan „nicht verlassen kann, ohne dass das Chaos ausbricht.“

Das ist ein bemerkenswertes Eingeständnis und verdeutlicht, dass alle früheren Versicherungen der US-Präsidenten Bush, Obama, Trump, und auch von Biden selbst über „Fortschritte“ in Afghanistan ein Haufen Lügen waren.

Alle diese Präsidenten, und eine Kette von Pentagon-Befehlshabern, Botschaftern und Militärkommandanten waren sich bewusst, dass das Marionettenregime in Kabul korrupt und unpopulär war. Sie alle vertuschten diese Tatsachen vor der Öffentlichkeit und stellten die US-Militärintervention als einen Krieg gegen „Terrorismus“ und für „Demokratie“ und Frauenrechte dar.

Der Kolumnist David von Drehle fasste die wirkliche Natur des Marionettenregimes in einem Kommentar in der Washington Post folgendermaßen zusammen: „Alle echten Anhänger des abgesetzten afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani würden in sein Fluchtauto passen, und es wäre noch genug Platz für massenweise Geld...“ (Berichten zufolge hat Ghani bei seiner Flucht aus dem Land 164 Millionen Dollar mitgenommen, mit denen er am Mittwoch in den Vereinigten Arabischen Emiraten eintraf, wo er ein Exil im Luxus genießen wird).

Die amerikanischen Medien reagieren weiterhin nahezu einmütig mit Ablehnung auf Bidens Rede vom Montag, in der er seine Entscheidung für den Abzug verteidigt hatte. Sie verbreiten trotz aller Enthüllungen – u.a. von Julian Assange und WikiLeaks – über US-Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung weiterhin unablässig pro-militärische Propaganda und stellen die US-Besatzung Afghanistans als Verteidigung des afghanischen Volkes dar.

Diese Kampagne zielt darauf ab, die grundlegende ideologische Prämisse des Imperialismus und Neokolonialismus zu erhalten: dass das imperialistische Militär die Grenze zwischen „Zivilisation“ und Barbarei bewacht. Auf diese Behauptung will Washington noch in anderen Ländern setzen, möglicherweise sogar in Afghanistan selbst, wenn die Umstände es erlauben.

Ein Bericht von CNN Business deutet an, welche materiellen Interessen wirklich hinter dem seit fast zwanzig Jahren andauernden Krieg stecken: „Die Taliban sitzen auf Mineralien im Wert von einer Billion Dollar, die die Welt dringend braucht“. Weiter heißt es, Afghanistan sei zwar eines der ärmsten Länder der Welt, allerdings befänden sich dort Bodenschätze im Wert von fast einer Billion Dollar, darunter nicht nur Eisen, Kupfer und Gold, sondern auch seltene Erden und „vielleicht am wichtigsten, die möglicherweise größten Lithiumvorkommen der Welt – eine wichtige, aber seltene Komponente in aufladbaren Batterien und anderen technologischen Erzeugnissen“.

Der Artikel warnt, dass der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwar die Ausbeutung dieses potenziellen Reichtums verhindert hat, doch dass jetzt China, das an Afghanistan angrenzt und Kontakte mit den Taliban unterhalten hat, einen Vorteil auf dem Weltmarkt erlangen könnte.

Selbst in der Niederlage konzentriert sich der amerikanische Imperialismus gleichzeitig auf potenzielle Profitquellen und seinen übergeordneten Kampf um die globale Vorherrschaft. Biden betonte am Montag in seiner Rede diesen Aspekt seiner Entscheidung zum Rückzug aus Afghanistan und bezeichnete „unsere wirklichen strategischen Konkurrenten China und Russland“ als wichtigere Gegenspieler seiner Regierung.

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