Kriegsoffensive gegen Russland: Bundestag stimmt für Nato-Aufnahme von Finnland und Schweden

Am Freitag stimmten Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit für die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato. Deutschland ist damit eines der ersten Länder, das die auf dem Nato-Gipfel in Madrid beschlossene Norderweiterung des Militärbündnisses offiziell ratifiziert.

Mit der Aufnahme von Finnland und Schweden schafft die Nato in Skandinavien und im gesamten Ostseeraum eine neue Front im Krieg gegen Russland. Die Gefahr eines umfassenden Kriegs gegen die Nuklearmacht, der Millionen von Menschenleben kosten und ganz Europa zerstören könnte, erhöht sich damit weiter.

Der finnische Außenminister Pekka Haavisto, links, die schwedische Außenministerin Ann Linde, rechts, und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg während einer Pressekonferenz nach der Unterzeichnung der NATO-Beitrittsprotokolle für Finnland und Schweden im NATO-Hauptquartier in Brüssel am 5. Juli (AP Photo/Olivier Matthys)

Am Tag vor der Abstimmung im Bundestag verabschiedete das finnische Parlament ein Gesetz, um die mehr als 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland massiv zu befestigen. Ziel des Gesetzes sei es, „die operative Kapazität des Grenzschutzes zu verbessern, um auf die hybriden Bedrohungen [aus Russland] zu reagieren,“ sagte Anne Ihanus, eine leitende Beraterin im Innenministerium.

Damit setzt die Nato auch in Nordeuropa eine gefährliche Aufrüstungsspirale in Gang. Sollten in Finnland und Schweden „Militärkontingente und militärische Infrastruktur stationiert werden“, wäre Russland gezwungen, in gleicher Weise zu reagieren, hatte der russische Präsident Wladimir Putin bereits während des Nato-Gipfels gewarnt.

Trotzdem wird der Kriegskurs von der gesamten herrschenden Klasse unterstützt. Neben den Regierungsfraktionen SPD, FDP und Grüne stimmten auch die CDU/CSU und die rechtsextreme AfD der Aufnahme von Finnland und Schweden zu. Lediglich die Linksfraktion stimmte im Bundestag dagegen, stellte aber klar, dass sie die Nato-Erweiterung ebenfalls unterstützt.

In seiner Rede lobte der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Gregor Gysi, Schweden und Finnland. Sie hätten „in den vergangenen Jahrzehnten als militärisch neutrale Staaten viel geleistet“. Aber dann habe Russland „völkerrechtswidrig die Ukraine angegriffen. Deshalb müssen wir ein solches Sicherheitsbedürfnis respektieren.“

Er habe seiner Fraktion eigentlich empfehlen wollen, „den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands nicht abzulehnen, sondern sich zu enthalten“, fügte er zynisch hinzu. „Der Preis, den Schweden, Finnland und die gesamte NATO ... an die Türkei zahlen müssen“, sei jedoch „zu hoch“. Er habe seiner Fraktion deshalb „geraten, doch mit Nein zu stimmen“. Aber er wisse, „dass auch andere Abgeordnete dies alles kritisch sehen“.

Das ist so entlarvend wie eindeutig. Tatsächlich unterstützt Die Linke den Nato-Kriegskurs gegen Russland. Das hatte sie bereits auf ihrem Parteitag in Erfurt deutlich gemacht, wo sich zahlreiche Sprecher für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprachen und sogar ukrainischen Organisationen eine Plattform geboten wurde, deren Mitglieder direkt gegen Russland kämpfen und mehr „deutsche Militärhilfe für die Ukraine“ verlangen.

Genau das passiert jetzt. In ihrer Rede gab Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) offen zu, dass die Nato-Norderweiterung Bestandteil einer umfassenden Aufrüstungs- und Kriegsoffensive des Militärbündnisses gegen Russland sei.

„Die weitere Verstärkung unserer Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit an der Ostgrenze der NATO ist beschlossen und wird bereits umgesetzt“, prahlte sie. US-Präsident Joseph Biden habe „das zweite Mal nach seiner Amtsübernahme eine Aufstockung der amerikanischen Truppenpräsenz in Europa beschlossen und damit Amerikas Verpflichtung gegenüber Europa sehr deutlich bekräftigt“. Nach „Jahrzehnten des Sparens und des Abbaus“ stiegen „die Verteidigungsausgaben der Bündnispartner wieder“. Und Deutschland leiste dabei „mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr einen ganz wichtigen Beitrag“.

Lambrecht verwies darauf, dass die 30 Nato-Mitgliedstaaten ihrem Bündnis in der vergangenen Woche „ein neues Strategisches Konzept gegeben“ hätten, das „auf die russische Bedrohung reagiert“ und auch „die Risiken und Herausforderungen der Zukunft im Blick hat“. Der Beitritt Finnlands und Schwedens müsse „in diesem weiten Kontext gesehen werden“. Er gehöre „zu einem Bündnis im Aufbruch, das sich fit macht, um auch in Zukunft der entscheidende Garant für Sicherheit zu sein“.

Lambrecht zog es vor, nicht konkreter darauf einzugehen, was die Nato unter „Sicherheit“ und „fit machen für die Zukunft“ versteht: Die Vorbereitung auf einen nuklearen dritten Weltkrieg.

Im neue Strategischen Konzept der Nato heißt es: „Wir werden einzeln und kollektiv das volle Spektrum an Streitkräften ... liefern, das zur Abschreckung und Verteidigung benötigt wird, und zwar auch für hochintensive dimensionsübergreifende Kriegsführung gegen gleichwertige Wettbewerber, die Kernwaffen besitzen.“

Deutschland spielt bei diesem Wahnsinn eine zentrale Rolle. Unmittelbar nach dem Nato-Gipfel verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Bundeswehr werde für den Kriegsaufmarsch – die Schnelle Eingreiftruppe der Nato (NRF) wird von 40.000 auf über 300.000 Soldaten aufgestockt – „eine gepanzerte Division in der Größenordnung von 15.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verteidigung Nordosteuropas, über 60 Flugzeuge und bis zu 20 Marineeinheiten dauerhaft vorhalten“.

Zusätzlich werde man „eine Kampfbrigade“, d.h. bis zu 5000 Soldaten, „exklusiv für die Verteidigung des Bündnisgebietes in Litauen“ bereithalten und ein „regionales Marinekommando für den Ostseeraum“ stellen, um „im maritimen Bereich Führungsverantwortung übernehmen [zu] können“.

Die herrschende Klasse Deutschlands betrachtet die Nato-Offensive als Chance, lang gehegte Aufrüstungspläne ins Werk zu setzen und sich nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder als führende Militärmacht in Europa und international zu etablieren. Die Bundesregierung arbeitet gezielt daran, das deutsch-europäische Gewicht innerhalb der Nato zu erhöhen und den Kontinent unter der militärischen Führung Berlins zu organisieren.

„Der europäische Fußabdruck in der Nato“ werde durch den Beitritt von Finnland und Schweden „noch größer“, erklärte Lambrecht im Bundestag. Für die Europäische Union, in der Deutschland bereits politisch und wirtschaftlich den Ton angibt, sei „dies eine wichtige, eine gute Entscheidung“. Insgesamt gehörten „dann 23 von 27 Mitgliedern dem Bündnis an“, und die Chancen „zur intensiven Zusammenarbeit“ würden „dadurch noch einmal ein ganzes Stück größer“.

Die Regierung spricht es nicht offen aus, aber es ist klar, dass sich der deutsche Imperialismus hinter den Kulissen auch auf eine Konfrontation mit den USA beim Kampf um die Kontrolle und Plünderung Osteuropas und Eurasiens vorbereitet.

So lobte der Ehrenvorsitzende der rechtsextremen AfD, Alexander Gauland, die Entscheidung der Bundesregierung, die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Nato zu unterstützen, als „Realpolitik im besten Sinne“. Wenn der Beitritt dazu führe, „dass das europäische Gewicht künftig stärker die Politik der Nato bestimmt als die ganz anders gelagerten und europäischen Wünschen oft widerstreitenden geostrategischen Interessen der USA, wäre das sogar ein zusätzlicher positiver Effekt“.

Der AfD-Verteidigungspolitiker und Oberst a.D. der Bundeswehr Rüdiger Lucassen wurde in seiner Rede noch deutlicher.

„Eine europäische Nato ist eine Notwendigkeit, um Europa aus dem Schraubstock der Großmächte zu befreien. Schweden und Finnland können dazu beitragen. Als Willkommensgeschenk sollte die Bundesregierung den vielen Worten endlich Taten folgen lassen. Das Ziel muss sein, die Bundeswehr zur kampfstärksten Armee Europas aufzubauen und Führung zu übernehmen. Strategische Autonomie wird einem nicht geschenkt; man muss sie sich nehmen.“

Nicht nur die Reden der AfD-Politiker erinnerten an die dunkelsten Zeiten der Deutschen Geschichte. 81 Jahre nach dem deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion hetzte ein Redner nach dem anderen wutschnaubend gegen Russland. Moskaus Außenpolitik sei „expansionistisch, revisionistisch und, ja, auch gewalttätig“, geiferte Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Johann David Wadephul von der CDU beschuldigte den Kreml „geografisch weitausgreifende imperiale Ansprüche... zu formulieren“.

Tatsächlich trifft genau das auf die Außenpolitik der imperialistischen Mächte zu. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist reaktionär, aber letztlich eine verzweifelte Antwort des kapitalistischen Putin-Regimes auf die imperialistische Kriegspolitik der Nato-Mächte. Diese führen seit 30 Jahren nahezu ununterbrochen Krieg und haben ganze Länder in Schutt und Asche gelegt – neben Irak, Afghanistan und Libyen auch Länder in Europa selbst.

Der deutsche Imperialismus hat dabei von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt. Vor 30 Jahren hatte die Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens auf Betreiben Deutschlands und der USA zunächst einen blutigen Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien ausgelöst. 1999 folgte der Nato-Bombenkrieg gegen Serbien, der in der gewaltsamen Abspaltung des Kosovo gipfelte. Nun wird auch diese imperialistische Offensive auf dem Balkan fortgesetzt. Am Freitag verlängerte der Bundestag auch den Bundeswehreinsatz im Kosovo und eine Rückkehr in die EU-Mission in Bosnien-Herzegowina.

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