Wer AfD-Politik will, kann auch Grün statt Blau wählen – das ist die Kernbotschaft von Robert Habecks Zehn-Punkte-Plan „Sicherheitsoffensive für Deutschland“, der am Montag vorgestellt wurde. Der grüne Kanzlerkandidat fordert darin eine Ausweitung der Angriffe auf Geflüchtete und befeuert die rechte Hetze gegen Migranten, die seit Wochen auf allen Kanälen läuft und den Wahlkampf dominiert.
Im Vorspann zu seinem Plan schreibt Habeck:
Wir müssen die Sicherheit im Land für alle – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte - erhöhen. […] Die Sicherheitsbehörden brauchen das Personal, die Technik und die Befugnisse, um Gewalttäter dingfest und Terroristen rechtzeitig ausfindig zu machen und Anschlagspläne aufzudecken. Zu einer Sicherheitsoffensive gehören auch Schritte, die die irreguläre Migration weiter reduzieren und begrenzen.
Was hier als „Sicherheit im Land für alle“ verkauft wird, ist der typische Law-and-Order-Sprech der Rechten. Genau wie die AfD nutzt auch Habeck die Anschläge von ausländischen Tätern gezielt propagandistisch aus, um eine Stimmung der Unsicherheit und Angst vor angeblich gewalttätigen Flüchtlingen zu erzeugen.
Tatsächlich geht es um die Aufrüstung des Polizeistaats gegen die gesamte Arbeiterklasse. Nicht „Sicherheit für alle“, sondern die Sicherheit der Eliten vor einem Sturm von unten ist das Ziel dieser inneren Aufrüstung. Gleichzeitig soll der Unmut der Arbeiter gegen die Geflüchteten gerichtet werden, damit er nicht die eigentlichen Verursacher der sozialen Krise – die Regierenden und Aktionäre – trifft.
Die Grünen reagieren damit auf die Massenproteste gegen den Rechtsruck, die seit der Zusammenarbeit der CDU mit der AfD im Bundestag ausgebrochen sind. Ihre Antwort besteht nicht etwa darin, dem rechten CDU-Chef und ehemaligen Aufsichtsratschef von Blackrock nun den Rücken zu kehren, sondern sie werfen sich ihm um den Hals.
Wörtlich heißt es in Habecks Plan: „Eine solch breite Sicherheitsoffensive muss unter Demokraten verhandelt werden – nicht mit Rechtsextremisten und nicht unter der Androhung von Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten. Meine Hand für Gespräche war und ist ausgestreckt.“
Was die CDU zusammen mit der AfD umsetzen will, kann sie genauso gut mit den Grünen erreichen, so Habecks unverblümtes Angebot. Mit den selbsternannten „Demokraten“ lassen sich demokratische Grundrechte ebenso aushebeln, ohne dass man sich die Finger mit den AfD-Faschisten schmutzig macht. Auf diese Weise hoffen die Grünen auch, den Widerstand gegen den Rechtsruck besser unter Kontrolle halten zu können.
In dem 10-Punkte-Plan, den Politico in Gänze online veröffentlicht hat, schlägt Habeck mehrere Maßnahmen zur inneren Aufrüstung vor: eine „Vollstreckungsoffensive“ für über 170.000 offene Haftbefehle in Deutschland; „mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden“, darunter automatisierte Datenanalyse und biometrische Gesichtserkennung im Internet für Bundespolizei und Bundeskriminalamt; mehr Personal, moderne technische Ausrüstung und Befugnisse für die Bundespolizei; und „eine Kooperationspflicht für die Behörden von Bund und Ländern“, die zu einer noch engeren Verzahnung der Sicherheitsorgane führen würde.
„Alle Asylverfahren müssen drastisch beschleunigt werden“, so Habeck. Zugleich verlangt er eine Prüfung der Asylsuchenden auf psychische Erkrankungen in der medizinischen Erstuntersuchung, um angebliche „Gefährdungspotenziale“ früher zu erkennen. In der Realität wird damit ein weiteres Mittel geschaffen, um traumatisierte und psychisch belastete Kriegsflüchtlinge frühzeitig auszusortieren und abzuschieben.
„Nichtdeutsche Gefährder“ sollen „konsequent“ abgeschoben werden, indem man mit den Herkunftsländern besser kooperiert – also mit oftmals kriminellen Regimen, vor denen die Menschen gerade geflohen sind.
Die Grünen wollen die Abwehr von Flüchtlingen vor allem über den Ausbau der Festung Europa erreichen. Es soll eine „wirksame Eindämmung irregulärer Migration an den EU-Außengrenzen“ stattfinden, indem die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) „umgehend umgesetzt“ werde.
Die GEAS, die im Mai 2024 in den EU-Gremien beschlossen wurde, bedeutet de facto die Abschaffung des Asylrechts. Eine hermetische Abriegelung der europäischen Außengrenzen soll dazu führen, dass Geflüchtete ihr Asylverfahren außerhalb der EU in geschlossenen, militärisch bewachten Haftlagern durchlaufen.
„Europarecht durchsetzen“ lautet ein weiterer Punkt in Habecks Plan. Er will schärfer gegen EU-Staaten durchgreifen, die den Dublin-Regeln nicht folgen. Laut der Dublin-Verordnung, die nicht zum Schutz von Geflüchteten, sondern zum Zweck ihrer raschen Zurückweisung eingeführt wurde, sind die Länder für sie zuständig, wo die Geflüchteten erstmals EU-Boden betreten, d. h. Grenzstaaten wie Griechenland und Italien, nicht Deutschland.
Im letzten Punkt fordern die Grünen mehr „Migrationsabkommen“ mit den Herkunftsländern, um Flüchtlinge abzuschieben und stattdessen „dringend benötigte Fach- und Arbeitskräfte“ anzulocken. Diese perfiden Abkommen dienen der herrschenden Klasse dazu, ausgewählte Migranten ins Land zu holen, die zu niedrigen Lohnkosten und schlechten Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden können.
Die aggressive grüne „Sicherheitsoffensive“ richtet sich zwar vordergründig gegen Migranten, aber muss als Angriff auf die gesamte Arbeiterklasse verstanden werden. Der eigentliche Hintergrund für diese Offensive ist die militärische Aufrüstung, die die Regierung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und gegen ihren Willen durchsetzen muss.
Wirtschaftsminister Habeck, der zuletzt sogar eine Verdreifachung der Militärausgaben gefordert hat, und seine Parteikollegin Annalena Baerbock als Außenministerin standen in den letzten Jahren an der Spitze der verhassten Kriegs- und Kürzungspolitik der Ampel.
Arroganz und Heuchelei verbinden sich bei den Grünen mit einer offenen Verachtung für die Arbeiterklasse. Sie vertreten die Interessen der wohlhabenden Mittelschichten, die sich früher noch mit Floskeln über „Frieden“, „Menschenwürde“ oder „Vielfalt“ schmückten, heute aber schamlos und provokant eine Politik der frenetischen Aufrüstung der Bundeswehr und Polizei, der Massenentlassungen und der Angriffe auf Migranten umsetzen.
Habeck hat seine Feindschaft gegen die Arbeiterklasse selbst treffend auf den Punkt gebracht, als er sich vor einigen Jahren in die Fußstapfen des SPD-„Bluthunds“ Gustav Noskes stellte. In seinem Theaterstück „Neunzehnachtzehn“ über den Kieler Matrosenaufstand, verfasst mit seiner Frau Andrea Paluch, verherrlicht Habeck den rechten SPD-Politiker Gustav Noske.
Während der Novemberrevolution 1918 hatte Noske im Bündnis mit den Generälen die rebellierenden Matrosen und Soldaten blutig niedergeschlagen und die Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermorden lassen. „Einer muss den Bluthund machen“, hatte Noske selbst gesagt. Er wurde Reichswehrminister und mobilisierte die rechtsextremen Freikorps gegen Streiks und Aufstände.
Diesen Bluthund hat Habeck in seinem Theaterstück von 2008 nicht nur zum Helden erkoren, sondern in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur auch offen erklärt, dass er sich in Noske wiederfindet. Dessen „Changieren“ zwischen Revolution und Ordnung sei eine „Metapher für den täglichen Alltag auch als grüner Bundesvorsitzender“, schwadronierte Habeck. Seine eigenen politischen Erfahrungen habe er in das Stück einfließen lassen.
Habecks 10-Punkte-Plan atmet den Geist von Noske. Als Wirtschaftsminister ist Habeck einer der Hauptverantwortlichen für die soziale Misere im Land. Nun versucht er, die wachsende Wut darüber gegen die Schwächsten zu lenken: die Geflüchteten. Und er signalisiert der herrschenden Klasse, dass er bereit ist, die Opposition gegen Sozialkahlschlag, Faschismus und Militarismus notfalls mit brutalen polizeistaatlichen Methoden zu unterdrücken.