Trotz Warnungen vor einem Weltkrieg mehren sich in Washington die Forderungen nach einem schärferen Vorgehen gegen Russland

Obwohl das Weiße Haus warnt, eine Eskalation des US-Engagements im Krieg zwischen Russland und der Ukraine könnte schnell einen dritten Weltkrieg auslösen, mehren sich aus den Reihen der Demokraten und der Republikaner die Forderungen nach einer aggressiveren US-Militärintervention.

Ein Typhoon-Kampfflugzeug der Royal Air Force (vorne) fängt im Jahr 2019 über Estland eine russische Su-30 Flanker ab. (Britisches Verteidigungsministerium via AP)

In der dritten Woche des Kriegs in der Ukraine verschärfen sich die Kämpfe rapide und führen zu einer stark wachsenden Zahl von getöteten Zivilisten und Soldaten.

Der ehemalige Senator für Connecticut und demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Joe Lieberman sprach sich in einer Kolumne im Wall Street Journal für eine Flugverbotszone über der Ukraine aus.

Lieberman schrieb: „Die Weigerung der Nato, die Ukraine durch eine Flugverbotszone vor den anhaltenden, willkürlichen und unmenschlichen russischen Luftangriffen zu schützen, ist strategisch schwach und moralisch falsch.“

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses hatte am Dienstag als Reaktion auf ähnliche Forderungen erklärt, die Errichtung einer Flugverbotszone würde „es erforderlich machen, dass wir russische Flugzeuge abschießen, wenn sie in unsere Flugverbotszone eindringen... Deshalb haben wir – haben wir noch Bedenken gegenüber einer Eskalation, die uns in einen Krieg mit Russland führen könnte, was der Präsident nicht will.“

Lieberman schrieb zu den Warnungen des Weißen Hauses: „Das andere Argument gegen die Errichtung einer Flugverbotszone ist, dass es Putin verärgern und den dritten Weltkrieg auslösen könnte. Doch Untätigkeit aufgrund von Angst verursacht normalerweise mehr Konflikte als ein Handeln auf der Basis von Selbstvertrauen. Angst vor dem Handeln macht es nicht nur Putin leichter, seinen unmenschlichen Krieg zu gewinnen, sondern bestätigt auch Staaten wie China in dem Glauben, sie könnten ihre Nachbarn überfallen, ohne eine Reaktion der USA fürchten zu müssen.“

Lieberman kommt zu dem Schluss: „Amerikanische oder andere Nato-Kampfflugzeuge in den Luftraum über der Ukraine zu schicken, um russische Flugzeuge fernzuhalten, würde das Leben und die Freiheit der ukrainischen Bevölkerung am Boden schützen und es möglich machen, Putins dreisten und brutalen Versuch zum Scheitern zu bringen, das Russische Reich wiederherzustellen, die globale Führungsposition der USA zu schwächen und die Weltordnung zu zerstören, die wir und unsere Verbündeten aufgebaut haben.“

In einer anderen Kolumne in der Washington Post mit dem Titel „Warum der Westen eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten muss“ hieß es: „Die Nato muss einschreiten und durch die Verhängung einer Flugverbotszone über der Ukraine weitere Zerstörungen verhindern. In der Vergangenheit hat der Westen solche Zonen über Libyen, Bosnien und dem Irak eingerichtet. Verdient die Ukraine unsere Hilfe etwa weniger?“

Ähnliche Forderungen erhob der polnische Botschafter in der Ukraine, Bartosz Cichocki. Er erklärte am Donnerstag gegenüber einem türkischen Sender: „Jeder Tag des Hinauszögerns kostet Hunderte von Menschenleben. Damit verlängert sich der Konflikt, den gerade die Schließung des Luftraums viel schneller beenden könnte.“

Polen stellte am Dienstag einen Plan vor, der vorsieht, seine Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 den USA zu übergeben und nach Deutschland zu fliegen, von wo aus sie in den ukrainischen Luftraum geflogen werden und russische Flugzeuge angreifen sollen.

Das polnische Außenministerium erklärte: „Die Behörden der Republik Polen... sind bereit, sämtliche MiG-29-Kampfflugzeuge – sofort und kostenlos – auf den Luftwaffenstützpunkt Ramstein zu verlegen und sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung zu stellen.“

Bisher hat das US-Militär diesen Vorschlag jedoch abgelehnt. Pentagon-Sprecher John Kirby erklärte in einer knapp formulierten Stellungnahme: „Unserer Meinung nach ist Polens Vorschlag nicht vertretbar.“

Weiter erklärte er, die Aussicht darauf, dass „der Regierung der Vereinigten Staaten Kampfflugzeuge zur Verfügung gestellt werden, die von einem US- bzw. Nato-Luftwaffenstützpunkt in Deutschland in einen von Russland umkämpften Luftraum über der Ukraine starten, würde ernste Schwierigkeiten für die gesamte Nato zur Folge haben.“

Die US-Presse verurteilte diese Warnungen des Weißen Hauses erbost. Der Kolumnist Marc A. Thiessen von der Washington Post forderte: „Schickt der Ukraine jetzt Flugzeuge.“

Das Wall Street Journal wiederum bezeichnete die Ablehnung des polnischen Angebots als „Fiasko“ und erklärte: „Was ist zwischen Blinkens Zustimmung und der Ablehnung durch das Pentagon passiert? Es ist schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass das Weiße Haus aus Angst, Putin zu provozieren, eingeknickt ist. Dieser fordert die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine.“

„Die Nato-Staaten schicken jedoch bereits alle möglichen Waffen in die Ukraine. Ist eine polnische MiG mit einem ukrainischen Piloten wirklich provokanter als eine türkische Drohne oder eine amerikanische Panzerabwehrrakete? Die Verlegung von Flugzeugen ist nicht das gleiche wie Nato-Kampfpiloten, die direkt russische Flugzeuge abschießen.“

Das Wall Street Journal schrieb in einer erschreckenden Erklärung: „Wenn er eskaliert, wird er dann Chemiewaffen oder taktische Kernwaffen benutzen? Wird die Nato dann auch nicht reagieren, weil sie den Dritten Weltkrieg befürchtet? Der Fehler mit den MiGs könnte Putin glauben machen, die Nato wird vor seinen Drohungen einknicken.“

Vertreter der russischen Regierung nehmen solche Äußerungen äußerst ernst. Am Donnerstag wurde der russische Außenminister Sergei Lawrow gefragt, ob er einen Atomkrieg zwischen den USA und der Nato für möglich hält.

Lawrow antwortete: „Die britische Außenministerin Liz Truss hat erklärt, sie rechne mit einem Krieg zwischen Russland und den Nato-Mächten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat erklärt, wenn die Nato es wolle, würden Atomwaffen auf dem Gebiet der östlichen Mitgliedsstaaten stationiert werden. Le Drian hat erklärt, Putin solle daran denken, dass Frankreich auch Atomwaffen besitzt. Und der französische Wirtschaftsminister [Bruno Le Maire] hat stolz erklärt, dass der Westen Russland den ,totalen Krieg‘ erklärt.“

Lawrow benutzte bewusst den Begriff „totaler Krieg“ auf Deutsch, womit er auf den deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg anspielte.

Dann erklärte er: „Das lässt uns natürlich vorsichtig sein.“

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, die Sanktionen gegen Russland seien „absolut beispiellos. ... Einen solchen Wirtschaftskrieg wie der, der gegen unser Land begonnen wurde, gab es noch nie. Deshalb ist es schwierig, irgendetwas vorherzusagen.“

Während sich die Kämpfe verschärfen, hat auch die Hetzkampagne gegen Russland einen Höhepunkt erreicht.

Wie Reuters am Dienstag berichtete, werden Facebook und Instagram ihre Richtlinien zur Hassrede ändern, sodass Gewaltaufrufe gegen russische Regierungsvertreter und Militärs erlaubt sein werden.

Reuters berichtete außerdem: „E-Mails zeigen, dass [die Muttergesellschaft von Facebook] Meta positive Äußerungen über das rechte Asow-Bataillon erlauben will, was normalerweise verboten ist.“

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