Französische Pfleger führen landesweiten eintägigen Streik

Am 7. Juni protestierten die französischen Krankenpfleger mit einem landesweiten Streik gegen fehlende Mittel, niedrige Löhne und eine Welle von Schließungen der Notaufnahmen in öffentlichen Krankenhäusern. Da die Arbeiterinnen und Arbeiter im dritten Jahr der Corona-Pandemie erschöpft und wütend über die unzumutbaren Arbeitsbedingungen sind, nähert sich der Personalmangel einem kritischen Punkt an und zwingt die Krankenhäuser zu deutlichen Einschränkungen der Patientenversorgung.

Der Streik ist Teil eines anschwellenden internationalen Kampfes von Pflege- und Gesundheitsarbeitern gegen die Unterordnung der medizinischen Versorgung unter das private Profitstreben und die verheerenden Folgen der mörderischen offiziellen Reaktion auf die Corona-Pandemie. In den letzten Wochen beteiligten sich zehntausende Arbeiter an Streiks in Schottland, der Türkei, Madrid und Nordrhein-Westfalen. In den US-Bundesstaaten Minnesota, Kalifornien und New Jersey protestieren Beschäftigte des Gesundheitswesens mit Massenstreiks gegen den Versuch, die Pflegerin RaDonda Vaught für einen medizinischen Fehler im Jahr 2017 zu schikanieren.

In Frankreich ist der Zugang zu medizinischer Versorgung in Gefahr, da die Austeritäts- und Durchseuchungspolitik von Präsident Emmanuel Macron die Krankenhäuser ans Limit bringt. Viele Notaufnahmen wurden vorübergehend geschlossen, in anderen Krankenhäusern wurde der Zugang beschränkt. Betroffen sind u.a. die Universitätskrankenhäuser in Amiens, Angers, Bordeaux, Caen, Clermont-Ferrand, Dijon, Grenoble, Lyon, Metz, Nizza, Orleans, Reims, Rennes und Straßburg. Zudem besteht Personalmangel in Geburtskliniken, wodurch Schwangerschaftskontrollen und die Sicherheit bei Geburten gefährdet sind.

Ärzte und Pflegekräfte warnen, dass den französischen Krankenhäusern ohne eine massive Geldspritze und deutlich mehr Personal der Zusammenbruch droht. Dr. Frédéric Adnet vom Krankenhaus Avicenne erklärte: „Die Notaufnahmen stehen am Rand des Zusammenbruchs. Es ist gleichzeitig ein Symptom und ein Ergebnis einer tiefen Krise der Krankenhäuser, die sich durch die Pandemie noch weiter verschärft hat. Weil Personal fehlt, droht einer von fünf Stationen im Sommer die Schließung.“

Dr. Anwar Ben Hellal vom Krankenhaus Versailles prognostizierte einen „katastrophalen“ Sommer, in dem „die Menschen vor den verschlossenen Türen der Notaufnahmen stehen... Bereits jetzt sterben Menschen wegen fehlender Aufsicht, weil Personal und Betten fehlen.“ Er fügte hinzu, dass das Personal wegen Unterbesetzung jahrelang dauerhaft Schichten von 70 bis 80 Stunden pro Woche gearbeitet hat, jetzt aber völlig erschöpft kündigt.

Reporter der WSWS sprachen am Dienstag mit streikenden Pflegekräften, die sich zu einer Protestveranstaltung vor dem Gesundheitsministerium in Paris versammelt hatten.

Amélie und Marine

Amélie erklärte gegenüber der WSWS: „Wir haben seit den letzten Protesten immer wieder aus dem gleichen Grund gestreikt: weil die öffentlichen Krankenhäuser nicht die notwendigen Mittel bekommen. Wir bekommen weder das Material, noch genug Arbeitskräfte. Deshalb sind wir hier... Es ist sehr frustrierend, dass wir uns nicht ordentlich um unsere Patienten kümmern können.“

Marine erklärte: „Zu Beginn der Pandemie haben sie uns Helden genannt, aber jetzt werden wir offensichtlich im Stich gelassen.“ Als Amélie darauf hinwies, dass Pflegekräfte in französischen öffentlichen Krankenhäusern zwischen 1.400 und, zum Ende ihrer Berufslaufbahn, 2.000 Euro verdienen, fügte Marine hinzu, Berufsanfänger würden „wie Kassierer bezahlt, obwohl wir für Menschenleben verantwortlich sind.“

Rachid

Reporter der WSWS sprachen außerdem mit Rachid über die enorme Wut, die sich unter Arbeitern im Gesundheitswesen über die Reaktion auf die Corona-Pandemie entwickelt.

Rachid erinnerte an die essenzielle Rolle, die schlecht bezahlte Pflegekräfte, Beschäftigte der Lebensmittelbranche und des Einzelhandels während der ersten Welle des Virus gespielt hatten. Die Streiks und die wachsende Besorgnis der Bevölkerung hatte Macron zum ersten Lockdown gezwungen. Rachid erklärte: „Während der ersten Welle von Covid-19 waren Arbeiter, die zwischen 1.000 und 2.000 Euro verdienten, mit einem Virus konfrontiert, das niemand kannte, und das überall in den Krankenhäusern die Leute dahingerafft hat.

Die Pfleger und medizinischen Angestellten haben in der ersten Welle die Zügel übernommen... Aber dann hat sich die Bürokratie die Macht zurückgeholt und weiterhin Betten abgebaut... Kein Politiker hat etwas gegen die Krankenhauskrise unternommen.“

Reporter der WSWS wiesen auch auf den atemberaubenden und erschreckenden Gegensatz zwischen China und Frankreich hin. Während China das Virus durch einen strengen Lockdown eliminiert hat, ließ Macron es zurückkehren und weigerte sich, Fälle zu registrieren, nachzuverfolgen und zu isolieren. Deshalb konnte sich das Virus in Frankreich und ganz Europa wieder ausbreiten. In China sind weniger als 6.000 Menschen an Covid-19 gestorben, in Europa hingegen fast zwei Millionen, fast 150.000 davon in Frankreich.

Rachid antwortete: „Was ich aus China während der ersten Welle in Erinnerung behalte, ist die Tatsache, dass sie es in zehn Tagen geschafft haben, ein Krankenhaus zu bauen. Wir befanden uns inmitten einer Pandemie und haben Betten abgebaut... Ihr erinnert euch wahrscheinlich daran, wie andere Pflegekräfte Müllsäcke als Schutz benutzt haben, wie in einem Entwicklungsland. Deshalb wollen viele Pflegekräfte nicht mehr weiterarbeiten, und viele werden es auch nicht mehr.“

Er erklärte, dass die greifbare Verachtung der Regierung gegenüber der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit die Unterstützung für die wenigen noch verbliebenen Gesundheitsmaßnahmen beeinträchtigt. N95- oder FFP2-Masken seien zwar Mindestschutzstandards, doch „in meiner Station haben ich und viele meiner Kollegen nur chirurgische Masken, wenn wir in Räume mit Covid-Patienten gehen. Deswegen wird es immer schwerer, am Grundsatz der allgemeinen Maskenpflicht festzuhalten, hauptsächlich wegen der Willkür der Regierungspolitik.“

Er kritisierte die Macron-Regierung dafür, ungeimpfte Pflegekräfte zu entlassen, die sich stets negativ auf das Coronavirus getestet hatten, während gleichzeitig geimpfte und positiv getestete Pflegekräfte weiterarbeiten und gefährdete Patienten behandeln mussten. Er äußerte sich erbittert über die „Blitzmission“, die Macron am 31. Mai angekündigt hatte, um durch die Einsetzung eines Komitees die Bedürfnisse der Krankenhäuser „auszuwerten“.

Er erklärte: „Die Ausbildungskurse für Pfleger sind gähnend leer. Und von den wenigen Schülern hört die Hälfte wieder auf. Wenn sie endlich ein Praktikum bekommen, erhalten sie so wenig Aufsicht, dass sie sich sagen: ‚Auf keinen Fall kann ich einen solchen Beruf lernen.‘ Und dann stellt sich unser Präsident hin und redet von einer ‚Blitzmission‘, was für eine Katastrophe. Es ist einfach eine weitere irrelevante Maßnahme.“

Der Ausweg liegt darin, den wachsenden internationalen Widerstand der Arbeiter im Gesundheitswesen und anderen Branchen gegen das kapitalistische System zu mobilisieren und zu vereinigen. Die schrecklichen Bedingungen in Krankenhäusern in Frankreich und auf der ganzen Welt hängen untrennbar mit der jahrzehntelangen Unterfinanzierung des Gesundheitswesens durch die kapitalistischen Regierungen jeder Couleur zusammen, die sich durch die Corona-Pandemie noch deutlich verschlimmert hat.

Ohne ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen zur Beendigung der Corona-Pandemie und für die Eliminierung des Virus wird sich der ausufernde Zusammenbruch des Gesundheitssystems nicht verhindern lassen. Nachdem Macron und alle anderen Regierungen der Europäischen Union die Gesundheitsmaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 eingestellt haben, bahnt sich eine neue Welle des Virus an. In Frankreich gibt es jede Woche mehr als 140.000 Fälle und 200 Tote durch Covid-19, worauf die Macron-Regierung jedoch mit völliger Gleichgültigkeit reagiert.

Zudem steckt Macron hunderte Millionen Euro in die Bewaffnung ukrainischer Militäreinheiten und rechtsextremer Milizen mit Nato-Waffen für einen Krieg gegen die Atommacht Russland, und bedroht zunehmend auch China.

Die Mobilisierung und internationale Vereinigung der Arbeiter im Gesundheitswesen erfordert einen Bruch mit den nationalen Gewerkschaftsbürokratien, die Pflegekräfte entlang nationaler Grenzen spalten und versuchen, mit zahnlosen Proteststreiks Dampf abzulassen. Arbeiter brauchen ihre eigenen von den Gewerkschaften unabhängigen Aktionskomitees, denn jene handeln mit den kapitalistischen Regierungen immer neue Sparmaßnahmen aus.

Der Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWARFC) gibt der Arbeiterklasse die Chance, ihre industrielle Stärke zu organisieren und zu mobilisieren, um imperialistische Kriege zu stoppen, Covid-19 zu eliminieren und den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu führen, in der das gesellschaftliche Vermögen benutzt wird, um dringliche soziale Bedürfnisse wie die Gesundheitsversorgung zu befriedigen.

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