Massenmord der US-Armee an Frauen und Kindern in Syrien aufgedeckt

Vor knapp drei Jahren, als das von den USA angeführte Militärbündnis einige verbliebene Milizen des Islamischen Staats (IS) nahe der syrischen Stadt Baghus eingekesselt hatte, beging die US-Armee eine entsetzliche Gräueltat. Unter den Augen von Offizieren der Air Force, die das Geschehen über Drohnenkameras beobachteten, töteten US-Kampfflugzeuge mindestens 80 unbewaffnete Frauen und Kinder. Die Offiziere, die Zeugen des Angriffs wurden, drängten auf eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen.

In der Tat handelte es sich um ein Verbrechen von der Art, wie es Nazi-Führern in den Nürnberger Prozessen zur Last gelegt wurde. Es wurde jedoch drei Jahre lang von den USA und ihren NATO-Verbündeten vertuscht, bis nun am Samstag in der New York Times ein ausführlicher Artikel erschien, der sich auf Aussagen von US-Offizieren stützt.

Die Gräueltaten in Syrien erinnern an das Video Collateral Murder, das von der Whistleblowerin Chelsea Manning und dem WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange veröffentlicht wurde und auf dem zu sehen ist, wie US-Apache-Hubschrauber 2007 in Bagdad mehr als ein Dutzend unbewaffnete irakische Zivilisten abschlachten. Ebenso rufen sie das Massaker an Patienten und Krankenhauspersonal im afghanischen Kundus im Oktober 2015 in Erinnerung, und die Bombardierung von Hochzeitsfeiern, bei der Hunderte Menschen getötet wurden.

Nach einem Angriff auf Baghus, Syrien, am 22. März 2019 (AP Photo/Maya Alleruzzo)

Diese Morde sind keine Einzelfälle. Sie sind das Ergebnis der kriminellen Machenschaften des amerikanischen Imperialismus, der seit dreißig Jahren im Nahen Osten und Zentralasien Krieg führt, um sich die gesamte Region zu unterwerfen.

Die Enthüllungen über den Massenmord in Syrien stammen von Offizieren der Luftwaffe auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Udeid in Katar. Sie überwachten die Aufnahmen einer Drohnenkamera über Baghus.

An diesem Tag, so die Times, „kreiste die US-Militärdrohne hoch über den Köpfen der Menschen und suchte nach militärischen Zielen. Aber sie fand nur eine große Menge von Frauen und Kindern, die sich an einem Flussufer zusammendrängten. Ohne Vorwarnung durchquert ein amerikanischer F-15E-Kampfjet das hochauflösende Sichtfeld der Drohne und wirft eine 500-Pfund-Bombe auf die Menschenmenge ab, die von einer gewaltigen Explosion verschluckt wird. Als sich der Rauch verzogen hat, stolpern einige Menschen davon und suchen Schutz. Dann wirft ein Flugzeug, das sie verfolgt, eine 2.000-Pfund-Bombe ab, dann eine weitere, die die meisten Überlebenden tötet.“

„Wir haben gerade 50 Frauen und Kinder bombardiert“, sagte ein Offizier, der die Drohne überwachte. Wie das US Central Command der Times mitteilte, wurden sogar 80 Menschen getötet. Offiziere der Luftwaffe hätten später in einem geheimen Bericht von einer „schockierend hohen“ Zahl an Opfern gelesen.

Der Angriff war von einer US-Spezialeinheit, der Task Force 9, eingeleitet worden. Diese Einheit, die nicht der regulären Befehlskette untersteht und sich nicht mit den Offizieren der Luftwaffe in Katar abstimmte, beriet die mehrheitlich kurdische Miliz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bei deren Angriff auf Baghus.

Es ist nicht glaubwürdig, diese Tat einem Irrtum zuzuschreiben. Leicht bewaffnete IS-Kämpfer oder Zivilisten in Baghus waren den Drohnen und Kampfflugzeugen schutzlos ausgeliefert. Die Times räumt ein: „Drohnen der Koalition hatten das Lager wochenlang rund um die Uhr abgesucht und kannten fast jeden Zentimeter, so die Offiziere, einschließlich der täglichen Bewegungen von Frauen und Kindern, die sich zum Essen, Beten und Schlafen in der Nähe eines steilen Flussufers versammelten, das ihnen Schutz bot.“

Die US-Kriege im Nahen Osten und in Zentralasien wurden der Bevölkerung als „Krieg gegen den Terror“ verkauft. Der Mord in Baghus war jedoch selbst ein terroristischer Akt, mit dem deutlich gemacht werden sollte, dass der amerikanische Imperialismus vor nichts zurückschreckt, um die Bevölkerung zu unterjochen.

Der Militärjurist Oberstleutnant Dean Korsak wies die Bediener der Drohnen und die Besatzungen der Kampfflugzeuge an, alle Aufnahmen für spätere Ermittlungen aufzubewahren. Anschließend „meldete er den Angriff an seine Vorgesetzten und erklärte, es handele sich um ein mögliches Kriegsverbrechen, das laut den Vorschriften gründlich von unabhängiger Seite untersucht werden müsse“, so die Times. Korsaks Anliegen wurde durch Berichte von CIA-Beamten untermauert, die über die Operationen der Task Force 9 in Syrien „alarmiert“ waren.

Ihre Vorstöße wurden jedoch auf den höchsten Ebenen des Staats abgewürgt, sowohl unter der republikanischen Trump- als auch unter der demokratischen Biden-Administration.

Die westlichen Truppen in Baghus sorgten dafür, dass die Leichen verschwanden. „Auf Satellitenaufnahmen, die vier Tage später entstanden, ist zu sehen, dass der Uferabschnitt und das umliegende Gebiet, das unter der Kontrolle der Koalition stand, offenbar mit Bulldozern plattgewalzt worden war“, schreibt die Times. Sie zitiert einen ehemaligen Soldaten der US Army Special Forces, David Eubank, der eine Woche nach dem Angriff eintraf: „Der Ort war durch Luftangriffe pulverisiert worden... Es gab eine Menge frisch aufgewühlter Erde und den Gestank von Leichen darunter – vielen Leichen.“

Die Sonderermittlungsabteilung der US-Luftwaffe kümmerte sich nicht um Korsaks Beweismaterial. Einer ihrer Beamten schrieb Korsak unverblümt, dass sein Bericht wahrscheinlich nicht bearbeitet würde, da zivile Opfer nur dann untersucht würden, wenn „das Potenzial für ein großes Medieninteresse besteht, ein Aufschrei der örtlichen Gemeinschaft/Regierung zu befürchten ist oder sensible Bilder an die Öffentlichkeit gelangen könnten“.

Korsak wandte sich daraufhin an das Büro des unabhängigen Generalinspekteurs des US-Verteidigungsministeriums. Gene Tate, ein ehemaliger Navy-Offizier, der als Gutachter im Büro des Generalinspekteurs arbeitete, drängte auf eine Untersuchung von Korsaks Material. Ein Team in Tates Büro befand die Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen sogar für „äußerst glaubwürdig“. Doch am Ende wurde Tate gefeuert und im Oktober 2020 vom Sicherheitsdienst aus seinem Büro geworfen.

Nachdem Korsak vor einigen Monaten dem Streitkräfteausschuss des US-Senats sein Material übermittelt hatte, begann die New York Times mit ihren Recherchen.

„Indem ich Ihnen dies zukommen lasse, setze ich mich der Gefahr militärischer Vergeltung aus... Hochrangige US-Militärs verstießen bewusst und systematisch gegen die Vorschriften für gezielte Luftschläge“, schrieb Korsak in einer E-Mail an den Ausschuss.

Doch damit war die überparteiliche Vertuschung der Verbrechen des US-Imperialismus in Syrien noch nicht zu Ende. Der Senatsausschuss antwortete weder Korsak noch Tate. Das Büro des demokratischen Senators und Ausschussvorsitzenden Jack Reed lehnte es ab, mit der Times über die Gräueltat von Baghus zu sprechen.

Die Times selbst hatte den Artikel zunächst am späten Samstagabend ganz oben auf ihrer Website veröffentlicht, verschob ihn aber bereits am Sonntagnachmittag an eine verstecktere Stelle. Andere Medien haben kaum über die Enthüllungen berichtet.

Man kann sich leicht ausmalen, was passieren würde, wenn die US-Medien die Schuld für diese Gräueltat den Regierungen Syriens, Irans, Russlands, Chinas oder eines anderen Landes im Visier des Pentagons zuschieben könnten. Es gäbe empörte Rufe nach Einberufung des UN-Sicherheitsrats, Sanktionen, Kriegsdrohungen oder US-Raketenangriffe auf Damaskus. Wenn die Verantwortung jedoch unbestreitbar beim Pentagon liegt, wird sie von den Regierungen der USA und Westeuropas einfach vertuscht.

Die Gräueltat in Syrien macht erneut deutlich, welche Interessen hinter der Inhaftierung von Assange – der in Großbritannien im Gefängnis sitzt und dem die Auslieferung in die Vereinigten Staaten und damit Gefahr für Leib und Leben droht – und von Manning stehen. In den 30 Jahren, die seit der Auflösung der Sowjetunion vergangen sind, haben Washington und seine Verbündeten den Irak, Afghanistan, Syrien und andere Länder in Schutt und Asche gelegt. Millionen Menschen starben bei Ereignissen, die von den Massenmedien vertuscht wurden. Allerdings gibt es viele Zeugen, die aufdecken können, wer diese Verbrechen begangen hat oder daran beteiligt war.

Die Gräueltat von Baghus zeigt, dass die offiziellen Angaben über die Zahl der Todesopfer in Syrien weitgehend gefälscht sind. Von 2014 bis 2019 haben die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Länder bei der Zerstörung der IS-Enklave in Syrien und im Irak 35.000 Luftangriffe geflogen. „Fast 1.000 Angriffe trafen 2019 Ziele in Syrien und im Irak. Dabei wurden 4.729 Bomben und Raketen eingesetzt“, schreibt die Times. Die offizielle Zahl der zivilen Todesopfer für das gesamte Jahr beläuft sich jedoch nur auf 22, und die Angriffe vom 18. März 2019 stehen auf keiner Liste.

Während Washington behauptete, sein Krieg in Syrien habe nur wenige Opfer gekostet, verheimlichte es Berichte, die das Gegenteil beweisen. Das Pentagon wurde, wie die Times schreibt, „von der Menge der von Einheimischen, humanitären Gruppen und den Medien gemeldeten zivilen Opfer überwältigt, und ein Rückstau von Berichten über zivile Opfer blieb monatelang ungeprüft“.

Die rachsüchtige Strafverfolgung von Assange und Manning – und die Drohungen, denen nun auch Korsak und Tate ausgesetzt sein dürften – sollen sicherzustellen, dass Kriegsverbrechen, für die demokratische wie republikanischen US-Regierungen gleichermaßen verantwortlich sind, nicht geahndet werden.

Die internationale Arbeiterklasse muss ein Ende der Verfolgung von Assange fordern, dem die Auslieferung an die USA droht, weil er solche Verbrechen aufgedeckt hat. Die Verantwortlichen für den Massenmord in Baghus und dessen Vertuschung sowie für die unaufhörlichen Gräueltaten in der Region müssen strafrechtlich verfolgt werden.

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