Deutscher Luftwaffen-Chef für Einsatz von Atomwaffen gegen Russland

Während die Nato-Mächte den Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland eskalieren, droht die Bundeswehr Moskau mit dem Einsatz von Atomwaffen. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung erklärte der Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz am Freitag auf dem Kiel International Seapowers Symposium:

„Für eine glaubhafte Abschreckung brauchen wir sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen“. Dem Blatt zufolge fügte er drohend hinzu: „Putin, leg dich nicht mit uns an! Bis 2030 werden die Europäer über 600 moderne Kampfjets im Ostseeraum verfügen. Dazu kommen noch die Flugzeuge der Amerikaner.“

Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz (Amit Agronov / IDF Spokesperson's Unit)

Dass ein deutscher General offen mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gegen Russland droht, ist eine ernsthafte Warnung. 77 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs macht sich in der herrschenden Klasse wieder eine faschistoide Geisteshaltung breit. Für die Durchsetzung ihrer imperialistischen Interessen ist sie bereit, erneut die schlimmsten Verbrechen zu begehen.

Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion, der heute vor 81 Jahren begann und bei dem die Luftwaffe unter ihrem damaligen Führer Hermann Göring eine zentrale Rolle spielte, brachte etwa 30 Millionen Sowjetbürgern den Tod. Ein umfassender Atomkrieg mit Russland würde nicht nur Europa in eine nukleare Wüste verwandeln, sondern das Überleben der gesamten Menschheit in Frage stellen.

Figuren wie Gerhartz lässt ein derartiges Szenario offenbar völlig kalt. In einem aktuellen Interview auf dem offiziellen Youtube-Kanal der Bundeswehr verteidigt er den Kriegskurs Deutschlands und der anderen führenden Nato-Mächte gegen Russland, der immer direkter die Gefahr eines Atomkriegs heraufbeschwört.

Zunächst feiert der General die „Erfolge“ der ukrainischen Luftwaffe gegen Russland. Er „bewundere den Mut und die Tapferkeit, wie sie dort agiert“. Es sei ihr „immer wieder gelungen, vereinzelt auch mal russische Flugzeuge, Hubschrauber abzuschießen.“ Die deutsche „Hilfe“ spiele dabei eine zentrale Rolle. So habe man der Ukraine Stinger-Raketen geliefert, „um gegnerische Luftfahrzeuge zu bekämpfen“ und diese hätten „das ein oder andere Kampfflugzeug sogar abgeschossen und auch Hubschrauber.“

Nun müsse die Unterstützung „noch weiter“ gehen. Die Luftwaffe werde das System Iris-T SLM liefern und damit eine Rakete, „die wir für den Eurofighter entwickelt [haben], um gegnerische Luftfahrzeuge und Hubschrauber abzuschießen“.

Gerhartz lässt keinen Zweifel daran, dass sich das deutsche Militär de facto bereits im Krieg gegen Russland befindet. Im Interview lobt er das schnelle Vorrücken der Luftwaffe in Osteuropa. „Nachdem die russischen Streitkräfte in die Ukraine einmarschiert sind, war die Luftwaffe die erste, die mit ihren Eurofightern nach Rumänien verlegt hat.“ Man habe „gezeigt, was die Luftwaffe zeigen muss, dass wir schnell sind“. Auch die Patriot-Raketenabwehrsysteme seien bereits „eine Woche nach der Invasion los gerollt in Richtung Slowakei.“

Gleichzeitig macht der General deutlich, dass sich die Bundeswehr hinter dem Rücken der Bevölkerung auf eine umfassende militärische Auseinandersetzung vorbereitet. U.a. mahnt er die schnelle Beschaffung eines nationalen Raketenabwehrsystems an. Dies sei „jetzt dringend auch eine Lücke, die wir schließen müssen“. Um ballistische Raketen schon im Weltall abfangen und zerstören zu können, habe er der Politik die Anschaffung des US-israelischen „Arrow 3“-Systems vorgeschlagen.

Besonders stolz ist Gerhartz auf die zügige Anschaffung der US-amerikanischen F-35 Kampfjets aus den Mitteln des „Sondervermögens Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro. Er sei „froh, dass wir das durchsetzen konnten in dieser Regierung“ und man werde „da jetzt sehr, sehr schnell vorangehen“. Die F-35 seien das „modernste System derzeit“ und ermöglichten es der Luftwaffe, „stark gegenüber den russischen Streitkräften, gegenüber Putin… im Bündnis [zu] agieren.“

Was genau dieses „Agieren im Bündnis“ im Ernstfall bedeutet, ist durch das Nato-Konzept der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ geregelt. Im Falle eines Nuklearkriegs gegen Russland würden deutsche Kampfflugzeuge mit in Deutschland lagernden US-Atombomben bewaffnet werden und diese auch zum Einsatz bringen. „Zur möglichen Bewaffnung“ der F-35 zählen laut einem Artikel auf der offiziellen Website des Verteidigungsministeriums „auch freifallende Atomwaffen“.

Gerhartz’ nukleare Drohungen gegen Russland sind nicht einfach die Aussagen eines verrückten Generals, sondern entsprechen der Logik des Kriegs. Mit der systematischen militärischen Umzingelung Russlands durch die Nato haben die imperialistischen Mächte – allen voran Deutschland und die USA – Putins reaktionären Angriff auf die Ukraine provoziert. Nun reagieren sie vor allem auch auf die tiefe wirtschaftliche Krise und die wachsende Opposition der Arbeiterklasse mit einer weiteren Kriegseskalation, die den Einsatz von Atomwaffen regelrecht heraufbeschwört.

Vor allem die herrschende Klasse in Deutschland schlägt immer wilder um sich und sieht den Krieg als Chance, um nach ihren monströsen Verbrechen in zwei Weltkriegen zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik zurückzukehren.

In einer Grundsatzrede auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung am gestrigen Dienstag erklärte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, Deutschland habe „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung... heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem“. Deutschland stehe „immer mehr im Mittelpunkt“ und müsse „den Anspruch einer Führungsmacht haben.“

Darunter versteht Klingbeil explizit den Einsatz von kriegerischen Mitteln. „Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen“.

Er pries das Sondervermögen der Bundeswehr, die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), „mehr deutsche Truppen an der Ostflanke der Nato zu stationieren“ und forderte, dass Europa „als geopolitischer Akteur mehr Gewicht bekommen“ müsse. Nur so könne man „in den kommenden Jahren“ im internationalen „Wettstreit um Beziehungen, Abhängigkeiten, Bindungen, Kooperationen und Ausstrahlungen“ – d.h. die imperialistische Neuaufteilung der Welt – bestehen.

Die Kosten für diese größenwahnsinnige Politik sollen auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden. „Diese neue Rolle als Führungsmacht wird Deutschland harte Entscheidungen abverlangen – finanzielle und auch politische“, drohte er. Man müsse „Strukturen verändern, auch Budgets neu verhandeln.“

Die herrschende Klasse weiß, dass die Kriegspolitik nach außen wie in der Vergangenheit die Militarisierung der Gesellschaft und die Errichtung einer Diktatur nach innen erfordert. Er wolle, dass „wir als Gesellschaft eine neue Normalität mit der Bundeswehr entwickeln. Dass wir eine Selbstverständlichkeit entwickeln, denen Respekt und Anerkennung zu zollen, die ihren Dienst für unser Land leisten, die bereit sind, bis ans Äußerste zu gehen, wenn das Parlament dies beschließt“.

Die Kriegstreiber in den Medien unterstreichen, dass es für dieses „Äußerste“ keinerlei moralische Grenzen mehr gibt. Anfang der Woche veröffentlichte der Spiegel-Redakteur Dirk Kurbjuweit einen Artikel, der explizit „deutsche Atomwaffen“ fordert.

Zynisch erklärt Kurbjuweit, dass nur „eine funktionierende atomare Abschreckung große Kriege verhindern kann“. Dazu gehöre „auch eine Debatte, die noch nicht geführt wird: Wenn sich Europa nicht hundertprozentig auf die USA verlassen kann, wenn sich Deutschland nicht hundertprozentig auf Frankreich und Großbritannien verlassen kann, braucht dann nicht auch Deutschland Atomwaffen?“ Ihm laufe es „eiskalt den Rücken runter“, wenn er diese Worte schreibe. „Aber wenn man all das zu Ende denkt, was derzeit passiert“, müsse „man sich dieser Frage stellen.“

Dass der Ruf nach deutschen Atomwaffen ausgerechnet von Kurbjuweit erhoben wird, wirft ein Schlaglicht auf die nun propagierte außenpolitische „Zeitenwende“, die in Wirklichkeit von langer Hand vorbereitet wurde. Es war Kurbjuweit, der nur wenige Tage nachdem Vertreter der Bundesregierung bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 das Ende der militärischen Zurückhaltung verkündet hatten, den berüchtigten Artikel „Der Wandel der Vergangenheit“ im Spiegel veröffentlichte.

Kurbjuweit attackierte darin den Historiker Fritz Fischer, der 1961 in seinem Buch „Griff nach der Weltmacht“ nachgewiesen hatte, dass das Deutsche Reich eine große Mitverantwortung am Ausbruch des Ersten Weltkriegs trug. Fischers Thesen seien „im Prinzip hanebüchen“, zitierte er den mittlerweile emeritierten Humboldt-Professor Herfried Münkler.

In Bezug auf die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg gab Kurbjuweit dem 2016 verstorbenen Nazi-Apologeten Ernst Nolte eine Plattform, der bereits im Historikerstreit der 1980er Jahre behauptet hatte, der Holocaust sei eine gerechtfertigte Reaktion auf die Sowjetunion gewesen. Den Berliner „Historiker“ Jörg Baberowski, ein erklärter Anhänger Noltes, zitierte Kurbjuweit mit den Worten: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“

Seit diesen abstoßenden Aussagen sind acht Jahre vergangen und alle damaligen Warnungen der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer Jugendorganisation IYSSE haben sich in dramatischer Art und Weise bestätigt. Die Relativierung der historischen Verbrechen des deutschen Imperialismus diente der Vorbereitung neuer Kriege und neuer Verbrechen. Es ist höchste Zeit, daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen und sich dem Kampf für eine machtvolle sozialistische Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse anzuschließen.

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