„Wir dürfen einen Ausverkauf nicht zulassen“

Wachsender Widerstand gegen Schlichtungsempfehlung der EVG

Unter Eisenbahnern wachsen die Wut und der Widerstand gegen den Ausverkauf, den die EVG mit ihrem Schlichtungsergebnis vorbereitet. Die letzten Artikel der WSWS über den Schlichterspruch wurden von Zehntausenden gelesen und von Arbeitern vielfach in den sozialen Medien und unter Gruppen von Kollegen geteilt. Einzelne Orts- und Betriebsgruppen der EVG veröffentlichen Erklärungen, die zur Ablehnung des Schlichtungsangebots aufrufen.

EVG- und Verdi-Warnstreik und Demonstration, 27. März 2023 in Leipzig (Foto: WSWS)

Viele Eisenbahner meldeten sich in den letzten Tagen bei der WSWS, um sich am Aufbau des Aktionskomitees zu beteiligen, das auf dem Online-Treffen am Dienstag um 19 Uhr seine Arbeit aufnehmen wird und zu dem alle eingeladen sind, die den Ausverkauf durch die EVG-Führung verhindern wollen.

Reporter der WSWS haben zudem im Laufe der vergangenen Woche vor Bahnbetrieben und Info-Veranstaltungen der EVG mit Arbeitern über das Schlichtungsergebnis diskutiert. „Es ist gut, dass ihr für Streik und gegen das Schlichtungsergebnis werbt. Wir dürfen einen Ausverkauf nicht zulassen“, lautete die typische Reaktion eines Arbeiters vor dem Betriebsbahnhof Rummelsburg in Berlin.

„Im Werk DB Netz Werk Oberbaustoffe Witten hat jeder den Artikel erhalten. Und sehr viele sind der gleichen Meinung, dass es so nicht geht,“ berichtete ein anderer Arbeiter.

Jens, ein Arbeiter aus dem Werk in Rummelsburg, den Reporter der WSWS vor einer Info-Veranstaltung der EVG-Berlin trafen, berichtete: „Unser Abteil aus der Werkstatt ist komplett dagegen. Das ist zu lange, wir haben kein Personal und die Löhne steigen gar nicht mehr. … Hier in Rummelsburg haben wir gesagt, wenn das Schlichtungsergebnis kommt, treten wir aus der EVG aus.“

Die EVG vertrete nicht die Interessen ihrer Mitglieder. Hansen sei „das beste Beispiel“. Norbert Hansen (SPD) war bis 2008 Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet, dem Vorläufer der EVG, und war für zahlreiche schwache Tarifabschlüsse verantwortlich. Er saß zunächst im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und wurde später zu deren Personalchef berufen.

Über das Schlichtungsergebnis sagt der Beschäftigte: „Es hat sich nichts geändert zu vorher. Es ist eigentlich ein Hohn auf unsere Arbeit. Anders kann man es nicht sagen. Für oben im Vorstand ist Geld und unten fehlt was. Das ist die größte Frechheit.“

Er macht sich auch um die Auswirkungen auf die Rentenbezüge Sorgen. „Wir wollen ja auch versuchen, Richtung Rente etwas rauszukriegen, dass man früher in Rente gehen kann. Denn wer schafft das schon, bis 67 in der Werkstatt zu arbeiten.“ Nun soll mit dem Schlichtungsspruch das Eintrittsalter in die besondere Teilzeit (Altersteilzeit) von 59 auf 61 Jahre erhöht werden. Der Beschäftigte stellt fest, dass das internationale Fragen sind: „Wenn man sieht, was in Frankreich los ist mit der Rente. Die kämpfen für eine bessere Rente. Wir werden gebremst von der Gewerkschaft.“ Zu einem gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern in Frankreich erklärt er: „Das wäre das beste.“

Andere Arbeiter vor der Veranstaltung prangern die spaltende Rolle des Schlichtungsergebnisses an. „Der wesentliche Punkt, der mich beeinflusst, heute hier zu sein, ist der, dass das Solidarprinzip aufgehoben wird, dass Funktionsgruppen ausgeschlossen werden“, sagt einer von ihnen. „Dafür bin ich nicht über 40 Jahre Gewerkschaftsmitglied. Für mich heißt das: Wehret den Anfängen. Es ist eine Spaltung der Gewerkschaft.“

Er berichtet weiter: „Wir haben das mal durchgerechnet: Es ist letztendlich ein Reallohnverlust.“ Für einen Kollegen von ihm kämen „letztendlich 1000 Euro Verlust“ heraus.

„Ich werde es ablehnen“, pflichtet ihm ein Kollege bei. „Die Bedingungen, die wir vorher ausgemacht haben, sind weitestgehend nicht erfüllt worden, sondern eigentlich ist die Schlichtung im Sinne des Arbeitgebers gelaufen. Wenn man sich das Angebot vor und nach der Schlichtung anguckt, ist das fast identisch. Also zehn Euro mehr. Und viel schlimmer finde ich, dass die Zahlung erst im Dezember kommt. Die Zahlung des Entgelts muss ab Mai erfolgen, und zwar rückwirkend. Die Inflation greift dermaßen in die Portemonnaies der Arbeitnehmer und wir haben auch schon in der letzten Runde Abstriche gemacht, die wir irgendwann mal wieder finanziell ausgleichen müssen.“

Über die Auswirkungen, die der Schlichterspruch für die Arbeiter der DB Tochterunternehmen hätte, erklärt er: „Also ein Armutszeugnis ist es auf jeden Fall, dass bisher im Unternehmen nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn gezahlt worden ist. Also das fand ich wirklich erschreckend.“

Betriebsbahnhof Rummelsburg in Berlin

Ein Arbeiter, den Reporter der WSWS vor dem Betriebsbahnhof Rummelsburg treffen, berichtete ausführlicher über die Arbeitsbedingungen im Werk. Er selbst arbeitet im Bereich der Reinigung. „Wir werden immer weniger Beschäftigte, aber es sollen immer mehr Züge in kürzerer Zeit grundgereinigt werden. Das ist gar nicht möglich. Als ich angefangen habe, konnte man bei der Arbeit noch Späße mit Kollegen machen. Das geht heute alles nicht mehr. Bei der Arbeit macht man sich die Knochen kaputt. Wir bezeichnen das Werk auch als Knochenmühle.“

Über den Betriebsrat sagt er: „Zu dem Kindergarten gehe ich gar nicht mehr hin. Da bekommt man keine Antworten. Die unterzeichnen auch einfach jeden Dienstplan.“ Bevor er von der DB fest angestellt wurde, hatte er als Zeitarbeiter gearbeitet. „Hier bei der DB ist mein Stundenlohn schlechter“, berichtet er.

Die Opposition gegen die Schlichtungsempfehlung ist weit verbreitet und äußert sich auch in Beschlüssen ganzer Betriebs- und Ortsgruppen der EVG.

Die EVG-Betriebsgruppe bei DB Cargo in Mannheim kritisiert u. a. „die vorgeschlagenen Unterschiede zwischen den Funktionsgruppen“, die „zu einer Spaltung der DB-Beschäftigten und der EVG-Mitglieder“ führen. Das Ergebnis liege auch „fernab von unseren Ursprungsforderungen 650 Euro bei zwöf Monaten Laufzeit“. „Die Betriebsgruppe DB Cargo Mannheim hat daher am 8. August einstimmig beschlossen, ihren Mitgliedern die Ablehnung des Schlichtungsangebots zu empfehlen“.

Auf die Empfehlung der Betriebsgruppe bei DB Cargo in Frankfurt hat der EVG-Bundesvorstand reagiert, indem er in einem offenen Brief vor den Folgen eines Streiks warnt und den EVG-Mitgliedern droht: „Bei einem unbefristeten Streik verlieren wir alles und fangen wieder ganz bei Null an.“ Alles was bisher erreicht sei, „wäre dann weg. Auch die Inflationsausgleichprämie.“

Dieser Brief wurde zu Beginn der Urabstimmung allen EVG Mitgliedern per Post zugeschickt. Die WSWS hat diesen Brief bereits umfassend beantwortet und betont, dass sich Arbeiter nicht einschüchtern lassen dürfen. Die erste Aufgabe von Aktionskomitees bei der Bahn bestehe darin, „einen Ausverkauf durch die EVG zu verhindern und für einen unbefristeten Streik zu kämpfen“.

Wir rufen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner auf, mit uns Kontakt aufzunehmen.

Nehmt am 15. August, 19 Uhr, am Online-Treffen teil, um das Aktionskomitee zu konstituieren und weitere Schritte im Kampf gegen den EVG-Ausverkauf einzuleiten. Meldet euch dazu per Whatsapp bei dieser Nummer +49-163-337 8340 und registriert euch auch über das folgende Formular.

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