Vom 23. bis 26. Februar treffen sich Mitglieder der American Conference of Irish Studies (ACIS) in Savannah (Georgia) zur Jahreskonferenz dieses akademischen Verbandes. Dort soll ACIS-Vizepräsident Aidan Beatty, der an der Carnegie Mellon University lehrt und als Studienberater tätig ist, die Präsidentschaft der Organisation übernehmen.
Beattys Aufstieg zum Präsidenten der ACIS ist eine höchst merkwürdige Geschichte. Beatty schloss 2013 seine Promotion an der University of Chicago ab, wo kein einziger irischer Historiker in seinem Dissertationsausschuss Mitglied war. Zuvor hatte Beatty einen MA in jüdischer Geschichte und nicht in irischer Geschichte erworben. Und jahrelang identifizierte sich Beatty öffentlich in erster Linie als Historiker Israels und des Zionismus.
Was die irische Geschichte betrifft, so bestand der Hauptschwerpunkt von Beattys Arbeit seit seiner Dissertation darin, den israelischen Zionismus mit dem irischen Republikanismus gleichzusetzen. D. h. Beatty stellt Vergleiche an zwischen der Ideologie von Kolonialherren (zionistischen Siedlern) mit einem kolonisierten Volk (den Iren). Beide Bewegungen, so argumentiert Beatty, seien gleichermaßen auf die Erlangung der „nationalen Souveränität“ ausgerichtet.
Beatty hat diese Diffamierung der irischen Geschichte in Büchern, Artikeln, Essays und Interviews dargelegt. Sie tragen Titel wie: „Irish Questions and Jewish Questions: Crossovers in Culture“ (Irische Fragen und jüdische Fragen: Überschneidungen in der Kultur), „Sexual Fantasy and Antisemitism“, „Zionism and Irish Nationalism: Ideology and Identity on the Borders of Europe“, „Belfast is Not Here: The Israeli Press and the Good Friday Agreement“ (Hier ist nicht Belfast: Die israelische Presse und das Karfreitagsabkommen) und „A Long and Intertwined History: Irish Nationalism and Zionism“ (Eine lange und verflochtene Geschichte: Irischer Nationalismus und Zionismus).
Es ist ein Vergleich, der bei Zionisten sehr gut ankommt. Für sein „intellektuelles Projekt“ wurde Beatty wiederholt von zionistischen und israelischen staatlichen Quellen belohnt. Er erhielt im Laufe von 12 Jahren vor seiner Ernennung zum Vizepräsidenten der ACIS-Organisation im Jahr 2023 dreizehn Mal Stipendien oder andere Karrieremöglichkeiten von zehn verschiedenen pro-zionistischen oder israelischen Organisationen. Darunter sind so durch und durch zionistische Organisationen wie das Azrieli-Institut in Montreal, das Ben-Gurion-Forschungsinstitut an der Universität Negev in Israel und die Max-und-Hilde-Kochmann-Sommerschule in England. Letztere wird von Lord George Weidenfeld finanziert, den das Jewish Chronicle als den „größten Zionisten seiner Generation“ bezeichnet hat.
Dass eine Person wie Beatty den Vorsitz von ACIS übernimmt, während ein völkermörderischer Krieg gegen das palästinensische Volk geführt wird, sollte allen Wissenschaftlern in der Organisation zu denken geben, dies besonders in Anbetracht des besonderen Platzes, den das irische Volk in der modernen Weltgeschichte einnimmt.
Die irische Geschichte gründet auf einem langen und blutigen Kampf gegen den britischen Imperialismus. Er prägt alle Aspekte der irischen Kultur und Gesellschaft: die weltberühmte Literatur, die für ein Land dieser Größe ihresgleichen sucht, die Gebräuche und mündlichen Überlieferungen, eine historisch bedingte wirtschaftliche Rückständigkeit und die Tatsache, dass das Land Standort für die Kapitalflucht der Amerikaner geworden ist, der Kampf um die Erhaltung der irischen Sprache, die unbeständige Politik auf der Insel, usw.
Schließlich war Irland die erste moderne Kolonie, mit allem, was dazu gehört. Dies begann mit der erschütternden Erfahrung von Cromwells Armeen im 17. Jahrhundert und führte über die große Hungersnot in den 1840er Jahren und den brutalen Black-and-Tan-Krieg von 1919 bis 1921 bis hin zu der blutigen Gewalt des britischen Staates in Nordirland und seiner anhaltenden Teilung von Ulster.
Die Geschichte und die Erinnerung an diese Erfahrungen haben die Iren – sowohl in Irland als auch in ihrer weit verbreiteten Diaspora in Großbritannien, Nordamerika und Australien – seit langem zu einem Volk gemacht, das traditionell mit der Notlage der kolonial Unterdrückten sympathisiert. Dies drückt sich heute in der irischen Unterstützung für die Palästinenser aus, die zurzeit unter dem größten Kolonialverbrechen der jüngeren Geschichte leiden. Sie erleiden Enteignung, ethnische Säuberung und Völkermord – Verbrechen, die Israel mit voller Unterstützung Washingtons, Berlins und Londons begeht.
Diese irische Sympathie für Palästina ist für Israels Unterstützer in Washington und London ein großer Grund zur Sorge. Dies kommt in zahlreichen Medienberichten mit Schlagzeilen wie „Warum Irland eine so besonders pro-palästinensische Nation in der Welt ist“ (NPR), „Auf den Spuren der tiefen Wurzeln der irischen Unterstützung für die Palästinenser“ (NY Times), „Irische Unterstützung für Palästinenser trotz israelischer Wut ungebrochen“ (Al Jazeera) und „Warum Irland das pro-palästinensischste Land Europas ist“ (CNN).
Mit Aidan Beatty ernennt ACIS nun einen Akademiker zu seinem Präsidenten, dessen zentrales Anliegen im Laufe seiner Karriere darin bestand, diese Sympathie zu widerlegen. Wie Beatty es in einem Vortrag vor einer zionistischen Organisation im Jahr 2013 ausdrückte:
[E]s gibt wohl eine lange Literatur zu diesem Thema, die meiner Meinung nach eine sehr selektive Art Literatur sein kann, die besagt, wissen Sie, dass Israel genau wie Nordirland ist. Israelis sind genau wie die nordirischen Protestanten, aber sie sind irgendwie belagert. Sie fühlen sich belagert, umgeben von einer feindlichen, größeren Welt, sei es von irischen Katholiken oder von Arabern. Und ich bin sehr daran interessiert, das umzudrehen und zu sagen, eigentlich sind Zionisten den irischen Nationalisten sehr ähnlich. [Hervorhebung hinzugefügt][1]
Dies ist eine Verleumdung der irischen Geschichte. Dazu sagte Prof. Kerby Miller, der herausragende Historiker der Iren in Nordamerika, in einem Interview mit der World Socialist Web Site:
[D]ie Analogie zwischen dem irischen nationalistischen Widerstand gegen den britischen Imperialismus und dem palästinensischen Widerstand gegen den Zionismus ist viel zutreffender und historisch viel genauer als Beattys Analogie zwischen dem irischen Nationalismus und dem Zionismus selbst. Sowohl die Iren als auch die Palästinenser sind Opfer des „Siedlerkolonialismus“ geworden – einschließlich völkermörderischer Methoden –, wobei Ersterer von den Briten, insbesondere in Ulster, und Letzterer vom Zionismus mit britischer und jetzt amerikanischer Komplizenschaft aufgezwungen wurde. Daher scheint mir die Analogie, die Beatty herstellt, ziemlich falsch zu sein. Sie erscheint mir bizarr. Sie erscheint mir fast obszön.
Kurioserweise ist es nicht das erste Mal in der Geschichte von ACIS, dass ein junger Akademiker einen so kometenhaften und zweifelhaften Aufstieg erlebt. In den 1980er Jahren war Raymond J. Raymond, der an der University of Connecticut lehrte, bis er als Plagiator entlarvt wurde, auf dem Weg an die Spitze von ACIS (damals American Committee of Irish Studies), und er hatte zuvor schon die Präsidentschaft der Region New England der Organisation übernommen.
Raymond war, wie Beatty heute, ein Revisionist, der Vertreter einer intellektuellen Strömung, die versucht, die Verbrechen des britischen Imperialismus in Irland herunterzuspielen (in Beattys Fall, indem er die zionistischen Kolonisatoren Palästinas nicht mit den Briten, sondern mit den Iren vergleicht!).
Raymond argumentierte insbesondere, dass mehrere „nationalistische Mythen“ unter irischen Amerikanern widerlegt werden müssten. Solche Mythen seien: „Die Geschichte Irlands ist eine Geschichte britischer Unterdrückung“; „Die britische Präsenz in Irland ist für das irische Volk katastrophal“; und: „Die Freiheit Irlands musste durch Gewalt erreicht werden.“
Nachdem Raymond in der akademischen Welt in Ungnade gefallen war, stellte das britische Außenministerium ihn ein. Er stieg in der Propaganda-Bürokratie des British Information Services auf und erreichte schließlich den Status eines Vizekonsuls des britischen Konsulats in New York und eines „Beraters des britischen Premierministers Tony Blair“.[2]
Beatty steigt, wie Raymond, schnell bei ACIS auf und fördert eine revisionistische Wissenschaft, die den irischen Nationalismus verunglimpft. Obwohl Beatty bislang nicht des Plagiats beschuldigt wurde, hat auch er – wie Raymond – wissenschaftliche Standards missachtet.
Beattys jüngstes Buch, „The Party is Always Right“, ist ein verleumderischer Angriff, zusammengesetzt aus sehr groben Erfindungen und Verleumdungen des langjährigen britischen Trotzkistenführers Gerry Healy (1913-1989). Angesichts von Beattys Hintergrund als Historiker des Zionismus und des irischen Nationalismus scheint das Thema seines Buches eine sonderbare Wahl zu sein. Tatsächlich gibt es nur folgende Verbindungen zu Beattys „Fachgebieten“: Erstens, dass Healy ein lebenslanger Verteidiger des palästinensischen Volkes und der unterdrückten arabischen Massen war. Und zweitens, dass Healy in Irland geboren wurde, von wo er 1926 im Alter von 12 oder 13 Jahren nach Wales auswanderte.
Erstaunlicherweise befasst sich Aidan Beatty, der selbsternannte irische Historiker, in seinem Buch, in dem er Healy angreift, gerade mal auf ganzen zwei Seiten mit der irischen Geschichte. Doch in diesen wenigen Absätzen fälscht Beatty Referenzen, zitiert er keine einzige Archivquelle und schafft er es, die irische Geschichte völlig falsch darzustellen. So präsentiert er das Galway von Healys Jugend in den Jahren 1916–1922 – eine Zeit des Aufstands, von Revolutionen, Besatzung und Bürgerkrieg – als ein idyllisches Paradies.
Tatsächlich hat Beatty für „The Party is Always Right“ keinerlei eigene Recherchen zu Irland durchgeführt. Eine Untersuchung seiner Quellen ergab, dass seine einzige Primärquelle zur irischen Geschichte die Kuratorin einer ancestry.com-Seite namens Marie Monaghan ist, mit der er einen E-Mail-Austausch hatte! Was Beattys Verharmlosung der Gewalt in Galway betrifft, so hat die WSWS dies bereits gründlich aufgedeckt.
Wir gehen davon aus, dass Aidan Beattys Ernennung zum ACIS-Präsidenten eine reine Formsache ist, da er in seiner derzeitigen Funktion als Vizepräsident bereits als designierter Präsident fungiert. Dennoch hoffen wir sehr, dass die Mitglieder Ihrer Organisation auch zu diesem späten Zeitpunkt noch den Mut finden, gegen die Ernennung dieses zweifelhaften und unqualifizierten Kandidaten zum Präsidenten zu protestieren und sich ihr zu widersetzen.
Zur weiteren Information der ACIS-Mitglieder über Beatty und seine Arbeit empfehlen wir die folgende Artikel, die auf der World Socialist Web Site veröffentlicht worden sind:
- Aidan Beattys Machwerk: Die Israel-Zionismus-Connection
- Verleumdung vs. Biografie: Wie Aidan Beatty die Geschichte von Gerry Healys Kindheit und Familie in einem Jahrzehnt der Rebellion und des Bürgerkriegs verfälscht
- Die Fabrikation einer Verleumdung: Aidan Beatty fälscht die Geschichte von Gerry Healys Jugend – und Irlands
- Historian Kerby Miller discusses Aidan Beatty and the writing of Irish history
„Aidan Beatty -,Belfast is Not Here‘: Israel‘s Perspective on the Northern Irish Peace Process - YouTube.“ Abgerufen am 18.November 2024. https://www.youtube.com/watch?v=nsT1EoXv48M
Meehan, Niall, and Kerby A. Miller. “‘For God and the Empire: An Irish Historian’s Rapid Rise, Strange Fall, and Remarkable Resurrection.” Field Day Review 7 (2011): 150–69
Mehr lesen
- Ein Machwerk der Geschichtsfälschung: Aidan Beattys The Party Is Always Right: The Untold Story of Gerry Healy and British Trotskyism
- Verleumdung vs. Biographie: Wie Aidan Beatty die Geschichte von Gerry Healys Kindheit und Familie in einem Jahrzehnt der Rebellion und des Bürgerkriegs verfälscht
- Die Fabrikation einer Verleumdung: Aidan Beatty fälscht die Geschichte von Gerry Healys Jugend – und Irlands