Erklärung der Sosyalist Eşitlik Grubu zu den Wahlen in der Türkei

Nein zum Krieg! Lehnt die pro-imperialistischen Bündnisse der türkischen herrschenden Klasse ab! Baut die Sosyalist Eşitlik Partisi auf!

Für eine weltweite Massenbewegung von Arbeitern und Jugendlichen gegen Krieg! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens und Europas!

Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai finden vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs der Nato gegen Russland statt, der die Gefahr eines nuklearen Weltkriegs beinhaltet. Gleichzeitig nimmt ein Aufstand der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt an Kraft zu. Der Ausgang der Wahlen in der Türkei ist von großer internationaler Bedeutung; sie ist die Brücke zwischen Europa und Asien und kontrolliert die Meerengen zum Schwarzen Meer.

Recep Tayyip Erdoğan und Kemal Kılıçdaroğlu [Photo by [Photo par AP Photo / Présidence turque (à gauche), Cumhuriyet Halk Partisi / CC BY-NC-SA 4.0 (droite)]]

Das Nato-Bündnis, dem auch die Türkei angehört, bedroht die Menschheit mit Vernichtung durch einen nuklearen dritten Weltkrieg. Es eskaliert den Krieg gegen Russland in der Ukraine und beschleunigt die Kriegsvorbereitungen gegen China. Während die Regierungen der Welt Billionen von Dollar in den Militarismus und die Finanzmärkte stecken, sinken der Lebensstandard und die Kaufkraft der Massen in einem beispiellosen Tempo. Auf der ganzen Welt wächst der Widerstand der Arbeiterklasse.

Die Sosyalist Eşitlik Grubu (Sozialistische Gleichheitsgruppe, SEG), die türkische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), stellt sich gegen den Imperialismus und das kapitalistische Establishment, das nur noch sozialen Niedergang beschert. Der Kampf gegen imperialistischen Krieg, soziale Ungleichheit und Inflation, autoritäre Herrschaftsformen und die anhaltende Covid-19-Pandemie erfordert eine internationale revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus. Die Grundlage muss ein sozialistisches Programm und das Ziel der Machtübernahme sein.

Die Perspektive der SEG stützt sich auf die Lehren der Geschichte. Die Türkei wird in den Strudel der weltweiten Eskalation des imperialistischen Kriegs hineingezogen, und der Nato-Krieg in der Ukraine, nur ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, hat weitreichende Auswirkungen auf die Türkei.

Der erste globale Konflikt des 20. Jahrhunderts brach auf dem Balkan aus, als verschiedene Staaten um das Erbe des Osmanischen Reichs kämpften. Auf die Balkankriege von 1912 und 1913 folgte der Erste Weltkrieg, ausgelöst durch die Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand. Die geopolitischen Konflikte, die das Osmanische Reich zerrütteten – bis hin zum Weltkrieg, aus dem die moderne türkische Republik hervorging – kehren heute in noch explosiverer Form zurück.

Damals wurde dem ersten globalen Gemetzel durch die Oktoberrevolution von 1917 unter Führung der bolschewistischen Partei von Wladimir Lenin und Leo Trotzki ein Ende gesetzt. Heute kann nur die revolutionäre Intervention der internationalen Arbeiterklasse verhindern, dass die globalen Widersprüche des Kapitalismus – die die Menschheit im 20. Jahrhundert zweimal in einen Weltkrieg gestürzt haben – zu einem dritten Weltkrieg führen.

Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien am 6. Februar, die Millionen von Menschen obdachlos machte und Zehntausende tötete, hat eins auf tragische Weise gezeigt: Das kapitalistische Nationalstaatensystem verhindert, dass die drängenden sozialen Probleme auf geplante und rationale Weise und international gelöst werden können. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und das gesamte politische Establishment haben es versäumt, sich auf das drohende Erdbeben vorzubereiten, denn ihre Politik konzentriert sich auf Profit und die Aneignung von Reichtum. Große Naturereignisse wie Erdbeben respektieren keine nationalen Grenzen, aber die Politik der kapitalistischen Regierungen wird von rein nationalen Interessen bestimmt.

Auch die katastrophale Reaktion der Regierungen auf die Corona-Pandemie verrät dieselbe „Profite-vor-Leben“-Politik. Während Covid-19 weltweit mehr als 20 Millionen Menschen tötete und weiterhin Masseninfektionen und Tod verursacht und die Gesundheit von Millionen schwächt, ist die Weltbevölkerung auch durch den Klimawandel und durch neue Pandemien bedroht.

Die kapitalistischen Allianzen und die Position der SEG

Die SEG erklärt, dass es bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen keine einzige fortschrittliche Alternative gibt. Keine Partei vertritt die Arbeiterklasse, was ein deutlicher Ausdruck der aktuellen politischen Krise ist. Keine Partei, die bei diesen Wahlen antritt, kämpft für Arbeiterinteressen, und sei es auch nur in sehr begrenzter Form.

Als junge politische Strömung ist die SEG noch nicht in der Lage, direkt mit eigenen Kandidaten anzutreten. Sie interveniert jedoch auf der Grundlage der immensen historischen Erfahrung der internationalen trotzkistischen Bewegung in diesen Wahlen, um den bewusstesten Arbeitern und Jugendlichen die politischen Fragen zu erläutern. Sie kämpft für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von allen Parteien der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums, stellt ein internationales, sozialistisches Programm vor und erklärt, was nicht nur am Wahltag, sondern auch danach zu tun sei.

Die rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Klasse treten bei diesen Wahlen in zwei Lagern an: Einerseits ist da die Volksallianz, angeführt von Erdoğans islamistischer Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) und den Faschisten von der Nationalistischen Bewegung (MHP). Und andererseits das Bündnis der Nation, angeführt von Kemal Kılıçdaroğlus kemalistischer Republikanischer Volkspartei (CHP) und der Guten Partei (İyi), einer Abspaltung von der MHP. Zum Bündnis der Nation gehören auch die islamistische Glückseligkeitspartei (aus der die AKP hervorgegangen ist), die Zukunftspartei des ehemaligen AKP-Premierministers und Außenministers Ahmet Davutoğlu und die DEVA des ehemaligen AKP-Wirtschaftsministers Ali Babacan.

Meinungsumfragen, die mehrheitlich Kılıçdaroğlu in Führung sehen, deuten darauf hin, dass die Präsidentschaftswahlen in eine zweite Runde gehen könnten. Zwei weitere Kandidaten mit weniger als 10 Prozent der Stimmen sind ebenfalls im Rennen: Muharrem İnce, CHP-Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2018, kandidiert heute für das Präsidentenamt, um die Präsenz von Davutoğlu und Babacan im Bündnis der Nation zu kritisieren. Der Kandidat des Ata-Bündnisses (geführt von der Partei des Sieges) versucht, auf ausländerfeindlicher Grundlage eine rechtsextreme Bewegung aufzubauen.

Erdoğan kandidiert für eine dritte Amtszeit und verstößt damit gegen die Verfassung. Weder sein regierender Block noch die bürgerlichen Oppositionsbündnisse bieten der Arbeiterklasse, die in der Türkei die Bevölkerungsmehrheit stellt, eine Perspektive. Was diese reaktionären bürgerlichen Bündnisse verbindet, ist ihre Loyalität gegenüber dem Imperialismus und ihre Ablehnung der Arbeiter. Ihre größte Angst ist die Massenmobilisierung der Arbeiterklasse. Diese jedoch steht vor einer massiven wirtschaftlichen und sozialen Krise und der Gefahr einer weiteren Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland.

Mit Unterstützung pseudolinker Gruppen haben sich mehrere Wahlbündnisse gebildet, die sich hinter Kılıçdaroğlu stellen und versuchen, die Wut der Massen darauf abzulenken. Das erste ist das Bündnis für Arbeit und Freiheit der kurdisch-nationalistischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) und ihres Verbündeten, der Arbeiterpartei der Türkei (TİP). Aufgrund der reaktionären Drohung der Erdoğan-Regierung, die HDP zu verbieten, kandidiert diese jetzt unter dem Namen Grüne Linkspartei (YSP).

Die stalinistische Kommunistische Partei der Türkei (TKP) und die Linke Partei (ehemalige Partei der freiheitlichen Demokratie, ÖDP) haben sich ebenfalls zusammengeschlossen; ihre Union Sozialistischer Kräfte (SGB) verfolgt dieselbe rechtsgerichtete Politik. Wie die Allianz für Arbeit und Freiheit versucht auch sie, die Arbeiterklasse im Rahmen der bestehenden politischen und sozialen Ordnung gefangen zu halten.

Die SEG steht in unversöhnlichem Gegensatz zu den prinzipienlosen pseudolinken Tendenzen, die sich zwar diesen Bündnissen nicht direkt anschließen, aber dennoch zu deren Unterstützung aufrufen.

Eine davon ist die Revolutionäre Arbeiterpartei (DİP), die türkische Schwesterorganisation der Revolutionären Arbeiterpartei (EEK) in Griechenland. Sie haben sich mit den russischen neostalinistischen Tendenzen verbündet, die das reaktionäre Putin-Regime gegen die imperialistische Nato-Aggression unterstützen. Nachdem die DİP bis zu den Wahlen im Juni 2018 die Nato- und EU-freundliche HDP unterstützt hatte, verpflichtet sie sich jetzt, bei diesen Wahlen die stalinistische Kommunistische Bewegung der Türkei (TKH) zu unterstützen. Allerdings setzt die TKH ihr Bündnis mit der TKP innerhalb der Union Sozialistischer Kräfte (SGB) fort, wie auch mit der Linken Partei, die bei den Präsidentschaftswahlen Kılıçdaroğlu unterstützt.

Das Gleiche gilt für die Sozialistische Arbeiterpartei (SEP im Türkischen), die ehemalige türkische Sektion der International Socialist League (ISL), die den Nato-Krieg gegen Russland enthusiastisch unterstützt. Sie hat in Ankara einen eigenen unabhängigen Parlamentskandidaten aufgestellt, ruft aber auch zur Unterstützung der Allianz für Arbeit und Freiheit auf, die sich hinter Kılıçdaroğlu gestellt hat, und macht damit deutlich, dass ihre Opposition gegen das kapitalistische Establishment durch und durch heuchlerisch und unehrlich ist.

Die SEG weist die Behauptung entschieden zurück, dass Arbeiter und Jugendliche zwischen den beiden rechten bürgerlichen Lagern und ihren Anhängern zu wählen hätten. Wie auch immer die Wahlen ausgehen, sie werden kein grundlegendes Problem der Arbeiterklasse lösen. Das liegt daran, dass keins dieser Probleme auf nationaler Ebene – oder ohne gesellschaftlichen Frontalangriff auf den Reichtum des Finanzkapitals – gelöst werden kann.

Keine Partei, die an den Wahlen teilnimmt, ist in der Lage, die grundlegenden Probleme zu lösen. Sie stehen alle im Lager des imperialistischen Krieges, sind der Nato gegenüber völlig loyal, ignorieren die Pandemie und das Massensterben und überlassen die Massen der Zerstörung und der tödlichen Gefahr neuer Erdbeben. Ihre Antwort auf die Wirtschaftskrise wird, ungeachtet ihrer taktischen Differenzen, darin bestehen, der Arbeiterklasse im Namen der Banken und des Großkapitals ein strenges Programm sozialer Sparmaßnahmen aufzuzwingen.

Die SEG lehnt den Pessimismus ab, den die Pseudolinken verbreiten, um ihre Anpassung an die nationale Bourgeoisie zu rechtfertigen. Die Widersprüche des globalen Kapitalismus, die zu imperialistischem Krieg, sozialer Konterrevolution und Diktatur führen, führen gleichzeitig zum Aufschwung einer globalen Bewegung der Arbeiterklasse.

In Sri Lanka erhebt sich die Arbeiterklasse und arme Landbevölkerung erneut, auch gegen den neuen Staatschef. Denn auch nach dem Massenaufstand im letzten Jahr, der den Präsidenten zur Flucht aus dem Land zwang, existieren die grundlegenden Probleme weiter, und die bürgerliche Herrschaft besteht fort.

In allen europäischen Ländern nehmen Streiks und Proteste zu. In Frankreich kämpft die Arbeiterklasse gegen die Rentenkürzungen von Präsident Emmanuel Macron und die nackte kapitalistische Staatsgewalt. Dies macht deutlich, dass Macron gestürzt werden muss und die Macht an die Arbeiterklasse übergehen muss.

Auch in den Vereinigten Staaten, dem Herzstück des imperialistischen Systems, hat sich die Arbeiterklasse radikalisiert. Der bewussteste politische Ausdruck dafür war bisher die Kampagne von Will Lehman, dem Kandidaten der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) bei den Wahlen der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW). Er hat auf einer sozialistischen Plattform, die die „Übertragung der Macht an die Basis“ forderte, fast 5.000 Stimmen erhalten.

Im Iran wird das Regime seit Monaten durch Massenproteste erschüttert, und in Israel haben sich gegen den versuchten Justizputsch von Premierminister Netanjahu die massivsten Proteste der Geschichte entwickelt. Die Bedingungen für eine politische Einheit jüdischer, arabischer, iranischer und anderer Arbeiter im gesamten Nahen Osten sind reif.

In der Türkei kam es im vergangenen Jahr zu einer beispiellosen Welle spontaner Streiks. Hier stehen ebenfalls, unabhängig vom Wahlausgang, große Klassenschlachten auf der Tagesordnung. Der Weg vorwärts besteht darin, die entstehende Arbeiterbewegung in Opposition zur Gewerkschaftsbürokratie mit einem trotzkistischen Programm und den Lehren der Geschichte zu bewaffnen, die im jahrzehntelangen Kampf des IKVI gegen Stalinismus, Pablismus und bürgerlichen Nationalismus verkörpert sind.

Der Nato-Krieg gegen Russland und die herrschende Elite in der Türkei

Der Ukrainekonflikt, der nördlich des Schwarzen Meeres gegen Russland tobt, ist ein imperialistischer Krieg der US-geführten Nato-Mächte. Er könnte die Türkei, Europa und den Rest der Welt schnell in den Abgrund reißen.

Der Versuch der Erdoğan-Regierung, zwischen der von der Nato unterstützten Ukraine und Russland zu vermitteln, bewegt sich letztlich im Rahmen der beschränkten wirtschaftlichen, militärischen und politischen Beziehungen, die die türkische Bourgeoisie sowohl zur Nato als auch zu Russland unterhält. Die Regierung in Ankara manövriert zwischen der Nato und Russland. Die Eskalation des Krieges schränkt jedoch ihre Möglichkeiten immer mehr ein und zwingt sie, sich offen für eine Seite zu entscheiden.

Die einstimmige Zustimmung des türkischen Parlaments zum Nato-Beitritt Finnlands - an sich schon eine beunruhigende Eskalation im Krieg gegen Russland - war eine klare Demonstration seines pro-imperialistischen und reaktionären Charakters.

Dies hat auf eindrucksvolle Weise Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution bestätigt. Mit Wladimir Lenin zusammen hatte er die Oktoberrevolution von 1917 angeführt, später die Vierte Internationale gegründet. Vor fast 90 Jahren erklärte Trotzki:

In Bezug auf die Länder mit einer verspäteten bürgerlichen Entwicklung, insbesondere auf die kolonialen und halbkolonialen Länder, bedeutet die Theorie der permanenten Revolution, dass die volle und wirkliche Lösung ihrer demokratischen Aufgaben und des Problems ihrer nationalen Befreiung nur denkbar ist mittels der Diktatur des Proletariats als des Führers der unterdrückten Nation, vor allem ihrer Bauernmassen.

Am hundertsten Jahrestag der Gründung der türkischen Republik ist die Bourgeoisie noch unfähiger als vor einem Jahrhundert, ihre Aufgaben zum Schutz der Unabhängigkeit vom Imperialismus oder zur Errichtung einer demokratischen Regierung zu erfüllen.

Der Krieg, den die Nato mit Unterstützung der türkischen Bourgeoisie im vergangenen Jahr in der Ukraine ausgelöst hat, war ein Produkt der fast ununterbrochenen imperialistischen Aggression des US-Imperialismus seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion 1991 und der Osterweiterung der Nato.

Diese imperialistische Aggression hat zahllose Länder – vom Irak bis Jugoslawien, von Afghanistan bis Syrien – zerstört, Millionen von Menschen getötet und Dutzende Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Tausende sind im Mittelmeer ertrunken, weil die Europäische Union eine Politik der „Festung Europa“ betreibt, um zu verhindern, dass Flüchtlinge den Kontinent erreichen.

Die Komplizenschaft der türkischen und kurdischen Bourgeoisie in diesen Kriegen und ihre Bemühungen, Brosamen aus der imperialistischen Ausbeutung abzubekommen, hatten verheerende Folgen. Erdoğan spielte eine wichtige Rolle im Regimewechsel-Krieg, den die CIA 2011 angezettelt hatte, um den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Dieser Krieg führte zu mehr als 500.000 Toten.

Im Jahr 2015 scheiterte Erdoğans „Friedensprozess“ mit der kurdisch-nationalistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Nato hatte ihn unterstützt, aber dann machte der US-Imperialismus die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) zu seiner wichtigsten Stellvertretertruppe in Syrien. Die Befürchtung, dass die Entstehung eines von den USA unterstützten kurdischen Staates in Syrien ein ähnliches Ergebnis in der Türkei auslösen könnte, versetzte Ankara in Angst und Schrecken und trieb die Regierung Erdoğan in einen neuen Konflikt. Dabei wurde sie bei dem Versuch, die PKK-YPG und die HDP mit Gewalt zu zerschlagen, von der CHP weitgehend unterstützt.

Die wachsenden Spannungen zwischen Ankara und seinen imperialistischen Verbündeten entluden sich gewaltsam in dem gescheiterten, von der Nato unterstützten Putsch gegen Erdoğan im Jahr 2016. Nachdem Erdoğan den Putschversuch aufgrund der Massenproteste überlebt hatte, suchte er weiterhin einen Deal mit seinen Nato-Verbündeten. Dies entlarvt die Position der türkischen Bourgeoisie, die tief mit dem Imperialismus verbunden ist und vor allem die Bedrohung durch die Arbeiterklasse fürchtet.

Während Erdoğans Volksbündnis für ein Manövrieren zwischen den US-geführten Nato-Mächten einerseits und Russland und China andererseits eintritt, verspricht Kılıçdaroğlus Bündnis der Nation, dem Nato-Imperialismus besser zu dienen. Während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten im Oktober letzten Jahres erklärte Kılıçdaroğlu in weitaus deutlicheren Worten als Erdoğan: „Wir denken, im russisch-ukrainischen Krieg müssen wir uns auf die Seite der Ukraine stellen.“

US-Präsident Biden und seine europäischen Verbündeten, die sich offen oder verdeckt für Kılıçdaroğlu gegen Erdoğan ausgesprochen haben, sehen in Kılıçdaroğlu einen verlässlicheren Verbündeten. In der Tat hat dieser sein Bestes getan, um die imperialistischen Mächte darin zu bestätigen. Die CHP, die den Nato-Beitritt Finnlands unterstützt, verspricht, dass das Parlament im Falle ihres Wahlsiegs den Beitritt Schwedens schnell beschließen werde.

Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Kılıçdaroğlu im Falle seines Wahlsiegs nicht mit denselben Konflikten konfrontiert wäre, die die türkische Bourgeoisie unter Erdoğan mit der Nato hat. Diese Konflikte haben schon zur Konfrontation mit den kurdischen Nationalisten geführt und führen zwangsläufig zum Konflikt mit den imperialistischen Verbündeten der Türkei. Kılıçdaroğlus Kampagne hat jedoch deutlich gemacht, dass sie fest auf eine Verbesserung der Beziehungen zum Imperialismus ausgerichtet ist.

Der Zusammenbruch der demokratischen Herrschaftsformen

Letztes Jahr behauptete Kılıçdaroğlu, die Nato sei „der Garant der Demokratie im 21. Jahrhundert“. In Wirklichkeit gehen von den Nato-Mächten, allen voran von den Vereinigten Staaten, im 20. und 21. Jahrhundert immer wieder antidemokratische Operationen aus, die sich gegen gewählte Regierungen auf der ganzen Welt richten. Der Putsch in der Ukraine 2014 und der Putschversuch in der Türkei 2016 sind nur zwei Beispiele.

Der Zusammenbruch demokratischer Regierungsformen hat seinen markantesten Ausdruck in den führenden Nato-Hauptmächten, den Vereinigten Staaten und Frankreich, gefunden. Im Interesse der Finanzoligarchie versucht Präsident Macron, Rentenkürzungen mit staatlicher Gewalt durchzusetzen, die von drei Vierteln der französischen Bevölkerung abgelehnt werden. In den USA hat Donald Trump am 6. Januar 2021 einen Putschversuch unternommen, um die Wahlergebnisse umzudrehen. Präsident Biden erklärte, er sei sich nicht sicher, ob es im nächsten Jahrzehnt noch eine Demokratie geben werde.

Die zerbrechliche „Demokratie“ der Türkei ist gegen solche Prozesse nicht immun. Erst vor sieben Jahren kam es zu einem Putschversuch, auf den Erdoğan mit einer Beschleunigung des Übergangs zu einem autoritären Präsidialregime reagierte. Sollten Fraktionen der Bourgeoisie in der Türkei eingreifen und versuchen, die Wahlen zu fälschen oder zu stehlen, müssen Arbeiter und Jugendlichen dem entschieden entgegentreten.

Der Drang der herrschenden Klasse zu diktatorischen Herrschaftsformen ist in der internationalen Krise des kapitalistischen Systems verwurzelt. Er kann nicht durch einen Regierungswechsel beseitigt werden. Um das Aufkommen diktatorischer Regime in Europa zu erläutern, schrieb Trotzki 1929:

Wenn man eine Analogie mit der Elektrotechnik zieht, könnte man die Demokratie als ein System von Sicherungen und Schaltern zum Schutz gegen die Überlastung durch nationale oder soziale Kämpfe definieren … Unter der zu hohen Spannung der Klassen- und der internationalen Widersprüche brennen die Sicherungen entweder durch oder sie explodieren.

Die Erdoğan-Regierung hat, wie ihre Pendants auf der ganzen Welt, während der Corona-Pandemie einen massiven Transfer von Reichtum von der Arbeiterklasse zur Finanzoligarchie veranlasst. Die überwältigende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung lebt in Armut und kämpft gegen den Verlust ihrer Reallöhne, während die jährliche reale Inflation auf über 100 Prozent gestiegen ist. Diese soziale Konterrevolution, die sich im Anstieg der Nettogewinne des türkischen Bankensektors um über 350 Prozent im Jahr 2022 widerspiegelt, wird von allen Fraktionen der herrschenden Eliten unterstützt.

Kılıçdaroğlu hat deutlich gemacht, dass er plant, eine Regierung zu bilden, die den Interessen des internationalen und des türkischen Finanzkapitals dient. Daran ändert auch seine demagogische Rhetorik gegen die Großkonzerne, die Erdoğan nahestehen, nichts. Kılıçdaroğlus „Lösung“ für die Wirtschaftskrise besteht darin, die Beziehungen zu den Finanzkreisen in New York und London zu verstärken, wo die Hauptschuldigen für die enorme Teuerung und Verarmung der türkischen und internationalen Arbeiterklasse sitzen. Zu diesem Zweck hat er Ali Babacan, Erdoğans ehemaligen obersten Wirtschaftsbeauftragten, angeworben. Kılıçdaroğlus Vorhaben, den US-amerikanischen und europäischen Zentralbanken bei der Anhebung der Zinssätze zu folgen, um die Inflation einzudämmen, bedeutet wirtschaftliche Stagnation, Massenentlassungen und Sparmaßnahmen.

Die Wahlversprechen des Bündnis der Nation, die sozialen Bedingungen zu verbessern, demokratische Rechte wiederherzustellen und zur parlamentarischen Demokratie zurückzukehren, sind wertlos. Die globale Krise des Kapitalismus und die Verschärfung des Klassenkampfes, die die Entwicklung von Erdogans rechtsautoritärem Regime vorantreiben, werden sich unabhängig vom Ausgang der Wahl weltweit verschärfen. In jedem Fall wird die Arbeiterklasse vor einer Machtprobe mit der neuen bürgerlichen Regierung stehen.

Die pro-imperialistische Rolle des kurdischen Nationalismus

Die Sosyalist Eşitlik Grubu wendet sich kompromisslos gegen die staatliche Unterdrückung des kurdischen Volkes und von kurdischen Politikern. Die demokratischen Grundrechte des kurdischen Volkes müssen anerkannt und die politischen Gefangenen freigelassen werden. Unsere prinzipielle Verteidigung der demokratischen Rechte bedeutet jedoch in keiner Weise eine Unterstützung für bürgerlich-nationalistische Bewegungen. Die pro-imperialistische Bilanz des kurdischen Nationalismus ist ein eindrucksvolles Beispiel für den Bankrott des Nationalismus und seinen Mangel an progressiven Inhalten.

Die Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland hat einmal mehr gezeigt, dass die Behauptung, die HDP trete gegen Krieg und für Frieden ein, eine politische Falle und ein Betrug ist. Die HDP hat an an der Abstimmung über Finnland nicht teilgenommen, weil sie nicht dagegen ist, Finnland in die Nato aufzunehmen. Sie wiederholte die Rhetorik der Nato-Mächte und erklärte, dass „die Sicherheitsbedenken Finnlands legitim“ seien.

Diese Haltung der HDP mit ihrer falschen „antiimperialistischen“ Rhetorik steht im Einklang mit der historischen Bilanz des kurdischen Nationalismus und seiner Ausrichtung auf den Imperialismus. Sie hat die US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 begrüßt und das Bündnis der YPG mit den USA in Syrien als „Rojava-Revolution“ verklärt. Die HDP ist in der Parlamentarischen Versammlung der Nato vertreten. Sie unterhält enge Verbindungen zu den deutschen Sozialdemokraten und den Grünen, die eine zentrale Rolle im Nato-Krieg gegen Russland spielen.

Bis 2015 hat die HDP im Namen des von den USA und der EU unterstützten „Friedensprozesses“ mit der Erdoğan-Regierung zusammengearbeitet. Nach dem Ende dieses Prozesses wandte sie sich allmählich der CHP zu, da die Erdoğan-Regierung immer härter gegen die Kurden durchgriff, was im Übrigen auch die CHP weitgehend unterstützte. Früher behauptete die HDP, dass ein Abkommen mit Erdoğan „Frieden und Demokratie“ bringen würde, und heute verbreitet sie die gleichen Illusionen über die CHP-geführte Bündnis der Nation.

Die SEG weist diese Behauptungen vehement zurück. Sie sind eine Täuschung, die der Arbeiterklasse und der kurdischen Bevölkerung nur neue Katastrophen einbringt. Die Lösung der kurdischen Frage und eine Beendigung des Gemetzels im Nahen Osten erfordern die Mobilisierung der Arbeiterklasse und die Übernahme der Macht auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms gegen den Imperialismus und seine bürgerlichen Stellvertreter.

Der einzige Ausweg besteht darin, dass sich Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihren Brüdern und Schwestern aller Nationalitäten im Nahen Osten und in den imperialistischen Ländern vereinen, und dass sie gemeinsam gegen Krieg und Unterdrückung und für den Aufbau des Sozialismus im gesamten Nahen Osten und weltweit kämpfen.

Der Bankrott der Pseudolinken

Die Sosyalist Eşitlik Grubu wendet sich sowohl gegen das Erdoğan-Regime als auch gegen eine mögliche Kılıçdaroğlu-Präsidentschaft. Sie tut dies vom Standpunkt der internationalen Arbeiterklasse aus. Sie weist die Behauptung der pseudolinken Kräfte, einschließlich der TİP, der Arbeiterpartei (EMEP), der TKP, der Linken Partei und verschiedener pablitischer / morenoitischer Tendenzen, dass eine Kılıçdaroğlu-Präsidentschaft die sozialen und demokratischen Bedingungen verbessern würde, als eklatante Lüge zurück. Indem diese Kräfte versuchen, die wachsende soziale Opposition hinter dem Bündnis der Nation zu versammeln, offenbaren sie einmal mehr ihren pro-imperialistischen, arbeiterfeindlichen Charakter.

Die TİP, die bei den Wahlen 2018 auf den Listen der HDP ins Parlament einzog, spielt heute eine entscheidende Rolle dabei, die Massen in eine Sackgasse zu führen, wenn sie nach einer linken Alternative zum Erdoğan-Regime, zum rechten Bündnis der Nation und zum Kapitalismus suchen. Die TİP wurde 2017 gegründet; vorangegangen war eine Spaltung innerhalb der stalinistischen TKP im Jahr 2014. Sie ist im vergangenen Jahr mit Unterstützung der bürgerlichen Oppositionsmedien schnell angewachsen.

Der wahre Charakter der TİP zeigte sich am deutlichsten in ihrer Weigerung, sich bei der Parlamentsabstimmung gegen den Nato-Beitritt Finnlands auszusprechen. Dies war eine sehr bewusste Entscheidung, die darauf zurückzuführen ist, dass sie sich auf die pro-imperialistische HDP und das Bündnis der Nationen stützt und nicht auf die Arbeiterklasse, in der es eine überwältigende Opposition gegen die Nato gibt.

TİP-Führer Erkan Baş hat behauptet, dass eine Wahlniederlage Erdoğans „die Herrschaft der Arbeiterfeinde beenden“ würde. In Wirklichkeit werden sich die Wirtschaftskrise und die sozialen Angriffe der herrschenden Klasse verschärfen, egal welcher Kandidat gewinnt. Die globale Krise des Kapitalismus, die die Türkei erschüttert, wird nicht enden, bloß weil Kılıçdaroğlu, ein anderer rechter, Nato-freundlicher bürgerlicher Politiker, Erdoğan als Präsidenten ablöst. Sie wird auch nicht enden, wenn Erdoğan seine parlamentarische Mehrheit einbüßt. Um die Krise zu lösen, muss die Arbeiterklasse die Macht durch eine sozialistische Revolution in die eigenen Hände nehmen, und zwar sowohl in der Türkei als auch auf der ganzen Welt.

Der arbeiterfeindliche Charakter der CHP zeigt sich in der Politik der von ihr regierten Kommunen. Nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie unterstützten sowohl die CHP als auch ihre Anhänger im Gewerkschaftsbund DİSK von Anfang an die „Profite-vor-Leben“-Politik der Regierung. Während die CHP diese Politik in den von ihr regierten Gemeinden durchsetzte, sorgte die DİSK dafür, dass Arbeiter unter unsicheren Bedingungen weiterarbeiten mussten. Als in Istanbul auch Arbeiter der CHP-Gemeinden streikten, beschuldigte die CHP sie, sie würden „der Regierung dienen“, und ging daran, die Streiks zu brechen.

Ein besonders schmutziger Aspekt der Unterstützung der pseudolinken Organisationen für die Nation Allianz ist ihr ohrenbetäubendes Schweigen zu Kılıçdaroğlus fremdenfeindlichem Programm. Millionen von Flüchtlingen sind vor den Kriegen in Afghanistan und Syrien geflohen, an denen auch Ankara mitschuldig ist. Sie leben in der Türkei ohne die elementarsten Rechte. Kılıçdaroğlu versucht seit langem, den wachsenden gesellschaftlichen Widerstand in eine reaktionäre Richtung und gegen die Geflüchteten zu lenken. Seit zwei Jahren verspricht er, sie in Zusammenarbeit mit der EU zu „repatriieren“, d. h. abzuschieben.

Die Sosyalist Eşitlik Grubu lehnt die fremdenfeindliche Politik des Bündnis der Nation und der hinter ihr stehenden pseudolinken Kräfte kategorisch ab. Sie ruft die Arbeiter stattdessen dazu auf, die Flüchtlinge zu verteidigen. Geflüchtete Menschen, die Opfer des imperialistischen Kriegs geworden sind, müssen das Recht haben, im Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten und gleiche Rechte, einschließlich der Staatsbürgerschaft, zu genießen.

Die Anpassung der pseudolinken Kräfte an das Bündnis der Nationen spiegelt die Tatsache wider, dass sie wohlhabende Teile der Mittelklasse vertreten, die eine bessere Position im Kapitalismus anstreben. Die Bilanz ihrer internationalen Verbündeten wie Syriza in Griechenland, der Linken in Deutschland und Podemos in Spanien, die auf lokaler oder nationaler Ebene mitregieren, ist für Arbeiter und Jugendliche eine Warnung.

In Spanien ist Podemos, die gemeinsam mit der Partei des Großkapitals, der sozialdemokratischen PSOE, regiert, ein glühender Befürworter des Nato-Kriegs gegen Russland. Die spanische Regierung hat Streiks der Arbeiter mehrfach mit Gewalt gebrochen. In Deutschland unterstützt die Linkspartei die Rückkehr des deutschen Imperialismus und setzt in den Bundesländern, wo sie mitregiert, eine harte Sparpolitik durch.

Syriza, die 2015 an die Macht kam, zwang dem griechischen Volk das harte Sparprogramm der EU und der Großbanken auf. Als Teil des schmutzigen Deals der EU mit der Erdoğan-Regierung richtete Syriza brutale Internierungslager für Flüchtlinge in Griechenland ein. Der Syriza-Chef und ehemalige Ministerpräsident, Alexis Tsipras, knüpfte militärische und politische Beziehungen zum zionistischen Regime in Israel und zur blutigen Al-Sisi-Diktatur in Ägypten.

Syriza will bei den griechischen Wahlen am 21. Mai an die Macht zurückkehren. Im Konflikt mit der Türkei um Öl und Gas im östlichen Mittelmeer und auf den Ägäis-Inseln vertritt Syriza eine harte Linie zugunsten Griechenlands, das von Frankreich unterstützt wird. Kılıçdaroğlu, den die Pseudolinken unterstützen, hat sich seinerseits für eine aggressive Politik gegen Griechenland ausgesprochen, die im Einklang mit den reaktionären Interessen der türkischen Bourgeoisie steht. Im Jahr 2017 drohte Kılıçdaroğlu: „Ich werde kommen und all diese Inseln einnehmen.“

Die Sosyalist Eşitlik Grubu kämpft für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, indem sie die politische und soziale Kluft aufzeigt, die den Kampf für den Trotzkismus in der Arbeiterklasse von dem kleinbürgerlichen Nationalismus der Pseudolinken trennt. Nur eine saubere Unterscheidung der Interessen der internationalen Arbeiterklasse von denen der Bourgeoisie kann die Arbeiterklasse auf den Kampf um die politische Macht vorbereiten.

Wofür steht die SEG?

  • Mobilisiert die türkische und internationale Arbeiterklasse gegen den Nato-Imperialismus und den drohenden atomaren Weltkrieg

Die Sosyalist Eşitlik Grubu unterstützt die Kampagne der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), Jugendbewegung des IKVI, zum Aufbau einer globalen Bewegung von Arbeitern und Jugendlichen gegen den Krieg. Die SEG ist gegen Putins reaktionären Einmarsch in die Ukraine, aber sie stellt sich unversöhnlich gegen pseudolinke Kräfte, die ihn als Vorwand nutzen, um den imperialistischen Krieg der USA und der Nato zu unterstützen.

Der Krieg in der Ukraine, der die Menschheit mit einem Atomkonflikt bedroht, hat nichts mit „nationaler Verteidigung“ zu tun. Dieser Krieg ist eine verheerende Folge der stalinistischen Auflösung der UdSSR im Jahr 1991. Der Ukrainekrieg ist die Fortsetzung der Kriege, die die USA seit 30 Jahren im Balkan und im Nahen Osten, in Nordafrika und in Zentralasien führt. Letztlich gibt es keine nationale Lösung für diese Kriege: Sie entstehen aus den Widersprüchen des globalen Kapitalismus. Die einzige fortschrittliche Lösung liegt in der revolutionären Intervention der internationalen Arbeiterklasse.

In der Türkei wie überall auf der Welt ist die überwältigende Mehrheit der arbeitenden Menschen gegen den Ukrainekrieg. Eine im letzten Jahr durchgeführte Umfrage ergab, dass 80 Prozent der Bevölkerung in der Türkei den Krieg ablehnen. Das ist die soziale Basis, auf die sich eine Antikriegsbewegung in der Türkei und weltweit stützen muss. Diese Bewegung kann nur auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms aufgebaut werden, unabhängig von und gegen das gesamte pro-imperialistische politische Establishment.

Die SEG befürwortet auch den Rückzug aller imperialistischen Mächte aus dem Nahen Osten sowie den Abzug der türkischen Truppen im Ausland, einschließlich in Syrien und im Irak.

  • Für eine Zero-Covid-Politik

Ungeachtet der unwissenschaftlichen Behauptungen der Regierungen hält die Covid-19-Pandemie an. Die SEG setzt sich für eine Zero-Covid-Politik ein, die sich als äußerst erfolgreich erwiesen hat, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen und Leben zu retten. Diese Politik kann Covid-19 jedoch nur auf globaler Ebene beseitigen und erfordert die Mobilisierung der Arbeiter durch Bildung von Sicherheitskomitees in Betrieben und Schulen.

Die SEG unterstützt den Global Workers Inquest des IKVI zur Corona-Pandemie. Sie kämpft dafür, die Arbeiterklasse über die Notwendigkeit einer Zero-Covid-Politik aufzuklären, und ruft Arbeiter und Wissenschaftler dazu auf, sich an dieser Untersuchung zu beteiligen.

  • Baut Aktionskomitees auf, um die Arbeiter im Kampf gegen Austerität und Repression unabhängig von den Gewerkschaften zu organisieren

Das IKVI ist die einzige politische Strömung, die in den Betrieben unabhängige und internationale Aktionskomitees aufbaut. Sie werden sich vernetzen und den Kampf gegen Austerität und Repression unabhängig von den korrupten, wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften und gegen diese führen. Der Antrieb für eine solche Bewegung kommt aus der Wut der Arbeiter über die sozialen Bedingungen. Regierungen aller Couleurs haben diese Bedingungen seit Jahrzehnten durch Sparmaßnahmen und polizeistaatliche Repression herbeigeführt.

Unter den europäischen Ländern ist die Türkei, was die Löhne angeht, das Schlusslicht. Obwohl die monatliche Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie bei über 33.000 Lira (1.540 Euro) liegt, ist ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung gezwungen, mit einem Mindestlohn von etwa 8.500 Lira (knapp 400 Euro) auszukommen. Bei einer Lebensmittelinflation von 70 Prozent sind viele Familien weit von einer gesunden Ernährung entfernt. Die soziale Ungleichheit nimmt immer mehr zu. Bis 2022 stieg der Anteil des Nationaleinkommens, der an die obersten 20 Prozent der Bevölkerung fließt, auf 48 Prozent – der höchste Stand seit 16 Jahren. Seit Jahrzehnten kollaborieren die Gewerkschaften offen oder verdeckt mit der Regierung und helfen ihr, soziale Rechte abzuschaffen und die Löhne zu drücken.

Der Kampf für die Rückeroberung grundlegender sozialer Rechte, zur Beendigung der tödlichen Corona-Pandemie und gegen den imperialistischen Krieg kann nicht den nationalen Gewerkschaften und dem Staat überlassen werden. Jeder ernsthafte Arbeitskampf gegen transnationale Konzerne erfordert eine gewerkschaftsunabhängige und grenzüberschreitende Organisierung der Beschäftigten. Deshalb unterstützt die SEG den Aufruf des IKVI zum Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC).

  • Für die Enteignung der Finanzaristokratie, um die dringenden sozialen Bedürfnisse zu befriedigen

Die großen Zentralbanken haben die staatliche Gelddruckmaschine angeworfen, und die Finanzaristokratie hat sich dadurch um Billionen von Dollar bereichert. Diese Gelder, die an Finanzspekulanten weiterflossen, haben die Inflation angeheizt und die Staatsverschuldung massiv gesteigert, aber gleichzeitig die Aktienmärkte beflügelt. Studien benennen den Anstieg der Unternehmensgewinne als wesentlichen Inflationstreiber.

Eine parasitäre Aristokratie plündert die Gesellschaft aus. Sie hat mit ihrem unrechtmäßig erworbenen Kapital Gewinne erzielt, indem sie in der Pandemie die Arbeiter unter unsicheren Bedingungen hat arbeiten lassen, was Millionen von Menschenleben gekostet hat. Sie ist auch dafür verantwortlich, dass bei dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien unzählige Menschen in bekanntermaßen unsicheren Gebäuden zu Tode kamen. Die SEG setzt sich dafür ein, dass für viele hunderte Millionen Menschen in der Marmara-Region und in anderen Gebieten in der Türkei und darüber hinaus, in denen größere Erdbeben und ähnliche „Naturkatastrophen“ erwartet werden, unverzüglich menschenwürdige und sichere Wohnverhältnisse geschaffen werden.

Öffentliche Gelder, die von Privatleuten gestohlen wurden, müssen beschlagnahmt werden. Sie werden für die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung dringend gebraucht. Dies erfordert, dass in ganz Europa und darüber hinaus die Staatsgewalt in die Hände der Arbeiterklasse übergeht.

Diese Vorschläge setzen die Stärke der internationalen Arbeiterklasse, den Kampf für ihre politische Unabhängigkeit und die Notwendigkeit ihrer Machteroberung voraus. Sie weisen die SEG als marxistisch–internationalistische, an der Arbeiterklasse orientierte Tendenz – also als trotzkistische Organisation – aus, und sie unterscheiden die SEG grundlegend von allen anderen politischen Tendenzen in der Türkei.

Baut die Sosyalist Eşitlik Partisi auf!

Die Wahlen werden kein einziges soziales und demokratisches Problem der Arbeiterklasse und der Jugend lösen. Das entscheidende Problem in der Türkei und in der Welt ist die Frage der historischen Perspektive und der politischen Führung. Das bedeutet, das IKVI und seine Sektionen, die Sozialistischen Gleichheitsparteien, als revolutionäre Avantgarde der Arbeiterklasse aufzubauen.

Gegen pseudolinke Kräfte, die versuchen, Arbeiter und Jugendliche zur nationalen Bourgeoisie zu treiben, kämpfen das IKVI und die SEG darum, die Arbeiterklasse auf die objektiv revolutionäre Krise, die sich weltweit entwickelt, vorzubereiten. Der Konflikt, der die Arbeiter überall gegen den kapitalistischen Staat aufbringt, kann nicht durch eine „Reform“ der Staatsmacht, sondern nur durch die Übertragung der Macht an die Arbeiterklasse durch eine sozialistische Revolution gelöst werden. Dazu ist es nötig, noch vor Ausbruch revolutionärer Massenkämpfe eine trotzkistische Partei aufzubauen. Die theoretische und politische Grundlage dafür liefert, wie schon in der Oktoberrevolution von 1917, Trotzkis Theorie der permanenten Revolution.

Die SEG stützt sich auf die historischen Kämpfe des IKVI, der einzigen politischen Partei, die die Kontinuität der marxistisch–trotzkistischen Bewegung repräsentiert. Wie wir letztes Jahr in unserer Erklärung zum Beschluss, dem IKVI beizutreten und die SEP zu gründen, festgestellt haben: „Diese Kontinuität geht auf die Linke Opposition zurück, die im Jahr 1923 unter der Führung von Leo Trotzki gegründet wurde, um die Strategie und das Programm der sozialistischen Weltrevolution gegen die nationalistische, stalinistische Degeneration zu verteidigen. Diese Strategie und dieses Programm dienten schon in der Oktoberrevolution von 1917 in Russland als Richtschnur, als die bolschewistische Partei, die die Revolution führte, noch unter der Führung von Wladimir Lenin und Leo Trotzki stand.“

Die Türkei nimmt einen wichtigen Platz in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung ein, die in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Trotzki schrieb nicht nur einige seiner wichtigsten Werke in Istanbul, wohin er als unerbittlicher Gegner der stalinistischen Bürokratie verbannt worden war, sondern er rief auch 1933 von Prinkipo aus zur Gründung der Vierten Internationale auf. 1938 wurde die Vierte Internationale unter seiner Führung gegründet.

Das Internationale Komitee, das seit 1953 an der Spitze der Vierten Internationale steht, hat den Trotzkismus gegen Stalinismus, Sozialdemokratie, Pablismus und alle Formen des kleinbürgerlichen Nationalismus verteidigt. Es ist heute die einzige Organisation, die dafür kämpft, das Problem der revolutionären Führung der internationalen Arbeiterklasse zu lösen.

Im Kampf um den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitsparteien in der Türkei und im gesamten Nahen Osten arbeitet die SEG eng mit ihren Schwesterparteien im IKVI in Europa und auf der ganzen Welt zusammen. Sie kämpft für die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den imperialistischen Krieg und für eine sozialistische Weltrevolution.

Die SEG ruft alle, die dieser Erklärung zustimmen und eine wirklich sozialistische Alternative im Kampf gegen den imperialistischen Krieg, die soziale Konterrevolution und den Polizeistaat suchen, auf, sich dem Aufbau des IKVI und der Sosyalist Eşitlik Partisi anzuschließen.

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