Am letzten Samstag beteiligten sich 175.000 Menschen in Großbritannien an der 24. landesweiten Demonstration gegen Israels Krieg in Gaza.
Die Teilnehmerzahl war höher als bei den letzten Demonstrationen – ein Zeichen für die große Wut in der Bevölkerung nach den jüngsten Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump. Er hatte offen die ethnische Säuberung Gazas gefordert und Israel ermutigt, dort „die Hölle“ loszulassen. Die Demonstranten verurteilten auch die Labour-Regierung von Sir Keir Starmer wegen ihrer anhaltenden Unterstützung der Kriegsverbrecher in der israelischen Regierung und seines Kniefalls vor Trump.

Tausende nahmen das Flugblatt der Socialist Equality Party (SEP) „Trumps Plan zur Annexion des Gazastreifens und die Rückkehr der imperialistischen Barbarei“ mit. Viele blieben am Stand der SEP stehen, um Literatur zu kaufen und über den weiteren Weg im Kampf gegen Völkermord und Krieg zu diskutieren, und unterstützten die Analyse und das Programm der SEP für eine sozialistische Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse. Besonders bewegt waren sie von dem Fall des Kriegsgegners und Trotzkisten Bogdan Syrotjuk, der wegen seiner politischen Aktivitäten in der Ukraine inhaftiert ist.
Wie immer herrschte eine große Kluft zwischen der militanten Stimmung unter den demonstrierenden Arbeitern und Jugendlichen und der bankrotten Politik der Organisatoren. Nur ein kleiner Prozentsatz blieb stehen, um sich die Reden auf der Kundgebung nahe der amerikanischen Botschaft anzuhören. Redner waren u. a. der Guardian-Journalist Owen Jones, die suspendierte Labour-Abgeordnete Zarah Sultana, der Vorsitzende der National Education Union Daniel Kabede und der Vorsitzende der Palestine Solidarity Campaign Ben Jamal.
Der Stalinist Andrew Murray, der im Namen der Stop the War Coalition sprach, fasste ihre Argumentationslinie folgendermaßen zusammen: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Das palästinensische Volk wird nirgendwo hingehen, und wir werden ihm beistehen. Und wenn sie die Fahne der Unabhängigkeit und der Befreiung gegen das britische Empire und 78 Jahre lang gegen den israelischen Kolonialismus und sein aggressives Apartheidsystem hochgehalten haben, wird ein pensionierter Baulöwe aus New York sie nicht besiegen.“
Das ist keine politische Perspektive, sondern ein Gebet. Ob das palästinensische Volk von Besatzung und Unterdrückung befreit wird oder einer ethnischen Säuberung zum Opfer fällt, ist kein Glaubensgrundsatz, sondern eine Frage des Kampfs, der Perspektive und der politischen Führung.
Die Palästinenser stehen vor einer Katastrophe, weil jahrzehntelang die bankrotte Führung der bürgerlich-nationalistischen Fatah dominiert und die Grundlage für die verheerende politische Vorherrschaft der islamistischen Hamas in Gaza geschaffen hat.
Es braucht eine Führung, die eine internationale Bewegung der palästinensischen und israelischen, der jüdischen und arabischen Arbeiter mobilisieren kann – als Teil eines globalen sozialistischen Kampfs der Arbeiterklasse gegen den Imperialismus und seine Klientelstaaten einschließlich der mitschuldigen arabischen Regime.
Das ist von entscheidender Bedeutung, da heute mit der Neuaufteilung der Welt, ihrer Bevölkerung und Ressourcen der Abstieg in die Barbarei droht. Diese Realität verschleiert Murray jedoch, indem er den Völkermord in Gaza als Fortsetzung der Erfahrungen der letzten 78 Jahre darstellt und nicht als wesentliche Veränderung der israelischen und der imperialistischen Außenpolitik im Nahen Osten.
Israels Verbrechen sind Teil einer umfassenderen, von den USA unterstützten Operation, die darauf abzielt, die vom Iran angeführte „Achse des Widerstands“ zu zerschlagen, als Vorbereitung für eine direktere militärische Aggression gegen den Iran. Washington betrachtet Teheran als Hindernis auf dem Weg zu seinem Krieg gegen China, das die USA als Herausforderer ihrer globalen Vorherrschaft ausschalten wollen.
Die Beseitigung jedes auch nur nominell palästinensisch kontrollierten Gebiets ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Plans, wobei Israel derzeit seine Annexionspolitik und die ethnische Säuberung sowohl in Gaza als auch im Westjordanland verschärft.
Trump ist ein begeisterter Befürworter dieser Agenda, die von den rechtesten Teilen der israelischen herrschenden Klasse und Bevölkerung verfolgt wird, mit denen seine Regierung enge Beziehungen pflegt. Und er hat enorme Macht zur Verfügung, um sie umzusetzen.
Trump ist nicht einfach ein „pensionierter New Yorker Baulöwe“, sondern der Präsident der Vereinigten Staaten und verfolgt derzeit einen Plan, um jede verfassungsmäßige Kontrolle seiner Exekutivpräsidentschaft zu beseitigen und sich den Status eines Diktators zu verleihen. Israel hat soeben die nächste Lieferung von 2000 Bomben erhalten, die Präsident Joe Biden aufgrund der Empörung in der Bevölkerung zurückgehalten hatte. Trump hat sie nur wenige Tage nach seiner Amtsübernahme bewilligt.
Um die Bedrohung durch den US-Imperialismus und seine faschistisch-zionistischen Stellvertreter abzuwenden, muss die größte gesellschaftliche Kraft organisiert werden: die internationale Arbeiterklasse. Doch die Redner bei den landesweiten Demonstrationen haben diesen entscheidenden Faktor in der Weltlage nicht erwähnt.
Das ist bei niemandem so offensichtlich wie bei dem ehemaligen Labour-Parteichef Jeremy Corbyn. Ähnlich wie Murray erklärte er der Menge: „Das palästinensische Volk kann und wird niemals aus Palästina vertrieben werden.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Angriff auf Gaza habe „gezeigt, dass die Menschen nicht aufgeben und nicht verschwinden werden“. Die Palästinenser würden „in Trümmerhaufen zurückkehren, wo die Straßen mit Abwasser überschwemmt sind und darunter die Leichen zum Vorschein kommen“. Sie würden es „mit Hoffnung, mit Liebe, mit Zuneigung tun. Und die nächste Generation palästinensischer Kinder wird ebenfalls Gedichte schreiben und Musik machen, und sie werden den Rest der Welt inspirieren. Unsere Solidarität darf niemals aufhören. Unsere Demonstrationen werden so lange weitergehen, wie die Besetzung andauert. Wir sind für immer die Freunde des palästinensischen Volks.“
Was wird hier den Arbeitern und Jugendlichen geboten, die über die Verbrechen entsetzt sind, deren Zeugen sie seit mehr als einem Jahr sind, und die die Täter vor Gericht bringen und dieser Unterdrückung ein für alle Mal ein Ende setzen wollen? Das politische Programm wird durch eine Predigt ersetzt.
Eine echte Solidarität mit den Palästinensern in Großbritannien kann nur die Solidarität einer neuen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse sein. Deren erstes Prinzip wäre ein unablässiger politischer Kampf gegen die Labour-Regierung, die Corbyn wieder einmal nicht erwähnte.
Was Murray betrifft, so wiederholte er den vergeblichen Appell, den er während des Massakers in den letzten 16 Monaten immer wieder gemacht hat: „Wir sollten auch unserer Regierung, Starmer und Lammy, sagen: Schweigen ist Komplizenschaft. Verurteilen Sie Trumps Plan laut oder Sie sind mitschuldig an ethnischer Säuberung und Völkermord.“
Wie jeder weiß, haben Starmer und Lammy nicht geschwiegen, sondern sind lautstarke Unterstützer von Donald Trump ebenso wie des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seines Massenmords namens „Selbstverteidigung“. Murray versucht seinen Zuhörern einzureden, diese rechten Reaktionäre – Unterstützer des Völkermords im Nahen Osten, Kriegstreiber in der Ukraine und Hetzer gegen Immigranten im Inland – könnten durch moralische Appelle dazu gebracht werden, diese Politik aufzugeben.
Die Hinwendung der imperialistischen Mächte zu den offensten Formen von Kolonialismus und räuberischen militaristischen Zielen – angeheizt durch Sparmaßnahmen im Inland und verbunden mit dem Erstarken der extremen Rechten – wird zu explosiven sozialen Kämpfen führen. Dieser Prozess wird die Grundlage für ein Wiederaufleben des Klassenkampfs und der Antikriegstraditionen der Arbeiterklasse bilden, für die sozialistische Arbeiter und Jugendliche kämpfen müssen.
Davon hängt die Befreiung der Palästinenser und aller unterdrückten und vom Krieg heimgesuchten Völker ab.