Perspektive

100 Milliarden Sondervermögen: Deutschland rüstet für den dritten Weltkrieg

Eine Woche nachdem der Bundestag das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von über 100 Milliarden Euro verabschiedet hat, passierte es am Freitag auch den Bundesrat. Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) verurteilen die Kriegsoffensive. Wir geben der massiven Opposition unter Arbeitern gegen den Kriegswahnsinn eine Stimme und eine sozialistische Perspektive.

Mit dem Beschluss hat die herrschende Klasse die größte Aufrüstungsspirale seit dem Untergang des Nazi-Regimes in Gang gesetzt. Die politischen, historischen und sozialen Implikationen sind enorm. Deutschland – das bisher bereits auf Platz fünf der Länder mit dem höchsten Militärbudget stand – soll in den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) künftig über die „mit Abstand größte konventionelle Armee in Europa“ verfügen.

Nachdem inmitten der nach wie vor grassierenden Covid-19-Pandemie Kliniken, Schulen und Kitas an den Rand des Zusammenbruchs gebracht und Milliardenbeträge bei Bildung und Sozialem gekürzt wurden, werden für die Streitkräfte über Nacht 100 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt. Der Kriegsetat soll damit jährlich auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen.

Das Ausmaß der Aufrüstung ist gigantisch. Das Erreichen des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels bedeutet, dass die Verteidigungsausgaben allein in diesem Jahr von knapp 50 auf über 70 Milliarden Euro ansteigen. Das entspricht einer Zunahme von mehr als 40 Prozent. Um das „Sondervermögen“ in Relation zu setzen: 100 Milliarden Euro sind das Fünffache des gesamten diesjährigen Bundeshaushalts für Bildung und Forschung.

Die Summe würde genügen, um in Deutschland jede Familie mit 5.000 Euro pro Kind zu unterstützen und gleichzeitig den Angehörigen aller offiziellen Corona-Toten 360.000 Euro Schmerzensgeld auszuzahlen. Alternativ könnte der Betrag über fünf Jahre hinweg genutzt werden, um die Zahl der Krankenpfleger zu verdoppeln und allen aktuell angestellten Kollegen einen Bonus von 1400 Euro zu überweisen. Eine einzige Milliarde würde genügen, um in allen Klassenzimmern Luftfilter gegen das Coronavirus einzubauen.

Doch stattdessen fließt das Geld ins Militär. Konkret sehen die Pläne des Verteidigungsministeriums – neben Cyberfähigkeiten und Weltraumsystemen – 41 Milliarden Euro für die Luftwaffe, 19 Milliarden Euro für die Marine und 16 Milliarden Euro für das Heer vor, die in Atombomber, Kriegsschiffe und Panzer fließen sollen. Mit dem Kriegsgerät soll die deutsche Armee befähigt werden, wieder „sehr große“ und „hoch intensive“ Militäroperationen zu führen, wie es in der bereits 2018 erlassenen „Konzeption der Bundeswehr“ heißt.

Auch in innenpolitischer Hinsicht ist die Aufrüstungsoffensive eine Kriegserklärung an die Bevölkerung. Indem die herrschende Klasse das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und die sogenannte „Schuldenbremse“ beibehält, schafft sie Bedingungen, um jeden Cent des Kriegsetats wieder aus der Arbeiterklasse herauszupressen. Gleichzeitig soll jede Kritik an der Aufrüstung illegalisiert werden.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat bereits 2014 – als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck und Vertreter der Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik verkündeten – in einer Resolution vor den weitreichenden Konsequenzen dieser Entwicklung gewarnt:

Die Propaganda der Nachkriegsjahrzehnte – Deutschland habe aus den ungeheuren Verbrechen der Nazis gelernt, sei „im Westen angekommen“, habe zu einer friedlichen Außenpolitik gefunden und sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt – entpuppt sich als Mythos. Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist, mit all seiner Aggressivität nach innen und nach außen.

Die nun beschlossene Aufrüstung der deutschen Streitkräfte ist in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel. Sie weist unverkennbare Parallelen zu Hitlers „Wiederbewaffnung“ der 1930er Jahre auf, als die herrschende Klasse eine faschistische Diktatur installierte und Deutschland innerhalb kürzester Zeit hochrüstete und auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitete. Die Strategiedokumente der Militärs und die Kriegsreden führender Politiker lassen keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung wieder an die alten Großmachtziele anknüpft.

Damals wie heute strebt der deutsche Imperialismus danach, Europa unter seine Vorherrschaft zu bringen und sich zu einer führenden militärischen Weltmacht aufzuschwingen. „Deutschlands Bestimmung: Europa führen, um die Welt zu führen“, lautete bereits 2014 der Titel eines Beitrags auf einer offiziellen Website des Auswärtigen Amts. Nun werden diese Pläne in die Tat umgesetzt – mit allen Konsequenzen.

Mediale Kriegstreiber und außenpolitische Strategen rufen bereits nach deutschen und europäischen Atomwaffen, um Russland „einzuhegen“ und künftige „Interessenkonflikte mit der westlichen Führungsmacht“ USA ausfechten zu können. Ein Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mahnt, „dass die hundert Milliarden Euro nur ein Anfang sein dürfen“, um Deutschlands „sicherheitspolitischer Verantwortung in Europa“ gerecht zu werden.

Deutsche Truppen in Litauen (AP Photo/Mindaugas Kulbis)

Ganz unmittelbar richtet sich die deutsche Aufrüstung gegen Russland. 81 Jahre nach dem deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, dem fast 30 Millionen Menschen zum Opfer fielen, marschieren deutsche Kampftruppen wieder in Osteuropa auf. Gleichzeitig bewaffnet Deutschland die mit rechtsextremen Kräften durchsetzte ukrainische Armee bis an die Zähne und verfolgt das erklärte Ziel, Russland zu besiegen.

Entgegen der offiziellen Propaganda ist die sogenannte „Zeitenwende“ keine Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine. Die herrschende Klasse nutzt den reaktionären Einmarsch Russlands, der von der Nato systematisch provoziert worden war, um die eigenen Aufrüstungs- und Kriegspläne in die Tat umzusetzen. Wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg geht es dabei nicht um „Menschenrechte“ und „Demokratie“, sondern um die Eroberung von Einflusssphären und Ressourcen. Gleichzeitig dient die Kriegspolitik dazu, die explosiven Klassenspannungen nach außen abzulenken.

Im Gegensatz zu den bürgerlichen Politikern, die sich am Militarismus berauschen und von ihm profitieren, sind Krieg und Diktatur unter Arbeitern in Deutschland und Europa zutiefst verhasst. Die offizielle Politik nimmt unter diesen Bedingungen die Form einer regelrechten Verschwörung an.

Die Rückkehr des deutschen Militarismus, der die Gefahr eines dritten Weltkriegs enorm befeuert, wird vor allem auch von den nominell linken Bundestagsparteien vorangetrieben. Die SPD führt mit Scholz die Bundesregierung und damit auch die Offensive gegen Russland an. Die Grünen, die 1998/99 bereits gemeinsam mit der SPD den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien organisierten, gehören zu den aggressivsten Scharfmachern und Kriegshetzern.

Auch die Linkspartei und die Gewerkschaften stehen mit beiden Beinen im Lager des deutschen Imperialismus. Im Bundestag stimmte Die Linke zwar gegen das Sondervermögen, weil es auf ihre Stimmen nicht ankam. Politisch stimmt sie mit dem Kriegskurs jedoch überein. Führende Parteivertreter unterstützen die Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine und verlangen sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Die Gewerkschaft Verdi – die Pflegekräften, Erziehern und Lehrern Nullrunden und Reallohnsenkungen verordnet hat – hat in einem aktuellen Statement die „nachhaltige Verbesserung der Bundeswehr“ und eine „Verbesserung der Cybersicherheit“ der Streitkräfte gefordert. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB verlangte zuletzt einen „substanziellen Beitrag“ Deutschlands zur militärischen Stärke von Nato und EU.

Die einzige Partei, die der Kriegspolitik der deutschen Bourgeoisie entgegentritt, ist die SGP. Zusammen mit unseren Schwesterparteien der Vierten Internationale werden wir den Kampf für den Aufbau einer machtvollen sozialistischen Antikriegsbewegung intensivieren. Dabei stützen wir uns auf die enorme Opposition in der Arbeiterklasse, die nach dreißig Jahren Krieg und Sozialkahlschlag weltweit in offene Klassenkämpfe eintritt.

Wenn ausgerechnet die herrschende Klasse in Deutschland denkt, sie kann nach ihren historischen Verbrechen in zwei Weltkriegen, ein drittes Mal nach der Weltmacht greifen, hat sie die Rechnung ohne die Arbeiterklasse und ihre politische Führung gemacht, die nun als Massenpartei aufgebaut werden muss. Werdet noch heute Mitglied der SGP und beteiligt euch am Kampf gegen Militarismus und Krieg und dessen Wurzel: den Kapitalismus. Nie Wieder!

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