Ägypten: Al-Sisi bereitet COP27-Gipfel mit brutalem Vorgehen gegen Proteste vor

Vom 6. bis zum 18. November soll in dem ägyptischen Urlaubsort Scharm el-Scheich, in der ägyptischen Wüste Sinai, der Umweltgipfel COP27 stattfinden. Der gewählte Ort ist weit entfernt von den giftigen Abgasen und dem Elend der dicht besiedelten Hauptstadt Kairo, in der etwa 20 Millionen größtenteils verarmte Ägypter leben.

Etwa 90 Staats- und Regierungschefs aus 190 Ländern werden erwartet, darunter US-Präsident Joe Biden zum ersten Besuch eines US-Präsidenten in Ägypten seit 2009, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz, der Premierminister des Vereinigten Königreichs Rishi Sunak und Indiens Premierminister Narendra Modi.

Demonstranten fordern am 4. November im Vorfeld des UN-Klimagipfels COP27, der vom 6. bis zum 18. November im ägyptischen Scharm el-Scheich stattfinden soll, Klimaschutz-Maßnahmen in Afrika. (AP Photo/Peter Dejong) [AP Photo/Peter Dejong]

Ägyptens brutaler Diktator General Abdel Fattah al-Sisi hat im Vorfeld massive Sicherheitsoperationen organisiert, um Demonstranten von Scharm el-Scheich fernzuhalten. Die Sicherheitskräfte haben landesweit Hunderte von Menschen, darunter Umweltaktivisten, wegen angeblicher Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation verhaftet. Dies geschieht vor dem Hintergrund von immer mehr Protestaufrufen, die sich über die sozialen Netzwerke verbreiten. Darin werden die Ägypter dazu aufgefordert, am 11. November in Scharm el-Scheich gegen die ausufernde Wirtschaftskrise in Ägypten zu protestieren. Diese geplanten Proteste wurden als „Klimarevolution“ bezeichnet.

Um „die Veranstaltung zu schützen“, wurde der Urlaubsort durch drakonische Sicherheitsmaßnahmen in ein „Kriegsgebiet“ verwandelt. UN-Menschenrechtsexperten sprechen von einem „Klima der Angst, das Organisationen der ägyptischen Zivilgesellschaft davon abhalten soll, sichtbar bei COP27 aufzutreten“. Sofern überhaupt Demonstrationen erlaubt sind, so werden sie wahrscheinlich auf Wüstengebiete beschränkt sein, weit entfernt von den Führern der Welt und ihren luxuriösen Hotels.

Das alleine entlarvt die Menschenrechtspropaganda und die leeren Plattitüden der Führer der imperialistischen Mächte zum Thema Klimaschutz. Sie verteidigen die Interessen der größten Plünderer des Planeten: der Konzern- und Finanz-Kleptokratie.

Al-Sisi nutzt die Gelegenheit, um sein internationales Image zu verbessern und Ägyptens Position im Zentrum der Gas-Geopolitik im östlichen Mittelmeerraum zu stärken, während durch den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine die russischen Energielieferungen nach Europa reduziert wurden. Al-Sisi hat im Jahr 2013 mit Unterstützung durch den Westen den gewählten Präsidenten Mohamed Mursi von der Muslimbruderschaft durch einen Militärputsch gestürzt und führt heute ein tyrannisches Regime an, das friedliche Versammlungen und freie Meinungsäußerung verbietet. Durch die Unterdrückung jedes Widerspruchs verteidigt er das ägyptische und ausländische Kapital gegen eine soziale Explosion der Arbeiterklasse, die mit Massenarmut, sozialer Ungleichheit und einem Militär konfrontiert ist, das mindestens 40 Prozent der ägyptischen Wirtschaft kontrolliert.

Seine Herrschaft begann mit einem Blutbad, bei dem mehr als 1.000 Menschen getötet wurden. Seither haben seine Sicherheitskräfte Hunderte weitere Menschen erschossen. Andere wurden nach Schein- oder Schauprozessen hingerichtet. In die ägyptischen Gefängnisse, die für Folter und das „Verschwinden lassen“ von Personen berüchtigt sind, wurden mehr als 60.000 politische Gefangene gestopft, darunter einige der bekanntesten Politiker des Landes. Viele von ihnen werden ohne Prozess oder Anklage festgehalten. Aufgrund der drakonischen Notstandsgesetze des Landes sind sämtliche Streiks, Proteste und Demonstrationen verboten. Die stark zensierten Medien sind Sprachrohre des Staates, während Parteien und Organisationen, die das Regime kritisieren, verboten sind.

Al-Sisi hat zwar im Vorfeld von COP27 eine Handvoll Gefangener freigelassen, doch durch die neuen Verhaftungen wird dies mehr als ausgeglichen. Er hat die Forderungen von etwa 200 Organisationen und Individuen, darunter 13 Literatur-Nobelpreisträgern, nach der Freilassung von Journalisten und politischen Gefangenen im Vorfeld der Konferenz ignoriert. Zu diesen Gefangenen gehören u.a. die Aktivisten Alaa Abdel Fattah und Ahmed Douma, der Menschenrechtsanwalt Mohamed el Baqer, der Blogger Mohamed „Oxygen“ Ibrahim, der ehemalige Präsidentschaftskandidat Abdel Moneim Aboul Fotouh, Seif und Safwan Thabet und der Umweltaktivist Ahmed Amasha.

Der bekannte Blogger und politische Aktivist, Alaa Abd Fattah, der sowohl britischer als auch ägyptischer Staatsbürger ist und ein früher Gegner von Mubaraks Diktatur war, hat wegen Aufrufen zur Gewalt gegen das Militär und Widerstand gegen Gesetze, durch die Proteste verboten werden, seit 2011 die meiste Zeit im Gefängnis verbracht. Am Dienstag kündigte er an, den teilweisen Hungerstreik auszuweiten, den er im April begonnen hat, und sämtliche Nahrung und Wasser zu verweigern.

Nichts davon hindert die Staats- und Regierungschefs der Welt daran, an COP27 auf ägyptischem Boden teilzunehmen oder al-Sisi ein Podium zu bieten. Gleichzeitig benutzen sie die drohende Energieknappheit – die sie selbst mit ihren Maßnahmen gegen Russland mitverursacht haben –, um Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen und die Gas- und Ölförderung auszubauen, um das Defizit auszugleichen.

Die Konferenz findet vor dem Hintergrund einer immer auswegloseren Wirtschafts- und Finanzkrise in Ägypten statt, die durch die Corona-Pandemie weiter verschärft wurde. Offiziell sind in Ägypten nur 25.000 Menschen an Corona gestorben (was in einem Land, in dem nur 39 % der 104 Millionen Einwohner vollständig geimpft sind, wahrscheinlich eine enorme Unterschätzung darstellt). Die Geldüberweisungen von Ägyptern, die in den Golfstaaten arbeiten, gingen zurück, und die Rückkehr dieser Arbeiter hat die Zahl der Arbeitslosen in die Höhe getrieben. Die Einnahmen sind eingebrochen, während die Kosten für Gesundheit, Sozialleistungen und die Unterstützung der Tourismusbranche und der Industrie gestiegen sind.

Da Ägypten der weltweit größte Importeur von Weizen ist und etwa 80 Prozent seiner Lieferungen aus Russland und der Ukraine bezieht, hat der Krieg in der Ukraine das Land schwer getroffen. Auch die Tourismusbranche, die zwölf Prozent des BIP erwirtschaftet, ist in hohem Maße abhängig von russischen und ukrainischen Besuchern. Gleichzeitig haben die höheren Zinssätze in den USA und der steigende Dollar-Kurs die Schuldenkrise verschärft und zu einem Abfluss ausländischer Gelder geführt.

Das ägyptische Pfund ist von 16 auf 23 US-Dollar gefallen, nachdem die ägyptische Zentralbank angekündigt hatte, die Bindung des Pfunds an den Dollar aufzugeben, sodass der Wert entsprechend den Marktkräften schwanken kann. Dabei handelt es sich um eine Gegenleistung für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von drei Milliarden US-Dollar – der vierte seit 2016 –, wodurch Ägypten nach Argentinien der zweitgrößte Schuldner ist.

Diese Kreditaufnahme ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Goldman Sachs hatte bereits Anfang des Jahres erklärt, Kairo brauche in den nächsten drei Jahren 15 Milliarden US-Dollar, um eine Finanzierungslücke in Höhe von 40 Milliarden Dollar zu schließen, die durch al-Sisis Prestigeprojekte entstanden ist. Dazu gehören eine 59 Milliarden Dollar teure neue Verwaltungshauptstadt 44 Kilometer außerhalb von Kairo in der Wüste, ein Kernreaktor für 25 Milliarden Dollar und eine Erweiterung des Suezkanals für acht Milliarden Dollar, der die weit überhöhten, geplanten Einnahmen noch nicht wieder eingebracht hat. Seine massiven Waffenimporte ermöglichen es Kairo, die Massen nicht nur in Ägypten, sondern in der gesamten Region zu unterdrücken. Sie haben das Defizit ebenfalls erhöht. Die Lieferungen stammen hauptsächlich aus den USA, obwohl die Biden-Regierung aus gespieltem Entsetzen über die grauenhafte Menschenrechtslage in Ägypten einige davon storniert hat.

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabische Emirate (VAE) und Katar haben Investitionen in Höhe von etwa 22 Milliarden Dollar versprochen und einige der profitabelsten staatlichen Vermögenswerte und Unternehmen des Landes zu Schleuderpreisen gekauft, um das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt zu stabilisieren. Dadurch ist Kairo Teil von Washingtons Allianz gegen den Iran geworden. So nahm al-Sisi im Juni an einem Treffen zwischen Biden und den Staatschefs der Golfstaaten, Jordaniens und des Irak in Dschidda teil.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi mit US-Präsident Joe Biden beim GCC+3-Gipfel im saudi-arabischen Dschidda am 16. Juli 2022

Kairo hat eine Schlüsselrolle dabei gespielt, Israels verbrecherische, seit 15 Jahren andauernde Blockade des Gazastreifens durchzusetzen. Dieser wird von der Hamas kontrolliert, die den Muslimbrüdern nahesteht. Kairo hat sämtliche Wiederaufbauarbeiten verhindert, nachdem das Gebiet durch Israels wiederholte Angriffe fast unbewohnbar geworden ist. Außerdem hat es im August einen Waffenstillstand zwischen der palästinensischen Organisation Islamischer Dschihad und Israel ausgehandelt, bei dem Tel Aviv seine Bedingungen durchsetzen konnte.

Im Inland hat al-Sisi die Subventionen für grundlegende Gebrauchs- und Agrarprodukte gekürzt, die Kraftstoffpreise erhöht, neue Steuern eingeführt, darunter eine Mehrwertsteuer, die Etats für Gesundheit und Bildung gekürzt und Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen.

Auf diese Weise hat sich die Umverteilung des Vermögens von den unteren Schichten und dem Kleinbürgertum an die Regierung und die Wirtschaftselite beschleunigt, was für die ägyptischen Arbeiter und ihre Familien verheerende Folgen hatte. Die Inflation liegt bei 15 Prozent, allerdings sind die Preise für einige Nahrungsmittel um 66 Prozent gestiegen, was einen Großteil des ägyptischen Kleinbürgertums ruiniert und die Armutsquoten rasant in die Höhe getrieben hat. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, weitere 30 Prozent sind von Armut bedroht, und fast 70 Prozent sind von Lebensmittelzuteilungen abhängig.

Dass fast alle Großmächte an COP27 teilnehmen, sollte die internationale Arbeiterklasse als Warnung verstehen. Die Unterstützung der herrschenden Eliten für al-Sisi bedeutet, dass sie keine grundsätzlichen Einwände gegen seine brutalen Methoden haben. Sie werden auch nicht zögern, diese Methoden zu übernehmen, um den Widerstand der Massen gegen ihre eigene verhasste Politik des Kriegs, des Profitstrebens, der sozialen Sparmaßnahmen und der Profite-vor-Leben-Politik in der Pandemie zu unterdrücken.

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