Rede zum 1. Mai 2022

Herrschende Klasse in Australien schürt Kampagne gegen China

Dies ist die Rede, die Cheryl Crisp am 1. Mai 2022 auf der internationalen Online-Maikundgebung gehalten hat. Crisp ist die nationale Sekretärin der Socialist Equality Party in Australien. Um alle Reden anzusehen, besucht unsere Themenseite.

Cheryl Crisp, nationale Sekretärin der Socialist Equality Party in Australien

Im Namen der SEP Australien heiße ich alle, die an der Internationalen Maikundgebung 2022 teilnehmen, willkommen.

Seit wir vor einem Jahr das letzte Mal den internationalen Tag der Arbeiterklasse gefeiert haben, hat sich viel verändert.

Die ungebremste Ausbreitung von Covid-19 in allen Ländern mit Ausnahme von China hat fast 20 Millionen Menschen zu einem unnötigen Tod verurteilt. Ein Virus, von dem die Wissenschaft, die Medizin und Gesundheitsexperten wussten, wie es eliminiert werden kann, wurde auf die Weltbevölkerung losgelassen, da man der Produktion, dem Profit und dem Reichtum den Vorrang gab.

Der Krieg in der Ukraine bedroht den Planeten mit einem Dritten Weltkrieg und einem Atomkrieg. Er ist das Ergebnis lang gehegter Pläne des US-Imperialismus, Russland zu zerstückeln und zu vernichten. In diesem Stellvertreterkrieg der Nato und der USA gegen Russland wird die Ukraine als Aufmarschgebiet und ihre Bevölkerung als Kanonenfutter benutzt.

Die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt sieht sich mit einer Inflationsspirale konfrontiert, die zu steigenden Preisen, Lebensmittelknappheit, Hunger und Hungertoten führt. Das sind die Folgen sowohl der Pandemie als auch des Kriegs.

Trotz des ständigen Mantras, dass Australien ein „glückliches“ Land mit einer Ausnahmestellung sei, hat sich das Land tiefgreifend gewandelt. Wie in den meisten Ländern ist das Leben der Menschen hier im Vergleich zum Leben von vor lediglich zwei Jahren nicht wiederzuerkennen.

Letztes Jahr um diese Zeit gab es in Australien weniger als 30.000 Corona-Infektionen. Heute sind es fast 6 Millionen, wobei 96 Prozent dieser Fälle in den letzten fünf Monaten aufgetreten sind. Die Zahl der Todesfälle lag im Mai 2021 bei 910. Heute sind es 7.142, wobei 72 Prozent der Fälle auf die Zeit nach dem 1. Dezember 2021 entfallen.

Das Land befindet sich derweil mitten im Wahlkampf. Die Koalitionsregierung von Scott Morrison und die Labor Party, die sich in der Opposition befindet, haben sich verschworen, damit Covid nicht erwähnt wird. Trotz steigender Infektionsraten, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle heißt es: „Die Pandemie ist vorbei.“

Der Grund für diese Katastrophe ist, dass alle Maßnahmen, die die Regierung im März 2020 zähneknirschend eingeführt hatte und die die Zahl der Infektionen und Todesfälle relativ niedrig gehalten hatten, wieder abgeschafft wurden. Alles wurde fallen gelassen: Lockdowns, Tests, Isolierung, Kontaktverfolgung und Maßnahmen zur sozialen Distanzierung. Auch jegliche Berichterstattung über die Pandemie wurde aufgegeben.

An deren Stelle ist ein fieberhafte Kriegshysterie getreten, die die Bevölkerung auf eine militärische Konfrontation mit China vorbereiten soll. Die gesamte politische Elite, allen voran die Koalition und die Labor Party, überbieten einander gegenseitig in ihren schäumenden Denunziationen Chinas. Es geht ihnen darum, zu verdeutlichen, wer dem US-Imperialismus am besten dienen und Provokationen gegen China vorantreiben kann.

Es ist kaum zu glauben, dass die Vereinigten Staaten, während sie den Krieg gegen Russland anheizen, der eine Katastrophe in Europa und darüber hinaus herbeizuführen droht, gleichzeitig noch die Kriegsvorbereitungen gegen China verstärken.

Australische Politiker und die Biden-Regierung in den USA reagierten hysterisch auf die Unterzeichnung eines Sicherheitspakts zwischen China und dem winzigen Inselstaat der Salomonen vor einer Woche. Die Inseln haben weniger als 700.000 Einwohner und sind tausende Kilometer von Australien und den USA entfernt. Die hysterischen Reaktionen sind darauf zurückzuführen, dass der Pakt als Bedrohung für die langfristige Hegemonie der USA im Pazifik gesehen wird, den man in Washington als einen „amerikanischen See“ bezeichnet.

Der australische Verteidigungsminister Dutton erklärte am ANZAC Day, dem Tag, an dem die australische herrschende Klasse das Gemetzel des Ersten Weltkriegs feiert, dass damals „der Weg zur Erhaltung des Friedens darin bestand, sich auf den Krieg vorzubereiten“. Premierminister Morrison droht damit, dass eine „rote Linie“ überschritten würde, wenn die Chinesen eine Militärpräsenz auf den Salomonen einrichten würden, die „vor der Haustür Australiens“ lägen – eine kaum versteckte Drohung mit einer Militärintervention.

Doch war es die Labor Party, die auf das Abkommen mit den kriegerischsten und geradezu verstörenden Anschuldigungen reagierte. Labors Schattenaußenministerin Penny Wong bezeichnete das Versäumnis der Regierung, die Unterzeichnung des Abkommens zu verhindern, als den „größten außenpolitischen Fehler im Pazifik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“.

Labor hat sich der Reaktion der USA angeschlossen, bei der Kurt Campbell, der Koordinator des Weißen Hauses für den Indopazifik, in die Hauptstadt der Salomonen, Honiara, entsandt wurde. Er drohte wie ein Mafia-Don: „Sollten Schritte unternommen werden, um eine praktisch permanente [chinesische] Militärpräsenz, Kapazitäten zur Machtprojektion oder eine Militäreinrichtung zu etablieren, so hätten die Vereinigten Staaten erhebliche Bedenken und würden entsprechend reagieren.“ Es existieren mehr als bloß Indizien dafür, dass militärische Maßnahmen und ein Regimewechsel in Betracht gezogen werden.

Die atemberaubende Heuchelei ist vor aller Augen sichtbar. Der Ukraine wurden unbegrenzt tödliche Waffen, militärische Ausbildung und finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um – wie es heißt – ihr Recht auf Mitgliedschaft in der NATO zu wahren. Doch wenn die Salomonen von ihrem Recht Gebrauch machen, einen Pakt mit China zu schließen, werden sie von der mächtigsten Militärnation der Welt bedroht, mit Unterstützung ihres Hilfssheriffs im Pazifik, der australischen Regierung und der Labor Party.

Die SEP stellt den Kampf für die Einheit der chinesischen und australischen Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus, d. h. die Wurzel des Kriegs, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes.

Tatsächlich ist der einzige Krieg, der geführt werden sollte, der gegen Covid. Doch die herrschende Elite in jedem Land hat diesen Kampf aufgegeben, und die einfachen Menschen, die Armen und die Arbeiterklasse, zahlen den Preis dafür.

Wie auf internationaler Ebene ist es auch hierzulande die Arbeiterklasse, die am stärksten von dem Virus betroffen ist. 36 Prozent aller Covid-19-Todesfälle ereigneten sich in den 20 Prozent der Gebiete, die am stärksten benachteiligt sind. Nur 9,8 Prozent entfielen auf die 10 Prozent an der Spitze, die die meisten Vorteile genießen. Einwanderer in Australien starben mehr als zweieinhalbmal so häufig an Covid-19 wie hier geborene Menschen und im Nahen Osten geborene Menschen starben fast neunmal so häufig wie der Durchschnitt. Die Zahl der Todesfälle infolge von Long Covid nimmt in alarmierendem Maße zu.

Die Pandemie und jetzt auch der Krieg in der Ukraine haben zu einem massiven Anstieg der Lebenshaltungskosten aufgrund von Preissteigerungen bei Kraftstoffen und Lebensmitteln geführt. Die Inflation in Australien ist im letzten Quartal sprunghaft auf 5,1 Prozent angestiegen, was dem stärksten Anstieg seit fast drei Jahrzehnten entspricht, wenn man die im Jahr 2000 eingeführte Goods and Services Tax nicht mit einberechnet. Damit ist die heutige Inflation höher als nach der weltweiten Finanzkrise von 2008. Für Güter oder Dienstleistungen des Grundbedarfs beträgt sie fast 7 Prozent. Die Löhne hingegen stagnieren seit fast einem Jahrzehnt.

Das Recht auf ein Dach über dem Kopf ist Geschichte. Fast 10 Prozent der ärmsten Wähler im Land haben eine Hypothekenbelastung von bis zu 76 Prozent – und das vor der geplanten Zinserhöhung, die bereits nächste Woche erfolgen könnte. Von den 46.000 landesweit verfügbaren Mietwohnungen sind nur 32 für Bezieher von Arbeitslosengeld bezahlbar.

Es sind diese unerträglichen Bedingungen, die die Arbeiter in den Kampf treiben. Krankenschwestern, Sanitäter, Beschäftigte des Gesundheitswesens und jetzt auch Lehrer streiken gegen die lähmende Arbeitsbelastung und die unterdurchschnittliche Bezahlung. Es entwickelt sich eine Rebellion gegen die Regierung und die Gewerkschaften, die die Forderungen der Regierung durchsetzen.

Die Lösung dieser Katastrophe, die sich immer weiter zuspitzt, kann nicht darin bestehen, Druck auf Parteien, Regierungen oder Gewerkschaften auszuüben. Stattdessen müssen unabhängige Aktionskomitees in Fabriken, Schulen, Krankenhäusern und Stadtvierteln aufgebaut werden, die die Führung und die sozialistische Perspektive bieten können, die notwendig sind, um diese Kämpfe zu führen.

Abschließend betonen wir an diesem 1. Mai besonders die internationale Einheit der Arbeiterklasse. Wir wenden uns insbesondere an die chinesische Arbeiterklasse, die größte der Welt. Der Feind der Arbeiter in Australien und weltweit sind nicht die chinesischen Massen, sondern die Kapitalistenklasse. In Geschlossenheit mit allen Teilen der Arbeiterklasse müssen wir uns organisieren und für eine sozialistische Zukunft kämpfen.

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