Perspektive

Aussperrung bei Canadian Pacific, Massenentlassungen bei den britischen Fähren

Skrupellose Reaktion der herrschenden Klasse auf den wachsenden Klassenkampf

In Reaktion auf den wachsenden internationalen Widerstand der Arbeiterklasse – gegen den sinkenden Lebensstandard, brutale Arbeitsbedingungen und die von Covid-19 ausgelöste anhaltende Katastrophe – greift die herrschende Klasse auf all ihre alten Methoden der Unterdrückung und des Klassenkampfes zurück, darunter Aussperrungen, Massenentlassungen und Gerichtsverfügungen gegen Streiks.

Am frühen Sonntagmorgen stellte die Canadian Pacific Railway (CP) den Betrieb ein, da eine zuvor vom Unternehmen gesetzte Frist von 72 Stunden für Aussperrungen erreicht war. Die 3.000 Beschäftigten der Eisenbahngesellschaft, der sechstgrößten in Nordamerika, hatten sich im vergangenen Monat fast einstimmig für einen Streik ausgesprochen, um die Arbeitszeiten, die keine ausreichenden Ruhezeiten zulassen, zu ändern und wesentliche Verbesserungen bei Löhnen und Renten zu erreichen.

Ein Zug von Canadian Pacific nahe der Kleinstadt Pritchard, British Columbia (Mariano Mantel/Flickr)

Die Teamsters-Gewerkschaft, die die Beschäftigten während der gesamten Verhandlungen über ihre Gespräche mit CP im Unklaren gelassen hat, gab am Donnerstag verspätet eine Streikankündigung heraus. Die Gewerkschaft, die sich der Wut der Beschäftigten über das arrogante und diktatorische Vorgehen des Unternehmens bewusst ist, kündigte in einem Versuch, ihr Gesicht zu wahren, am Samstagabend an, dass sie zusätzlich zur Aussperrung durch das Unternehmen einen Streik einleiten werde.

Sowohl kanadische als auch US-amerikanische Wirtschaftsvertreter fordern die Regierung des Liberalen-Premierministers Justin Trudeau auf, einzugreifen und die Arbeitsniederlegung zu beenden.

Der Präsident der kanadischen Handelskammer, Perrin Beatty, forderte Arbeitsminister Seamus O'Reagan (Liberale) auf, unverzüglich ein Gesetz vorzulegen, das Arbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit erzwingt: „Diese Arbeitsniederlegung wird tiefgreifende und negative Auswirkungen auf alle kanadischen Unternehmen – große wie kleine – haben, die in ihrer Lieferkette auf die Bahn angewiesen sind. Dieser schwere Schaden für die kanadischen Lieferketten in einer Zeit erhöhter globaler Unsicherheit wird über unsere Grenzen hinausreichen und unserem Ruf als zuverlässiger Partner im internationalen Handel schaden.“

In der vergangenen Woche forderten mehrere republikanische US-Senatoren und der Gouverneur von North Dakota in getrennten Schreiben Trudeau auf, zu intervenieren, um eine Arbeitsniederlegung zu verhindern, und verwiesen zur Rechtfertigung auf die stark gestiegenen Kraftstoffpreise und die Versorgungsengpässe in der Landwirtschaft aufgrund des Krieges in der Ukraine. Canadian Pacific befördert Güter bis nach Kansas City in den USA und ist ein wichtiger Transporteur von Rohöl und Pottasche, einem wichtigen Düngerbestandteil.

Hinter den zynischen Bekenntnissen, sich um die Auswirkungen der steigenden Gas- und Lebensmittelpreise auf die Verbraucher zu sorgen, verlangt die herrschende Klasse immer mehr, dass im Dienste des „nationalen Interesses“ und der Kriegsvorkehrungen gegen Russland Sparmaßnahmen durchgesetzt und Kämpfe der Arbeiterklasse unterdrückt werden.

Das skrupellose Vorgehen der Unternehmensleitung von Canadian Pacific einerseits und die Entschlossenheit der Eisenbahner, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, andererseits sind Teil einer breiteren Verschärfung des Klassenkampfes auf internationaler Ebene:

  • In Großbritannien hat P&O Ferries am Donnerstag ihre gesamte 800-köpfige Belegschaft auf der Stelle entlassen. Das Unternehmen, das Passagier- und Frachttransporte zu mehreren europäischen Häfen anbietet, setzte privates Sicherheitspersonal ein, um die Beschäftigten zu zwingen, sofort ihr Hab und Gut einzusammeln und die Schiffe zu verlassen, und ersetzte sie durch Leiharbeiter, die nur einen Bruchteil des Lohns erhielten. Als Reaktion darauf zogen die Fährarbeiter in Hull zunächst die Landungsbrücken hoch und weigerten sich, die Polizei oder die Ersatzleute auf ihre Schiffe zu lassen, während die Arbeiter in Dover die Straßen und den Zugang zum Hafen blockierten, bevor das Sicherheitspersonal sie schließlich zwang, den Hafen zu verlassen. Am Freitag demonstrierten hunderte Arbeiter und ihre Familienangehörigen in den betroffenen Städten. In Dover riefen sie: „Beschlagnahmt die Schiffe – jetzt!“
  • In Indien streiken mehr als 70.000 Beschäftigte der Busagentur Maharashtra State Road Transport Corporation (MSRTC) seit 20 Wochen und widersetzen sich wiederholt den Anordnungen der Regierung, die Arbeit wieder aufzunehmen, sowie der Androhung von Massenverhaftungen. Die Arbeitsniederlegung erfolgte gegen den Widerstand von etwa zwei Dutzend Gewerkschaften, die sich der einstweiligen Verfügung beugten und sich weigerten, den Streik zu genehmigen. Die Beschäftigten fordern, dass die Agentur mit der Landesregierung zusammengelegt wird, um bessere Löhne und Leistungen zu leisten, sowie eine Entschädigung für die Familien von 700 Arbeiterinnen und Arbeitern, die an Covid-19 gestorben sind. MSRTC hat 2.216 der Streikenden entlassen und weitere 12.207 suspendiert.
  • In Spanien traten am vergangenen Montag schätzungsweise 75.000 Lkw-Fahrer in einen unbefristeten Streik wegen steigender Kraftstoffpreise und schlechter Arbeitsbedingungen. Der spanische Staat, der von einer Koalitionsregierung aus der Sozialistischen Partei (PSOE) und der pseudolinken Podemos-Partei geführt wird, hat darauf mit aller Härte reagiert. Letzte Woche wurde ein 33-jähriger Streikender von einem Undercover-Polizisten angeschossen und schwer verletzt, und die PSOE-Podemos-Regierung hat angekündigt, mehr als 23.000 Polizisten zu mobilisieren, um den Streik niederzuschlagen.
  • In den USA hat ein Bundesrichter im vergangenen Monat eine Anti-Streik-Verfügung gegen 17.000 BNSF-Eisenbahner aufrechtgehalten. Das Gerichtsurteil, das sich auf das reaktionäre Eisenbahnarbeitsgesetz stützt, besagt, dass es den Arbeitern untersagt ist, „Streiks, Protestkundgebungen, Streikposten, Bummelstreiks, Arbeitsniederlegungen, Krankmeldungen oder andere eigenmächtige Aktionen gegen die BNSF oder ihre Bahntöchter zu genehmigen, zu ermutigen, zuzulassen, dazu aufzurufen oder sich anderweitig daran zu beteiligen“. Zu Beginn dieses Jahres stimmten die Beschäftigten mit überwältigender Mehrheit für einen Streik gegen die weithin verhasste und strafbewehrte „Hi-Viz“-Anwesenheitspolitik, die das Unternehmen am 1. Februar einseitig eingeführt hatte.
  • Am Sonntag unterbreitete der von der Demokratischen Partei dominierte Vorstand der öffentlichen Schulen von Minneapolis ein „letztes, bestes und endgültiges Angebot“ für die unterstützenden pädagogischen Fachkräfte, um den Streik von rund 4.500 Pädagogen zu beenden. Provokativ kündigte die Schulbehörde an, dass eine auch nur bescheidene Anhebung der Löhne für das unterstützende Personal (das so schlecht bezahlt wird, dass einige gezwungen sind, in ihren Autos zu schlafen) von den Auswirkungen der Haushaltskürzungen in Höhe von 10 Millionen Dollar im nächsten Jahr abhängen würde.

Angesichts der rasant eskalierenden Kriegsanstrengungen der USA und ihrer Nato-Verbündeten verdoppeln die Gewerkschaften ihre Bemühungen, das Diktat der Konzerne und des Staates durchzusetzen, indem sie Streiks entweder blockieren oder – wenn sie dazu nicht in der Lage sind – versuchen, sie zu isolieren. Im Gegenzug stützen sich die kapitalistischen Regierungen, insbesondere die Biden-Regierung, immer stärker auf die weitgehend diskreditierten Gewerkschaften, um den Widerstand zu unterdrücken.

In Kanada hat die Trudeau-Regierung bisher davon abgesehen, direkt einzugreifen, um die Arbeitsniederlegung bei der Bahn zu beenden, und stattdessen die Teamsters unter Druck gesetzt, sich mit dem Unternehmen zu einigen oder ein verbindliches Schiedsverfahren zu akzeptieren. In den USA traf sich das Weiße Haus mit Vertretern der United Steelworkers, um einen Streik von 30.000 Beschäftigten in Ölraffinerien und der Petrochemie zu verhindern und das Diktat der Energieriesen durchzusetzen, die von einem explosionsartigen Anstieg der Ölpreise profitieren. Die USW hat die Vereinbarung seitdem als „verantwortungsvoll“ und „nicht inflationär“ angepriesen.

In den westlichen Medien wurde eine Flut von Propaganda veröffentlicht, die den Krieg in der Ukraine als einen Kampf für „Demokratie“ und „Freiheit“ darstellt. Doch im Gegensatz zu diesen heuchlerischen Behauptungen zählen die demokratischen Rechte der Arbeiter in den Vereinigten Staaten und bei ihren Verbündeten zunehmend nichts mehr. In dem Maße, in dem Arbeiter Streiks und andere Kämpfe zur Verbesserung ihres Lebensstandards führen, werden sie zunehmend als „Putins Handlanger“ und als Bedrohung des nationalen Interesses beschimpft, wie die streikenden Londoner U-Bahn-Beschäftigten kürzlich erfahren mussten.

Die herrschenden Eliten sind mit einer unlösbaren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise konfrontiert. Die Versorgungsketten sind zunehmend zerrissen, eine Folge der katastrophalen Reaktion der großen kapitalistischen Länder auf die Pandemie und – in jüngster Zeit – dem rücksichtslos angezettelten militärischen Konflikt in der Ukraine, sowie der beispiellosen Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die in einen offenen Weltkrieg zu münden drohen. Gleichzeitig sind die Aktienwerte nach wie vor so aufgebläht und fragil wie nie zuvor, da die Zentralbanken seit Beginn der Pandemie praktisch kostenloses Geld verteilt haben – was zu rasanten spekulativen Investitionen geführt hat.

Unter diesen Bedingungen sind niedrige Löhne und Arbeitsdisziplin für die herrschende Klasse eine lebenswichtige Notwendigkeit, und sie wird alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden der staatlichen Repression einsetzen, um sie zu sichern. Bei der Ankündigung einer Zinserhöhung Anfang dieser Woche wies der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell auf die Notwendigkeit hin, die Inflation zu senken, um den wachsenden Forderungen nach höheren Löhnen entgegenzuwirken. Er sagte, die Löhne der Arbeiter würden „in einer Weise steigen, die nicht mit einer Inflation von 2 Prozent im Laufe der Zeit vereinbar ist“. Er fügte hinzu: „Wir müssen unsere Instrumente nutzen, um die Inflation auf 2 Prozent zu senken.“

Arbeiter in aller Welt befinden sich zunehmend in einem politischen Kampf gegen eine herrschende Klasse, die der Bevölkerung nichts anderes zu bieten hat als eine nicht enden wollende Pandemie, niedrige Löhne, unerträglich lange Arbeitszeiten, Austerität und Krieg. Doch dieselben grundlegenden Widersprüche, die die herrschenden Eliten auf den verhängnisvollen Weg des Krieges treiben, verschärfen die Klassenspannungen enorm und radikalisieren breite Schichten der Bevölkerung. In den letzten Jahren haben sich Arbeiter zunehmend gegen die Bemühungen der Gewerkschaften aufgelehnt, Zugeständnisse zu erzwingen, und haben allein im Jahr 2021 bei den folgenden Konzernen mit überwältigender Mehrheit gegen Vereinbarungen gestimmt, die von den Gewerkschaften befürwortet wurden: Warrior Met Coal, Volvo, Deere, Dana Corp, Frito-Lay, Kellogg's und viele andere.

Um die Isolation zu durchbrechen, die die korporatistischen Gewerkschaften ihren Kämpfen auferlegt haben, brauchen Arbeiter neue Organisationen: Aktionskomitees in allen Fabriken und Betrieben, die sich auf die Methoden des Klassenkampfes und einen unnachgiebigen Kampf für die Bedürfnisse aller Arbeiter stützen. Gleichzeitig zeigt die wachsende Rücksichtslosigkeit der herrschenden Klasse und ihres Staates, dass die Arbeiter eine eigene politische Perspektive und ein eigenes Programm annehmen müssen, das die Arbeiterklasse auf internationaler Ebene im Kampf für Sozialismus und soziale Gleichheit und gegen den Krieg mobilisiert.

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