Apsilons Album „Haut wie Pelz“: Erfrischend kritischer Deutschrap

Apsilon: Haut wie Pelz

In einer Zeit, in der große Teile der Musikindustrie, darunter auch der Deutschrap, inhaltsleere Werke nach Schema F produzieren, sticht das Album „Haut wie Pelz“ von Apsilon erfrischend aus der Masse hervor. Das Album hat großen Zuspruch erhalten: Die Videos dazu verzeichnen hunderttausende Aufrufe, und kurz nach der Veröffentlichung im Oktober 2024 landete das Album in den Top 10 der deutschen Charts. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich viele Hörer nach tiefgehender Musik sehnen.

Der 1997 geborene Apsilon (bürgerlicher Name Arda Yolci) lebt in Berlin und wuchs in Moabit auf, als Enkel türkischer Gastarbeiter. Die Lebensrealität seiner Familie schildert er eindrücklich in 14 Songs.

Schon im Intro „Koffer“ setzt sich Apsilon mit der in Deutschland von Politik und Medien geschürten fremdenfeindlichen Stimmung auseinander. Im dazugehörigen Video wird die Geschichte eines ermordeten Taxifahrers erzählt – eine Anspielung auf den 1998 ermordeten Bekir G., was durch das Einblenden eines Zeitungsberichts deutlich wird. Die Geschichte im Video spielt ein halbes Jahr nach den rassistischen Brandanschlägen in Mölln und kurze Zeit nach den rechtsextremen Morden in Solingen. Während der Protagonist im Taxi einen Radiobericht über die Anschläge hört, gerät er mit einem Kunden in Streit, der diese Berichte nicht hören will. Nach einem kurzen Wortgefecht äußert sich der Fahrgast abfällig über Migranten – und drückt schließlich ab. Das Opfer ist ein enger Verwandter von Apsilon. „Onkel fährt nachts Fremde rum für Geld / Stirbt durch fremde Kugeln“, heißt es im Outro des Songs.

Auch in den 1990er Jahren wurde die frisch vereinigte Bundesrepublik von einer Welle faschistischer Gewalt erschüttert. Politik und Medien schürten diese gezielt, um die Wut über den sozialen Kahlschlag insbesondere in den neuen Bundesländern in rechte Kanäle zu lenken – weg von den Herrschenden, hin zu den Ärmsten der Armen. Die etablierten Parteien nutzten die Anschläge, um eine Kampagne gegen das Asylrecht zu führen, während Politiker durchgehend rassistische Äußerungen von sich gaben.

Neben seiner eigenen Familiengeschichte verarbeitet Apsilon auch aktuelle politische Entwicklungen. Zwei Jahre nach der rechtsextremen Mordtat von Hanau im Februar 2020, bei der ein Rechtsterrorist in einem Kiosk und einer Shishabar neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordete, trat Apsilon auf einer Gedenkdemonstration in Berlin auf. Die FAZ zitierte ihn mit den Worten: „Das hätten auch meine Cousins und Cousinen sein können.“ Auch die aktuellen Remigrationspläne der AfD und deren Übernahme durch die etablierten Parteien hätten ihn politisiert.

Apsilon greift auf dem Album auch die Frage nach Krieg und Gewalt auf. „Hör', wie weit entfernt der Tod aus Wolken fällt auf kleine Herzen“, rappt er in „Lost in Berlin“ – eine Zeile, die einen mit Schaudern an die ermordeten Kinder im Gazastreifen denken lässt. Es ist eine positive Entwicklung, wenn sich Künstler heutzutage mit der Kriegsfrage auseinandersetzen. Die imperialistischen Mächte – allen voran Deutschland – treiben mit der Eskalation des Stellvertreterkriegs gegen Russland und der bedingungslosen Unterstützung Israels, das seinen genozidalen Krieg zunehmend auf die gesamte Region ausweitet, die Welt an den Rand eines dritten, atomar geführten Weltkriegs.

Auch gegen Krieg engagiert sich Apsilon aktiv. Im vergangenen Jahr veranstaltete er gemeinsam mit der Sängerin Paula Hartmann ein Benefizkonzert, dessen Einnahmen an die Organisation Cadus e.V. gingen. Diese leistet humanitäre Hilfe in Kriegs- und Krisengebieten wie der Ukraine und dem Gazastreifen.

Apsilons zentrale Themen – Fremdenfeindlichkeit und soziale Ungerechtigkeit – lassen sich nur im Zusammenhang mit der Kriegsfrage vollständig verstehen. Die massive Aufrüstung Deutschlands erfordert enorme finanzielle Mittel, die durch drastische Sozialkürzungen finanziert werden. Um die daraus entstehende Wut zu kanalisieren, hetzt die Kapitalistenklasse gegen migrantische Teile der Bevölkerung und versucht so, die Arbeiterklasse zu spalten. Dabei knüpft sie an ihre alten faschistischen Traditionen an. So rappt Apsilon in „Köfte“, einem seiner stärksten Songs aus dem Jahr 2022:

Opa für drei Groschen am Tag malochert Jeden Monat bis zur Ohnmacht für den Tagelohn, ah Kohlenstaub geschluckt für euren Nachkriegswohlstand

Minusgrade draußen, Minusgrad im Torax Einsame Kanaken in 'ner Arbeiterbaracke, ah Tag für Tag am Ackern für das Kapital in Taschen vom Gleichen Pack, das dreißig Jahre vorher ohne Wimpernzucken Menschen in die Gaskammern verfrachtet hatte

Und während Molotows auf die Unterkünfte prasseln Auf der Arbeit und beim Amt immer lachen, immer lachen Und der Enkel kriegt kein'n Job und keine Wohnung wegen des Namens Bei den Enkeln der Fabrikbesitzer, die die Großeltern damals ausgebeutet hab'n

Apsilon erzählt auch vom harten Leben seiner Großeltern und Eltern. Im Outro berichtet er, wie seine Großeltern in den 1970er Jahren als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben – und dafür sogar kurzfristig ihre Tochter in der Türkei bei der Familie zurückließen. Doch statt eines besseren Lebens erwarteten sie in Deutschland vor allem harte Arbeit, für die sie wenig bis nichts zurückbekamen – außer der bereits erwähnten rassistischen Politik. In einem Song heißt es:

Mama kam dann auch nach Deutschland Lernt die Sprache, lernte Deutsch, ja Zu 'Nichts in der Hand haben' Sagt man hierzulande 'Neustart' Hat sich dann verliebt in Baba Zumindest gemeinsam einsam Spree-Wasser bis zum Hals Und der Fernseher zeigte ei'm nachts Häuser brenn'n, Menschen jubeln, hah Essen schmeckt nach Blut Onkel fährt nachts Fremde rum für Geld Stirbt durch fremde Kugeln

Auch in „Baba“ rappt Apsilon auf eindringliche Weise davon, wie die Hürden des Lebens seinen Vater zu einem nach außen harten Menschen gemacht haben, der Schwierigkeiten hat, Emotionen zu zeigen – und welche Auswirkungen das auf ihn selbst hatte. Der Refrain des Songs wird von Freunden Apsilons gesungen.

„Haut wie Pelz“ ist kein Album, das man beiläufig hört, wie so viele austauschbare Werke anderer Künstler. Doch genau darin liegt seine Stärke. Es begnügt sich nicht mit Oberflächlichkeiten – abgesehen von einigen Feature-Parts – sondern versucht, die Realität für Millionen von Menschen darzustellen, ohne sie zu verherrlichen. Um den herausragenden Marxisten Woronski und sein Werk „Die Kunst, die Welt zu sehen“ zu paraphrasieren: „Haut wie Pelz“ zeichnet ein wahrhaftiges Bild der Realität, die der Künstler beschreibt.

Gleichzeitig ist das Album musikalisch auf einem ansprechenden Niveau. Apsilon variiert seinen Stil, wechselt zwischen gesungenen Hooks und gerappten Parts. Auch die Beats sind abwechslungsreich und passen stets zur Stimmung der jeweiligen Songs. Ein musikalisch und inhaltlich gelungenes Werk.

Apsilon ist Teil einer neuen Generation im Deutschrap, die sich kritisch mit gesellschaftlichen und sozialen Problemen auseinandersetzt – dazu gehören auch OG Keemo, Luvre47 und Disastar. Sie alle haben Stärken, aber auch Schwächen, die historisch und gesellschaftlich bedingt sind. Apsilon tendiert etwa dazu, die Spaltung migrantischer und einheimischer Arbeiter zu reproduzieren, wenn er voller (berechtigter) Wut über die „braven Deutschen“ rappt. Vor allem fehlt den jungen Musikern oft ein klares Verständnis für den Zusammenhang zwischen der rechten Entwicklung, die sie so scharf kritisieren, und der Krise des Kapitalismus – und damit auch eine klare Perspektive. Doch ihre Kunst und die Reichweite, die sie erzielt, sind insgesamt eine gesunde und unterstützenswerte Tendenz.