„Aufstand für Frieden“: Nationalismus statt Kampf gegen Krieg

Die Protestkundgebung „Aufstand für Frieden“, die am Samstag vor dem Brandenburger Tor in Berlin stattfand, zog mit etwa 13.000 Teilnehmern sehr viel weniger Menschen an, als erwartet worden war. Das „Manifest für den Frieden“, das die Organisatoren der Kundgebung, Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, im Vorfeld veröffentlicht hatten, hatte fast 700.000 Unterschriften erhalten.

Blick auf das Podium

Schon das Manifest verzichtete auf jede Kritik an der rasanten Aufrüstung der Bundeswehr und beschränkte sich an einen Appell an Bundeskanzler Scholz, die „Eskalation der Waffenlieferungen“ zu beenden und „Friedensverhandlungen“ anzustreben. Doch Hunderttausende hatten es unterschrieben, weil sie gegen den Kriegskurs der Bundesregierung sind und die Gefahr eines Atomkriegs ernst nehmen.

Seit der Aufruf vor zwei Wochen veröffentlicht wurde, hat sich dessen rechter Charakter aber immer deutlicher gezeigt. „Die Initiatoren missbrauchen die Opposition gegen den Krieg für eine nationalistische und militaristische Agenda“, erklärte die World Socialist Website in einem Artikel. Im Vorfeld der Demo hatte Mitinitiator Oskar Lafontaine sogar ausdrücklich Politiker der faschistischen AfD auf der Kundgebung willkommen geheißen.

Deshalb kamen nicht die Hunderttausenden, die den Krieg und die ständige Eskalation der Nato ablehnen, sondern nur diejenigen, die sich mit der nationalistischen Ausrichtung und der Rechtsoffenheit zumindest arrangieren konnten. Jugendliche fehlten fast vollständig und die vielen älteren Teilnehmer rekrutierten sich zu Teilen aus Querdenkern, Mitgliedern der Linkspartei und den Resten der Friedensbewegung. Nicht Wenige rechtfertigten unter dem Slogan „Einheit aller Kriegsgegner!“ selbst ein Bündnis mit der rechtsextremen AfD.

Auch diese war – der Einladung Lafontaines folgend – bei der Kundgebung zugegen. So etwa die führenden AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider, Jörg Urban und Gunnar Lindemann. Hinzu kamen andere Rechtsextreme wie der Holocaust-Leugner Nicolai Nerling oder der Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer.

Blick auf die Kundgebung am 25. Februar 2023

Wagenknechts pro forma Statement zu Beginn ihres Beitrags, dass „Neonazis und Reichsbürger auf unserer Friedenskundgebung selbstverständlich nichts zu suchen“ hätten, war daher der reine Hohn. Sie bemühte sich auch gleich im nächsten Satz zu versichern, dass „jeder, der ehrlichen Herzens für Frieden und Verhandlungen demonstrieren will“, auch auf künftigen Versammlungen „willkommen“ sei – die gleiche Formulierung, mit der Lafontaine explizit AfD-Politiker eingeladen hatte.

Die nationalistische und militaristische Ausrichtung der Demonstration wurde am klarsten in der Rede des Mitinitiators, dem ehemaligen Brigadegeneral Erich Vad, auf den Begriff gebracht. Vad ist ein Verfechter der horrenden Aufrüstung, publiziert in rechtsextremen Zeitungen und wirbt für ein aggressiveres Auftreten Deutschlands und Europas in der Weltarena.

In seiner Rede erklärte er: „Militärische Operationen und Waffenlieferungen müssen immer an den Versuch gekoppelt bleiben, politische Lösungen herbeizuführen.“ Eine „lange Fortdauer des Ukrainekrieges“ sei jedoch „weder im deutschen noch im europäischen Interesse“. Die deutsche Regierung müsse in der Ukraine „Mitsprache beanspruchen“ und sollte zusammen mit der französischen Regierung „endlich aktiv werden“, damit „Deutschland und Europa nicht länger Objekt und Spielball in einem Stellvertreterkrieg“ seien. Unter tosendem Applaus schloss Vad: „Europa muss endlich ein interessengeleiteter strategischer Akteur werden!“

Auch Wagenknecht forderte eine unabhängige europäische Außenpolitik. Zwar forderte sie einen Waffenstillstand, mahnte Verhandlungen mit Russland an und warnte vor einem „atomaren Inferno“. Für den Ausbruch des Ukrainekrieges machte sie jedoch allein die Interessen des „Weißen Hauses“ und der „amerikanischen Einflusszone“ verantwortlich. Der Bundesregierung warf sie vor, zuzulassen, dass „Deutschland sich immer mehr in diesen Krieg hineinziehen lässt – solange, bis der Krieg möglicherweise hier ist“. Die größte deutsche Aufrüstung seit dem Untergang des Nazi-Regimes und die aggressive Eskalationspolitik der Ampel-Koalition kritisierte Wagenknecht vor allem vom Standpunkt, dass sich die Bundesregierung von den USA dazu drängen lasse.

Allgemeine Friedensappelle – kombiniert mit dem Vorwurf an die Bundesregierung, keine „Ziele“ zu haben und Untertan der US-Regierung zu sein – waren auch die grundlegenden Kennzeichen der anderen Redebeiträge. Zu den Sprechern zählten u.a. der neoliberale US-Ökonom und Wirtschaftsberater Jeffrey Sachs (per Video), die Schauspielerin Corinna Kirchhoff und der Friedensaktivist Hans-Peter Waldrich. Schwarzer, die nach Wagenknecht sprach, behauptete, Ursache des Ukrainekrieges und der Atomkriegsgefahr sei nicht der Kapitalismus, sondern eine allgemeine „Männlichkeit“.

Zum Abschluss stellten sich Lafontaine, Wagenknecht, Schwarzer und Vad, sowie die Linkspartei-Politikerin Sevim Dagdelen Hand in Hand auf die Bühne.

Die ganze Kundgebung war kein Aufruf zum Kampf gegen Krieg, sondern ein Appell an die Regierung, konsequent deutsche Interessen wahrzunehmen. Deshalb waren auch die Militaristen und Nationalisten der AfD willkommen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei erklärte schon in dem Flugblatt, das Unterstützer auf der Kundgebung verteilten:

„Ein ernsthafter Kampf gegen Krieg muss sich auch gegen seine Wurzel richten: den Kapitalismus. Er muss jede Form von Nationalismus und Militarismus zurückweisen und sich auf die einzige gesellschaftliche Kraft stützen, die eine Katastrophe verhindern kann: die internationale Arbeiterklasse, die jetzt überall in Bewegung gerät und gegen Lohnraub und Krieg aufsteht.

Gemäß Karl Liebknechts Devise „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist es notwendig, die Kriegstreiber im Kanzleramt, im Verteidigungs- und im Außenministerium anzuprangern, die den Krieg mit der Expansion der Nato, dem Putsch in Kiew 2014 und der systematischen Aufrüstung der ukrainischen Armee seit Jahren vorbereitet haben.

Für diese Perspektive des internationalen Sozialismus steht die Sozialistische Gleichheitspartei als deutsche Sektion der Vierten Internationale. Wagenknechts Initiative ist dem diametral entgegengesetzt und dient letztlich nur dazu, eine Massenbewegung der Arbeiter zu demoralisieren und zu unterdrücken. Deshalb arbeitet sie mit den schlimmsten Gegnern der Arbeiterklasse zusammen.“

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