Israel schafft im Westjordanland mit Trumps Unterstützung ein zweites Gaza

Die rechtsextreme israelische Regierung des angeklagten Kriegsverbrechers Benjamin Netanjahu hat unter dem Deckmantel der Waffenruhe in Gaza eine Militäroffensive begonnen, die sich auf das Flüchtlingslager in Dschenin im Norden des besetzten Westjordanlands sowie die Städte Tulkarem und Tammun konzentriert.

Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) haben im Rahmen der Operation „Eiserne Mauer“ in Dschenin und Tulkarem ganze Stadtteile mit massiven Luft- und Drohnenangriffen pulverisiert, zehntausende Palästinenser zur Flucht gezwungen und eine neue Welle von Hausdurchsuchungen und Massentötungen begonnen.

Nach einer von der israelischen Armee ausgelösten Explosion im Flüchtlingslager Dschenin am 2. Februar 2025 steigen Rauchschwaden auf [AP Photo/Majdi Mohammed]

Die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Haq warnte, dass Israel im Westjordanland viele derselben Taktiken einsetzt wie schon in Gaza: „Israels völkermörderische Taktiken zur Vernichtung der palästinensischen Gruppe sind auch im Westjordanland, einschließlich Jerusalem, weiter zu sehen.“ Die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Palästinensergebiete, Francesca Albanese, sprach auf X eine ähnliche Warnung aus: „Wenn Israel nicht gezwungen wird aufzuhören, wird Israels Völkermord an den Palästinensern nicht auf Gaza beschränkt bleiben. Merken Sie sich meine Worte.“

Die Operation der IDF begann am 21. Januar. Nur wenige Wochen zuvor hatte der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, als Erfüllungsgehilfe Israels eine vierwöchige Operation gegen militante Kämpfer in der Region Dschenin durchgeführt, bei der Dutzende getötet und Tausende vertrieben wurden. Zudem kam es zu großflächigen Ausfällen der Wasser- und Stromversorgung.

Die IDF gingen weitaus zerstörerischer vor. Sie attackierten 23 Gebäude im Flüchtlingslager Dschenin, die angeblich von „Aufständischen“ benutzt werden, und zerstörten alle Straßen zum Lager sowie einige der Straßen innerhalb des Lagers. Diese Taktik, die in Gaza häufig angewandt wird, zielt darauf ab, die Straßen breiter zu machen, damit die IDF leichter mit gepanzerten Fahrzeugen darauf fahren können, und um das Lager in getrennte Enklaven aufzuteilen.

Fast 90 Prozent der Bewohner des Lagers musste fliehen, und viele von ihnen suchten Zuflucht in Städten und Dörfern im Gouvernement Dschenin. Al-Haq erklärte dazu: „Die noch verbliebenen Familien leben in großer Gefahr, ohne Zugang zu Wasser, Strom und anderen grundlegenden Dienstleistungen.“

Das israelische Militär setzte außerdem seine groß angelegten Angriffe auf die Stadt Tulkarem und das dortige Flüchtlingslager im westlichen Westjordanland fort und beschädigte dabei in großem Umfang die Infrastruktur und ziviles Eigentum. Es stürmte mehrere Gebiete des Gouvernements Ramallah und griff in der Altstadt von Hebron zwei Palästinenser an, die Brot verteilten, und verhaftete sie.

Ebenfalls im Norden der Region setzte das israelische Militär seine Offensive in Tammun und im Flüchtlingslager Far'a fort und führte unter dem Schutz von Luft- und Drohnenangriffen auf verschiedene Bereiche der Stadt Hausdurchsuchungen durch. Berichten zufolge leiden die Einwohner unter schweren Versorgungsengpässen und einem nahezu vollständigen Stromausfall.

Genau wie in Gaza waren auch hier Angriffe der IDF auf Krankenhäuser, medizinisches Personal und Patienten das besondere Merkmal der Kampagne. Die Armee belagerte das staatliche Krankenhaus von Dschenin, nachdem sie bei früheren Überfällen bereits den Haupteingang und die Hauptstraße zum Krankenhaus mit Bulldozern zerstört hatte. Sie feuerte Blendgranaten direkt auf einen Krankenwagen, der zu einem Einsatz ausrückte, und in der Stadt Beita wurde ein Sanitäter bei einer Razzia verwundet. Auch das Thabet Thabet Governmental Hospital wurde belagert.

Ärzte ohne Grenzen veröffentlichten einen Bericht mit dem Titel Inflicting Harm and denying care, in der sie unter Berufung auf Daten der Weltgesundheitsorganisation belegen, dass es in den ersten zwölf Monaten seit Beginn des Kriegs in Gaza zu 647 Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen und Personal im Westjordanland gekommen ist. „Israelische Truppen kesselten regelmäßig Krankenhäuser, Flüchtlingslager und Dörfer ein, womit sie den Zugang zu medizinischer Versorgung in beispiellosem Maße behinderten.“

Laut dem Gesundheitsministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde wurden bei der Operation der IDF in der Region Dschenin 25 Menschen getötet und 65 weitere verwundet. Mindestens zehn weitere Menschen wurden in anderen Städten getötet, dazu wurden 100 Personen verhaftet. Die Gesamtzahl der Toten im Westjordanland steigt damit auf 70 seit Beginn des Jahres und auf über 900 seit Oktober 2023.

All dies kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Israels Verbot des UNRWA, des wichtigsten Hilfswerks der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Palästina, in Kraft tritt, das sie daran hindert, in Gaza, dem Westjordanland und Ost-Jerusalem tätig zu sein. Hilfsorganisationen haben vor den katastrophalen Auswirkungen auf die Hilfslieferungen gewarnt, die die regionale Stabilität gefährden könnten. Das UNRWA leistet wichtige Hilfe und öffentliche Dienstleistungen, u.a. in den Bereichen Gesundheit und Bildung, für etwa 2,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge in Gaza, dem besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem, sowie für weitere drei Millionen Flüchtlinge in Syrien, Jordanien und dem Libanon.

Im vergangenen August hatte der damalige Außenminister und heutige Verteidigungsminister Israel Katz gefordert, Israel müsse im Westjordanland „mit der gleichen Entschlossenheit“ wie in Gaza „Terroristen“ ausrotten, und rief zur „vorübergehenden Evakuierung der palästinensischen Bewohner und zu allen notwendigen Maßnahmen“ auf. In jüngerer Zeit hat er angedeutet, die IDF wolle den bewaffneten Widerstand im Flüchtlingslager Dschenin eliminieren, damit „der Terrorismus nach dem Ende der Operation nicht in das Lager zurückkehrt – die erste Lehre aus der Methode wiederholter Razzien in Gaza“. Er erklärte, die IDF werde auch nach Ende der Operation im Flüchtlingslager Dschenin verbleiben.

Vor einigen Wochen hatte der Finanzminister und Führer der Partei Religiöser Zionismus, Bezalel Smotrich, gefordert, die IDF solle in Dschenin mit der gleichen Gewalt vorgehen wie in Gaza: „Funduq, Nablus und Dschenin müssen wie [das Flüchtlingslager] Dschabaliya [in Gaza] aussehen.“

Das israelische Onlinemagazin +972 veröffentlichte eine Studie der israelischen NGO Kerem Navot, die Israels Enteignung von palästinensischem Land im Westjordanland überwacht. Sie zeigt, dass mindestens 57 palästinensische Gemeinden – hauptsächlich im nördlichen Jordantal, östlich von Ramallah, südöstlich von Bethlehem und in den südlichen Hügeln von Hebron – seit Beginn das Kriegs in Gaza aufgrund von Angriffen israelischer Siedler gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen. Von ihnen sind sieben teilweise vertrieben, weitere 50 wurden völlig von der Landkarte getilgt.

Laut Schätzungen von Kerem Navot und Peace Now haben israelische Siedler mindestens 41 Siedleraußenposten und Tierzuchtbetriebe im Westjordanland errichtet, mindestens zehn davon wurden in der Nähe von palästinensischen Gemeinden errichtet, die von ihrem Land fliehen müssen. Die Siedler haben auch „Beobachtungsposten“ gebaut oder israelische Flaggen aufgestellt, um die Palästinenser an der Rückkehr auf ihr Land zu hindern. Laut dem Bericht von Ärzte ohne Grenzen haben sie den Zugang der Palästinenser zur Gesundheitsversorgung behindert, Gesundheitspersonal eingeschüchtert und angegriffen und Straßensperren errichtet, von denen besonders die abgelegenen Gemeinden betroffen sind.

Das alles geschieht in Zusammenarbeit mit den IDF. Es geht nicht mehr darum, dass Siedler in Zivil Palästinenser und ihren Besitz belästigen und angreifen, sondern dass bewaffnete Siedler in Uniform ihre Rolle als Armeereservisten ausnutzen. Sie führen brutale Überfälle durch, dringen in Häuser ein, stehlen Vieh und verhaften sogar Palästinenser sowie israelische und internationale Aktivisten, die die wehrlosen Schafhirtengemeinden unterstützen wollen. Im Dezember forderten Siedlerführer die Regierung auf, im Westjordanland eine Operation „wie in Gaza “ durchzuführen.

Letzten Monat randalierten Dutzende von maskierten Israelis im Dorf Al-Funduq und setzten das Eigentum von Palästinensern und einen Kindergarten in Brand. Sie umstellten ein Haus, in dem sich eine Familie befand, und warfen mit Steinen. In dem nahegelegenen Dorf Jinsaput randalierten Siedler und setzten Gebäude und Fahrzeuge in Brand. Niemand wurde verhaftet.

Die ultranationalistische Siedlerbewegung hat nicht nur grünes Licht von Israels rechtsextremen Politikern bekommen, sondern auch die offene Unterstützung der Trump-Regierung.

In den drei Wochen seit seiner Amtsübernahme hat Trump das Verbot der Biden-Regierung aufgehoben, Israel – trotz eines angeblichen Waffenstillstands – 2.000-Pfund-Bomben zu liefern, ebenso die Sanktionen gegen Siedler und die Gruppen, die für Landraub und Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland verantwortlich sind. Er hat Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof verhängt, dem er vorwirft, durch seine Anklage gegen Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen Israel und die USA anzugreifen. Zudem forciert er die Bestrebungen, bei den UN das UNRWA zu ersetzen.

Am Freitag teilte das US-Außenministerium dem Kongress mit, es plane Israel ein Waffenpaket im Wert von über 7,4 Milliarden Dollar zu verkaufen, darunter Tausende von Bomben und Raketen, die „Israels Kapazität erhöhen werden, auf aktuelle und künftige Bedrohungen zu reagieren, die Landesverteidigung zu stärken und als Abschreckung gegen regionale Bedrohungen zu dienen“. Damit bestätigt sich Israels Rolle in der Region als Washingtons Kampfhund.

Israels ehemaliger Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der aus Protest gegen den Waffenstillstand in Gaza zurückgetreten war, begrüßte diesen Schritt. Er fügte hinzu: „Der Staat Israel freut sich auf eine weitere produktive Zusammenarbeit, um unsere nationale Sicherheit weiter zu verbessern, die Siedlungen in allen Teilen unseres Heimatlandes auszuweiten und Israels Ansehen in der Welt zu stärken.“

Trump hat erklärt, er werde in vier Wochen eine Erklärung zu Israels Annektierung des Westjordanlands abgeben. Seine frühere Initiative „From Peace to Prosperity“, die er 2020 verkündet hatte, billigte Israels einseitige Annektierung von mehr als einem Drittel des Westjordanlands, was seither von Vertretern seiner Regierung unterstützt wird. Dazu gehören der von ihm vorgeschlagene Botschafter für Israel, der evangelikale Christ Mike Huckabee, der bereits früher erklärt hatte, Israel habe ein „Recht“ auf das Westjordanland, das er mit den hebräischen und biblischen Namen Judäa und Samaria bezeichnete, und Elise Stefanik, ebenfalls eine evangelikale Christin und designierte UN-Botschafterin.

Trump erklärte mit Blick auf Israels Größe: „Es ist ein ziemlich kleines Stück Land, und wenn man darüber nachdenkt, ist es erstaunlich, was sie alles erreicht haben. Es gibt viele gute, kluge Köpfe. Aber es ist ein sehr kleines Stück Land, keine Frage.“ Letzten August erklärte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Jersey: „Es ist wirklich ein winziger Fleck. Ich habe sogar gesagt: ,Gibt es eine Möglichkeit, mehr zu bekommen?‘“