Redebeitrag auf der Anti-Kriegs-Kundgebung der SGP in Berlin

„Wir kämpfen für eine vereinte internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg und gegen den Kapitalismus“

Die folgende Rede hielt Gregor Link, Sprecher der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) in Deutschland, auf der Kundgebung der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) gegen den Ukrainekrieg am 4. Februar auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Die IYSSE sind die Jugend- und Studierendenorganisation der SGP und ihrer internationalen Schwesterparteien.

Meine Vorredner haben schon ausgeführt, dass das Heraufziehen eines dritten Weltkrieges die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung setzt und den Aufbau der revolutionären Partei zur wichtigsten politischen Aufgabe macht. Mehrfach wurde auch schon die üble Politik und die reaktionäre Bilanz des rot-grün-roten Senats angesprochen, der hier in Berlin eine soziale Katastrophe angerichtet hat.

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Ich habe im Wahlkampf mehrmals gesagt, dass junge Menschen die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen der Kapitalismus nichts mehr zu bieten hat außer Krieg, schreiende soziale Ungleichheit und permanente Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse.

Was sind denn die Erfahrungen junger Menschen, die nach der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion aufgewachsen sind?

Während unseres gesamten bewussten Lebens ist kein einziger Tag vergangen, an dem die Vereinigten Staaten nicht im Krieg waren. Um seinen historischen Niedergang hinauszuzögern, führte der US-Imperialismus neokoloniale Kriege im Irak, in Jugoslawien, in Afghanistan, wieder im Irak, in Pakistan, Somalia, Jemen, Libyen und Syrien. In den zwanzig Jahren, die seit den Anschlägen vom 11. September vergangen sind, hat das US-Militär durchschnittlich jeden Tag 46 Bomben abgeworfen.

Der deutsche Imperialismus hat eine unverzichtbare Rolle in diesen Kriegen gespielt und hat sich an ihnen bereichert.

In Deutschland war es eine rot-grüne Bundesregierung, die Truppen in den Kosovo entsandte und sich führend an der Bombardierung Serbiens beteiligte. Dieselbe Regierung entsandte die Bundeswehr nach Afghanistan und führte dort einen Krieg, der Hunderttausende das Leben kostete und Millionen zu Flüchtlingen machte.

Dann kam die Finanzkrise von 2007/2008, in der die Krise des Kapitalismus endgültig zutage trat. Anstatt die Superreichen zu enteignen und die Verantwortlichen hinter Gitter zu bringen, wurden den Banken Steuergelder in Milliardenhöhe in den Rachen geworfen, um die Spekulationsblase weiter aufzupumpen. Das ging einher mit einem sozialen Rückschritt und einer Zunahme von Armut und Prekarität in den Ländern der Europäischen Union in einem Ausmaß, das in Friedenszeiten beispiellos ist.

Die Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien, Portugal und Griechenland stieg auf 20, 30, 40 Prozent und noch höher. Menschen starben an behandelbaren Krankheiten, weil die Sozial- und Gesundheitssysteme zerschlagen wurden.

Infolge dieser Bereicherungsorgie ist die soziale Ungleichheit in astronomische Höhen gestiegen – mittlerweile besitzen ein paar Dutzend Milliardäre mehr Vermögen als die unteren 90 Prozent der Weltbevölkerung.

Die von Julian Assange gegründete Enthüllungsplattform Wikileaks hat dokumentiert, wie die demokratischen Rechte im Zuge von Krieg und sozialer Ungleichheit auf der ganzen Welt systematisch angegriffen wurden. Assange sitzt als Journalist und Kriegsgegner nach wie vor in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis.

Wir haben erlebt, wie die Zerstörung der Umwelt immer unmittelbarer mit imperialistischen Interessen und der verschärften Ausbeutung der Arbeiterklasse zusammentraf und wie der Klimawandel zu einem geopolitischen Faktor im Spiel der Großmächte wurde.

Schließlich hat uns die Covid-19-Pandemie vor Augen geführt, dass die herrschende Elite nicht bereit ist, auch nur für einen Moment die Profite hintenanzustellen und Leben zu retten. Im Gegenteil: Mehr als 20 Millionen Menschen wurden vermeidbar einem Virus geopfert, um die Interessen der Konzerne und Banken zu schützen und die Bereicherungsorgie an den Finanzmärkten aufrechtzuerhalten und weiterzutreiben.

Der Stellvertreterkrieg, den die Nato-Mächte jetzt in der Ukraine gegen Russland führen und der bereits rund 300.000 Menschenleben gekostet hat, beschwört unmittelbar das Gespenst eines Atomkriegs herauf.

Auch hier haben sich die herrschenden Eliten an den mörderischen Folgen des Krieges hemmungslos bereichert. Wie der jüngste Oxfam-Bericht feststellt, haben die Lebensmittel- und Energiekonzerne ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt und 257 Milliarden Dollar an ihre Aktionäre ausgeschüttet.

All diese Krisen hat der deutsche Imperialismus benutzt, um seinen erneuten Griff nach der Weltmacht vorzubereiten. Mitten in der Pandemie und nur einen Tag nach dem Einmarsch des russischen Militärs wurde die größte Aufrüstung seit Hitler eingeleitet. Die Geschichtsfälschung, der wir als IYSSE an der Humboldt-Universität entgegengetreten sind, ist mittlerweile zur Grundlage der politischen und medialen Propaganda geworden.

Christoph ist schon darauf eingegangen, welche militärische Eskalation es signalisiert, wenn jetzt Kampfpanzer in die Ukraine entsendet werden. Die Diskussion um den Einsatz von Kampfjets – und damit implizit auch über Atomwaffen – wird seit Tagen forciert.

Schon jetzt hat der Krieg weltweit Hungerkatastrophen und Regierungskrisen ausgelöst. Es entwickeln sich massive Kämpfe der Arbeiterklasse – auch in Großbritannien und Frankreich.

Die IYSSE haben im Dezember eine internationale Online-Kundgebung abgehalten, bei der wir zum Aufbau einer Massenbewegung der Jugend gegen den Krieg aufgerufen haben. Die Ereignisse der letzten Tage unterstreichen, wie bedeutsam diese Initiative ist.

Als Jugendbewegung des Internationalen Komitees haben wir dort eine sozialistische Perspektive und Strategie aufgezeigt, um den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine gegen Russland zu beenden, bevor er zu einem nuklearen Schlagabtausch führt. Wir warnten vor der Todeskrise des Kapitalismus und der wachsenden Rivalität zwischen den Großmächten, die auf einen Weltkrieg zusteuern. Wir erläuterten die Ursachen der Kriegspolitik der herrschenden Elite und entwarfen eine globale Strategie für eine Gegenoffensive der Arbeiterklasse, der sich die Jugend auf der ganzen Welt anschließen muss.

Auf der Grundlage von Leo Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution lehnten wir jede Anpassung an das Putin-Regime ab und brandmarkten dessen kriminelle Komplizenschaft in diesem Krieg. Unser russischer Genosse erklärte, dass das Putin-Regime im Namen der post-stalinistischen Eliten handelt, die die Ressourcen der Sowjetunion geplündert haben und jetzt offen die kapitalistischen Interessen des russischen Nationalismus verfolgen.

Alle unsere pseudolinken Gegner stellen sich entweder auf die Seite des Nato-Imperialismus – was die Mehrheit ist – oder verteidigen offen das Vorgehen der Putin-Regierung. Wir tun dies nicht, sondern kämpfen für eine vereinte internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg und gegen den Kapitalismus.

Die Kundgebung war enorm wichtig und spiegelte die Notwendigkeiten der gegenwärtigen politischen Situation wider. Die junge Generation kann und darf nicht tatenlos zusehen, wie ihre Zukunft von den kapitalistischen Eliten zerstört wird. Sie muss sich an die Arbeiterklasse wenden und mit ihr eine Bewegung aufbauen, um die kapitalistischen Übel ein für alle Mal abzuschaffen.

Die zentrale Aufgabe der IYSSE ist es, diesen Kampf in theoretischer und praktischer Hinsicht zu führen.

Das aber erfordert, dass wir uns klar werden über die zentrale politische Rolle pseudolinker Organisationen, die den nationalistischen und korporatistischen Gewerkschaftsapparat abschirmen, Illusionen in bürgerliche Demagogen schüren, die Lehren aus der Geschichte verachten und den Aufbau einer revolutionären Partei in der Arbeiterklasse ablehnen.

Wir als IYSSE erklären:

  • Wir müssen alles dafür tun, uns die Lehren aus der Geschichte anzueignen – nicht nur hier, aber ganz besonders hier in diesem Land, wo die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte geplant und begangen wurden.
  • Wir müssen die politischen Demagogen – Klaus Lederer, Sahra Wagenknecht und wie sie alle heißen – entlarven, die mit Lügen und populistischen Phrasen die Arbeiterklasse spalten und ausverkaufen wollen.
  • Und wir müssen unter Arbeiterinnen und Arbeitern eine revolutionäre Kampfpartei aufbauen, die sich bewusst auf das Erbe der bolschewistischen Partei, der revolutionären Sozialisten und Kommunisten und auf das Erbe der Linken Opposition stützt, die der konterrevolutionären stalinistischen Degeneration mutig entgegengetreten ist.

Diese Parteien sind die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien im IKVI, und diese Parteien bauen wir auf. Es gibt keine Zeit zu verlieren und niemand sollte seine oder ihre eigene Rolle unterschätzen.

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